Literatur Schöne Lyrik

Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Roxanna vom 17.10.2021, 08:34:53
So ist es, liebe @Roxanna. Auch ich habe durch die Kriegsjahre meine Großeltern mütterlicher- und auch väterlicherseits nie kennengelernt. 
Eine Kusine väterlicherseits (Nichte von meinem Vater) hat einmal die Linie unserer Großmutter verfolgt, sie geht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Aber außer Geburtsurkunden hat sie nichts über unsere Ahnen erfahren können. Leider befinden sich darunter keine "Berühmtheiten". 
😉😊

Liebe Grüße
Sirona



 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
goldgraber02-k.jpgBildquelle.
https://www.theaterderdaemmerung.de/balladenklassik18.html


Die Goldgräber - Emanuel Geibel

Sie waren gezogen über das Meer,
nach Glück und Gold stand ihr Begehr,
drei wilde Gesellen, vom Wetter gebräunt,
und kannten sich wohl und waren sich freund.

Sie hatten gegraben Tag und Nacht,
am Flusse die Grube, im Berge den Schacht,
in Sonnengluten und Regengebraus
bei Durst und Hunger hielten sie aus.

Und endlich, endlich, nach Monden voll Schweiß,
da sahn aus der Tiefe sie winken den Preis,
da glüht' es sie an durch das Dunkel so hold,
mit Blicken der Schlange, das feurige Gold.

Sie brachen es los aus dem finsteren Raum,
und als sie's faßten, sie hoben es kaum,
und als sie's wogen, sie jauchzten zugleich:
„Nun sind wir geborgen, nun sind wir reich!“

Sie lachten und kreischten mit jubelndem Schall,
sie tanzten im Kreis um das blanke Metall,
und hätte der Stolz nicht bezähmt ihr Gelüst,
sie hätten's mit brünstiger Lippe geküßt.

Sprach Tom, der Jäger: „Nun laßt uns ruhn!
Zeit ist's, auf das Mühsal uns gütlich zu tun.
Geh, Sam, und hol uns Speisen und Wein,
ein lustiges Fest muß gefeiert sein.“

Wie trunken schlenderte Sam dahin
zum Flecken hinab mit verzaubertem Sinn;
sein Haupt umnebelnd beschlichen ihn sacht
Gedanken, wie er sie nimmer gedacht.

Die andern saßen am Bergeshang,
sie prüften das Erz, und es blitzt' und es klang.
Sprach Will, der Rote: „Das Gold ist fein;
nur schade, daß wir es teilen zu drei’n!"

„Du meinst?“ – „Je, nun, ich meine nur so,
zwei würden des Schatzes besser froh“
Doch wenn“ – „Wenn was?“ – „Nun, nehmen wir an,
Sam wäre nicht da“ – „Ja, freilich, dann, - -„

Sie schwiegen lang; die Sonne glomm
und gleißt' um das Gold; da murmelte Tom:
„Siehst du die Schlucht dort unten?“ – „Warum?“ -
„Ihr Schatten ist tief, und die Felsen sind stumm.“-

„Versteh ich dich recht?“ – „Was fragst du noch viel!
Wir dachten es beide, und führen's ans Ziel.
Ein tüchtiger Stoß und ein Grab im Gestein,
so ist es getan, und wir teilen allein.“

Sie schwiegen aufs neu'. Es verglühte der Tag,
wie Blut auf dem Golde das Spätrot lag;
da kam er zurück, ihr junger Genoß,
von bleicher Stirne der Schweiß ihm floß.

„Nun her mit dem Korb und dem bauchigen Krug!“
Und sie aßen und tranken mit tiefem Zug.
„Hei lustig, Bruder! Dein Wein ist stark;
er rollt wie Feuer durch Bein und Mark.

Komm, tu uns Bescheid!“ – »Ich trank schon vorher;
nun sind vom Schlafe die Augen mir schwer.
Ich streck ins Geklüft mich.“ – „Nun, gute Ruh!
Und nimm den Stoß und den dazu!“

Sie trafen ihn mit den Messern gut;
er schwankt' und glitt im rauchenden Blut.
Noch einmal hub er sein blaß Gesicht:
„Herrgott im Himmel, du hältst Gericht!

Wohl um das Gold erschluget ihr mich;
weh' euch! Ihr seid verloren, wie ich.
Auch ich, ich wollte den Schatz allein,
und mischt' euch tödliches Gift an den Wein.“




 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
spielende kinder.jpgPixabay kostenlos


Spielgenossen
Auguste Kurs (1815 – 1892)

Waren fast an hundert Kinder,
spielten fröhlich sonder Harm,
schön und lieblich mehr und minder,
mehr und minder reich und arm.
Was wir nicht getrieben haben,
Aug' und Herz in freud'ger Gluth!
Waren oft gar wilde Knaben,
recht voll frischem Jugendmuth.
 
Weh! die Zeiten sind verflossen,
langer Raum trennt sie von heut,
und die fröhlichen Genossen,
ferne sind sie und zerstreut.
Mancher ist emporgetragen
von des Lebens Wellenspiel,
manchen führt ein nied'rer Wagen
ärmlich zu dem frühen Ziel.
 
Mancher ringt und strebt vergebens -
mancher, sorglos und geehrt,
fand die Güter dieses Lebens
ungesucht, fast unbegehrt.
Hier weilt der und dort ein Andrer;
mögen sie sich ferne sein -
mächt'ger Herr und armer Wandrer,
eines haben sie gemein.
 
Aus des Lebens Treiben schauet,
der von Höh'n aus Tiefen der,
auf das Grün, das überthauet,
schimmert aus der Jugend her.
Auf das frische Grün am Morgen,
wo in sel'ger Knabenzeit,
nur der Jugend unverborgen,
Blüth' an Blüthe sich gereiht.
 
Aller Blicke, sie begegnen
sich an diesem schönen Ziel,
die erstarrten Herzen segnen
noch der Jugend frohes Spiel.
Selbst der Schläfer tief im Grabe,
nimmt gewiss zum Himmelsraum,
aus der Zeit, wo er noch Knabe,
einen süßen Kindertraum.
 


 

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Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Fuchs und Kranich.jpgIm Internet gefunden (Schattenspiel)

Fuchs und Kranich
Johann Wolfgang von Goethe

Zwei Personen ganz verschieden
luden sich bei mir zu Tafel,
diesmal lebten sie in Frieden,
Fuchs und Kranich, sagt die Fabel.

Beiden macht’ ich was zurechte,
rupfte gleich die jüngsten Tauben;
weil er von Schakals Geschlechte,
legt’ ich bei geschwollne Trauben.

Lang gehälstes Glasgefäße
setzt’ ich ungesäumt dagegen,
wo sich klar im Elemente
Gold- und Silberfischlein regen.

Hättet ihr den Fuchs gesehen
auf der flachen Schüssel hausen,
neidisch müßtet ihr gestehen:
welch ein Appetit zum Schmausen!

Wenn der Vogel, ganz bedächtig,
sich auf einem Fuße wiegte,
Hals und Schnabel, zart und schmächtig,
zierlich nach den Fischlein schmiegte.

Dankend freuten sie beim Wandern
sich der Tauben, sich der Fischchen;
jeder spottete des andern,
als genährt am Katzentischchen.

Willst nicht Salz und Schmalz verlieren,
mußt, gemäß den Urgeschichten,
wenn die Leute willst gastieren,
dich nach Schnauz’ und Schnabel richten.

 
Es wird Winter, gestern sah ich die Kraniche übers Haus fliegen. Das ist jedes Jahr ein Erlebnis. Jetzt dauert es eine Weile bis sie wieder zurück kommen, vor uns liegen die Tage mit Frost und Kälte. Brrrrr. Mag gar nicht daran denken.

 
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC04600.JPG


Die sonnige Kinderstraße

Meine frühe Kindheit hat
Auf sonniger Straße getollt;
Hat nur ein Steinchen, ein Blatt
Zum Glücklichsein gewollt.

Jahre verschwelgten. Ich suche matt
Jene sonnige Straße heut,
Wieder zu lernen, wie man am Blatt,
Wie man am Steinchen sich freut.

 
Joachim Ringelnatz
 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Winterlinge Blume.jpgEigenes Bild (Winterling)


Trost
Auguste Kurs (1815 – 1892)

So arm, so elend ist kein Mensch hienieden,
so ganz dahin gegeben nur dem Leid,
daß ihm nicht auch ein Schein von Glück geblieben,
sei es ein Bild nur aus vergangner Zeit.
 
Daß er nicht einen Traum im Herzen hegte,
und blieb' er ewig in dem stillen Reich,
daß er nicht liebend eine Blüthe pflegte,
und wäre sie auch längst verwelkt und bleich.
 
Ja wäre auch das Herz nur eine Wunde,
doch blickt gewiß wohl jeder Mensch zurück
auf eine einz'ge schöne Freudenstunde,
vielleicht auf einen sel'gen Augenblick.
 
Die welke Blume läßt er aus dem Kranze
von Dornen nicht, den ihm das Schicksal bot,
die Freudenstunde bleibt ihm in dem Glanze
der liebenden Erinn'rung bis zum Tod.
 
Dann wird er sterbend auf das Bild noch blicken,
bis ihm der Tod den Schleier drüber legt,
und an die Brust wird er die Blume drücken,
bis unter ihr das Herz nicht wieder schlägt.

 
 

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Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC00480.JPG


November

Trüber Himmel, raue Tage
Kommen sicher jedes Jahr;
Schwere Sorgen, harte Plage,
Jedes Leben bringt sie dar.

Doch bedenkt, die heitern Stunden
Hätten nie euch so beglückt,
Hättet ihr nicht überwunden,
Was in trüben euch bedrückt.


Heinrich Hoffmann
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona


Leben.jpg
Bildquelle: Pixabay kostenlos


Wie wenn das Leben wär ....
Theodor Storm 
(1817 – 1888)

Wie wenn das Leben wär nichts andres
als das Verbrennen eines Lichts!
Verloren geht kein einzig Teilchen,
jedoch wir selber gehn ins Nichts! 

Denn was wir Leib und Seele nennen,
so fest in eins gestaltet kaum,
es löst sich auf in Tausendteilchen
und wimmelt durch den öden Raum. 

Es waltet stets dasselbe Leben,
Natur geht ihren ew'gen Lauf;
in tausend neu erschaffnen Wesen
stehn diese tausend Teilchen auf. 

Das Wesen aber ist verloren,
das nur durch ihren Bund bestand,
wenn nicht der Zufall die verstäubten
aufs neu zu einem Sein verband.



 
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Sirona vom 04.11.2021, 11:40:03
Das ist ein wunderschönes Gedicht, liebe @Sirona von Theodor Storm, ich kannte es noch nicht.

Herzlichen Gruß
Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC06299.JPG

Beherzigung

Ach, was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser, ruhig bleiben?
Klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser, sich zu treiben?

Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.

Eines schickt sich nicht für alle!
Sehe jeder, wie er's treibe,
Sehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle!

Johann Wolfgang von Goethe

 

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