Literatur Schöne Lyrik
ich will warten, bis diese Seite voll ist und - hoffentlich -
man wieder schreiben kann ohne ständig hin und her zu rutschen.
Eingemittete Zeilen sollten nur kurz sein. Es wird zu fransig
und die Augen tun mir weh dabei.
Das wollte ich einfach mal los werden.
Clematis
An die Lerche
E. M. Arndt (1769 – 1860)
Vöglein, Vöglein in den Lüften,
Lerche, die zum Himmel schwebt,
unten still in Blumendüften
und im Grün der Wiesen lebt,
du bist mein, du süße Kehle,
meine Sehnsucht, meine Lust,
alles Weh der Menschenseele
klingst du hell aus frommer Brust.
Also trägst du meine Schmerzen
aus der Erde Nebelflor
zu dem Herzen aller Herzen,
zu dem Himmelshort, empor,
trägst mich hin zu meinen Lieben,
die nun oben selig sind:
Unten ist das Leid geblieben,
droben wehet Lebenswind.
O wie süß, mit dir zu kreisen
in dem heitern Sonnenstrahl!
O wie süß, mit dir zu reisen
himmelauf vom Erdental!
Auszujubeln, auszusingen,
was das stille Herz nur weiß,
und aus voller Brust zu klingen
Liebeslust und Himmelspreis!
Basel - Münster
Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister,
und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister,
geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister
und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.
Wir steigen in die wiegenden Gerüste,
in unsern Händen hängt der Hammer schwer,
bis eine Stunde uns die Stirnen küsste,
die strahlend und als ob sie Alles wüsste
von dir kommt, wie der Wind vom Meer.
Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern
und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.
Gott, du bist gross.
Rainer Maria Rilke
4. 12. 1875-29. 12. 1926
Clematis
Ich weiß den Tag, es war wie heute,
ein erster Maitag, weich und mild,
und die erwachten Augen freute
das übersonnte Morgenbild.
Der frohe Blick lief hin und wieder,
wie sammelt er die Schätze bloß?
So pflückt ein Kind im auf und nieder
sich seine Blumen in den Schoß.
Da sah ich dicht am Wegessaume
ein Birkenbäumchen einsam stehn,
rührend im ersten Frühlingsflaume,
konnt' nicht daran vorübergehn.
In seinem Schatten stand ich lange,
hielt seinen schlanken Stamm umfasst
und legte leise meine Wange
an seinen kühlen Silberbast.
Ein Wind flog her, ganz sacht, und wühlte
im zarten Laub wie Schmeichelhand.
Ein Zittern lief herab, als fühlte
das Bäumchen, dass es Liebe fand.
Und war vorher die Sehnsucht rege,
hier war sie still, in sich erfüllt;
es war, als hätte hier am Wege
sich eine Seele mir enthüllt.
Gustav Falke
11. 1. 1853-8. 2. 1916
Aquarell Ingeborg
Clematis
Mein liebes Gärtchen
Der Sommer hat alle Welt beglückt
Und jedem eine Freude gebracht;
Er hat mein liebes Gärtchen geschmückt
Noch schöner als ich je gedacht,
Mein liebes Gärtchen hinter'm Haus
Wo ich so gern geh' ein und aus.
Wie alles d'rin von Blumen prangt!
Wie alles d'rin von Früchten hangt!
Erdbeeren lächeln aus dunklem Grün,
Und daneben Rosen und Lilien blühn.
Doch hat uns auch keine Mühe verdrossen:
Wir haben gesäet, gepflanzt und begossen,
Und fleißig gejätet mit eigener Hand
Und die Wege bestreut mit frischem Sand.
Du liebes Gärtchen, für alle die Mühn
Da lässest du deine Blumen blühn
Und süße Früchte reichst du uns auch
Von manchem Baum und manchem Strauch.
Für all das Lieb' und Gut' empfang'
Nun unsern Dank in Sang und Klang!
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
2. 4. 1798-19. 1. 1874
Clematis
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.
Rainer Maria Rilke
Einsamkeit
R.M. Rilke (1875 - 1926
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen:
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen ...
An die Muse
Caroline Rudolphi (1753 – 1811)
O Freundin, die mein pochend Herz
zur Ruhe stets bekehret,
du hast mir Lust und frohen Scherz,
so oft ich bat, gewähret,
laß doch der Sorgen bösen Schwarm,
o laß ihn von mir fliehen!
O laß den bangen finstern Harm
die Seele nicht umziehen.
Von vielem, das man Glück genannt,
dies, Freundin, kannst du wissen,
ward mir nie etwas zuerkannt,
doch weiß ich es zu missen.
Daß ich dies weiß, daß du mich liebst,
und oft im tiefsten Leide
noch Sonnenschein der Seele giebst,
dies ist mir Glück und Freude.
Von allem, was nur Glück genannt,
von seinen schönsten Gaben,
von reichem Guth und hohem Stand
könnt' ich die Fülle haben;
und doch nicht weisen, frohen Muth,
nicht Sonnenschein der Seele -
o Muse, laß mir dieses Guth,
weil ich noch Tage zähle.
Und sterb' ich in der Blüthezeit
des Lebens, - - nim die Leyer
und trag sie, die ich nie entweiht,
bey jeder Frühlingsfeier
in meinen kleinen Birkenhain,
wo ich mich dein gefreuet,
wo du bey stillem Mondenschein
zur Freundin mich geweihet.
Und hänge, wo mein Staub zerfiel,
denn hier, wie ichs mich freue,
hier ruh' ich einst mein Saitenspiel
an eine kleine Maye,
und lisple, wenn im süßen Traum
ein Wanderer sich wieget,
dem armen Mann von diesem Baum:
daß hier ein Mädchen lieget.
Die so wie er des Lebens Pfad
oft öd' und rauh gefunden;
doch deren Muth kein Sturmwind hat,
kein Wetter überwunden;
die sich in Wüsten Blumen schuf,
in öden Winterfluren,
und hörte gern der Freude Ruf,
und folgte ihren Spuren.
Die, nahte sich ihr Feind, der Gram,
ihn eilend zu verscheuchen,
nur die bekränzte Leyer nahm,
und bald ihn sah entweichen,
die ruhig lächelte dem Tod,
und mit gelaßner Seele
ihm folgt', als er die Hand ihr bot,
zur unbekannten Höhle.
Doch, Freundin, die mein klagend Herz
so zärtlich oft gestillet,
mit süßer Freud' und süßem Schmerz
so wunderbar erfüllet,
laß mir noch, eh du mich beweinst,
manch kleines Liedchen glücken,
das weiche Schwesterseelen einst
an ihren Busen drücken.
Sorgen sind meist von
der Nessel Art,
sie brennen, rührst du sie zu zart;
fasse sie nur an herzhaft,
so ist der Griff
nicht schmerzhaft.
Emanuel Geibel
1815-1884
;
Pastellkreiden
Vice Versa
Ein Hase sitzt auf einer Wiese,
des Glaubens, niemand sehe diese.
Doch im Besitze eines Zeißes,
betrachtet voll gehaltnen Fleißes
vom vis-a-vis gelegnen Berg
ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.
Ihn aber blickt hinwiederum
ein Gott von fern an, mild und stumm.
Christian Morgenstern
6. 5. 1871 - 31. 3. 1914
Clematis