Literatur Schöne Lyrik

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 02.04.2018, 08:36:57
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Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten;
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen:
Denn was innen, das ist außen.
So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis.

Freuet euch des wahren Scheins,
Euch des ernsten Spieles:
Kein Lebendiges ist ein Eins,
Immer ist's ein Vieles.

Johann Wolfgang von Goethe


Clematis
 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC01244.JPG

Blühende Bäume

Was singt in mir zu dieser Stund
Und öffnet singend mir den Mund,
Wo alle Äste schweigen
Und sich zur Erde neigen?

Was drängt aus Herzensgrunde
Wie Hörnerschall zutag
Zu dieser stillen Stunde,
Wo alles träumen mag
Und träumend schweigen mag?

An Ästen, die sich neigen,
Und braun und dunkel schweigen,
Springt auf die weiße Blütenpracht
Und lacht und leuchtet durch die Nacht
Und bricht der Bäume Schweigen,
Dass sie sich rauschend neigen
Und rauschend ihre Blütenpracht
Dem dunklen Grase zeigen!

So dringt zu dieser stillen Stund
Aus dunklem, tiefem Erdengrund
Ein Leuchten und ein Leben
Und öffnet singend mir den Mund
Und macht die Bäum erbeben,
Dass sie in lichter Blütenpracht
Sich rauschend wiegen in der Nacht!

Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
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In der Stille


Wieviel Schönes ist auf Erden
Unscheinbar verstreut;
Möcht ich immer mehr des inne werden;
Wieviel Schönheit, die den Taglärm scheut,
In bescheidnen alt und jungen Herzen!
Ist es auch ein Duft von Blumen nur,
Macht es holder doch der Erde Flur,
wie ein Lächeln unter vielen Schmerzen.

Christian Morgenstern

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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Roxanna vom 06.04.2018, 08:53:57

Was für wundervolle Fotos Du hast, liebe Roxanna!

Malve.jpg

Alles ist im Kein enthalten


Alles ist im Keim enthalten,
alles Wachstum ein Entfalten,
leises Auseinanderrücken,
dass sich einzeln könne schmücken.
Wie am Stengel stets nach oben,
was zusammen war geschoben,
Blüt' um Blüte suchet weiter,
sieh es an und lern so heiter,
zu entwickeln, zu entfalten
was im Herzen ist enthalten.

Friedrich Rückert
16. 5. 1788 - 31. 1. 1866


Clematis



 

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 06.04.2018, 09:06:58
Herzfeuer.jpg
Freut Euch des Lebens,
weil noch das Lämpchen glüht;
pflücket die Rose,
eh' sie verblüht.

Gruss10.JPG
So mancher schafft sich Sorg' und Müh',
sucht Dornen auf, und findet sie,
und lässt das Veilchen unbemerkt,
das dort am Wege blüht.
VeilG800.JPG
Wenn scheu die Schöpfung sich verhüllt,
und lauter Donner ob uns brüllt,
so scheint am Abend nach dem Sturm
die Sonne, ach! so schön!
Regenbogen1.JPG
Wer Neid und Mißgunst sorgsam flieht,
Genügsamkeit im Gärtchen zieht,
dem schießt sie bald zum Bäumchen auf,
das goldne Früchte bringt.

Johann Martin Usteri
1763-1827

Clematis


 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 08.04.2018, 07:56:49
DSC01229.JPG

Ein Frühlingswind

Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
vor dem wir glühen werden –: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.

Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.

…. Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus.

Rainer Maria Rilke



Danke, liebe @Clematis. Noch nicht lange habe ich die Freude am Fotografieren entdeckt.

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Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC00327.JPG

Sie war ein Blümlein hübsch und fein

Sie war ein Blümlein hübsch und fein,
Heil aufgeblüht im Sonnenschein,
Er war ein junger Schmetterling,
Der selig an der Blume hing.

Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
Und nascht und säuselt da herum.
Oft kroch ein Käfer kribbelkrab
Am hübschen Blümlein auf und ab.

Ach Gott, wie das dem Schmetterling
So schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt,
Das Allerschlimmste kam zuletzt.

Ein alter Esel frass die ganze
Von ihm so heissgeliebte Pflanze.

Wilhelm Busch, der heute vor 186 Jahren geboren wurde
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Roxanna vom 15.04.2018, 08:57:56
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Zum Fressen geboren, zum Kraulen bestellt,
in Schlummer verloren gefällt mir die Welt.
Ich schnurr auf dem Schoße, ich ruhe im Bett
in lieblicher Pose, ob schlank oder fett.

So gelte ich allen als göttliches Tier,
sie stammeln und lallen und huldigen mir,
liebkosen mir glücklich Bauch, Öhrchen und Tatz -
ich wählte es wieder, das Leben der Katz.

Johann Wolfgang von Goethe

Clematis


 
Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 19.04.2018, 07:46:40
Das ist ein wunderschönes Foto, liebe @Clematis, es sieht aus wie ein Gemälde. Ich glaube kein anderes Tier kann so elegant dasitzen wie eine Katze Zwinkern.

Herzlichen Gruß
Roxanna
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
Das Leben, das ich selbst gewählt, Hermann Hesse


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