Literatur Schöne Lyrik

Milan
Milan
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Die Heinzelmännchen zu Köln
geschrieben von Milan
Die Heinzelmännchen zu Köln

Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul,... man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich:
Da kamen bei Nacht,
Ehe man's gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten,
Und rupften
Und zupften,
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten...
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,...
War all sein Tagewerk... bereits gemacht!
Die Zimmerleute streckten sich
Hin auf die Spän' und reckten sich.
Indessen kam die Geisterschar
Und sah was da zu zimmern war.
Nahm Meißel und Beil
Und die Säg' in Eil;
Und sägten und stachen
Und hieben und brachen,
Berappten
Und kappten,
Visierten wie Falken
Und setzten die Balken...
Eh sich's der Zimmermann versah...
Klapp, stand das ganze Haus... schon fertig da!

Beim Bäckermeister war nicht Not,
Die Heinzelmännchen backten Brot.
Die faulen Burschen legten sich,
Die Heinzelmännchen regten sich -
Und ächzten daher
Mit den Säcken schwer!
Und kneteten tüchtig
Und wogen es richtig,
Und hoben
Und schoben,
Und fegten und backten
Und klopften und hackten.
Die Burschen schnarchten noch im Chor:
Da rückte schon das Brot,... das neue, vor!

Beim Fleischer ging es just so zu:
Gesell und Bursche lag in Ruh.
Indessen kamen die Männlein her
Und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging so geschwind
Wie die Mühl' im Wind!
Die klappten mit Beilen,
Die schnitzten an Speilen,
Die spülten,
Die wühlten,
Und mengten und mischten
Und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf,...
Wapp! hing die Wurst da schon im Ausverkauf!

Beim Schenken war es so: es trank
Der Küfer bis er niedersank,
Am hohlen Fasse schlief er ein,
Die Männlein sorgten um den Wein,
Und schwefelten fein
Alle Fässer ein,
Und rollten und hoben
Mit Winden und Kloben,
Und schwenkten
Und senkten,
Und gossen und panschten
Und mengten und manschten.
Und eh der Küfer noch erwacht,
War schon der Wein geschönt und fein gemacht!

Einst hatt' ein Schneider große Pein:
Der Staatsrock sollte fertig sein;
Warf hin das Zeug und legte sich
Hin auf das Ohr und pflegte sich.
Das schlüpften sie frisch
In den Schneidertisch;
Da schnitten und rückten
Und nähten und stickten,
Und faßten
Und paßten,
Und strichen und guckten
Und zupften und ruckten,
Und eh mein Schneiderlein erwacht:
War Bürgermeisters Rock... bereits gemacht!

Neugierig war des Schneiders Weib,
Und macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht,
Die Heinzelmännchen kommen sacht:
Eins fähret nun aus,
Schlägt hin im Haus,
Die gleiten von Stufen
Und plumpen in Kufen,
Die fallen
Mit Schallen,
Die lärmen und schreien
Und vermaledeien!
Sie springt hinunter auf den Schall
Mit Licht: husch husch husch husch! - verschwinden all!

O weh! nun sind sie alle fort
und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
Man muß nun alles selber tun!
Ein jeder muß fein
Selbst fleißig sein,
Und kratzen und schaben
Und rennen und traben
Und schniegeln
Und biegeln,
Und klopfen und hacken
Und kochen und backen.
Ach, daß es noch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!

August Kopisch
Roxanna
Roxanna
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Re: Die Heinzelmännchen zu Köln
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Milan vom 22.07.2016, 17:01:13
Manchmal, lieber Milan, und da bin ich wahrscheinlich nicht alleine, wünschte ich, sie kämen wieder - die Heinzelmännchen - .

LG
Roxanna
Roxanna
Roxanna
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna



Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

Joseph Freiherr von Eichendorff

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Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Die Heinzelmännchen zu Köln
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Milan vom 22.07.2016, 17:01:13
Die „Heinzelmännchen“ der Kindheit – wer sehnt sich nicht hin und wieder in diese Zeit zurück, in der diese Märchenwesen als Realität empfunden worden sind?
Schön, lieber Milan, dass Du uns durch die Heinzelmännchen noch einmal diese Kinderwelt vor Augen geführt hast. Und selbst heute hat mir das Lesen von diesen fleißigen Männchen viel Vergnügen bereitet.

Und was ist die Moral von der Geschicht?
Durch Neugier und auch Hinterlist (hier die verstreuten Erbsen) kann man es sich mit den liebsten und fleißigsten Wesen verderben – sie verscheuchen auf Nimmerwiedersehn.

LG Sirona
Roxanna
Roxanna
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna



Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.


Rainer Maria Rilke
Milan
Milan
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In Politik...
geschrieben von Milan
In Politik...

In Politik zwei wichtge kleine Dinger
Sind Daumen eben und Zeigefinger,
Sie halten die Feder,
Das weiß ein jeder.
Doch Wichtgres noch wird oft durch sie betrieben,
Wenn sie sich übereinander schieben.

Franz Grillparzer (1791-1872)

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Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Grenzen der Menschheit - Goethe

Wenn der uralte
Heilige Vater
mit gelassener Hand
aus rollenden Wolken
segnende Blitze
über die Erde sät,
küss' ich den letzten
Saum seines Kleides,
kindliche Schauer
treu in der Brust.

Denn mit Göttern
soll sich nicht messen
irgendein Mensch,
hebt er sich aufwärts
und berührt
mit dem Scheitel die Sterne,
nirgends haften dann
die unsichern Sohlen,
und mit ihm spielen
Wolken und Winde.

Steht er mit festen,
markigen Knochen
auf der wohlgegründeten,
dauernden Erde;
reicht er nicht auf,
nur mit der Eiche
oder der Rebe
sich zu vergleichen.

Was unterscheidet
Götter von Menschen?
Das viele Wellen
vor jenen wandeln,
ein ewiger Strom:
Uns hebt die Welle,
verschlingt die Welle,
und wir versinken.

Ein kleiner Ring
begrenzt unser Leben,
und viele Geschlechter
reihen sich dauernd
an ihres Daseins
unendliche Kette.


Das Thema dieses Gedichtes ist uralt, und seit Menschengedenken hegt der Mensch den Wunsch sich mit dem Göttlichen zu verbinden in der Hoffnung von seiner Unvollkommenheit erlöst zu werden. Goethe warnte allerdings davor, dass der Mensch durch dieses Bestreben auch den Boden unter den Füßen verlieren könnte (2. Strophe - denn „nicht messen mit den Göttern soll sich irgendein Mensch“).

Sirona
mane
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Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von mane
als Antwort auf Sirona vom 26.07.2016, 09:40:04
Wie wäre es mit einem gesprochenen Gedicht?

Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf mane vom 26.07.2016, 10:02:36
Liebe Mane, es tut immer wieder gut, einer hervorragenden Rezitation zu lauschen. Zwar lese ich auch gerne Lyrik, doch habe ich festgestellt dass ich ein Gedicht oft besser verstehe wenn es gekonnt vorgelesen wird.

Es gibt z.B. Gedichte, die wegen des noch nicht abgelaufenen Urheberrechts nicht veröffentlicht werden dürfen. Aus diesem Grunde greife ich dann auf YouTube zurück, wie auch bei folgendem Gedicht von Mascha Kaléko:



LG Sirona
Roxanna
Roxanna
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Sirona vom 28.07.2016, 11:06:44
Liebe Mane, liebe Sirona,

einfach wunderschön diese beiden Videos. Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß ........




Vormittag am Strand

Es war ein solcher Vormittag,
wo man die Fische singen hörte;
kein Lüftchen lief, kein Stimmchen störte,
kein Wellchen wölbte sich zum Schlag.

Nur sie, die Fische, brachen leis
der weit und breiten Stille Siegel
und sangen millionenweis
dicht unter dem durchsonnten Spiegel.

Christian Morgenstern


LG
Roxanna

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