Literatur Schöne Lyrik

Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
Thomas Stecher liest "Weihnachten" von Hermann Hesse



DSC00663.JPG

Frohe Weihnachten wünscht

Roxanna
Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Roxanna vom 24.12.2022, 10:54:30

@Roxanna - Danke für den besonderen Weihnachtsgruß!
Ich wünsche auch Dir ein frohes und besinnliches Fest!

LG Helga

 

Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Drei Könige.jpg

Die heiligen Drei Könige
(Heinrich Heine)

Die heiligen Drei Könige aus dem Morgenland,
sie frugen in jedem Städtchen:
“Wo geht der Weg nach Bethlehem,
ihr lieben Buben und Mädchen?”

Die Jungen und Alten, sie wussten es nicht,
die Könige zogen weiter,
sie folgten einem goldenen Stern,
der leuchtete lieblich und heiter.

Der Stern bleibt stehn über Josefs Haus,
da sind sie hineingegangen;
das Öchslein brüllt, das Kindlein schrie,
die heiligen Drei Könige sangen.


Ich wünsche allen Mitglieder der Lyrikgruppe ein gesegnetes Weihnachtsfest. 
Hoffen wir alle dass es recht bald Frieden für alle Menschen geben wird.

Liebe Grüße
Helga




 

Anzeige

Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC04807.JPG

Laß ab von diesem Zweifeln, Klauben

Laß ab von diesem Zweifeln, Klauben,
Vor dem das Beste selbst zerfällt,
Und wahre dir den vollen Glauben
An diese Welt trotz dieser Welt.

Schau hin auf eines Weibes Züge,
Das lächelnd auf den Säugling blickt,
Und fühl's, es ist nicht alles Lüge,
Was uns das Leben bringt und schickt.

Und, Herze, willst du ganz genesen,
Sei selber wahr, sei selber rein!
Was wir in Welt und Menschen lesen,
Ist nur der eigne Widerschein.



Theodor Fontane (1819 - 1898),
 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
Alter Friedhof 003.jpg

Zum Neujahr


Bald, so wird es zwölfe schlagen.
Prost Neujahr! wird mancher sagen;
Aber mancher ohne Rrren!
Denn es gibt vergnügte Herren.
Auch ich selbst, auf meinen Wunsch,
Mache mir ein wenig Punsch. -

Wie ich nun allhier so sitze
Bei des Ofens milder Hitze,
Angetan den Rock der Ruhe
Und die schönverzierten Schuhe,
Und entlocke meiner Pfeife
Langgedehnte Wolkenstreife,
Da spricht mancher wohl entschieden:
Dieser Mensch ist recht zufrieden!
Leider muss ich, dementgegen,
Schüttelnd meinen Kopf bewegen. -
Schweigend lüfte ich das Glas.
(Ach, wie schön bekömmt mir das!) -

Sonsten wie erfreulich war es,
Wenn man so am Schluss des Jahres
Oder in des Jahres Mitten
Zum bewussten Schrein geschritten
Und in süßem Traum verloren,
Emsig den Kupon geschoren!
Aber itzo auf die Schere
Sickert eine Trauerzähre,
Währenddem der Unterkiefer
Tiefer sinkt und immer tiefer. -
Traurig leere ich das Glas
(Ach, wie schön bekömmt mir das!) -

Henriette, dieser Name
Füllt mich auch mit tiefem Grame:
Die ich einst in leichten Stoffen
Herzbeklemmend angetroffen
Nachts auf dem Kasinoballe,
Sie, die später auf dem Walle
Beim Ziewiet der Philomele
Meine unruhvolle Seele
Hoch beglückt und tief beseligt,
Sie ist anderweit verehlicht,
Ist im Standesamtsregister
Aufnotieret als Frau Pfister,
Und es wird davon gesprochen,
Nächstens käme sie in Wochen. -
Grollend lüfte ich das Glas.
(Ach, wie schön bekömmt mir das!) -

Ganz besonders und vorzüglich
Macht es mich so mißvergnüglich,
Dass es mal nicht zu vermeiden,
Von hienieden abzuscheiden,
Dass die Denkungskraft entschwindet,
Dass man sich so tot befindet,
Und es sprechen dann die Braven:
Siehe da, er ist entschiafen.
Und sie ziehn gelind und lose
Aus der Weste oder Hose
Den geheimen Bund der Schlüssel,
Und man rührt sich auch kein bissel,
Sondern ist, obschon vorhanden,
Friedlich lächelnd einverstanden. -
Schaudernd leere ich das Glas.
(Ach, wie schön bekömmt mir das!) -

Wo wird dann die Seele weilen?
Muss sie sich in Duft zerteilen?
Oder wird das alte Streben,
Hübsche Dinge zu erleben,
Sich in neue Form ergießen,
Um zu lieben, zu genießen,
Oder in Behindrungsfällen
Sehr zu knurren und zu bellen?
Kann man, frag' ich angstbeklommen,
Da denn gar nicht hinterkommen?
Kommt, o kommt herbeigezogen,
Ihr verehrten Theologen,
Die ihr längst die ew'ge Sonne
Treu verspundet in der Tonne.
Überschüttet mich mit Klarheit! -
Doch vor allem hoff' ich Wahrheit
Von dem hohen Philosophen;
Denn nur er, beim warmen Ofen,
Als der Pfiffigste von allen,
Fängt das Licht in Mäusefallen. -
Prost Neujahr! Und noch ein Glas!
(Ei, wie schön bekömmt mir das!) -

Uh, mir wird so wohl und helle!
Himmel, Sterne, Meereswelle,
Weiße Möwen, goldne Schiffe;
Selig schwanken die Be-jiffe,
Und ich tauche in das Bette
Mit dem Seufzer: Hen-i-jette!

Wilhelm Busch
Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
AufmacherbilldSchwebebahn.png
Bild gemeinfrei

Die Wupper 
Elfriede Daum

In dem Land der grünen Berge
kam ich aus der Erde Schoß
fand mein Bett in blumigen Wiesen
und auf grünem Waldesmoos.

Schäumend rollten meine Wogen
über Stein und Fels geschwind
brachen sich an steilen Hängen
war ein trotzig wildes Kind.

Nordwärts eilt ich durch die Lande.
Aber Berg und Fels stand auf
zwängte ein mein wildes Drängen
und bestimmte meinen Lauf. 

Und nun fanden meine Fluten
ihren Weg nach West und Süd
und zum Hohen Lied der Arbeit
wurde mein frohes Wanderlied.

Nimm mich nun in deine Arme
guter, alter Vater Rhein.
Nimm mich mit hinab zum Meere
daß erfülle sich mein Sein.

Und wenn dann der Kreis geschlossen
zwischen Werden und Vergehn
nur im schönen Land der Berge
möchte ich wieder auferstehn.




Anzeige

Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna

DSC03269 (2).JPG


An dem kleinen Himmel meiner Liebe

An dem kleinen Himmel meiner Liebe
will – mich dünkt – ein neuer Stern erscheinen.
Werden nun die andern Sterne weinen
an dem kleinen Himmel meiner Liebe?

Freut euch, meine Sterne, leuchtet heller!
Strahlend steht am Himmel, unverrücklich
eures jeden Glanz und macht mich glücklich.
Freut euch, meine Sterne, leuchtet heller!

Kommt ein neuer Stern in eure Mitte,
sollt ihr ihn das rechte Leuchten lehren.
Junge Glut wird euer Licht vermehren,
kommt ein neuer Stern in eure Mitte.

An dem kleinen Himmel meiner Liebe
ist ein Funkeln, Glitzern, Leuchten, Sprühen.
Denn ein neuer Stern beginnt zu glühen
an dem kleinen Himmel meiner Liebe.

Erich Mühsam
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC00207.JPG


Die Beiden


Sie trug den Becher in der Hand
- Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -,
So leicht und sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.

So leicht und fest war seine Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, daß es zitternd stand.

Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzu schwer:

Denn beide bebten sie so sehr,
Daß keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.


Hugo von Hofmansthal
 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna

DSC06316.JPG

Schlußstück


Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns
mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.



Rainer Maria Rilke
 
Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
DSCF0178.JPGEigenes Foto - Creglingen

Wo?
Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?

Immerhin! Mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
und als Totenlampen schweben
nachts die Sterne über mir.

(Heinrich Heine)


 

Anzeige