Literatur Schöne Lyrik
Eduard Mörike
Geboren: 8. September 1804, Ludwigsburg, Deutschland
Gestorben: 4. Juni 1875, Stuttgart, Deutschland
In der Huette am Berg
"Was ich lieb und was ich bitte,
Goennen mir die Menschen nicht,
Darum, kleine, moosge Huette,
Meid ich so des Tages Licht.
Bin herauf zu dir gekommen,
Wo ich oft der Welt vergass,
Gerne sinnend bei dem frommen
Roten Kerzenschimmer sass.
Weil ich drunten mich verliere
In dem Treiben bang und hohl,
Schliesse dich, du kleine Tuere,
Und mir werde wieder wohl!" -
So der Einsamkeit gegeben,
Hing ich alten Traeumen nach,
Doch der Flamme ruhig Weben
Trost in meine Trauer sprach.
- Leise, wie durch Geisterhaende,
Oeffnet sich die Tuere bald,
Und es tritt in meine Waende
Eine liebliche Gestalt.
Was ich lieb und was ich flehte,
Freundlich, schuechtern vor mir stand,
Ohne Sinn und ohne Rede
Hielt ich die geliebte Hand;
Fuehle Locken bald und Wange
Sanft ans Antlitz mir gelegt,
Waehrend sich im sel'gen Drange
Traene mir um Traene regt.
- Freundlich Bild im himmelblauen
Kleide mit dem Silbersaum!
Werde nimmer so dich schauen,
Und mich taeuschte nur ein Traum.
Geboren: 8. September 1804, Ludwigsburg, Deutschland
Gestorben: 4. Juni 1875, Stuttgart, Deutschland
In der Huette am Berg
"Was ich lieb und was ich bitte,
Goennen mir die Menschen nicht,
Darum, kleine, moosge Huette,
Meid ich so des Tages Licht.
Bin herauf zu dir gekommen,
Wo ich oft der Welt vergass,
Gerne sinnend bei dem frommen
Roten Kerzenschimmer sass.
Weil ich drunten mich verliere
In dem Treiben bang und hohl,
Schliesse dich, du kleine Tuere,
Und mir werde wieder wohl!" -
So der Einsamkeit gegeben,
Hing ich alten Traeumen nach,
Doch der Flamme ruhig Weben
Trost in meine Trauer sprach.
- Leise, wie durch Geisterhaende,
Oeffnet sich die Tuere bald,
Und es tritt in meine Waende
Eine liebliche Gestalt.
Was ich lieb und was ich flehte,
Freundlich, schuechtern vor mir stand,
Ohne Sinn und ohne Rede
Hielt ich die geliebte Hand;
Fuehle Locken bald und Wange
Sanft ans Antlitz mir gelegt,
Waehrend sich im sel'gen Drange
Traene mir um Traene regt.
- Freundlich Bild im himmelblauen
Kleide mit dem Silbersaum!
Werde nimmer so dich schauen,
Und mich taeuschte nur ein Traum.
Der andere Mann – Kurt Tucholsky
Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.
Er plaudert. Er ist zu dir nett.
Er kann dir alle Tenniscracks nennen.
Er sieht gut aus. Ohne Fett.
Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an ...
Dann tritt zu euch beiden dein Mann.
Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.
Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.
Wie er schon dasteht -- du liebe Güte!
Und hinten am Hals der Speck!
Und du denkst bei dir so: "Eigentlich ...
Der da wäre ein Mann für mich."
Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren
und guten alten Papa!
Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren
ständest du ebenso da!
Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;
dann kennst du ihn in Unterhosen.
Dann wird er satt in deinem Besitze;
dann kennst du alle seine Witze.
Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,
von oben und unten, von hinten und vorn ...
Glaub mir: wenn man uns näher kennt,
gibt sich das mit dem Happy end.
Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier ...
und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.
Beurteil uns nie nach den besten Stunden.
Und hast du einen Kerl gefunden,
mit dem man einigermaßen auskommen kann:
dann bleib bei dem eigenen Mann!
Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.
Er plaudert. Er ist zu dir nett.
Er kann dir alle Tenniscracks nennen.
Er sieht gut aus. Ohne Fett.
Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an ...
Dann tritt zu euch beiden dein Mann.
Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.
Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.
Wie er schon dasteht -- du liebe Güte!
Und hinten am Hals der Speck!
Und du denkst bei dir so: "Eigentlich ...
Der da wäre ein Mann für mich."
Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren
und guten alten Papa!
Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren
ständest du ebenso da!
Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;
dann kennst du ihn in Unterhosen.
Dann wird er satt in deinem Besitze;
dann kennst du alle seine Witze.
Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,
von oben und unten, von hinten und vorn ...
Glaub mir: wenn man uns näher kennt,
gibt sich das mit dem Happy end.
Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier ...
und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.
Beurteil uns nie nach den besten Stunden.
Und hast du einen Kerl gefunden,
mit dem man einigermaßen auskommen kann:
dann bleib bei dem eigenen Mann!
Ich hatte heute vor, auch was von Tucholsky zum Besten zu geben, Sirona, sind wir seelenverwandt?
SCHALL UND RAUCH Von Kurt Tucholsky
Der Name ists, der Menschen ziert,
weil er das Erdenpack sortiert -
bist du auch dämlich, schief und krumm:
Du bist ein Individium.
Hier sieht man nun den Dichter walten.
Er schafft nicht nur die Dichtgestalten,
nein, er benamset auch sein Kind -
und nennt es Borkman oder Gynt.
Wie aber, wenn er in den Damen
gediegne bürgerliche Namen
benutzt und jeder Bürger klagt,
damits der Richter untersagt?
"Du wirst dich von dem Namen trennen!
Musst du ihn grade Barnhelm nennen?"
Der Richter schüttelt das Barett:
"Der Name macht den Kohl nicht fett!"
Und kurz: Wir werden was ertragen!
Schon sieht man Doktor Tassow klagen,
mit ihm in trautestem Verein
den Grünkramhändler Wallenstein.
Dem Dichter fällt in seiner Leier
auch Apotheker Florian Geyer -
dem Dichter grausts mit einem Mal:
Er numeriert sein Personal.
Wie nenn man nun die Rechtsgelehrten,
die uns mit diesem Spruch beehrten?
Wie nennt man also das Gericht?
Hier weiß ich keinen Namen nicht.
Bärbel
SCHALL UND RAUCH Von Kurt Tucholsky
Der Name ists, der Menschen ziert,
weil er das Erdenpack sortiert -
bist du auch dämlich, schief und krumm:
Du bist ein Individium.
Hier sieht man nun den Dichter walten.
Er schafft nicht nur die Dichtgestalten,
nein, er benamset auch sein Kind -
und nennt es Borkman oder Gynt.
Wie aber, wenn er in den Damen
gediegne bürgerliche Namen
benutzt und jeder Bürger klagt,
damits der Richter untersagt?
"Du wirst dich von dem Namen trennen!
Musst du ihn grade Barnhelm nennen?"
Der Richter schüttelt das Barett:
"Der Name macht den Kohl nicht fett!"
Und kurz: Wir werden was ertragen!
Schon sieht man Doktor Tassow klagen,
mit ihm in trautestem Verein
den Grünkramhändler Wallenstein.
Dem Dichter fällt in seiner Leier
auch Apotheker Florian Geyer -
dem Dichter grausts mit einem Mal:
Er numeriert sein Personal.
Wie nenn man nun die Rechtsgelehrten,
die uns mit diesem Spruch beehrten?
Wie nennt man also das Gericht?
Hier weiß ich keinen Namen nicht.
Bärbel
Nochmal Eduard Möricke
Da ich gerne Neues lerne, habe ich mal versucht..dies zu verstehen! Ich verstehe nur spanisch..hihi
Wie geht es euch?
Die metrische Struktur des aus zwei Strophen bestehenden Gedichts ist auffällig. Der erste Teil besteht aus jeweils zwei vier- und zwei fünfhebigen Versen mit männlichen jambischen Paarreimen, während der zweite aus rhythmisch bewegteren Daktylen gebildet wird; zunächst zwei vierhebige, männlich gereimte, dann ein verkürzter und schließlich ein dreihebiger Vers mit weiblicher Endung, der durch die Wiederholung des Wortes „Tage“ einen echoartigen Charakter hat.
Die Verse lauten:[2]
Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand,
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied,
Sie achtet’s nicht, sie ist es müd;
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flüchtgen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Der metrischen Zweiteilung entspricht der Gegensatz von Tag und Nacht, der das Gedicht strukturiert. Während in den beiden ersten jambischen Hälften die Nacht auftritt, die zunächst in mythischer Größe gelassen ans Ufer steigt, sich der träumend-versunkenen Betrachtung hingibt und der Sphärenmusik lauscht, sind die zweiten Hälften den Quellen gewidmet, deren keckes Rauschen sich im bewegten Auf und Ab des daktylischen Versmaßes wiederfindet.
Da ich gerne Neues lerne, habe ich mal versucht..dies zu verstehen! Ich verstehe nur spanisch..hihi
Wie geht es euch?
Die metrische Struktur des aus zwei Strophen bestehenden Gedichts ist auffällig. Der erste Teil besteht aus jeweils zwei vier- und zwei fünfhebigen Versen mit männlichen jambischen Paarreimen, während der zweite aus rhythmisch bewegteren Daktylen gebildet wird; zunächst zwei vierhebige, männlich gereimte, dann ein verkürzter und schließlich ein dreihebiger Vers mit weiblicher Endung, der durch die Wiederholung des Wortes „Tage“ einen echoartigen Charakter hat.
Die Verse lauten:[2]
Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand,
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied,
Sie achtet’s nicht, sie ist es müd;
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flüchtgen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Der metrischen Zweiteilung entspricht der Gegensatz von Tag und Nacht, der das Gedicht strukturiert. Während in den beiden ersten jambischen Hälften die Nacht auftritt, die zunächst in mythischer Größe gelassen ans Ufer steigt, sich der träumend-versunkenen Betrachtung hingibt und der Sphärenmusik lauscht, sind die zweiten Hälften den Quellen gewidmet, deren keckes Rauschen sich im bewegten Auf und Ab des daktylischen Versmaßes wiederfindet.
Matthias Claudius (1740 – 1815)
Der Sämann säet den Samen,
die Erde empfängt ihn, und über ein kleines
keimet die Blume herauf.
Du liebtest sie. Was auch das Leben
sonst für Gewinn hat, war klein dir geachtet,
und sie entschlummerte dir.
Was weinest du neben dem Grabe
und hebst die Hände zur Wolke des Todes
und der Verwesung empor?
Wie Gras auf dem Felde sind Menschen
dahin, wie Blätter, nur wenige Tage
gehn wir verkleidet einher!
Der Adler besucht die Erde
doch säumt er nicht, schüttelt vom Flügel den Staub
und kehret zur Sonne zurück.
Der Sämann säet den Samen,
die Erde empfängt ihn, und über ein kleines
keimet die Blume herauf.
Du liebtest sie. Was auch das Leben
sonst für Gewinn hat, war klein dir geachtet,
und sie entschlummerte dir.
Was weinest du neben dem Grabe
und hebst die Hände zur Wolke des Todes
und der Verwesung empor?
Wie Gras auf dem Felde sind Menschen
dahin, wie Blätter, nur wenige Tage
gehn wir verkleidet einher!
Der Adler besucht die Erde
doch säumt er nicht, schüttelt vom Flügel den Staub
und kehret zur Sonne zurück.
Matthias Claudius (1740-1815)
An den Tod
An meinem Geburtstage
Lass mich, Tod, lass mich noch leben! –
Sollt ich auch wenig nur nützen,
Werd ich doch weniger schaden,
Als die im Fürstenschoß sitzen
Und üble Anschläge geben,
Und Völkerfluch auf sich laden;
Als die da Rechte verdrehen,
Statt nach den Rechten zu sehen;
Als die da Buße verkünden,
Und häufen Sünden auf Sünden;
Als die da Kranken zu heilen,
Schädliche Mittel erteilen;
Als die da Kriegern befehlen,
Und grausam ihnen befehlen;
Der Helden Kriegskunst nichts nützen,
Um Länder weise zu schützen.
Tod, wenn sich diese nicht bessern,
Nimm sie aus Häusern und Schlössern!
Und wenn du sie nun genommen,
Dann Tod, dann sei mir willkommen
An den Tod
An meinem Geburtstage
Lass mich, Tod, lass mich noch leben! –
Sollt ich auch wenig nur nützen,
Werd ich doch weniger schaden,
Als die im Fürstenschoß sitzen
Und üble Anschläge geben,
Und Völkerfluch auf sich laden;
Als die da Rechte verdrehen,
Statt nach den Rechten zu sehen;
Als die da Buße verkünden,
Und häufen Sünden auf Sünden;
Als die da Kranken zu heilen,
Schädliche Mittel erteilen;
Als die da Kriegern befehlen,
Und grausam ihnen befehlen;
Der Helden Kriegskunst nichts nützen,
Um Länder weise zu schützen.
Tod, wenn sich diese nicht bessern,
Nimm sie aus Häusern und Schlössern!
Und wenn du sie nun genommen,
Dann Tod, dann sei mir willkommen
Allen Lesern und Schreibern ein herzliches Dankeschön!
Letzte Worte
Geliebte, wenn mein Geist geschieden,
So weint mir keine Träne nach,
Denn, wo ich weile, dort ist Frieden,
Dort leuchtet mir ein ew'ger Tag!
Wo aller Erdengram verschwunden,
Soll euer Bild mir nicht vergehn,
Und Linderung für eure Wunden,
Für euren Schmerz will ich erflehn.
Weht nächtlich seine Seraphsflügel
Der Friede übers Weltenreich,
So denkt nicht mehr an meinen Hügel,
Denn von den Sternen grüß' ich euch!
Annette von Droste-Hülshoff
Künstler-Gedenken(Clematis)
Clematis
Letzte Worte
Geliebte, wenn mein Geist geschieden,
So weint mir keine Träne nach,
Denn, wo ich weile, dort ist Frieden,
Dort leuchtet mir ein ew'ger Tag!
Wo aller Erdengram verschwunden,
Soll euer Bild mir nicht vergehn,
Und Linderung für eure Wunden,
Für euren Schmerz will ich erflehn.
Weht nächtlich seine Seraphsflügel
Der Friede übers Weltenreich,
So denkt nicht mehr an meinen Hügel,
Denn von den Sternen grüß' ich euch!
Annette von Droste-Hülshoff
Künstler-Gedenken(Clematis)
Clematis
Danke liebe Clematis
Dieser Ausschnitt aus dem tiefsinnigen Gedicht, lese ich zur passenden Zeit. Meine Schwiegermutter ist im Spital und es sieht so aus, dass sie doch endlich sterben dürfte. Das ist schon einige Jahre ihr Wunsch. Als ich ihr diese Zeilen vorgelesen habe vor einigen Jahren, haben sie ihr damals viel bedeutet.
Ich werde sie ihr heute wieder mal vorlesen.
Ich bitte nicht um Glück der Erden,
Nur um ein Leuchten nun und dann,
Daß sichtbar deine Hände werden,
Ich deine Liebe ahnen kann;
Nur in des Lebens Kümmernissen
Um der Ergebung Gnadengruß:
Dann wirst du schon am besten wissen,
Wie viel ich tragen kann und muß.
Dieser Ausschnitt aus dem tiefsinnigen Gedicht, lese ich zur passenden Zeit. Meine Schwiegermutter ist im Spital und es sieht so aus, dass sie doch endlich sterben dürfte. Das ist schon einige Jahre ihr Wunsch. Als ich ihr diese Zeilen vorgelesen habe vor einigen Jahren, haben sie ihr damals viel bedeutet.
Ich werde sie ihr heute wieder mal vorlesen.
Ich bitte nicht um Glück der Erden,
Nur um ein Leuchten nun und dann,
Daß sichtbar deine Hände werden,
Ich deine Liebe ahnen kann;
Nur in des Lebens Kümmernissen
Um der Ergebung Gnadengruß:
Dann wirst du schon am besten wissen,
Wie viel ich tragen kann und muß.
Liebe Yoli,
ich verstehe nicht ganz: das Gedicht ist kein Ausschnitt, sondern vollständig. Es sei denn, ich hätte in meinem Buch nur ein Ausschnitt, was ich nicht vermute.
Beide Gedichte sind mir seit Jahrzehnten so vertraut. Wenn Du mehr Zeit hast, könnten wir der Sache auf den Grund gehen, da ich immer bemüht bin, ein Gedicht in seiner Reinheit wiederzugeben.
Dir einen guten Tag für Deinen schweren Schritt.
sei lieb gegrüßt
Clematis
ich verstehe nicht ganz: das Gedicht ist kein Ausschnitt, sondern vollständig. Es sei denn, ich hätte in meinem Buch nur ein Ausschnitt, was ich nicht vermute.
Beide Gedichte sind mir seit Jahrzehnten so vertraut. Wenn Du mehr Zeit hast, könnten wir der Sache auf den Grund gehen, da ich immer bemüht bin, ein Gedicht in seiner Reinheit wiederzugeben.
Dir einen guten Tag für Deinen schweren Schritt.
sei lieb gegrüßt
Clematis
Mein Kater Mischa(Sirona)
Aus der Kindheit - Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
„Ja das Kätzchen hat gestohlen,
und das Kätzchen wird ertränkt.
Nachbars Peter sollst du holen,
daß er es im Teich versenkt!"
Nachbars Peter hat’s vernommen,
ungerufen kommt er schon;
„ist die Diebin zu bekommen,
gebe ich ihr gern den Lohn!"
„Mutter, nein er will sie quälen,
gestern warf er schon nach ihr,
bleibt nichts anderes zu wählen,
so ertränk ich selbst das Tier.
Sieh, das Kätzchen kommt gesprungen,
wie es glänzt im Morgenstrahl!"
Lustig hüpft’s dem kleinen Jungen
auf den Arm zu seiner Qual.
„Mutter laß das Kätzchen leben;
jedesmal wenn’s dich bestiehlt,
sollst du mir kein Frühstück geben;
sieh nur, wie es artig spielt!"
„Nein, der Vater hat’s geboten,
hundertmal ist ihr verziehn!" -
„Hat sie doch vier weiße Pfoten!" -
„Einerlei! Ihr Tag erschien!"
„Nachbarin, ich folg ihm leise,
ob er es auch wirklich tut!"
Peter spricht es hämscher Weise,
und der Knabe hört’s mit Wut.
Unterwegs auf manchem Platze
bietet er sein Liebchen aus,
aber keiner will die Katze,
jeder hat sie längst im Haus.
Ach, da ist er schon am Teiche,
und sein Blick, sein scheuer, schweift,
ob ihn Peter noch umschleiche -
ja, er steht von fern und pfeift.
„Nun, wir alle müssen sterben,
Großmama ging dir vorauf,
und du wirst den Himmel erben,
kratze nur, sie macht dir auf!"
Jetzt, um sie recht tief zu betten,
wirft er sie mit aller Macht,
doch zugleich, um sie zu retten,
springt er nach, als er’s vollbracht.
Eilte Peter nicht, der lange,
gleich im Augenblick herzu,
fände er es ist mir bange -
hier im Teich die ew’ge Ruh.
In das Haus zurück getragen,
hört er auf die Mutter nicht,
schweigt auf alle ihre Fragen,
schließt die Augen trotzig dicht.
Von dem Zucker, den sie brachte,
nimmt er zwar zerstreut ein Stück,
doch den Tee, den sie ihm machte,
weist er ungestüm zurück.
Welch ein Ton! Er dreht sich stutzend,
und auf einer Fensterbank,
spinnend und sich emsig putzend,
sitzt sein Kätzchen blink und blank.
„Lebt sie, Mutter?" - „dem Verderben
warst du näher, Kind, als sie!" -
„Und sie soll auch nicht mehr sterben?" -
„Trinke nur, so soll sie’s nie!"
Aus der Kindheit - Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
„Ja das Kätzchen hat gestohlen,
und das Kätzchen wird ertränkt.
Nachbars Peter sollst du holen,
daß er es im Teich versenkt!"
Nachbars Peter hat’s vernommen,
ungerufen kommt er schon;
„ist die Diebin zu bekommen,
gebe ich ihr gern den Lohn!"
„Mutter, nein er will sie quälen,
gestern warf er schon nach ihr,
bleibt nichts anderes zu wählen,
so ertränk ich selbst das Tier.
Sieh, das Kätzchen kommt gesprungen,
wie es glänzt im Morgenstrahl!"
Lustig hüpft’s dem kleinen Jungen
auf den Arm zu seiner Qual.
„Mutter laß das Kätzchen leben;
jedesmal wenn’s dich bestiehlt,
sollst du mir kein Frühstück geben;
sieh nur, wie es artig spielt!"
„Nein, der Vater hat’s geboten,
hundertmal ist ihr verziehn!" -
„Hat sie doch vier weiße Pfoten!" -
„Einerlei! Ihr Tag erschien!"
„Nachbarin, ich folg ihm leise,
ob er es auch wirklich tut!"
Peter spricht es hämscher Weise,
und der Knabe hört’s mit Wut.
Unterwegs auf manchem Platze
bietet er sein Liebchen aus,
aber keiner will die Katze,
jeder hat sie längst im Haus.
Ach, da ist er schon am Teiche,
und sein Blick, sein scheuer, schweift,
ob ihn Peter noch umschleiche -
ja, er steht von fern und pfeift.
„Nun, wir alle müssen sterben,
Großmama ging dir vorauf,
und du wirst den Himmel erben,
kratze nur, sie macht dir auf!"
Jetzt, um sie recht tief zu betten,
wirft er sie mit aller Macht,
doch zugleich, um sie zu retten,
springt er nach, als er’s vollbracht.
Eilte Peter nicht, der lange,
gleich im Augenblick herzu,
fände er es ist mir bange -
hier im Teich die ew’ge Ruh.
In das Haus zurück getragen,
hört er auf die Mutter nicht,
schweigt auf alle ihre Fragen,
schließt die Augen trotzig dicht.
Von dem Zucker, den sie brachte,
nimmt er zwar zerstreut ein Stück,
doch den Tee, den sie ihm machte,
weist er ungestüm zurück.
Welch ein Ton! Er dreht sich stutzend,
und auf einer Fensterbank,
spinnend und sich emsig putzend,
sitzt sein Kätzchen blink und blank.
„Lebt sie, Mutter?" - „dem Verderben
warst du näher, Kind, als sie!" -
„Und sie soll auch nicht mehr sterben?" -
„Trinke nur, so soll sie’s nie!"