Literatur Schöne Lyrik
Es gibt so wunderweiße Nächte
Rainer Maria Rilke
(1875-1926)
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Diamantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Berliner Weihnachtsmarkt im 19. Jahrhundert
Der Berliner Impressionist Franz Skarbina (1849 - 1910) malte 1892 dieses Aquarell
(Bildquelle: Wikipedia)
Weihnachtsmarkt
Gottfried Keller (1819 – 1890)
Welch lustiger Wald um das hohe Schloss
hat sich zusammen gefunden,
ein grünes, bewegliches Nadelgehölz,
von seiner Wurzel gebunden!
Anstatt der warmen Sonne scheint
das Rauschgold durch die Wipfel;
hier backt man Kuchen, dort brät man Wurst,
das Räuchlein zieht um die Gipfel.
Es ist ein fröhlich Leben im Wald,
das Volk erfüllet die Räume;
die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,
die fällen am frohsten die Bäume.
Der eine kauft ein bescheidnes Gewächs
zu überreichen Geschenken,
der andre einen gewaltigen Strauch,
drei Nüsse daran zu henken.
Dort feilscht um ein winziges Kieferlein
ein Weib mit scharfen Waffen,
der dünne Silberling soll zugleich
den Baum und die Früchte verschaffen.
Mit rosiger Nase schleppt der Lakai
die schwere Tanne von hinnen;
das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,
zu ersteigen die grünen Zinnen.
Und kommt die Nacht, so singt der Wald
und wiegt sich im Gaslichtscheine;
bang führt die ärmste Mutter ihr Kind
vorüber dem Zauberscheine.
Immer ein Lichtlein mehr
Matthias Claudius (1740 – 1815)
Immer ein Lichtlein mehr
im Kranz, den wir gewunden,
dass er leuchte uns so sehr
durch die dunklen Stunden.
Zwei und drei und dann vier!
Rund um den Kranz welch ein Schimmer,
und so leuchten auch wir,
und so leuchtet das Zimmer.
Und so leuchtet die Welt
langsam der Weihnacht entgegen.
Und der in Händen sie hält,
weiß um den Segen!
Winternacht
Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seinen Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.
Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.
Joseph von Eichendorff
Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seinen Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.
Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.
Joseph von Eichendorff
Die Nacht vor dem heiligen Abend
Robert Reinick 1805-1852
Die Nacht vor dem heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum.
Sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.
Und während sie schlafen und träumen
wird es am Himmel klar
und durch den Himmel fliegen
drei Englein wunderbar.
Sie tragen ein holdes Kindlein,
das ist der heilige Christ.
Es ist so fromm und freundlich
wie keins auf Erden ist.
Und während es über die Dächer
still durch den Himmel fliegt,
schaut es in jedes Bettlein,
wo nur ein Kindlein liegt.
Und freut sich über alle,
die fromm und freundlich sind,
denn solche liebt von Herzen
das himmlische Kind.
Heut schlafen noch die Kinder
und sehen es nur im Traum,
doch morgen tanzen und springen sie
um den Weihnachtsbaum.
Ich wünsche allen hier Lesenden und Schreibenden ein besinnliches und friedliches Weihnachtsfest!
Sirona
Sirona
Liebe Sirona,
danke für dieses schöne Weihnachtsgedicht und die Weihnachtswünsche. Ja, Weihnachten mit strahlenden Kinderaugen, das ist wirklich Herz erwärmend.
Ich wünsche dir auch ein schönes, besinnliches und friedliches Weihnachtsfest. Darum geht es ja auch immer wieder, den inneren Frieden zu finden, wie stürmisch es auch im Außen zugeht.
Ich freue mich, liebe Sirona, hier auch im neuen Jahr wieder schöne Gedichte lesen und auch selber immer wieder etwas dazu beitragen zu können.
Liebe Grüße
Roxanna
danke für dieses schöne Weihnachtsgedicht und die Weihnachtswünsche. Ja, Weihnachten mit strahlenden Kinderaugen, das ist wirklich Herz erwärmend.
Ich wünsche dir auch ein schönes, besinnliches und friedliches Weihnachtsfest. Darum geht es ja auch immer wieder, den inneren Frieden zu finden, wie stürmisch es auch im Außen zugeht.
Die Botschaft von Weihnachten:
Es gibt keine größere Kraft als die Liebe.
Sie überwindet den Hass
wie das Licht die Finsternis.
Martin Luther King
Es gibt keine größere Kraft als die Liebe.
Sie überwindet den Hass
wie das Licht die Finsternis.
Martin Luther King
Ich freue mich, liebe Sirona, hier auch im neuen Jahr wieder schöne Gedichte lesen und auch selber immer wieder etwas dazu beitragen zu können.
Liebe Grüße
Roxanna
Und wieder hier draußen...
Und wieder hier draußen ein neues Jahr -
Was werden die Tage bringen?
Wird's werden, wie es immer war,
Halb scheitern, halb gelingen?
Wird's fördern das, worauf ich gebaut,
Oder vollends es verderben?
Gleichviel, was es im Kessel braut,
Nur wünsch' ich nicht zu sterben.
Ich möchte noch wieder im Vaterland
Die Gläser klingen lassen
Und wieder noch des Freundes Hand
Im Einverständnis fassen.
Ich möchte noch wirken und schaffen und tun
Und atmen eine Weile,
Denn um im Grabe auszuruhn,
Hat's nimmer Not noch Eile.
Ich möchte leben, bis all dies Glühn
Rücklässt einen leuchtenden Funken
Und nicht vergeht wie die Flamm' im Kamin,
Die eben zu Asche gesunken.
Theodor Fontane
Und wieder hier draußen ein neues Jahr -
Was werden die Tage bringen?
Wird's werden, wie es immer war,
Halb scheitern, halb gelingen?
Wird's fördern das, worauf ich gebaut,
Oder vollends es verderben?
Gleichviel, was es im Kessel braut,
Nur wünsch' ich nicht zu sterben.
Ich möchte noch wieder im Vaterland
Die Gläser klingen lassen
Und wieder noch des Freundes Hand
Im Einverständnis fassen.
Ich möchte noch wirken und schaffen und tun
Und atmen eine Weile,
Denn um im Grabe auszuruhn,
Hat's nimmer Not noch Eile.
Ich möchte leben, bis all dies Glühn
Rücklässt einen leuchtenden Funken
Und nicht vergeht wie die Flamm' im Kamin,
Die eben zu Asche gesunken.
Theodor Fontane
Ich wünsche allen einen guten Rutsch und alles Gute für 2017.
Herzliche Grüße
Roxanna
Joseph von Eichendorff
Auf meines Kindes Tod
1
Was ist mir denn so wehe?
Es liegt ja wie im Traum
Der Grund schon, wo ich stehe,
Die Wälder säuseln kaum
Noch von der dunklen Höhe.
Es komme wie es will,
Was ist mir denn so wehe –
Wie bald wird alles still.
2
Das ists, was mich ganz verstöret:
Daß die Nacht nicht Ruhe hält,
Wenn zu atmen aufgehöret
Lange schon die müde Welt.
Daß die Glocken, die da schlagen,
Und im Wald der leise Wind
Jede Nacht von neuem klagen
Um mein liebes, süßes Kind.
Daß mein Herz nicht konnte brechen
Bei dem letzten Todeskuß,
Daß ich wie im Wahnsinn sprechen
Nun in irren Liedern muß.
3
Von fern die Uhren schlagen,
Es ist schon tiefe Nacht,
Die Lampe brennt so düster,
Dein Bettlein ist gemacht.
Die Winde nur noch gehen
Wehklagend um das Haus,
Wir sitzen einsam drinnen
Und lauschen oft hinaus.
Es ist, als müßtest leise
Du klopfen an die Tür,
Du hättst dich nur verirret,
Und kämst nun müd zurück.
Wir armen, armen Toren!
Wir irren ja im Graus
Des Dunkels noch verloren –
Du fandst dich längst nach Haus.
---
Von Eichendorff wurde ja schon viel in Dur hier eingestellt. Ich komme mal mit einem Gedicht in Moll aus persönlichen Gründen.
Dieses Gedicht ist mir schon immer besonders nahegegangen, weil besonders die dritte Strophe eine Situation beschreibt, die ich nie vergessen werde.
So wie Eichendorff über den Verlust seiner beiden Mädchen nur schwer hinwegkam, so hat mich der frühe Tod meines Bruders, als ich zehn war, durchgerüttelt. Auch die Trauer meiner Eltern, besonders die meiner Mutter, hat sich in jungen Jahren tief in mir eingebrannt. Oft saßen wir nach der Todesnachricht alle spät am Abend stumm in der beheizten Stube und hörten nur das Ticken der Standuhr, "Von fern die Uhren schlagen“, suchten die Nähe des anderen.
"Und er wird nie, nie mehr wiederkommen", war der erste Satz meiner Mutter, den ich verstanden habe und den sie unter Schluchzen herausgebracht hat, den ich einfach nicht vergessen konnte.
Man glaubt, dass sich die Tür doch noch öffnen werde und er mit seiner Freundin hereinkommt. Sein Zimmer, sein Bett blieb lange unberührt, "das Bettlein ist gemacht". Erst nach langer Zeit begreift man auch als Kind schmerzlich, dass es endgültig ist, so wie die Eltern in dem Gedicht sich als Toren erkennen und ihren Irrtum akzeptieren müssen und die sich dennoch an die letzte Hoffnung klammern: Du fandst dich längst nach Haus.
Federstrich
Auf meines Kindes Tod
1
Was ist mir denn so wehe?
Es liegt ja wie im Traum
Der Grund schon, wo ich stehe,
Die Wälder säuseln kaum
Noch von der dunklen Höhe.
Es komme wie es will,
Was ist mir denn so wehe –
Wie bald wird alles still.
2
Das ists, was mich ganz verstöret:
Daß die Nacht nicht Ruhe hält,
Wenn zu atmen aufgehöret
Lange schon die müde Welt.
Daß die Glocken, die da schlagen,
Und im Wald der leise Wind
Jede Nacht von neuem klagen
Um mein liebes, süßes Kind.
Daß mein Herz nicht konnte brechen
Bei dem letzten Todeskuß,
Daß ich wie im Wahnsinn sprechen
Nun in irren Liedern muß.
3
Von fern die Uhren schlagen,
Es ist schon tiefe Nacht,
Die Lampe brennt so düster,
Dein Bettlein ist gemacht.
Die Winde nur noch gehen
Wehklagend um das Haus,
Wir sitzen einsam drinnen
Und lauschen oft hinaus.
Es ist, als müßtest leise
Du klopfen an die Tür,
Du hättst dich nur verirret,
Und kämst nun müd zurück.
Wir armen, armen Toren!
Wir irren ja im Graus
Des Dunkels noch verloren –
Du fandst dich längst nach Haus.
---
Von Eichendorff wurde ja schon viel in Dur hier eingestellt. Ich komme mal mit einem Gedicht in Moll aus persönlichen Gründen.
Dieses Gedicht ist mir schon immer besonders nahegegangen, weil besonders die dritte Strophe eine Situation beschreibt, die ich nie vergessen werde.
So wie Eichendorff über den Verlust seiner beiden Mädchen nur schwer hinwegkam, so hat mich der frühe Tod meines Bruders, als ich zehn war, durchgerüttelt. Auch die Trauer meiner Eltern, besonders die meiner Mutter, hat sich in jungen Jahren tief in mir eingebrannt. Oft saßen wir nach der Todesnachricht alle spät am Abend stumm in der beheizten Stube und hörten nur das Ticken der Standuhr, "Von fern die Uhren schlagen“, suchten die Nähe des anderen.
"Und er wird nie, nie mehr wiederkommen", war der erste Satz meiner Mutter, den ich verstanden habe und den sie unter Schluchzen herausgebracht hat, den ich einfach nicht vergessen konnte.
Man glaubt, dass sich die Tür doch noch öffnen werde und er mit seiner Freundin hereinkommt. Sein Zimmer, sein Bett blieb lange unberührt, "das Bettlein ist gemacht". Erst nach langer Zeit begreift man auch als Kind schmerzlich, dass es endgültig ist, so wie die Eltern in dem Gedicht sich als Toren erkennen und ihren Irrtum akzeptieren müssen und die sich dennoch an die letzte Hoffnung klammern: Du fandst dich längst nach Haus.
Federstrich
Jahreswechsel
Louise Otto (1819-1895)
Wenn hoch vom Turm die Glocken klingen,
in mitternächtlich ernster Stund'
des Jahres Scheidegruß zu bringen:
Dann lauschen wir, als werd' uns kund,
was nun der neue Lauf der Horen
uns Erdenpilgern bieten mag -
das Jahr ward neuverjüngt geboren
und festlich grüßt sein erster Tag.
Doch ist vergeblich alles Fragen,
die Antwort lautet immer gleich:
Propheten sind aus unsern Tagen
verbannt ins dunkle Sagenreich.
Kein Blick darf in die Werkstatt schweifen,
in der des Menschen Los sich webt,
kein Arm in das Getriebe greifen,
das Schicksals-Fäden senkt und hebt!
Das mussten alle wir erfahren
in unsrer Lieben engem Kreis -
gebrochen müssen wir gewahren
manch hoffnungsgrüne frisches Reis,
und wo wir's ahnend kaum vermutet,
da kam uns Rettung aus der Not,
indessen dort ein Herz verblutet
weil ihm sein Liebstes nahm der Tod!
Nur eitel ist das ird'sche Hoffen
das sich an äußre Zeichen hält,
ist nicht in uns ein Himmel offen,
von dem kein Stern herunterfällt.
Wie sehr auch Sturm und Donner wettert
und frische Hoffnungssaat zerschlägt
und alle Rosen uns entblättert,
wie Staub in alle Winde trägt.
Ein Himmel, den wir sicher schauen,
wenn sich der Blick nur aufwärts hebt,
ein Himmel, den wir selber bauen,
wenn wir zum höchsten Ziel gestrebt,
ein Himmel, draus seit Ewigkeiten
zu uns die Schöpfungsformel spricht,
die heiligste für alle Zeiten
kein Chaos mehr! - es werde Licht!
Kein Chaos mehr - in unserm Leben,
kein Chaos mehr im Vaterland!
Es werde Licht, - dies unser Streben,
die Waffe dies in unsrer Hand
des Gottesfunkens treue Wächter
an heil'ger Freiheit Hochaltar,
und Feinde aller Lichtverächter:
So grüßen wir das neue Jahr.
Ich wünsche allen Lyrikfreunden ein gesundes Jahr 2017 und möchte mich gleichzeitig für die Beteiligung in diesem Forum herzlich bedanken.
Federstrich, das von Dir eingestellte Gedicht macht betroffen und lässt den Schmerz erahnen den jemand empfindet, der einen lieben Menschen nie nie mehr wiedersehen wird. Und gerade in diesen Tagen und am Jahreswechsel kommen diese schweren Gedanken ganz besonders intensiv zum Tragen.
Danke auch für die Informationen zu Eichendorff, es war mir nicht bekannt dass er zwei Kinder verloren hat.
Hier zeigt sich dass das Schicksal keine Ausnahme macht; ob Dichter, König, Bettler, Musiker, Philosoph etc. - es schlägt einfach erbarmungslos zu.
LG Sirona
Gedicht Zum neuen Jahr
Mörike, Eduard (1804-1875)
Wie heimlicher Weise
ein Engelein leise
mit rosigen Füßen
die Erde betritt -
so nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
ein heilig Willkommen,
ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!
In Ihm sei's begonnen,
der Monde und Sonnen
an blauen Gezelten
des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
sei Anfang und Ende,
sei alles gelegt!