Literatur Schöne Lyrik
Du bist es - Fr. Schiller
Nicht Deines Lächelns holder Zauber war’s,
nicht Deines Wesens schöner Außenschein,
die Reize nicht, die auf der Wange schweben,
selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt.
Es war Dein tiefstes und geheimstes Leben,
was mich ergriff mit heiliger Gewalt,
wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben.
Die Seelen schienen ohne Worteslaut,
sich ohne Mittel geistig zu berühren,
als sich mein Atem mischte mit dem Deinen;
fremd warst Du mir und innig doch vertraut,
und klar auf einmal fühlt‘ ich’s in mir werden:
„Du bist es und keiner sonst auf Erden“!
Nicht Deines Lächelns holder Zauber war’s,
nicht Deines Wesens schöner Außenschein,
die Reize nicht, die auf der Wange schweben,
selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt.
Es war Dein tiefstes und geheimstes Leben,
was mich ergriff mit heiliger Gewalt,
wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben.
Die Seelen schienen ohne Worteslaut,
sich ohne Mittel geistig zu berühren,
als sich mein Atem mischte mit dem Deinen;
fremd warst Du mir und innig doch vertraut,
und klar auf einmal fühlt‘ ich’s in mir werden:
„Du bist es und keiner sonst auf Erden“!
Eifersüchtig wacht auf dem Bild die Königin der Waldschlangen über ihre weissen Untertanen.....
Hallo Schorsch, gut beobachtet!!
Der Baumstumpf ähnelt in der Tat einer Riesenschlange.
Ein sehr stimmungsvolles Bild hat uns Clematis zu ihrem Gedicht eingestellt, so sieht es demnächst im Wald wieder aus, wenn der Frühling sein Regiment antritt. Darauf freue ich mich schon sehr.
LG Sirona
Der Baumstumpf ähnelt in der Tat einer Riesenschlange.
Ein sehr stimmungsvolles Bild hat uns Clematis zu ihrem Gedicht eingestellt, so sieht es demnächst im Wald wieder aus, wenn der Frühling sein Regiment antritt. Darauf freue ich mich schon sehr.
LG Sirona
Liebe Clematis, die Anemonen haben auch noch andere Dichter beeindruckt, so wie Therese Dahn (1845 - 1929), geb. Therese von Droste-Hülshoff, deutsche Schriftstellerin, Nichte der Annette von Droste-Hülshoff, Ehefrau von Felix Dahn.
Du nimmst es mir sicher nicht übel dass ich noch ein ergänzendes Gedicht zu Deinem wunderschönen Anemonen-Beitrag eingebe? Das dazu eingestellte Bild regt meine Vorfreude auf schöne Waldwanderungen an, die insbesondere im Frühling wieder erwacht.
LG Sirona
Anemonen
Sie sprießen licht aus Waldesnacht,
ohne reichen Duft, ohne Farbenpracht,
unter den großen, alten Bäumen,
über das Moos wie flutend Träumen:
Wann der Wind vorüber streicht,
neigen sie ihre Köpfchen leicht,
aber wo die Sonne licht
durch die Blätterkronen bricht,
saugen sie all das goldige Scheinen
sehnsuchtsvoll in den Kelch, den kleinen.
So blühen sie scheu, ohne Glanz und Pracht:
Die lichten Kinder der Waldesnacht.
Du nimmst es mir sicher nicht übel dass ich noch ein ergänzendes Gedicht zu Deinem wunderschönen Anemonen-Beitrag eingebe? Das dazu eingestellte Bild regt meine Vorfreude auf schöne Waldwanderungen an, die insbesondere im Frühling wieder erwacht.
LG Sirona
Anemonen
Sie sprießen licht aus Waldesnacht,
ohne reichen Duft, ohne Farbenpracht,
unter den großen, alten Bäumen,
über das Moos wie flutend Träumen:
Wann der Wind vorüber streicht,
neigen sie ihre Köpfchen leicht,
aber wo die Sonne licht
durch die Blätterkronen bricht,
saugen sie all das goldige Scheinen
sehnsuchtsvoll in den Kelch, den kleinen.
So blühen sie scheu, ohne Glanz und Pracht:
Die lichten Kinder der Waldesnacht.
Das ist das Haus am schwarzen Moor
Georg Weerth (1822 - 1856)
Das ist das Haus am schwarzen Moor!
Wer dort im letzten Winter fror,
der friert dort nicht in diesem Jahr -
er sank schon längst auf die Totenbahr.
Das ist das Haus am schwarzen Moor,
das Haus, wo der alte Jan erfror.
Zur Tür gewandt das weiße Gesicht,
starb er und wußt es selber nicht.
Er starb. - Da kam, wie ein scheues Reh,
der Tag und hüpfte über den Schnee.
"Guten Morgen, Jan! Guten Morgen, Jan!" -
Der Jan keine Antwort geben kann.
Da erhuben die Glocken ihr hell Geläut,
sie sangen und klangen und riefen so weit:
"Guten Morgen, Jan! Guten Morgen, Jan!" -
Der Jan keine Antwort geben kann.
Da kamen die Kinder aus der Stadt:
"Wir wissen, wie lieb er uns alle hat.
Guten Morgen, Jan! Guten Morgen, Jan!" -
Der Jan keine Antwort geben kann.
Tag, Glocken und Kinder er nicht verstund.
Da nahte die sonnige Mittagsstund,
da nahte ein armes Weib: "Mein Jan,
willst essen und trinken nicht, alter Mann?
Sieh, was ich brachte dir aus der Stadt;
sollst froh nun werden und warm und satt!" -
Die Alte sah lange auf ihren Jan,
da fing sie bitter zu weinen an.
Da weinte sie an dem schwarzen Moor,
am Moor, wo der alte Jan erfror;
da weinte sie ihr brennend Weh
hinunter in den kalten Schnee.
Georg Weerth (1822 - 1856)
Das ist das Haus am schwarzen Moor!
Wer dort im letzten Winter fror,
der friert dort nicht in diesem Jahr -
er sank schon längst auf die Totenbahr.
Das ist das Haus am schwarzen Moor,
das Haus, wo der alte Jan erfror.
Zur Tür gewandt das weiße Gesicht,
starb er und wußt es selber nicht.
Er starb. - Da kam, wie ein scheues Reh,
der Tag und hüpfte über den Schnee.
"Guten Morgen, Jan! Guten Morgen, Jan!" -
Der Jan keine Antwort geben kann.
Da erhuben die Glocken ihr hell Geläut,
sie sangen und klangen und riefen so weit:
"Guten Morgen, Jan! Guten Morgen, Jan!" -
Der Jan keine Antwort geben kann.
Da kamen die Kinder aus der Stadt:
"Wir wissen, wie lieb er uns alle hat.
Guten Morgen, Jan! Guten Morgen, Jan!" -
Der Jan keine Antwort geben kann.
Tag, Glocken und Kinder er nicht verstund.
Da nahte die sonnige Mittagsstund,
da nahte ein armes Weib: "Mein Jan,
willst essen und trinken nicht, alter Mann?
Sieh, was ich brachte dir aus der Stadt;
sollst froh nun werden und warm und satt!" -
Die Alte sah lange auf ihren Jan,
da fing sie bitter zu weinen an.
Da weinte sie an dem schwarzen Moor,
am Moor, wo der alte Jan erfror;
da weinte sie ihr brennend Weh
hinunter in den kalten Schnee.
Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Der Albatros
Charles Baudelaire
Oft kommt es vor, daß, um sich zu vergnügen,
Das Schiffsvolk einen Albatros ergreift,
Den großen Vogel, der in lässigen Flügen
Dem Schiffe folgt, das durch die Wogen streift.
Doch, kaum gefangen in des Fahrzeugs Engen
Der stolze König in der Lüfte Reich,
Läßt traurig seine mächtigen Flügel hängen,
Die, ungeschickten, langen Rudern gleich,
Nun matt und jämmerlich am Boden schleifen.
Wie ist der stolze Vogel nun so zahm!
Sie necken ihn mit ihren Tabakspfeifen,
Verspotten seinen Gang, der schwach und lahm.
Der Dichter gleicht dem Wolkenfürsten droben,
Er lacht des Schützen hoch im Sturmeswehn;
Doch unten in des Volkes frechem Toben
Verhindern mächt'ge Flügel ihn am Gehn.
Charles Baudelaire
Oft kommt es vor, daß, um sich zu vergnügen,
Das Schiffsvolk einen Albatros ergreift,
Den großen Vogel, der in lässigen Flügen
Dem Schiffe folgt, das durch die Wogen streift.
Doch, kaum gefangen in des Fahrzeugs Engen
Der stolze König in der Lüfte Reich,
Läßt traurig seine mächtigen Flügel hängen,
Die, ungeschickten, langen Rudern gleich,
Nun matt und jämmerlich am Boden schleifen.
Wie ist der stolze Vogel nun so zahm!
Sie necken ihn mit ihren Tabakspfeifen,
Verspotten seinen Gang, der schwach und lahm.
Der Dichter gleicht dem Wolkenfürsten droben,
Er lacht des Schützen hoch im Sturmeswehn;
Doch unten in des Volkes frechem Toben
Verhindern mächt'ge Flügel ihn am Gehn.
Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Hallo Sirona und Schorsch,
dieses hübsche Anemonen-Foto hat Tina50 mir zur Verfügung gestellt.
Ich hoffe, dass Ihr es bemerkt habt.
Ja, die Baumschlange, es ist ein sagenhaft gut gelungenes Foto.
Christian Wagners mystische Sicht auf die Dinge faszinieren mich schon seit Jahrzehnten. Ich habe ihn "kennengelernt" 1977 im Dtsch. Literaturarchiv Marbach. Dort fand zu Ehren von Hermann Hesse eine große Ausstellung statt. In einem Nebenraum gedachte man Christian Wagner. Diesem liebenswürdigen Menschen verhalf Hesse zur Veröffentlichung.
Dr. Owlglaß schrieb 1916 an Kurt Tucholsky:
"Die Katzen steigen an ihm auf und ab wie die Engel an der Jakobsleiter; von Zeit zu Zeit zwitschert er geheimnisvoll vor sich hin und spielt mit bunten halbmetaphorischen Seifenflocken."
Unsere Fahrt in sein kleines Häusle ist immer wieder wie eine Wallfahrt. Dieses Jahr haben wir es wieder auf dem Programm.
Syringen
Fast überirdisch dünkt mich euer Grüßen,
Syringen ihr, mit eurem Duft, dem süßen.
Nach Geisterweise weiß ich euch zu werten:
Ein Duftgesang, er ist mir's von Verklärten.
Gott, wie ich doch in dieser blauen Kühle
Der Blumenwolke hier mich wohlig fühle!
Süß heimlich ahnend, was hineinverwoben
Wie fühl' ich mich so frei, so stolz erhoben!
Bin ich es selbst, des einstig Erdenwesen
Nun auch einmal zu solchem Glanz genesen?
Sind's meine Lieben, die, ach längst begraben,
In diesen Düften Fühlung mit mir haben?
Christian Wagner
Warmbronn
Syringen ist die alte Bezeichnung für Flieder.
Flieder hieß damals der Hollunder.
Von Christian Andersen gibts ein Märchen: Das Fliedermütterchen
Da ist der Hollunder gemeint,der ein erkältetes Kind heilt.
Karl Kraus
"Es wird in der deutschen Sprache nicht viele Wunder von der Art der dritten und der letzten Strophe von 'Syringen' geben."
In: Die Fackel, Juli 1922
Clematis
dieses hübsche Anemonen-Foto hat Tina50 mir zur Verfügung gestellt.
Ich hoffe, dass Ihr es bemerkt habt.
Ja, die Baumschlange, es ist ein sagenhaft gut gelungenes Foto.
Christian Wagners mystische Sicht auf die Dinge faszinieren mich schon seit Jahrzehnten. Ich habe ihn "kennengelernt" 1977 im Dtsch. Literaturarchiv Marbach. Dort fand zu Ehren von Hermann Hesse eine große Ausstellung statt. In einem Nebenraum gedachte man Christian Wagner. Diesem liebenswürdigen Menschen verhalf Hesse zur Veröffentlichung.
Dr. Owlglaß schrieb 1916 an Kurt Tucholsky:
"Die Katzen steigen an ihm auf und ab wie die Engel an der Jakobsleiter; von Zeit zu Zeit zwitschert er geheimnisvoll vor sich hin und spielt mit bunten halbmetaphorischen Seifenflocken."
Unsere Fahrt in sein kleines Häusle ist immer wieder wie eine Wallfahrt. Dieses Jahr haben wir es wieder auf dem Programm.
Syringen
Fast überirdisch dünkt mich euer Grüßen,
Syringen ihr, mit eurem Duft, dem süßen.
Nach Geisterweise weiß ich euch zu werten:
Ein Duftgesang, er ist mir's von Verklärten.
Gott, wie ich doch in dieser blauen Kühle
Der Blumenwolke hier mich wohlig fühle!
Süß heimlich ahnend, was hineinverwoben
Wie fühl' ich mich so frei, so stolz erhoben!
Bin ich es selbst, des einstig Erdenwesen
Nun auch einmal zu solchem Glanz genesen?
Sind's meine Lieben, die, ach längst begraben,
In diesen Düften Fühlung mit mir haben?
Christian Wagner
Warmbronn
Syringen ist die alte Bezeichnung für Flieder.
Flieder hieß damals der Hollunder.
Von Christian Andersen gibts ein Märchen: Das Fliedermütterchen
Da ist der Hollunder gemeint,der ein erkältetes Kind heilt.
Karl Kraus
"Es wird in der deutschen Sprache nicht viele Wunder von der Art der dritten und der letzten Strophe von 'Syringen' geben."
In: Die Fackel, Juli 1922
Clematis
Ein Sterbender - Th. Storm
(Dieses Gedicht schrieb Storm 1863 – demnach 25 Jahre vor seinem Tod.)
Am Fenster sitzt er, alt, gebrochnen Leibes
und trommelt müßig an die feuchten Scheiben;
grau ist der Wintertag und grau sein Haar.
Mitunter auch besieht er aufmerksam
der Adern Hüpfen auf der welken Hand.
Es geht zu Ende; ratlos irrt sein Aug von Tisch zu Tisch,
drauf Schriftwerk aller Art, sein harrend, hoch und höher sich getürmt.
Vergebens! Was er täglich sonst bezwang,
er ward ein Berg; er kommt nicht mehr hinüber.
Und dennoch, wenn auch trübe, lächelt er
und sucht wie sonst noch mit sich selbst zu scherzen;
ein Aktenstoß in tücht’gen Stein gehauen, es dünket ihn kein übel Epitaph.
Doch streng aufs neue schließet sich sein Mund: er kehrt sich ab,
und wieder mit den grellen Pupillen starrt er in die öde Luft
und trommelt weiter an die Fensterscheiben.
(Hier beschreibt Storm in der Vorausschau seine mühsame Tätigkeit als Dichter in seinen letzten Lebensjahren.)
Da wird es plötzlich hell; ein bleicher Strahl der Wintersonne
leuchtet ins Gemach und auf ein Bild gegenüber an der Wand.
Und aus dem Rahmen tritt ein Mädchenkopf,
darauf wie Frühtau noch die Jugend liegt,
aus großen hold erstaunten Augen sprüht Verheißung aller Erdenseligkeit.
Er kennt das Wort auf diesen roten Lippen, er nur allein.
Erinnerung faßt ihn an; Fata Morgana steigen auf betörend;
lau wird die Luft – wie hold die Düfte wehen!
Mit Rosen ist der Garten überschüttet,
auf allen Büschen liegt der Sonnenschein.
Die Bienen summen – und ein Mädchenlachen
fliegt süß und silbern durch den Sommertag.
Sein Ohr ist trunken. O nur einmal noch!
Er lauscht umsonst, und seufzend sinkt sein Haupt.
Du starbst. – Wo bist Du?
Gibt es eine Stelle noch irgendwo im Weltraum, wo du bist? –
Denn daß du mein gewesen,
daß das Weib dem Manne gab der unbekannte Gott, -
ach dieser unergründlich süße Trunk,
und süßer stets, je länger du ihn trinkst.
Er lässt mich zweifeln an Unsterblichkeit;
denn alle Bitternis und Not des Lebens
vergilt er tausendfach; und drüberhin zu hoffen,
zu verlangen, weiß ich nichts!
In leere Luft ausstreckt er seine Arme:
„Hier diese Räume, wo du einst gelebt,
erfüllt ein Schimmer deiner Schönheit noch,
nur mir erkennbar, wenn auch meine Augen geschlossen sind,
von keinem dann gesehn“.
(Hier mag Storm an seine lange verstorbene Frau Constanze gedacht haben, und Fragen nach dem Wohin kreisen in seinem Kopf herum.
Wie viel Wehmut und Sehnsucht nach vergangenen Zeiten klingt doch aus diesen Zeilen!)
Vor ihm mit dunklem Weine steht ein Glas,
und zitternd langet seine Hand danach,
er schlürft ihn langsam,
aber auch der Wein erfreut nicht mehr sein Herz.
Er stützt das Haupt; „einschlafen, fühl ich, will das Ding, die Seele,
und näher kommt die rätselhafte Nacht! - - -
Ihm unbewusst entfliehen die Gedanken
und jagen sich im unermeßnen Raum –
da steigt Gesang, als wollt’s ihn aufwärts tragen,
von drüben aus der Kirche schwillt der Chor.
Und mit dem innern Auge sieht er sie,
so Mann als Weib am Stamm des Kreuzes liegen.
Sie blicken in die bodenlose Nacht;
doch ihre Augen leuchten feucht verklärt,
als sähen sie im Urquell dort des Lichts
das Leben jung und rosig auferstehn.
„Sie träumen“, spricht er – leise spricht er es –
„und diese bunten Bilder sind ihr Glück.
Ich aber weiß es, daß die Todesangst
sie im Gehirn der Menschen ausgebrütet.“
Abwehrend streckt er seine Hände aus:
„Was ich gefehlt, des einen bin ich frei:
gefangen gab ich niemals die Vernunft,
auch um die lockendste Verheißung nicht;
was übrig ist – ich harre in Geduld“.
(Storm war nicht kirchengläubig und bedauerte insgeheim die Menschen, die diesen „Träumen“ nachliefen. Seine „Vernunft“ wehrte sich gegen die Lehren der Kirche, und er stand mutig zu seiner Überzeugung selbst angesichts seines Todes, der für ihn die ewige Nacht bedeutete.)
Mit klaren Augen schaut der Greis umher;
und während tiefer schon die Schatten fallen,
erhebt er sich, und schleicht von Stuhl zu Stuhl,
und setzt sich noch einmal dort an den Tisch,
wo ihm so manche Nacht die Lampe schien.
Noch einmal schreibt er; doch die Feder sträubt sich,
sie, die bisher dem Leben nur gedient,
sie will nicht gehen in den Dienst des Todes.
Er aber zwingt sie, denn sein Wille soll
so weit noch reichen, als er es vermag.
Die Wanduhr misst mit hartem Pendelschlag,
als dränge sie die fliehenden Sekunden,
sein Auge dunkelt, ungesehen naht,
was ihm die Feder aus den Fingern nimmt.
Doch schreibt er mühsam noch in großen Zügen,
und Dämm‘rung fällt wie Asche auf die Schrift:
„Auch bleib‘ der Priester meinem Grabe fern,
zwar sind es Worte, die der Wind verweht;
doch will es sich nicht schicken,
daß Protest gepredigt werde dem, was ich gewesen,
indes ich ruh im Bann des ew’gen Schweigens“.
(Die letzten Zeilen unterstreichen noch einmal Storms „Unglauben“ im kirchlichen Sinne. Es sollte an seinem Grab kein Priester erscheinen, er wollte kein kirchliches Begräbnis, das seiner Überzeugung nicht entsprochen hätte.)
Dieses Gedicht hat mich immer wieder tief berührt.
Gekonnt zeigt Storm seine Lebensrückschau im Angesicht seines (zukünftigen) Todes.
(Dieses Gedicht schrieb Storm 1863 – demnach 25 Jahre vor seinem Tod.)
Am Fenster sitzt er, alt, gebrochnen Leibes
und trommelt müßig an die feuchten Scheiben;
grau ist der Wintertag und grau sein Haar.
Mitunter auch besieht er aufmerksam
der Adern Hüpfen auf der welken Hand.
Es geht zu Ende; ratlos irrt sein Aug von Tisch zu Tisch,
drauf Schriftwerk aller Art, sein harrend, hoch und höher sich getürmt.
Vergebens! Was er täglich sonst bezwang,
er ward ein Berg; er kommt nicht mehr hinüber.
Und dennoch, wenn auch trübe, lächelt er
und sucht wie sonst noch mit sich selbst zu scherzen;
ein Aktenstoß in tücht’gen Stein gehauen, es dünket ihn kein übel Epitaph.
Doch streng aufs neue schließet sich sein Mund: er kehrt sich ab,
und wieder mit den grellen Pupillen starrt er in die öde Luft
und trommelt weiter an die Fensterscheiben.
(Hier beschreibt Storm in der Vorausschau seine mühsame Tätigkeit als Dichter in seinen letzten Lebensjahren.)
Da wird es plötzlich hell; ein bleicher Strahl der Wintersonne
leuchtet ins Gemach und auf ein Bild gegenüber an der Wand.
Und aus dem Rahmen tritt ein Mädchenkopf,
darauf wie Frühtau noch die Jugend liegt,
aus großen hold erstaunten Augen sprüht Verheißung aller Erdenseligkeit.
Er kennt das Wort auf diesen roten Lippen, er nur allein.
Erinnerung faßt ihn an; Fata Morgana steigen auf betörend;
lau wird die Luft – wie hold die Düfte wehen!
Mit Rosen ist der Garten überschüttet,
auf allen Büschen liegt der Sonnenschein.
Die Bienen summen – und ein Mädchenlachen
fliegt süß und silbern durch den Sommertag.
Sein Ohr ist trunken. O nur einmal noch!
Er lauscht umsonst, und seufzend sinkt sein Haupt.
Du starbst. – Wo bist Du?
Gibt es eine Stelle noch irgendwo im Weltraum, wo du bist? –
Denn daß du mein gewesen,
daß das Weib dem Manne gab der unbekannte Gott, -
ach dieser unergründlich süße Trunk,
und süßer stets, je länger du ihn trinkst.
Er lässt mich zweifeln an Unsterblichkeit;
denn alle Bitternis und Not des Lebens
vergilt er tausendfach; und drüberhin zu hoffen,
zu verlangen, weiß ich nichts!
In leere Luft ausstreckt er seine Arme:
„Hier diese Räume, wo du einst gelebt,
erfüllt ein Schimmer deiner Schönheit noch,
nur mir erkennbar, wenn auch meine Augen geschlossen sind,
von keinem dann gesehn“.
(Hier mag Storm an seine lange verstorbene Frau Constanze gedacht haben, und Fragen nach dem Wohin kreisen in seinem Kopf herum.
Wie viel Wehmut und Sehnsucht nach vergangenen Zeiten klingt doch aus diesen Zeilen!)
Vor ihm mit dunklem Weine steht ein Glas,
und zitternd langet seine Hand danach,
er schlürft ihn langsam,
aber auch der Wein erfreut nicht mehr sein Herz.
Er stützt das Haupt; „einschlafen, fühl ich, will das Ding, die Seele,
und näher kommt die rätselhafte Nacht! - - -
Ihm unbewusst entfliehen die Gedanken
und jagen sich im unermeßnen Raum –
da steigt Gesang, als wollt’s ihn aufwärts tragen,
von drüben aus der Kirche schwillt der Chor.
Und mit dem innern Auge sieht er sie,
so Mann als Weib am Stamm des Kreuzes liegen.
Sie blicken in die bodenlose Nacht;
doch ihre Augen leuchten feucht verklärt,
als sähen sie im Urquell dort des Lichts
das Leben jung und rosig auferstehn.
„Sie träumen“, spricht er – leise spricht er es –
„und diese bunten Bilder sind ihr Glück.
Ich aber weiß es, daß die Todesangst
sie im Gehirn der Menschen ausgebrütet.“
Abwehrend streckt er seine Hände aus:
„Was ich gefehlt, des einen bin ich frei:
gefangen gab ich niemals die Vernunft,
auch um die lockendste Verheißung nicht;
was übrig ist – ich harre in Geduld“.
(Storm war nicht kirchengläubig und bedauerte insgeheim die Menschen, die diesen „Träumen“ nachliefen. Seine „Vernunft“ wehrte sich gegen die Lehren der Kirche, und er stand mutig zu seiner Überzeugung selbst angesichts seines Todes, der für ihn die ewige Nacht bedeutete.)
Mit klaren Augen schaut der Greis umher;
und während tiefer schon die Schatten fallen,
erhebt er sich, und schleicht von Stuhl zu Stuhl,
und setzt sich noch einmal dort an den Tisch,
wo ihm so manche Nacht die Lampe schien.
Noch einmal schreibt er; doch die Feder sträubt sich,
sie, die bisher dem Leben nur gedient,
sie will nicht gehen in den Dienst des Todes.
Er aber zwingt sie, denn sein Wille soll
so weit noch reichen, als er es vermag.
Die Wanduhr misst mit hartem Pendelschlag,
als dränge sie die fliehenden Sekunden,
sein Auge dunkelt, ungesehen naht,
was ihm die Feder aus den Fingern nimmt.
Doch schreibt er mühsam noch in großen Zügen,
und Dämm‘rung fällt wie Asche auf die Schrift:
„Auch bleib‘ der Priester meinem Grabe fern,
zwar sind es Worte, die der Wind verweht;
doch will es sich nicht schicken,
daß Protest gepredigt werde dem, was ich gewesen,
indes ich ruh im Bann des ew’gen Schweigens“.
(Die letzten Zeilen unterstreichen noch einmal Storms „Unglauben“ im kirchlichen Sinne. Es sollte an seinem Grab kein Priester erscheinen, er wollte kein kirchliches Begräbnis, das seiner Überzeugung nicht entsprochen hätte.)
Dieses Gedicht hat mich immer wieder tief berührt.
Gekonnt zeigt Storm seine Lebensrückschau im Angesicht seines (zukünftigen) Todes.
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süsse wohlbekannte Düfte,
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
wollen balde kommen.
--Horch,von Ferne leiser Harfenton !
Frühling, ja du bist `s !
Dich hab ich vernommen !
Eduard Mörike
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süsse wohlbekannte Düfte,
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
wollen balde kommen.
--Horch,von Ferne leiser Harfenton !
Frühling, ja du bist `s !
Dich hab ich vernommen !
Eduard Mörike
Von Wegen Frühling,Schnee steht im Kalender.