Literatur Schöne Lyrik
Die andere Seite von Einsamkeit
Wer einsam ist, der hat es gut,
weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
und niemand gibt ihm weise Lehren,
die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
in Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
um angenehm die Zeit zu töten,
und laut und kräftig darf er prusten,
und ohne Rücksicht darf er husten.
Und allgemach vergißt man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
ich dachte längst, er wäre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
läßt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.
(Wilh. Busch)
Das Heidelberger Schloß
(Marianne von Willemer 1784-1860)
Euch grüß ich weite, lichtumfloßne Räume,
dich alten reichbekränzten Fürstenbau,
euch grüß ich hohe, dichtumlaubte Bäume,
und über euch des Himmels tiefes Blau.
Wohin den Blick das Auge forschend wendet
in diesem blütenreichen Friedensraum,
wird mir ein leiser Liebesgruß gesendet
aus meines Lebens freudevollstem Traum.
An der Terrasse hohem Berggeländer
war eine Zeit sein Kommen und sein Gehn,
die Zeichen, treuer Neigung Unterpfänder,
sie sucht ich, und ich kann sie nicht erspähn.
Dort jenes Baumsblatt, das aus fernem Osten
dem westöstlichen Garten anvertraut,
gibt mir geheimnisvollen Sinn zu kosten
woran sich fromm die Liebende erbaut.
Durch jene Halle trat der hohe Norden
bedrohlich unserm friedlichen Geschick;
die rauhe Nähe kriegerischer Horden
betrog uns um den flüchtgen Augenblick.
Dem kühlen Brunnen, wo die klare Quelle
um grünbekränzte Marmorstufen rauscht,
entquillt nicht leiser, rascher, Well auf Welle,
als Blick um Blick, und Wort um Wort sich tauscht.
0! schließt euch nun ihr müden Augenlider,
im Dämmerlichte jener schönen Zeit
umtönen mich des Freundes hohe Lieder,
zur Gegenwart wird die Vergangenheit.
Aus Sonnenstrahlen webt ihr Abendlüfte
ein goldnes Netz um diesen Zauberort,
berauscht mich, nehmt mich hin ihr Blumendüfte,
gebannt durch eure Macht kann ich nicht fort.
Schließt euch um mich ihr unsichtbaren Schranken
im Zauberkreis der magisch mich umgibt,
versenkt euch willig Sinne und Gedanken,
hier war ich glücklich, liebend und geliebt.
(den 28. Juli 1824 abends 7 Uhr)
Heute am "Internationalen Tag des Kusses"
Es wird behauptet - und mit Grund
Es wird behauptet - und mit Grund -,
ein nützlich Werkzeug sei der Mund.
Zum Ersten lässt das Ding sich dehnen
wie Guttapercha, um zu gähnen.
Ach, Grete, wenn du dieses musst,
tu es im Stillen und mit Lust!
Zum Zweiten: Wenn es grad vonnöten,
kann man ihn spitzen, um zu flöten.
Sitzt dann der Schatz auch mal allein,
dies wird ihm Unterhaltung sein.
Zum Dritten lässt der Mund sich brauchen,
wenns irgend passend, um zu rauchen.
Dies kannst du deinem guten Gatten,
der darum bittet, wohl gestatten.
Zum Vierten ist es kein Verbrechen,
den Mund zu öffnen, um zu sprechen.
Vermeide nur Gemütserregung,
sprich lieber sanft, mit Überlegung.
Denn mancher hat sich schon beklagt:
»Ach, hätt ich das doch nicht gesagt!«
Zum Fünften, wie wir alle wissen,
so eignet sich der Mund zum Küssen.
Sei's offen oder sei's verhohlen,
gegeben oder nur gestohlen,
ausdrücklich oder nebenher,
bei Scheiden oder Wiederkehr,
zum Frieden und nach Kriegeszeiten:
Ein Kuss hat seine guten Seiten!
Zum Schluss jedoch nicht zu vergessen:
Hauptsächlich dient der Mund zum Essen.
Gar lieblich dringen aus der Küche
bis an das Herz die Wohlgerüche.
Hier kann die Zunge fein und scharf
sich nützlich machen, und sie darf!
Hier durch Gebrötel und Gebrittel
bereitet man die Zaubermittel
in Töpfen, Pfannen oder Kesseln,
um ewig den Gemahl zu fesseln.
Von hier aus herrscht mit schlauem Sinn
die Haus- und Herzenskönigin. -
Lieb's Gretchen! Halt dich wohlgemut,
Regiere mild - und koche gut.
Gedicht von Wilhelm Busch
zur Hochzeit seiner Schwester
Du sollst Dir kein Bildnis machen!
Schon mit vierzehn Jahren kritisiert Rilke in einem Schulaufsatz ein Gottesbild, das Gott funktionalisiert und als Erfüllungsgehilfen menschlicher Interessen missbraucht. 1899 schrieb er in seinem Stundenbuch:
„Wir dürfen dich nicht eigenmächtig malen,
du Dämmernder, aus der der Morgen stieg
wir holen aus den alten Farbenschalen
die gleichen Striche und die gleichen Strahlen,
mit denen sich der Heilige verschwieg.
Wir bauen Bilder vor dir auf wie Wände;
so daß schon tausend Mauern um dich stehn.
Denn dich verhüllen unsre frommen Hände,
so oft dich unsre Herzen offen sehn."
gefunden auf der verlinkten Webseite, wo es noch weitere, lesenswerte Gedichte von ihm gibt
IN DER TRAUMSTADT (Lächeln)
niemand weiß, wem es gehört.
Und ein Polizist hat es schon dreimal aufgeschrieben,
weil es den Verkehr, dort wo es stehn geblieben, stört.
Und das Lächeln weiß auch nicht, wem es gegolten;
immer müder lächelnd steht es da,
kaum beachtet und gescholten
und geschupst und weggedrängt, wenn ja.
Langsam schleicht es sich von hinnen;
doch auf einmal wird es licht verklärt;
und dann geht es ganz nach innen –
und du weißt, wem es gegolten und gehört.
Deutsches Volkslied
Klabund – 1890-1928
(eigentlich Alfred Georg Hermann Henschke , deutscher Schriftsteller)
Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
dass ich so traurig bin.
Und Friede, Friede überall,
das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Kaiser Rotbart im Kyffhäuser saß
an der Wand entlang, an der Wand.
Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
bist du, mein Bayernland!
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Ich rate dir gut, mein Sohn!
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
vom Rossbachbataillon.
O selig, o selig, ein Kind noch zu sein,
von der Wiege bis zur Bahr'!
Mariechen saß auf einem Stein,
sie kämmte ihr goldenes Haar.
Sie kämmt's mit goldnem Kamme,
wie Zieten aus dem Busch.
Sonne, du klagende Flamme:
Husch! Husch!
Der liebe Gott geht durch den Wald,
von der Etsch bis an den Belt,
dass lustig es zum Himmel schallt:
Fahr' wohl, du schöne Welt!
Der schnellste Reiter ist der Tod,
mit Juppheidi und Juppheida.
Stolz weht die Flagge schwarzweißrot.
Hurra, Germania!
Eine humorvolle Zusammenfassung deutscher Volkslieder.
Bestimmt werdet Ihr das eine oder andere Lied erkannt haben.
Komm, Trost der Welt
Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.
Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.
O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Lass ausruhn mich von Lust und Not,
Bis dass das ewige Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.
Joseph Freiherr von Eichendorff
Als ich im Gärtlein war,
nahm ich der Blümlein wahr,
brach mir ein Röselein,
das solt' mein eigen sein.
Das Röslein glänzt so fein
wie Gold und Edelstein,
war so fein übergüldt,
dass es mein Herz erfüllt'.
Ich nahm das Röslein fein,
schloss es ins Kämmerlein,
stellt' es an einen Ort
dass es ja nicht verdorrt...
Clemens Brentano
1778-1842
Noch zur Erinnerung:
Clemens Brentano und Bettina von Arnim waren Geschwister.
Nach dem Tod der Mutter kamen sie nach Bönnigheim zu ihrer Großmutter, der wunderbaren Sophie von La Roche.
Clematis
Eines der berührendsten Gedichte
von Joachim Ringelnatz (1883-1934)
handelt über Einsamkeit und spätes Glück im Alter.
Und auf einmal merkst du äußerlich:
wieviel Kummer zu dir kam,
wieviel Freundschaft leise von dir wich,
alles Lachen von dir nahm.
Fragst verwundert in die Tage.
Doch die Tage hallen leer.
Dann verkümmert deine Klage ...
Du fragst niemanden mehr.
Lernst es endlich, dich zu fügen,
von den Sorgen gezähmt,
willst dich selber nicht belügen,
und erstickst es, was dich grämt.
Sinnlos, arm erscheint das Leben dir,
längst zu lang ausgedehnt. –
Und auf einmal –: Steht es neben dir,
an dich gelehnt –
Was?
Das, was du so lang ersehnt.
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:
Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.
Rainer Maria Rilke