Literatur Schöne Lyrik

Sirona
Sirona
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Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Die Tochter der Heide
Eduard Mörike

Wasch dich, mein Schwesterchen, wasch dich!
Zu Robins Hochzeit gehn wir heut:
Er hat die stolze Ruth gefreit.
Wir kommen ungebeten;
wir schmausen nicht, wir tanzen nicht
und nicht mit lachendem Gesicht
komm ich vor ihn zu treten.

Strähl dich, mein Schwesterchen, strähl dich
wir wollen ihm singen ein Rätsel-Lied,
wir wollen ihm klingen ein böses Lied;
die Ohren sollen ihm gellen.
Ich will ihr schenken einen Kranz
von Nesseln und von Dornen ganz,
damit fährt sie zur Hölle!

Schick dich, mein Schwesterchen, schmück dich!
Derweil sie alle sind am Schmaus,
soll rot in Flammen stehn das Haus,
die Gäste schreien und rennen.
Zwei sollen sitzen unverwandt,
zwei hat ein Sprüchlein festgebannt;
zu Kohle müssen sie brennen.

Lustig, mein Schwesterchen, lustig!
Das war ein alter Ammensang.
Den falschen Rob vergaß ich lang.
Er soll mich sehen lachen!
Hab ich doch einen andern Schatz,
der mit mir tanzet auf dem Platz -
sie werden Augen machen!


Das nenne ich Rachegelüste einer verschmähten Liebe.
Roxanna
Roxanna
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Sirona vom 23.03.2017, 10:57:12
Sirona




Frühlingsnacht

Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt's schon an zu blühn.

Jauchzen möcht ich, möchte weinen,
Ist mir's doch, als könnt's nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond, die Sterne sagen's,
Und in Träumen rauscht's der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen's:
Sie ist deine, sie ist dein!

Joseph Freiherr von Eichendorff
Sirona
Sirona
Mitglied

Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona


Heidenacht
Hermann Ludwig Allmers

Wenn trüb das verlöschende letzte Rot
herschimmert über die Heide,
wenn sie liegt so still, so schwarz und tot,
so weit du nur schauest, die Heide,
wenn der Mond steigt auf und mit bleichem Schein
erhellt den granitnen Hünenstein,
und der Nachtwind seufzet und flüstert darein
auf der Heide, der stillen Heide –

Das ist die Zeit, dann mußt du gehn
ganz einsam über die Heide,
mußt achten still auf des Nachtwind's Wehn
und des Mondes Licht auf der Heide:
Was nie du vernahmst durch Menschenmund,
uraltes Geheimnis, es wird dir kund,
es durchschauert dich tief in der Seele Grund.

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Roxanna
Roxanna
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Sirona vom 24.03.2017, 12:07:06


Die Quelle

Murmle stiller, Quellchen, durch den Hain,
Hold durchflochten von der Sonne Schimmer,
Singe deine süßen Lieder immer
Sanft umdämmert von den Frühlingsmai'n.

Philomele ruft Akkorde drein,
Leiser Liebe zärtliches Gewimmer,
Da wo sich das zarte Ästchen krümmer
Neiget zu der Welle Silberschein.

Käme Molly doch hieher gegangen,
Wo Natur im Hirtenkleide schwebt,
Allgewaltig mir im Busen webt,

Reizvoll würde sie die auch umfangen,
Und vergessen ließ ein einzger Kuß
Uns vergangnen Kummer und Verdruß.

Novalis


Heute ist Todestag von Novalis.
Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Roxanna vom 25.03.2017, 09:51:53
Schöner Frühling, komm doch wieder,
lieber Frühling, komm doch bald.
Bring uns Blumen, Laub und Lieder,
schmücke wieder Feld und Wald.

Auf die Berge möcht' ich fliegen,
möchte seh'n ein grünes Tal.
Möcht in Gras und Blumen liegen,
und mich freu'n am Sonnenstrahl.

Möchte hören die Schalmeien
und der Herden Glockenklang.
Möchte freuen mich im Freien
an der Vögel süßem Sang.

A. H. Hoffmann von Fallersleben
1798-1874



Clematis
Roxanna
Roxanna
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.03.2017, 15:39:15



Abstammung

Wir sind nur Blüten an einem Baum:
Ein jeder träumt seinen Blütentraum
Und weiß nicht viel vom Andern;
Wir brechen hervor aus Zweiglein und Ast,
Wir fühlen der Blätter und Blättchen Getast
Und der Winde und Wolken Wandern.

Der Baum der Menschheit, der uns trägt,
Der Sturmwind Tod, der uns niederfegt,
Sind's, die unser Dasein umründen.
Wir stammen aus Erde und Himmelslicht,
Mehr wissen auch unsere Weisesten nicht:
Den Stamm konnte keiner ergründen.

Ludwig Scharf

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Neptun
Neptun
Mitglied

Rose und Lilie
geschrieben von Neptun
Diverses(Neptun)
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Rose und Lilie


Die Rose liebt die Lilie,
Sie steht zu ihren Füßen;
Bald lös't die Glut ihr schönstes Blatt,
Es fällt, um sie zu grüßen.

Die Lilie bemerkt es wohl,
Sie hätt' das Blättlein gerne;
Der Wind verweht's, und Blatt nach Blatt,
Jagt er in alle Ferne.

Die Rose doch läßt nimmer ab,
Läßt immer neue fallen;
Sie grüßt, und grüßt sich fast zu Tod,
Doch keines trifft von allen.

Das letzte fängt die Lilie
Und thut sich dicht zusammen.
Nun glüht das Blatt in ihrem Kelch,
Als wär's ein Herz voll Flammen.

[i]Christian Friedrich Hebbel
Neptun
Neptun
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Neptun
Flora(Neptun)
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Hyazinthen

Fern hallt Musik; doch hier ist stille Nacht,
Mit Schlummerduft anhauchen mich die Pflanzen.
Ich habe immer, immer dein gedacht;
Ich möchte schlafen, aber du musst tanzen.

Es hört nicht auf, es rast ohn Unterlaß;
Die Kerzen brennen und die Geigen schreien,
Es teilen und es schließen sich die Reihen,
Und alle glühen; aber du bist blaß.

Und du mußt tanzen; fremde Arme schmiegen
Sich an dein Herz; o leide nicht Gewalt!
Ich seh dein weißes Kleid vorüberfliegen
Und deine leichte, zärtliche Gestalt. - -

Und süßer strömend quillt der Duft der Nacht
Und träumerischer aus dem Kelch der Pflanzen.
Ich habe immer, immer dein gedacht;
Ich möchte schlafen, aber du mußt tanzen.

[i]Theodor Storm
Sirona
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Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona


Auf der Rudelsburg
Hermann Ludwig Allmers (1821-1902)

Dort Saaleck, hier die Rudelsburg,
und unten tief im Tale,
da rauschet zwischen Felsen durch
die alte, liebe Saale.
Und Berge hier und Berge dort,
zur Rechten und zur Linken;
die Rudelsburg, das ist ein Ort
zum Schwärmen und zum Trinken.

O Vaterland, wie bist du schön
mit deinen Saatenfeldern,
mit deinen Tälern, deinen Höhn
und all’ den stolzen Wäldern!
O Vaterland, drum wollen wir
dir unsre Lieder singen,
vor allem hier bei kräft'gem Bier
ein kräftig Hoch dir bringen.

Das wissen die Studenten auch
in Jena und in Halle,
wir trinken dort nach altem Brauch
im Hof und auf dem Walle.
Umringt von moosigem Gestein,
wie klingen unsre Lieder!
Die Saale rauscht so freudig drein,
die Berge hallen wieder.

Wie tönet das ins Tal hinein
vom Felsen hoch hernieder!
Die Saale rauscht so freudig drein,
die Berge hallen wieder.
Die Berge hier, die Berge dort,
zur Rechten und zur Linken;
die Rudelsburg, das ist ein Ort
zum Schwärmen und zum Trinken.
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Sirona vom 03.04.2017, 10:03:21


Frühling ohne Wiederkehr
Charlotte von Ahlefeld (1781-1849)

Lieblich ist des Lenzes erstes Lächeln,
wenn in Blütenbäumen laue Luft sich wieget,
und des Baches eisbefreite Welle
nicht mehr stockend, durch die Fluren rinnt.

Dann ermuntern sich zu neuem Leben
die verblichnen Wiesen aus dem Winterschlafe,
und das Gras wacht auf, und decket träumend
wiederum den Schoß der Mutter Erde.

Und die Blumen öffnen ihre Kelche -
alle die im späten Herbste starben
richten sich aus ihrem dunklen Grabe
neu empor im Glanz der Auferstehung.

O Natur - wie milde gibst Du wieder
was Dein feierlicher Gang zerstöret.
Fest im stillen, ewig gleichen Kreislauf,
folgt auf Deinen Ernst ein mildes Lächeln.

Nicht Vernichtung, nur ein leiser Schlummer
hält des Frühlings holde Lust gefangen;
bald, bekränzt mit Veilchen, kehrt er wieder
süß umhallt von Nachtigallentönen.

Doch wann kehrt der Liebe Frühling wieder?
Ach, verscheucht hat ihn die Nacht der Trennung
und der Winterschauer einer ew'gen Ferne
tötet rauh das zarte Grün der Hoffnung.

Des Beisammenlebens Stundenblumen
starben hin im Seufzerhauch des Abschieds.
Kummervoll benetzt von heissen Tränen,
sind der Freude Rosen längst verblichen.

Keine Sonne wird sie neu erwecken -
keines Wiedersehens goldner Schimmer
winkt des Glückes lichterfüllte Tage
aus dem Grabe der Vergangenheit hervor.

Traurig zieht der Jahreszeiten Wechsel
meinem still umwölkten Blick vorüber.
Ach es folgt der Frühling auf den Winter,
aber nimmer kehrt der Liebe Frühling wieder!


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