Literatur Schöne Lyrik
Nagel und Holz
Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!
Joachim Ringelnatz
Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!
Joachim Ringelnatz
Die drei Spatzen
In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
Christian Morgenstern
In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
Christian Morgenstern
Jaja, der Hans hat sich das wärmste Plätzchen ausgesucht. Vielleicht aber sind die anderen beiden Spätzchen nur besorgt und haben es in ihre Mitte genommen.
Süß das Gedicht! 🌺
Süß das Gedicht! 🌺
Das Lied von der Freundschaft
Thöricht ist's, dem sanften Glühen,
Das die Freundschaft mild erregt,
Jene Wunden vorzuziehen,
Die die Liebe grausam schlägt.
Liebe nimmer uns erscheine,
Freundschaft bleib' uns zugewandt!
Wer verläßt Italiens Haine
Für Arabiens heißen Sand?
Für das flüchtige Entzücken,
Das die Liebe sparsam bringt,
Wie viel Qualen uns durchzücken,
Welcher Schrecken uns umringt!
Liebe mag die Blicke weiden,
Wenn ihr Opfer sinkt ins Grab;
Freundschaft nahet sich dem Leiden,
Trocknet ihm die Thränen ab.
Drum der Liebe bangen Schmerzen,
Ihrer Trunkenheit entflohn,
Woll'n der Freundschaft wir die Herzen
Reichen uns zu schönerm Lohn.
Uns die Freundschaft zu versüßen
Noch mit einer schönern Zier,
Laß mich dich als Bruder grüßen,
Gieb den Schwesternamen mir!
Adelbert von Chamisso
Eigenes Foto - Friedhof am Stift Ossiachersee Kärnten
Abendempfindung
Autor: Joachim Heinrich Campe (1746-1818)
Abend ist's, die Sonne ist verschwunden,
und der Mond strahlt Silberglanz;
so entfliehn des Lebens schönste Stunden,
fliehn vorüber wie im Tanz.
Bald entflieht des Lebens bunte Szene,
und der Vorhang rollt herab;
aus ist unser Spiel, des Freundes Träne
fließet schon auf unser Grab.
Bald vielleicht (mir weht, wie Westwind leise,
eine stille Ahnung zu),
schließ ich dieses Lebens Pilgerreise,
fliege in das Land der Ruh.
Werdet ihr dann an meinem Grabe weinen,
trauernd meine Asche sehn,
dann, o Freunde, will ich euch erscheinen
und will himmelauf euch wehn.
Schenk auch du ein Tränchen mir
und pflückte mir ein Veilchen auf mein Grab,
und mit deinem seelenvollen Blicke
sieh dann sanft auf mich herab.
Weih mir eine Träne, und ach! schäm
dich nur nicht, sie mir zu weihn;
oh, sie wird in meinem Diademe
dann die schönste Perle sein!
Abendempfindung
Autor: Joachim Heinrich Campe (1746-1818)
Abend ist's, die Sonne ist verschwunden,
und der Mond strahlt Silberglanz;
so entfliehn des Lebens schönste Stunden,
fliehn vorüber wie im Tanz.
Bald entflieht des Lebens bunte Szene,
und der Vorhang rollt herab;
aus ist unser Spiel, des Freundes Träne
fließet schon auf unser Grab.
Bald vielleicht (mir weht, wie Westwind leise,
eine stille Ahnung zu),
schließ ich dieses Lebens Pilgerreise,
fliege in das Land der Ruh.
Werdet ihr dann an meinem Grabe weinen,
trauernd meine Asche sehn,
dann, o Freunde, will ich euch erscheinen
und will himmelauf euch wehn.
Schenk auch du ein Tränchen mir
und pflückte mir ein Veilchen auf mein Grab,
und mit deinem seelenvollen Blicke
sieh dann sanft auf mich herab.
Weih mir eine Träne, und ach! schäm
dich nur nicht, sie mir zu weihn;
oh, sie wird in meinem Diademe
dann die schönste Perle sein!
Die Selbstkritik... von Wilhelm Busch
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab ich erstens den Gewinn,
Dass ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
vorweg den andren Kritiküssen;
Zum vierten hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es dann zuletzt heraus,
Dass ich ein ganz famoses Haus.
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab ich erstens den Gewinn,
Dass ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
vorweg den andren Kritiküssen;
Zum vierten hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es dann zuletzt heraus,
Dass ich ein ganz famoses Haus.
Wie wenn das Leben wär nichts andres
Wie wenn das Leben wär nichts andres
Als das Verbrennen eines Lichts!
Verloren geht kein einzig Teilchen,
Jedoch wir selber gehn ins Nichts!
Denn was wir Leib und Seele nennen,
So fest in eins gestaltet kaum,
Es löst sich auf in Tausendteilchen
Und wimmelt durch den öden Raum.
Es waltet stets dasselbe Leben,
Natur geht ihren ew'gen Lauf;
In tausend neuerschaffnen Wesen
Stehn diese tausend Teilchen auf.
Das Wesen aber ist verloren,
Das nur durch ihren Bund bestand,
Wenn nicht der Zufall die verstäubten
Aufs neu zu einem Sein verband.
Theodor Storm
LG
Roxanna
Will das Glück nach seinem Sinn
dir was Gutes schenken,
sage Dank und nimm es hin
ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüsst,
doch vor allen Dingen:
Das, worum du dich bemühst,
möge dir gelingen.
Wilhelm Busch
dir was Gutes schenken,
sage Dank und nimm es hin
ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüsst,
doch vor allen Dingen:
Das, worum du dich bemühst,
möge dir gelingen.
Wilhelm Busch
Eigenes Foto - Waldgebiet am Weissensee in Kärnten
Winter im Gebirg
Verklungen sind die holden Schwüre,
die hier gar oft der Mond belauscht,
statt Flüstern vor der Kammerthüre,
st's nur der Brunnen, der da rauscht.
Wo keine Schöne kalt geblieben,
ward ihr gebracht ein Edelweiss,
wo wir den Kahn ans Land getrieben,
knarrt nächtlich aufgeschreckt das Eis.
Und auch die Felder sind gefroren,
der Wald, in dem man sich erging,
wo man im Pfänderspiel verloren,
und einen Kuß dafür empfing.
Der Schnee bedeckt die Spur der Kohlen
wo Freudenfeuer hell geglüht,
wo Primeln und wo Bergviolen
am schönsten Busen einst geblüht.
Der Frühling wird sie wieder bringen;
bald tost der Föhn und löst den Schnee,
nur dich hört niemals wieder singen
das Felsthal und der grüne See.
In dieser Berge dunklen Rahmen
wie schienst du hell das Bild dazu!
Ihr Echo ruft mir deinen Namen,
sonst aber sind sie still wie du.
Und auch wie du vom Lilienkleide
in tiefem Schlummer zugedeckt,
so fern der Welt und allem Leide,
von keinem Lebenshauch geweckt.
Nur etwas schwebt wie sanfte Klage
um diese Höhn, so still und rein:
sie schließen meine schönsten Tage,
die Rosen meiner Jugend ein.
(Hermann von Lingg 1820 - 1905)