Literatur Schöne Lyrik
Ob ich es zu der Schönen Lyrik zählen darf sollen andere beurteilen.
Wieder mal etwas Weihnachtliches in Schwizerdütsch:
Chrischtchindli ond Wiehnechtsmaa
En truurigi Historia
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S Chrischtchindli trifft de Wiehnechtsmaa;
es luägt ne ganz vergöuschteret aa:
Säg Chlous, was esch de i di gfahre?
Chonsch schtatt mit Schlitte mit em Chaare.
Ond schtatt dass höt di Sack esch schwär,
esch er doch sehr verdächtig lär.
Was wosch de du de Chinder bringe?
Wotsch ne de nor es Liedli singe?»
«Es Liedli singe?», brommt der Chlous,
«sing sälber eis – ond denne hous!
Eg chrampfe sit em früeche Morge
ond ha doch gwöss gnuä anderi Sorge.
Esel ond Schmotzli hend`s mer gschtriche.
Rentier am Schlitte?, scho lang verbliche.
Öberau wird rationalisiert.
Ond wem e öppe reklamiert,
heisst`s hämisch ond ganz onverfrore:
`` S hei anderi scho der Job verlore,
wo sech net chönne dranne gwöhne!``
Ond das bi dene mickrige Löhne;
z weni zom Läbe, z vöu zom Schtärbe.
S tuät d Freud zom Schaffe eim verdärbe!»
S Chrischtchindli luägt ne truurig aa:
«Eg verschtoh di jo, du arme Maa.
Bi leider ou kei Höuf derzue;
ond Sorge hani sälber gnuä.
Ou mer hend sie der Lohn doch g chörzt;
ond nome wöu i chli ha gnörzt,
wöu sie hei mis Pensum gschteigeret.
Doch eg ha mi drom tapfer gweigeret,
mit de Gschänkli de no Brot z verträge;
ha meint, me dörf doch öppis säge.
Glii wäre s gwöss no grossi Torte,
Fleisch ond Möuch ond d Poscht gar worde!
Me cha nor no uf d Pensionierig plange»
Sie hei sech aagluägt - ond de si sie gange!
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Schorsch, 19
Weihnachten
Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh’ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in’s freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!
Joseph Freiherr von Eichendorff
Frohe Weihnachten
Roxanna
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Foto: Pixabay
Weihnachtslied
Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
ein milder Stern herniederlacht;
vom Tannenwalde steigen Düfte
und hauchen durch die Winterlüfte,
und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
mich lieblich heimatlich verlocken
in märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
anbetend, staunend muss ich stehn:
Es sinkt auf meine Augenlider
ein goldner Kindertraum hernieder,
ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.
Theodor Storm
14. 9. 1817 - 4. 7. 1888
Clematis
Weihnachtslied
Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
ein milder Stern herniederlacht;
vom Tannenwalde steigen Düfte
und hauchen durch die Winterlüfte,
und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
mich lieblich heimatlich verlocken
in märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
anbetend, staunend muss ich stehn:
Es sinkt auf meine Augenlider
ein goldner Kindertraum hernieder,
ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.
Theodor Storm
14. 9. 1817 - 4. 7. 1888
Clematis
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Clematis
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Einsamkeit
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen...
Rainer Maria Rilke
4. 12. 1875-29. 12. 1926
Clematis
Es kann die Ehre dieser Welt
Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben,
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muß in dir selber leben.
Wenn′s deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.
Das flücht′ge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können.
Dir keine Ehre geben,
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muß in dir selber leben.
Wenn′s deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.
Das flücht′ge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können.
Theodor Fontane,
der heute vor 200 Jahren geboren wurde
der heute vor 200 Jahren geboren wurde
Zum neuen Jahr
(Eduard Mörike)
Wie heimlicher Weise
ein Engelein leise
mit rosigen Füßen
die Erde betritt,
so nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
ein heilig Willkommen,
ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!
In Ihm sei’s begonnen,
der Monde und Sonnen
an blauen Gezelten
des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
sei Anfang und Ende,
sei alles gelegt!
Mit diesen Gedanken möchte ich Euch
ein gesegnetes und gesundes Jahr 2020 wünschen!
Sirona
(Vater unser.....)
Der Januar
Erich Kästner
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.
Die Amseln frieren.
Und die Krähen darben.
Und auch der Mensch hat seine liebe Not.
Die leeren Felder sehnen sich nach Garben.
Die Welt ist schwarz und weiß und ohne Farben.
Und wär so gerne gelb und blau und rot.
Umringt von Kindern wie der Rattenfänger,
tanzt auf dem Eise stolz der Januar.
Der Bussard zieht die Kreise eng und enger.
Es heißt, die Tage würden wieder länger.
Man merkt es nicht. Und es ist trotzdem wahr.
Die Wolken bringen Schnee aus fremden Ländern.
Und niemand hält sie auf und fordert Zoll.
Silvester hörte man’s auf allen Sendern,
dass sich auch unterm Himmel manches ändern
und, außer uns, viel besser werden soll.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und ist doch hunderttausend Jahre alt.
Es träumt von Frieden. Oder träumt’s vom Kriege?
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und stirbt in einem Jahr. Und das ist bald.
“Kästner für Erwachsene“ ©Atrium Verlag Zürich
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
An die Parzen
Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.
Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heil'ge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinabgeleitet; Einmal
Lebt' ich, wie Götter, und mehr bedarf's nicht.
(Friedrich Hölderlin)
LG
Roxanna