Literatur Schöne Lyrik

Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC00479.JPG

Hälfte des Lebens


Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde ?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

Friedrich Hölderlin, der heute vor 248 Jahren geboren wurde
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Schneegloeckchen3.jpg

Hoffnung
(E. Geibel)


Und dräut der Winter noch so sehr 
mit trotzigen Gebärden, 
und streut er Eis und Schnee umher, 
es muß d o c h Frühling werden.

Und drängen die Nebel noch so dicht 
sich vor den Blick der Sonne, 
sie wecket doch mit ihrem Licht 
einmal die Welt zur Wonne.

Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht, 
mir soll darob nicht bangen, 
auf leisen Sohlen über Nacht 
kommt doch der Lenz gegangen.

Da wacht die Erde grünend auf, 
weiß nicht, wie ihr geschehen, 
und lacht in den sonnigen Himmel hinauf, 
und möchte vor Lust vergehen.

Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar 
und schmückt sich mit Rosen und Ähren, 
und läßt die Brünnlein rieseln klar, 
als wären es Freudenzähren.

Drum still! Und wie es frieren mag, 
o Herz, gib dich zufrieden; 
es ist ein großer Maientag 
der ganzen Welt beschieden.

Und wenn dir oft auch bangt und graut, 
als sei die Höll' auf Erden, 
nur unverzagt auf Gott vertraut! 
Es muß d o c h Frühling werden!



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Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Winter 2010 Haus gegenüber.JPG

Winter 1894-95
(Regina Merkle)

O schrecklicher Winter, wie lang noch, wie lang
machst mit deiner Herrschaft uns angst und bang!
Wie lang schon schwingst du den Herrscherstab
und legst die Welt in Eis und Grab.

Selbst dort, wo sonst ewiger Frühling lacht,
da zeigst du gar grimmig deine Macht.
Du bist ein Tyrann, du bist ein Despot,
in deinem Gefolge sind Hunger und Not.

O schrecklicher Winter, wann gehst du fort?
So fragt man überall in Süd und Nord.
O harter Herrscher, wann räumst du das Feld
und bringst Erlösung der harrenden Welt?

Ach, rettender Frühling, ziehe bald ein;
denn Groß und Klein harrt schon lange dein.
Schlage den Winter aus dem Feld
und bringe Erlösung der harrenden Welt!




RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 22.03.2018, 08:14:04
Uhr600.JPG
Tröste dich, die Stunden eilen,
und was all dich drücken mag,
auch das Schlimmste kann nicht weilen,
und es kommt ein andrer Tag.

In dem ew'gen Kommen, Schwinden,
wie der Schmerz liegt auch das Glück,
und auch heit're Bilder finden
ihren Weg zu dir zurück.

Harre, hoffe. Nicht vergebens
zählest du der Stunden Schlag:
Wechsel ist das Los des Lebens,
und - es kommt ein andrer Tag

Theodor Fontane
1819-1898
:

Clematis




 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Vorfrühling.jpg

Vorfrühling
(Emerenz Meier 1874-1928)

Da draussen rauscht der Regen,
der Wind braust überm Land;
doch leise webt den Segen
des neuen Lenzes Hand.

Sie lockt aus Strauch und Bäumen
der Knospen grünen Schein,
sie schmückt mit lichten Säumen
der Wälder düstre Reih’n.

Sie webt schon an dem Kleide
der stillen Erdenbraut,
die bald zu aller Freude
dem Frühling wird getraut.

Mag jetzt der Sturm nur tosen,
er knickt die Hoffnung nicht.
bald winken uns die Rosen
und blüh’n Vergissmeinnicht.



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Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
kreuzigung.jpg
Karfreitag
Kurt Tucholsky (1890-1935)


Dies ist ein ernster Tag der Buße,
des Rückwärtsschauns, der Runzelstirn;
ich überdenke mir in Muße
die letzte Zeit in meinem Hirn.

Was war denn da? Vielleicht ein Sündenbabel?
Ein Teufelsdienst? Ein Satanskult?
Ein Hass, wie Kain einst Abel
den Bauch zersägt in himmlischer Geduld?

Ein Mord? Ein Diebstahl? Eine Lügenzunge?
Ein Feuerbrand? Ach, gar nichts solcherlei!
Er war so brav, der gute dicke Junge,
und nur ein helles Mädchen war dabei.

Wir haben leider keine Kirchenglocken.
Und ohne sichtbar-güldenen Heiligenschein
läut ich mir froh in blonden Locken
mein ganz privates Ostern ein!
 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Das-Abendmahl_RL.jpg
Das Abendmahl
R. M. Rilke - Aus: Das Buch der Bilder
 
Sie sind versammelt, staunende Verstörte, 
um ihn, der wie ein Weiser sich beschließt 
und der sich fortnimmt denen er gehörte 
und der an ihnen fremd vorüberfließt. 

Die alte Einsamkeit kommt über ihn, 
die ihn erzog zu seinem tiefen Handeln; 
nun wird er wieder durch den Wald wandeln, 
und die ihn lieben werden vor ihm fliehn. 

Er hat sie zu dem letzten Tisch entboten 
und (wie ein Schuß die Vögel aus den Schoten 
scheucht) scheucht er ihre Hände aus den Broten 
mit seinem Wort: sie fliegen zu ihm her; 

sie flattern bange durch die Tafelrunde 
und suchen einen Ausgang. Aber er 
ist überall wie eine Dämmerstunde. 
 


Sehr interessante Erklärungen zu Da Vincis Abendmahl
http://www.deutschlandfunk.de/das-abendmahl-des-leonardo-da-vinci-staunende-verstoerte.2540.de.html?dram:article_id=413410


 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Ostermorgen.jpgOstermorgen
E. Geibel

Die Lerche stieg am Ostermorgen
empor ins klarste Luftgebiet
und schmettert` hoch im Blau verborgen
ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen
es tausend Stimmen nach im Feld:
Wach auf, das Alte ist vergangen,
wach auf, du froh verjüngte Welt!

Wacht auf und rauscht durchs Tal, ihr Bronnen,
und lobt den Herrn mit frohem Schall!
Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen,
ihr grünen Halm und Läuber all!
Ihr Veilchen in den Waldesgründen,
ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot,
ihr sollt es alle mit verkünden:
Die Lieb ist stärker als der Tod.

Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,
die ihr im Winterschlafe säumt,
in dumpfen Lüften, dumpfen Schmerzen
ein gottentfremdet Dasein träumt..
Die Kraft des Herrn weht durch die Lande
wie Jugendhauch, o laßt sie ein!
Zerreißt wie Simson eure Bande,
und wie die Adler sollt ihr sein.

Wacht auf, ihr Geister, deren Sehnen
gebrochen an den Gräbern steht,
ihr trüben Augen, die vor Tränen
ihr nicht des Frühlings Blüten seht,
ihr Grübler, die ihr fern verloren,
hier ist ein Wunder, nehmt es an!

Ihr sollt euch all des Heiles freuen,
das über euch ergossen ward!
Es ist ein inniges Erneuen,
im Bild des Frühlings offenbart.
Was dürr war, grünt im Wehn der Lüfte,
jung wird das Alte fern und nah.
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte - 
wacht auf! Der Ostertag ist da.
 


Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Ostern.jpg
Ostern
(Ferdinand von Saar 1833-1906)

Ja, der Winter ging zur Neige,
holder Frühling kommt herbei,
lieblich schwanken Birkenzweige,
und es glänzt das rote Ei.

Schimmernd weh´n die Kirchenfahnen
bei der Glocken Feierklang
und auf oft betretnen Bahnen
nimmt der Umzug seinen Gang.

Nach dem dumpfen Grabchorale
tönt das Auferstehungslied,
und empor im Himmelsstrahle schwebt er,
der am Kreuz verschied.

So zum Schönsten der Symbole
wird das frohe Osterfest,
dass der Mensch sich Glauben hole,
wenn ihn Mut und Kraft verlässt.

Jedes Herz, das Leid getroffen,
fühlt von Anfang sich durchweht,
dass sein Sehnen und sein Hoffen
immer wieder aufersteht.



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