Literatur Schöne Lyrik

Sirona
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Land der dunklen Wälder.jpgBildquelle:
http://gloria.tv/post/SDgPGYHtjWwt234hbmH3QKLDj

Land der dunklen Wälder
und kristall’nen Seen,
über weite Felder
lichte Wunder geh’n.
 
Starke Bauern schreiten
hinter Pferd und Pflug,
über Ackerbreiten
streicht der Vogelzug.
 
Und die Meere rauschen
den Choral der Zeit,
Elche steh’n und lauschen
in die Ewigkeit.
 
Tag ist aufgegangen
über Haff und Moor,
Licht hat angefangen,
steigt im Ost empor.

Das vierstrophigen Lied dichtete der seit 1945 in Russland verschollene Königsberger Schriftsteller Erich Hannighofer, geboren am 25. Februar 1908 in Königsberg; seit 1. Januar 1945 vermisst, war ein deutscher Dichter und Schriftsteller.
Das Lied traf auf große Begeisterung in der Bevölkerung, so dass es bald das „Ostpreußenlied“ genannt wurde.



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Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
 
DSC06776 (3).JPG
 

Der Esel


Es stand vor eines Hauses Tor
Ein Esel mit gespitztem Ohr,
Der käute sich sein Bündel Heu
Gedankenvoll und still entzwei. –

Nun kommen da und bleiben stehn
Der naseweisen Buben zween,
Die auch sogleich, indem sie lachen,
Verhaßte Redensarten machen,
Womit man denn bezwecken wollte,
Daß sich der Esel ärgern sollte. –

Doch dieser hocherfahrne Greis
Beschrieb nur einen halben Kreis,
Verhielt sich stumm und zeigte itzt
Die Seite, wo der Wedel sitzt.


Wilhelm  Busch

 
ulpo
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ulpo

Oft führ man gern aus seiner Haut. Doch wie man forschend um sich schaut, erblickt man ringsum lauter Häute, in die zu fahren auch nicht freute.

Eugen Roth (1895-1976), dt. Autor


snake-1519994_1920.png
Ulla


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ulpo
ulpo
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ulpo
Deine Güte ist die Liebe,
die Liebe auf die ich baue,
das Leben, in dem ich liebe,
der Atem, dem ich vertraue.

Res Lio
 
hd-wallpaper-729509_1920.jpgUlla
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Goethe.jpg
Wenn der uralte
Heilige Vater
mit gelassener Hand
aus rollenden Wolken
segnende Blitze
über die Erde sät,
küss' ich den letzten
Saum seines Kleides,
kindliche Schauer
treu in der Brust.
 
Denn mit Göttern
soll sich nicht messen
irgendein Mensch,
hebt er sich aufwärts
und berührt
mit dem Scheitel die Sterne,
nirgends haften dann
die unsichern Sohlen,
und mit ihm spielen
Wolken und Winde.
 
Steht er mit festen,
markigen Knochen
auf der wohlgegründeten,
dauernden Erde;
reicht er nicht auf,
nur mit der Eiche
oder der Rebe
sich zu vergleichen.
 
Was unterscheidet
Götter von Menschen?
Das viele Wellen
vor jenen wandeln,
ein ewiger Strom:
Uns hebt die Welle,
verschlingt die Welle,
und wir versinken.
 
Ein kleiner Ring
begrenzt unser Leben,
und viele Geschlechter
reihen sich dauernd
an ihres Daseins
unendliche Kette.

Das Thema dieses Gedichtes ist uralt, und seit Menschengedenken hegt der Mensch den Wunsch sich selbst zum Gott zu erheben in der Hoffnung von seiner Unvollkommenheit erlöst zu werden. 
Goethe warnte allerdings davor, dass der Mensch durch dieses Bestreben auch den Boden unter den Füßen verlieren könnte (2. Strophe -  denn „nicht messen mit den Göttern soll sich irgendein Mensch“).






 
Sirona
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Feriendorf Seinerzeit01.jpgEigenes Foto - Kärnten

Sonntagmorgen

Träumerische Sonntagsstille!...
Fernes, festliches Geläut,
goldner Duft auf allen Wipfeln,
Tropfen Tau im Gras verstreut.

In verlass'ner Waldkapelle
bebt ein Glöcklein trauernd leise,
ob auch rings die Schöpfung jauchzet,
einsam singt es seine Weise.

Und ich weiß, was sie bedeutet...
durch mein ganzes Leben zieht
solch ein Sang – es ist des Schmerzes
nimmer endend Klagelied.

Ja, du strahlst und prangst im Lichte,
wunderbare Gotteswelt!
Doch das Herz mit seinem Leide
ist als Schatten beigesellt.

E. Marlitt 1825 - 1887 
Pseudonym für Friederieke Henriette Christiane Eugenie John, deutsche Schriftstellerin


 

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Sirona
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
xanthippe.jpg
Recept wider böse Weiber
Eine Romanze
 
Ein armer Ehegatte,
der ohne seine Schuld
die Höll′ auf Erden hatte,
ward endlich der Geduld
nach langen Jahren müde,
und schaffte schnell und klug
sich vor dem Engel Friede,
der ihn mit Fäusten schlug.
 
Sein Weib war bitterböse,
die Tobsucht rief aus ihr,
bei manchem Zankgetöse:
Ein Leides thu ich mir!
Ja ja, du Weiberhasser,
du Teufel, der du bist,
ich springe noch ins Wasser,
wo es am tiefsten ist.
 
Sie sprach’s zu tausendmalen,
und sprang ins Wasser nie.
Auf neue Männerqualen
dacht ihre Seele früh,
sobald der Tag erwachte.
Ihr Dämon, schwarz und klein,
blies ihr im Traum bei Nachte
den Stoff zum Zanken ein.
 
Einst fing beim Abendtische
ihr Zorn zu donnern an,
und still, wie stumme Fische,
blieb ihr geplagter Mann;
ließ ihrer frechen Zunge
den Zügel - gab ihr nach,
bis sie vom Wassersprunge
mit blauen Lefzen sprach.
 
Da warf der Mann sein Messer
tief in den Tisch, und riß
das Weib an ein Gewässer.
Hier, sprach er: Tue dies
was du zu tun beschlossen.
Hier springe mir hinab. -
Hier sah sie, furchtbegossen,
ins grause Wassergrab.
 
Sie hing an seinen Armen
und fühlte Todesqual;
Er aber, ohn’ Erbarmen,
er tauchte siebenmal
sie unter mit dem Kopfe,
bis sie die Luft verlor:
Und hub sie drauf beim Zopfe
stark aus der Flut empor.
 
Das Mittel half geschwinde;
sie seufzte leichenblaß:
Ach! Männchen, sei gelinde,
ach! liebes Männchen, laß
mich dieses Mal nur leben,
und ende meine Pein,
ich will mich gern bestreben,
recht lämmerfromm zu sein.
 
Der Mann ließ sich bedingen,
das Weib ward zahm gemacht,
und an kein Wasserspringen
ward künftig mehr gedacht.
Sie lebten, sanft wie Tauben,
von keinem Zank gequält,
und alle Welt wird’s glauben
weil es ein Weib erzählt.

Anna Louisa Karsch

01.12.1722. -  12.10.1791 - man nannte sie die deutsche Sappho



 
Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna

Zum heutigen Geburtstag Hermann Hesses
 


Roxanna
 
Sirona
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
2011-08 - KÄRNTEN - 021.JPGEigenes Foto - Kärnten

Sonntagsfrühe

Feierlicher Glockenklang
hallet durch die stillen Felder,
leise rauschen ferne Wälder
einen hehren Lobgesang.

Sille wird’s mir im Gemüt,
wenn ich blicke in die Weite,
ob ein Engel mir zur Seite
betend durch die Felder geht?

Süßes Grauen mich umweht,
füllt mein Aug’ mit Andachtstränen,
meiner Seele stilles Sehnen
löst sich leise im Gebet.

Adolph Lange 1778-1831
deutscher Philologe und Lehrer




 
Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Sirona vom 03.07.2022, 11:19:52
Was für ein grandioses Foto, liebe @Sirona, wunderschön. Und dazu das Gedicht von Adolph Lange, dessen Art sich auszudrücken mich ein klein wenig an Joseph von Eichendorff erinnert.

Liebe Sonntagsgrüße von
Roxanna

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