Literatur Schöne Lyrik
Es wandelt...
Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.
Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.
Was gäb’ es doch auf Erden,
Wer hielt’ den Jammer aus,
Wer möcht’ geboren werden,
Hielt’st Du nicht droben Haus!
Du bist’s, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Daß wir den Himmel schauen -
Darum so klag’ ich nicht.
Joseph Freiherr von Eichendorff
Herbstfrühlingslied
So oft der Herbst die Rosen stahl,
Ich weiß nicht, wie's entsprungen,
Doch ist mir hell noch jedesmal
Ein Frühlingslied entklungen.
Der Frühling, der vorüberfuhr,
Und der aus Zukunft winket,
Die beiden werden einer nur,
Des Glanz mein Herz durchblinket.
So hoff' ich, wenn den Lebensbaum
Des Alters Hauch entlaubet,
Nicht soll ein goldner Jugendtraum
Dem Herzen sein geraubet.
Die Jugend, die vorüberfuhr,
Wird sich im Liede paaren
Mit jener, die auf Edens Flur
Nicht wird vorüberfahren.
Friedrich Rückert
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Roxanna, ein schönes, da hoffnungsfrohes Herbstgedicht,
und ein wunderschönes Foto dazu.
LG Rose
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
Friedrich Hebbel
(1813 - 1863)
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Foto: Pixabay
Gestaltung: Clematis
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Leb' wohl du schöne Erde
Kann dich erst jetzt verstehn,
Wo Freude und wo Kummer
An uns vorüber wehn!
Leb' wohl du Meister Kummer
Dank' dir mit nassem Blick,
Mit mir nehm' ich die Freude
Dich - lass' ich hier zurück.
Sey nur ein milder Lehrer
Führ' alle hin zu Gott,
Zeig' in den trübsten Nächten,
Ein Streiflein Morgenroth!
Lasse die Liebe ahnen -
So danken sie dir noch,
Der früher und der später
Sie danken weinend doch!
Dann glänzt das Leben heiter,
Es lächelt jeder Schmerz
Die Freude mild umfanget
Das ruh'ge klare Herz!
"Abschied von der Erde".. diesen wundervollen Text von Adolf von Pratobevera" , von Schubert so herrlich vertont
Hier beides zusammen -
Der Weg, den nicht ich nahm
Zwei Wege taten auf sich mir im Wald:
Wie gern ich wollte beide Wege gehn!
Unschlüssig mach am Scheideweg ich halt
und schau, so weit ich kann: Vom ersten bald
läßt Jungwuchs nur die Wegebiegung sehn.
Dann ich den zweiten nahm, genauso schön,
vielleicht war dieser auch die beßre Wahl:
Sein Gras voll Moos, es lud mich ein zum Gehn.
Mag sein, daß beide gleich benutzt aussehn,
nachdem ich diesen wählte dieses Mal.
Auf beiden jenen Morgen herbstlich lag
ein Blätterstrom, den kaum berührt ein Tritt:
Ich denk, dem andern bleibt ein andrer Tag!
Jedoch, weil Weg sich reiht an Weg, ich frag
mich zweifelnd, ob ich jemals komm zurück.
Ach, ich werd seufzen wohl gelegentlich,
wenn irgendwann Erinnerung erwacht:
Zwei Wege gab es da im Wald, und ich –
ich nahm den häufiger begangnen nicht,
und das den Unterschied hat ausgemacht!
Robert Frost (1874 - 1963)
Jetzt ist es Herbst
Jetzt ist es Herbst,
Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme
Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,
Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.
Jetzt ist es Herbst,
das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist,
Das sich verjüngt mit Lust und List,
Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen
Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküsst, ahnt seine Frist,
Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.
Max Dauthendey
Schlußstück
Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns
mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
Rainer Maria Rilke
(Bleder See Slowenien)
Morgengebet (Joseph v. Eichendorff)
O wunderbares, tiefes Schweigen,
wie einsam ist’s noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
als ging' der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl mich recht wie neu geschaffen,
wo ist die Sorge nun und Not?
Was mich noch gestern wollt erschlaffen,
ich schäm mich des im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich, ein Pilger, frohbereit
betreten nur wie eine Brücke
zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit.
Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd,
um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag mein Saitenspiel, und schauernd
schweig ich vor Dir in Ewigkeit.
Morgengebet (Joseph v. Eichendorff)
O wunderbares, tiefes Schweigen,
wie einsam ist’s noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
als ging' der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl mich recht wie neu geschaffen,
wo ist die Sorge nun und Not?
Was mich noch gestern wollt erschlaffen,
ich schäm mich des im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich, ein Pilger, frohbereit
betreten nur wie eine Brücke
zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit.
Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd,
um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag mein Saitenspiel, und schauernd
schweig ich vor Dir in Ewigkeit.