Literatur Schöne Lyrik

In Danzig (1842)
J. v. Eichendorff
Dunkle Giebel, hohe Fenster,
Thürme tief aus Nebeln sehn,
bleiche Statuen wie Gespenster
lautlos an den Thüren stehn.
Träumerisch der Mond drauf scheinet,
dem die Stadt gar wohl gefällt,
als läg’ zauberhaft versteinet
drunten eine Märchenwelt.
Ringsher durch das tiefe Lauschen,
ueber alle Häuser weit,
nur des Meeres fernes Rauschen –
wunderbare Einsamkeit!
Und der Thürmer wie vor Jahren
singet ein uraltes Lied:
Wolle Gott den Schiffer wahren,
der bei Nacht vorüberzieht!
LG
Roxanna

An den Mond
Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz.
Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.
Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh' und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud' und Schmerz
In der Einsamkeit.
Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd' ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß
Und die Treue so.
Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist.
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt.
Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüst're meinem Sang
Melodien zu,
Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.
Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,
Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.
Zum heutigen "Internationalen Tag der Muttersprache "
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874) :
Lapidarstil
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Ist das Deutsch schon so verdorben,
Daß man`s kaum noch schreiben kann?
Oder ist es ausgestorben,
Daß man`s spricht nur dann und wann?
Oder habet ihr vernommen,
Daß es bald zu Ende geht ?
Daß die Zeiten nächstens kommen,
Wo kein Mensch mehr Deutsch versteht ?
Jedes Denkmal wird frisieret
Von der Philologen Hand,
Und so haben sie beschmieret
Erz und Stein und Tisch und Wand.
Wo man hinschaut, strotzt und glozet
Eine Inschrift in Latein,
Die sich trotzig hat schmarotzet
In das Denkmal mit hinein.
Deutsches Volk, du mußt studieren
Und vor allem das Latein,
Niemals kannst du sonst capieren,
Was dein eigner Ruhm soll sein !
Hinweis: VDS = Verein Deutsche Sprache
LG
Charlie
diese Worte von Fallersleben sind noch in unserer Zeit sehr aktuell . Nur heute ist es nicht das Latein, sondern die Durchsetzung unserer Sprache mit dem Englisch - ein neues Modewort: Denglisch.

Danke für Deinen guten Beitrag!
LG Sirona


Drei Glöckchen
Schneeglöckchen drüben am Wiesensaum,
das läutet zum ersten, man hört es kaum.
Maiglöckchen drunten im Waldestal,
das läutet den Sommer zum andernmal.
Blauglöckchen droben am Bergesrain,
das läutet den Sommer zum dritten ein.
Im Dreiklang von oben, von nah und fern:
das ist wahrhaftig der Tag des Herrn!
Christian Wagner
5. 8. 1835 - 15. 2. 1918
Clematis
Liebe Charlie,
diese Worte von Fallersleben sind noch in unserer Zeit sehr aktuell . Nur heute ist es nicht das Latein, sondern die Durchsetzung unserer Sprache mit dem Englisch - ein neues Modewort: Denglisch.
Danke für Deinen guten Beitrag!
LG Sirona

An meinen Bruder
Gedenkst du noch des Gartens
Und Schlosses über’m Wald,
Des träumenden Erwartens:
Ob’s denn nicht Frühling bald?
Der Spielmann war gekommen,
Der jeden Lenz singt aus,
Er hat uns mitgenommen
Ins blühende Land hinaus.
Wie sind wir doch im Wandern
Seitdem so weit zerstreut!
Frägt einer nach dem andern,
Doch niemand gibt Bescheid.
Nun steht das Schloss versunken
Im Abendrote tief,
Als ob dort traumestrunken
Der alte Spielmann schlief‘.
Gestorben sind die Lieben,
Das ist schon lange her,
Die wen’gen, die geblieben,
Sie kennen uns nicht mehr.
Und fremde Leute gehen
Im Garten vor dem Haus –
Doch über’n Garten sehen
Nach u n s die Wipfel aus.
Joseph Freiherr von Eichendorff
In den Tiefen meiner gespeicherten Gedichte gefunden:
Sprachverfremdung
Wer unbedacht ein Fremdwort wählt
und deutsches Wort für ihn nicht zählt,
wer happy sagt und glücklich meint
und sunshine, wenn die Sonne scheint,
wer hot gebraucht, anstelle heiß,
know how benutzt, wenn er was weiß,
wer sich mit sorry kühl verneigt
und Shows abzieht, wenn er was zeigt,
wer shopping geht statt einzukaufen
und jogging sagt zum Dauerlaufen,
der bleibt zwar fit, doch merkt zu spät,
daß er kein Wort mehr deutsch versteht.
© Friedrich K. Weibel