Literatur Schöne Lyrik
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Kleine Dorfgeschichte
Auguste Kurs (1815 – 1892)
Ich sitze vor der Thüre, mir thut die Sonne gut,
bin gar ein altes Wesen, doch hab' ich frischen Muth.
Ich seh die Wolken glühen beim Sonnenuntergang
und von der Linde drüben schallt fröhlicher Gesang.
Am andern End' des Dorfes, da sitzt ein alter Mann,
der schaut auch nur von ferne das muntre Treiben an.
Er war der flinkste Tänzer wohl aus der Burschen Schaar,
wie ich das flinkste Mädchen im ganzen Dorfe war.
Wir tanzten stets zusammen, es sah gar stattlich aus,
und bei der Kirchweih brachte er mir den schönsten Strauß.
Nun haben wir in Jahren uns schon nicht mehr gesehn,
denn keiner von uns Beiden kann zu dem Andern gehn.
Zu weit für unsre Kräfte ist jetzt der kurze Steg,
doch kommen wir zusammen wohl bald auf halbem Weg.
Denn in des Dorfes Mitte, da liegt der Kirchhof still,
da werden wir uns treffen, so bald der Himmel will.
@WoSchi, Gedichte dürfen erst eingestellt werden, wenn der Dichter 75 Jahre tot ist. Paul Celan starb 1970. Das verstößt sonst gegen das Copyright und Karl kann deswegen Probleme bekommen.
Roxanna
Liebe Roxanna, schön dass Du auf das Urheberrecht hingewiesen hast, nur möchte ich 5 Jahre abziehen, nicht 75 J. sondern 70 J. nach dem Tod des Verfassers können Gedichte problemlos weitergegeben werden.
LG Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
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Foto: Pummel - Danke!
Sommerabend
Die große Sonne ist versprüht,
der Sommerabend liegt im Fieber,
und seine heiße Wange glüht.
Jach seufzt er auf: "ich möchte lieber..."
und wieder dann: "ich bin so müd..."
Die Büsche beten Litanein,
Glühwürmchen hängt, das regungslose,
dort wie ein ewiges Licht hinein;
und eine kleine weiße Rose
trägt einen roten Heiligenschein.
Rainer Maria Rilke
4. 12. 1875 - 29. 12. 1926
Dieses Gedicht ist bei Rilke unter "Larenopfer".
Es sind seine frühen Gedichte ab 1895
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Clematis
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
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Sommer
Ihr singt von schönen Frühlingstagen,
von Blütenduft und Sonnenschein,
ich will nichts nach dem Frühling fragen,
nein, Sommer, Sommer muss es sein.
Wo alles drängt und sich bereitet,
auf einen goldnen Erntetag,
wo jede Frucht sich schwellt und weitet,
und schenkt, was Süßes in Ihr lag.
Auch ich bin eine herbe, harte
bin eine Frucht, die langsam reift.
O Glut des Sommers, komm! Ich warte,
dass mich dein heisser Atem streift.
Gustav Falke
11. 1. 1853 - 8. 2. 1916
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Clematis
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In der Stille
Wie viel Schönes ist auf Erden
Unscheinbar verstreut;
Möcht ich immer mehr des inne werden;
Wie viel Schönheit, die den Taglärm scheut,
In bescheidnen alt und jungen Herzen!
Ist es auch ein Duft von Blumen nur,
Macht es holder doch der Erde Flur,
wie ein Lächeln unter vielen Schmerzen.
Christian Morgenstern
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
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Wenn im Sommer der rote Mohn
Wenn im Sommer der rote Mohn
wieder glüht im gelben Korn,
wenn des Finken süßer Ton
wieder lockt im Hagedorn,
wenn es wieder weit und breit
feierklar und fruchtstill ist,
dann erfüllt sich uns die Zeit,
die mit vollen Maßen misst.
Dann verebbt, was uns bedroht,
dann verweht, was uns bedrückt,
über dem Schlangenkopf der Not
ist das Sonnenschwert gezückt.
Glaube nur, es wird geschehn!
Wende nicht den Blick zurück!
Wenn die Sommerwinde wehn,
werden wir in Rosen gehn,
und die Sonne lacht uns Glück!
Otto Bierbaum
28. 6. 1865-1. 2. 1910
Clematis
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Abschied
Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:
Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes-, schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.
Rainer Maria Rilke
Roxanna
Zum Muntere-die- Einsamen- auf-Tag 
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Der Einsame
Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergißt man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Läßt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.
Wilhelm Busch
Roxanna
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Der Einsame
Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergißt man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Läßt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.
Wilhelm Busch
Roxanna
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Der Welt Gesicht sind aller Welt Gesichter
Die Welt hat kein Gesicht von greifbarer Gestalt.
Vor einem Kind malt sie sich stolz und wie ein Held,
Vor einem Greise ohne Durst, wie tausendjährig Holz so alt,
Den Dummen quält die Welt stets kopfgestellt.
Dem Kühlen und dem Stummen ist sie kalt versteint,
Die Schwachen fühlen sie als Tränensack, der greint.
Dem Trotzigen ist sie voll Mühlen, gegen die er ficht,
Dem Gütigen stets wohlgemeint voll Schwergewicht,
Dem Richter ist sie ewiges Weltgericht.
Ein unwirklich und tief Gedicht ist sie dem Dichter,
Verliebten lieblos oder voller Liebe;
Der Welt Gesicht sind aller Welt Gesichter.
Max Dauthendey
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
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Zähle die Mandeln
Zähle die Mandeln,
zähle, was bitter war und dich wachhielt,
... mehr
Paul Celan
* 23.11.1920, Czernowitz, Rumänien
† 20.04.1970, Paris, Frankreich
zähle, was bitter war und dich wachhielt,
... mehr
Paul Celan
* 23.11.1920, Czernowitz, Rumänien
† 20.04.1970, Paris, Frankreich