Literatur Schöne Lyrik
Guter Carl! – in jenen schönen Tagen
saß ich einst mit dir am Neckarstrand.
Fröhlich sahen wir die Welle an das Ufer schlagen,
leiteten uns Bächlein durch den Sand.
Endlich sah ich auf. Im Abendschimmer
stand der Strom. Ein heiliges Gefühl
bebte mir durchs Herz; und plötzlich scherzt‘ ich nimmer,
plötzlich stand ich ernster auf vom Knabenspiel.
Bebend lispelt‘ ich, wir wollen beten!
Schüchtern knieten wir in dem Gebüsche hin,
Einfalt, Unschuld war‘s, was unsre Knabenherzen redeten.
Lieber Gott! Die Stunde war so schön.
Wie der leise Laut dich Abba! nannte!
Wie die Knaben sich umarmten! Himmelwärts
ihre Hände streckten! Wie es brandte –
im Gelübde, oft zu beten - beider Herz.
Fr. Hölderlin (mit 16 Jahren)
Mondesaufgang
An des Balkones Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich.
Hoch über mir, gleich trübem Eiskristalle,
Zerschmolzen schwamm des Firmamentes Halle;
Der See verschimmerte mit leisem Dehnen,
Zerfloßne Perlen oder Wolkentränen? -
Es rieselte, es dämmerte um mich,
Ich wartete, du mildes Licht, auf dich.
Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm,
Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm;
Im Laube summte der Phalänen Reigen,
Die Feuerfliege sah ich glimmend steigen,
Und Blüten taumelten wie halb entschlafen;
Mir war, als treibe hier ein Herz zum Hafen,
Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid
Und Bildern seliger Vergangenheit.
Das Dunkel stieg, die Schatten drangen ein -
Wo weilst du, weilst du denn, mein milder Schein? -
Sie drangen ein wie sündige Gedanken,
Des Firmamentes Woge schien zu schwanken,
Verzittert war der Feuerfliege Funken,
Längst die Phaläne an den Grund gesunken,
Nur Bergeshäupter standen hart und nah,
Ein finstrer Richterkreis, im Düster da.
Und Zweige zischelten an meinem Fuß
Wie Warnungsflüstern oder Todesgruß;
Ein Summen stieg im weiten Wassertale
Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;
Mir war, als müsse etwas Rechnung geben,
Als stehe zagend ein verlornes Leben,
Als stehe ein verkümmert Herz allein,
Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.
Da auf die Wellen sank ein Silberflor,
Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor;
Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise;
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimatlampe Schein.
O, Mond, du bist mir wie ein später Freund,
Der seine Jugend dem Verarmten eint,
Um seine sterbenden Erinnerungen
Des Lebens zarten Widerschein geschlungen,
Bist keine Sonne, die entzückt und blendet
In Feuerströmen lebt, im Blute endet -
Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht,
Ein fremdes, aber o! ein mildes Licht. Annette von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), eigentlich Anna Elisabeth Freiin von Droste zu Hülshoff, die heute vor 221 Jahren geboren wurde.
An des Balkones Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich.
Hoch über mir, gleich trübem Eiskristalle,
Zerschmolzen schwamm des Firmamentes Halle;
Der See verschimmerte mit leisem Dehnen,
Zerfloßne Perlen oder Wolkentränen? -
Es rieselte, es dämmerte um mich,
Ich wartete, du mildes Licht, auf dich.
Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm,
Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm;
Im Laube summte der Phalänen Reigen,
Die Feuerfliege sah ich glimmend steigen,
Und Blüten taumelten wie halb entschlafen;
Mir war, als treibe hier ein Herz zum Hafen,
Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid
Und Bildern seliger Vergangenheit.
Das Dunkel stieg, die Schatten drangen ein -
Wo weilst du, weilst du denn, mein milder Schein? -
Sie drangen ein wie sündige Gedanken,
Des Firmamentes Woge schien zu schwanken,
Verzittert war der Feuerfliege Funken,
Längst die Phaläne an den Grund gesunken,
Nur Bergeshäupter standen hart und nah,
Ein finstrer Richterkreis, im Düster da.
Und Zweige zischelten an meinem Fuß
Wie Warnungsflüstern oder Todesgruß;
Ein Summen stieg im weiten Wassertale
Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;
Mir war, als müsse etwas Rechnung geben,
Als stehe zagend ein verlornes Leben,
Als stehe ein verkümmert Herz allein,
Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.
Da auf die Wellen sank ein Silberflor,
Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor;
Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise;
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimatlampe Schein.
O, Mond, du bist mir wie ein später Freund,
Der seine Jugend dem Verarmten eint,
Um seine sterbenden Erinnerungen
Des Lebens zarten Widerschein geschlungen,
Bist keine Sonne, die entzückt und blendet
In Feuerströmen lebt, im Blute endet -
Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht,
Ein fremdes, aber o! ein mildes Licht.
Das ists eben
Adelbert von Chamisso (1781 – 1838)
Seht auf schwarzbeschlagner Bahre
langsam sich den Zug bewegen!
Garden mit gesenkter Fahne,
dann der Sarg mit Kron' und Degen,
und die goldne Staatskarosse!
Und die schwarzbehängten Rosse!
Welch ein Schauspiel! welche Pracht
das ist's eben, das ist's eben,
was die Menge jauchzen macht.
Aber seht, bei jener Blende
dort das alte Weib, sie scheinet
zu verzweifeln, ringt die Hände,
weint und klaget, klagt und weinet.
Dass bei einem Leichenwagen
diese jauchzen, jene klagen,
dieser weint und jener lacht,
das ist's eben, das ist's eben,
was mich immer stutzig macht.
Mütterchen, laßt ab zu weinen,
fasset euch, so stand's geschrieben.
Alles stirbt nicht mit dem Einen,
ist der Sohn uns doch geblieben;
der wird's wie sein Vater treiben,
alles wird beim Alten bleiben,
alles gehn wie hergebracht.
„Das ist's“, schluchzt sie, „das ist's eben,
was so sehr mich weinen macht“.
Der Kastanienbaum
(Theodor Fontane - 1819 - 1898)
Dort unter dem Kastanienbaum
war's einst so wonnig mir,
der ersten Liebe schönsten Traum
verträumt' ich dort mit ihr.
Dort unter dem Kastanienbaum
ist's jetzt so traurig mir,
dort gab ich meinen Schmerzen Raum,
seit Vanda schied von hier.
Und doch ist's gar ein lieber Ort,
Erinnrung heiligt ihn,
es ist kein Zweig, kein Blättchen dort,
dem sie nicht Reiz verliehn.
Das Windesspiel in dunkler Krone,
ihr melancholisch Rauschen
gleicht ihrem bangen Abschieds-Tone
und zwingt mich, ihm zu lauschen.
Die weiße Blume? war sie nicht
selbst eine weiße Blüte?
Strahlt Unschuld nicht ihr Angesicht,
nicht Reinheit, Seelengüte?
Mit zartem Purpurnetz durchstickt
seh' ich die Blume prangen
und denke wenigstens, entzückt,
an ihre Rosenwangen.
Bald werd' ich eine Frucht erschaun
und habe dann fürwahr,
es war ja auch kastanienbraun,
ihr schöngelocktes Haar.
Nur eines fehlt, des Auges Blau,
des Liebchens größte Zier,
das trägt der Baum mir nicht zur Schau,
das zeigt er niemals mir.
Doch wenn der Frühling wiederkehrt,
belebt die weite Au,
da, hoff' ich, ist der Baum bekehrt
und blüht halb weiß, halb - blau.
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Winterlied
Geduld, du kleine Knospe
im lieben stillen Wald,
es ist noch viel zu frostig,
es ist noch viel zu kalt.
Noch geh ich dich vorüber,
doch merk ich mir den Platz,
und kommt heran der Frühling,
so hol ich dich, mein Schatz.
August von Platen
24. 10. 1796 - 5. 12. 1885
Clematis
Glück
Solang du nach dem Glücke jagst
Frühlingsahnen
Wenn des Winters starrer Traum
Berg und Flur mit Schnee bedecket,
Jeder dürre Zweig am Baum
Jammernd sich gen Himmel strecket:
Kannst du da begreifen, sag'
Wie nach wen'gen Mondesneigen
Der jetzt frosterstarrte Hag
Einen Blüthenflor wird zeigen?
Doch du weißt, der lichte Trost
Naht auf unsichtbaren Wegen
Und im rauhen Winterfrost
Lächelst du dem Lenz entgegen.
Und so kann, so kann auch ich
Nicht begreifen und nicht fassen,
Wie in meiner Seele sich
Noch ein Glück wird ziehen lassen.
Doch ich weiß: zur Wonne geht,
Wer da wallt auf Dornenbahnen,
Und durch meinen Winter weht
Ein tief selig Frühlingsahnen!
Betty Paoli
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ein großer Teich war zugefroren,
die Fröschlein in der Tiefe verloren,
durften nicht ferner quaken noch springen,
versprachen sich aber, im halben Traum,
fänden nur sie da oben Raum,
wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
nun ruderten sie und landeten stolz,
und saßen am Ufer weit und breit,
und quakten wie vor alter Zeit.
Johann Wolfgang von Goethe
1749-1832
Clematis
Wenn im Tal und auf den Bergen
mitternächtig heult der Sturm,
klettert über First und Schornstein
Hiddigeigei auf zum Turm.
Einem Geist gleich sitzt er oben,
schöner, als er jemals war.
Feuer sprühen seine Augen,
Feuer sein gesträubtes Haar.
Und er singt in wilden Weisen,
singt ein altes Katerschlachtlied,
das wie fern Gewitterrollen
durch die sturmdurchbrauste Nacht zieht.
Nimmer hören ihn die Menschen,
jeder schläft in seinem Haus,
aber tief im Kellerloche
hört erblassend ihn die Maus.
Und sie kennt des Alten Stimme,
und sie zittert, und sie weiß:
Fürchterlich in seinem Grimme
ist der Katerheldengreis.
(Joseph Victor von Scheffel 1826-1886)
Engel umschweben uns
Engel umschweben uns,
Wo wir auch gehn,
Engel umgeben uns,
Wie wir uns drehn.
Doch wir erkennen sie
Nicht in dem Licht,
Und zu benennen sie
Wissen wir nicht.
Selber zu blenden uns
Scheinet der Glanz,
Wir von ihm wenden uns
Halb oder ganz.
Aber nun haben wir
Engel ein Paar,
Denen ja gaben wir
Namen fürwahr.
Und nicht vergaßen wir:
Wirklich einmal
Selber besaßen wir
Leiblich den Strahl.
Sollten wir wenden uns
Ab von dem Glanz?
Sollten verblenden uns
Halb oder ganz?
Nein! wir erkennen euch
Freudig im Licht,
Und zu benennen euch
Zweifeln wir nicht.
Lächelnd ihr gebet uns
Wohl zu verstehn,
Daß ihr umschwebet uns,
Wo wir auch gehn
Friedrich Rückert
der heute vor 152 Jahren verstorben ist