Literatur Schöne Lyrik

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf yoli vom 15.06.2015, 13:46:44
Kinderglaube?

Ein Engel, hieß es, als wir Kinder waren,
ist unterwegs, der sammelt jeden Schmerz,
den bösen, ungerechten, unduldbaren,
und fliegt hinauf und rührt an Gottes Herz.

Und zu Musik wird einer Schande Name,
es trägt als Duft ihn jeder Wind,
und Traumgespiele, helle, wundersame,
gesellen sich dem Schmerzenskind.

Das plötzlich strahlt. Es sieht: die Himmel rüsten,
dem Qualverstummten Gottes Arm zu leihn...
Ach, wär es wahr, sagt, wieviel Engel müßten
da heute wohl auf allen Wegen sein!

René Schickele
1883-1940
Sirona
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Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Im Garten – Th. Fontane

Die hohen Himbeerwände
trennten dich und mich,
doch im Laubwerk unsre Hände
fanden von selber sich.

Die Hecke konnt` es nicht wehren,
wie hoch sie immer stund.
ich reichte dir die Beeren
und du reichtest mir deinen Mund.

Ach, schrittest du durch den Garten
noch einmal im raschen Gang,
wie gerne wollt` ich warten,
warten stundenlang.

Die Liebe spielte bei Dichtern und Komponisten eine sehr wesentliche Rolle. Nichts wurde mehr besungen und in Versen niedergeschrieben als die Liebe. Sie scheint tatsächlich eine „Himmelsmacht“ zu sein - wie auch im Zigeunerbaron behauptet wird.



LG Sirona
yoli
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Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von yoli
als Antwort auf Sirona vom 18.06.2015, 09:31:32
einer meiner Lieblingsdichter

Wie du mir, so ich dir

Gedicht von Walter de la Mare

Hast du Fische gefangen, Tomm .....

[Bitte beachte das Copyright! WM Margit]

Aus dem Englischen von © Bertram Kottmann:

Tit for tat

Have you been catching of fish, Tom ....

[Bitte beachte das Copyright! WM Margit]

Walter de la Mare

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Sirona
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Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf yoli vom 20.06.2015, 15:22:08
Yoli, Deine Beiträge gefallen mir, so lerne ich einige Dichter kennen, die mir bislang noch nicht begegnet sind. Dafür herzlichen Dank!

Ob sich die Sportjäger diese Fragen stellen wenn sie Tiere töten? Ich bin immer entsetzt dass es Menschen gibt, die Gefallen an der Jagd haben und diese sogar als Sport bezeichnen. Allein die Fuchsjagd in England ist so abgrundtief bestialisch und man könnte sich wirklich fragen ob es zivilisierte Menschen sind, die daran Spaß haben. Zig Hunde jagen einen Fuchs, diese Todesangst des armen gejagten Tieres müsste jeder Sportjäger hautnah selbst empfinden.

Das Gedicht regt zum Nachdenken an, man sollte es jedem Sportjäger an die Haustür heften.

LG Sirona
yoli
yoli
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von yoli
als Antwort auf Sirona vom 20.06.2015, 18:22:13
Liebe Sirona, ich habe diese Jäger und Hunde gesehen und die Füchse. Mir tut es auch jetzt in diesem Moment weh, wenn ich daran denke, was die armen Tiere durch machen müssen. Ich war oft bei den Jagdgegnern dabei.
Eigentlich ganz nette Menschen die Engländer, aber diese aufgeblasenen Männer auf den so schönen Pferden. Es passt einfach nicht in die schöne Natur.
Es freut mich auch deine/eure Gedichte zu lesen. Lieben Dank dafür
yoli
yoli
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von yoli
als Antwort auf yoli vom 20.06.2015, 18:27:46
sicher eines der schönsten Liebesgedichte.
Um anonym zu bleiben nannte Elisabeth Barrett Browning ihre Sammlung zuerst Portugues Sammlung.
Übersetzung (sehr gelungen) von Rainer Maria Rilke
Sonnets from The Portuguese - XLIII

How do I love thee? Let me count the ways.
I love thee to the depth and breadth and height
My soul can reach, when feeling out of sight
For the ends of Being and ideal Grace.

I love thee to the level of everyday's
Most quiet need, by sun and candle-light.
I love thee freely, as men strive for Right;
I love thee purely, as they turn from Praise.

I love thee with a passion put to use
In my old griefs, and with my childhood's faith.
I love thee with a love I seemed to lose
With my lost saints, --- I love thee with the breath,
Smiles, tears, of all my life! --- and, if God choose,
I shall but love thee better after death.

Elizabeth Barret-Browning, 1850

XLIII

Wie ich dich liebe? Laß mich zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.

Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
den jeder Tag erreicht im Lampenschein
oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.

Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.
Mit allem Lächeln, aller Tränennot

und allem Atem. Und wenn Gott es giebt,
will ich dich besser lieben nach dem Tod.

1908 (Übersetzung)

Rainer Maria Rilke, 1875-1926

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Sirona
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Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Die Zwiebel - Peer Gynt
(aus „Im Dunkeln singen“ – L. Rinser)

Beim Suchen nach den Nachrichten im RAI auf Musik gestoßen. Dieses Lied, ich habe es als Mädchen gesungen, ich kann es heute noch: Solveigs Lied aus Edvard Griegs Schauspielmusik zu Ibsens „Peer Gynt“. Ein sentimentales Lied vielleicht, aber unsentimental schön gesungen von einer ganz reinen Stimme. Ich höre weiter. Ich habe zu spät eingeschaltet, erst kurz vor der Szene Peers mit dem Knopfgießer.



Peer hat sein Lebensabenteuer hinter sich. Vieles hat er versucht, der Phantast, der Aufschneider, der wüste Träumer, der Pseudofaust - alles ist misslungen, nichts ist geblieben. Nicht einmal er selbst. Wie das?

Er sieht sich selbst: eine Zwiebel, der man Schale auf Schale abzieht. Wo aber ist der Kern? Da ist nichts. Nichts! Und doch sieht sich Peer, immer größenwahnsinnig, als etwas: als einen großen Sünder. Der belehrt ihn, er sei nicht einmal ein großer Sünder, sondern ein mittelmäßiger, nicht einmal der Hölle würdig.

Was aber nun? Wenn einem Knopfgießer der Knopf misslingt, wirft er ihn nicht weg, sondern schmilzt ihn wieder ein. „Der Knopfgießer“: er ist der Tod oder auch, wenn man will, „Gott“. Peer wehrt sich. Wie jeder Durchschnittliche scheut er die Wandlung. Da erscheint Solveig, die in ihrer Berghütte lebenslang auf ihren Peer gewartet hat. Sie ist die ewige Braut und zugleich die Mutter. Die wartende Frau. Die Ur-Mutter. Das ewig Weibliche. Sie nimmt Peer in ihren Ur-Schoß zurück.

Ist es nicht dasselbe, was der Knopfgießer will; das Einschmelzen in die Ur-Materie? Ist da vielleicht ein großer philosophischer Unterschied gemeint: die Wieder-Geburt der Person aus dem Mutterschoß oder die Einschmelzung der Person ins unermessliche Un- oder Vorpersönliche? Peer Gynts Frage, ob er überhaupt wirklich existierte oder nur in Solveigs Traum. Solveigs Antwort: Du warst in meinem Glauben und meiner Hoffnung.

Was immer Ibsen sonst sich gedacht hat bei diesem tiefsinnigen Stück: für mich ist das Zwiebel-Bild und jener Satz Solveigs das Tiefste: Ein Mensch ist nichts – außer er lebt in einem andern.

Ein schönes Wochenende wünscht Sirona
yoli
yoli
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von yoli
als Antwort auf Sirona vom 20.06.2015, 18:46:53
Solveig's Lied" aus der "Peer Gynt Suite" Nr.2
Edvard Grieg

Radio Swiss Classic bringt das wieder am 30.6.
Um 11.50
Werde die Ohren offen halten und mich freuen.
Re: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf yoli vom 21.06.2015, 21:48:33
Danke Euch für die Erinnerungen am Peer Gynt...

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:

Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.

Rainer Maria Rilke
4. 12. 1875-29. 12. 1926
Neptun
Neptun
Mitglied

Re: Schöne Lyrik
geschrieben von Neptun


Die zerfallene Burg

In Trümmern liegt die Burg danieder,
Ihr Stern erlosch im Lauf der Zeit,
Verhallt im Wind sind auch die Lieder
Zum Preise ihrer Herrlichkeit.

Halb dürre Efeuranken sprießen
Ums Wappen, das schon längst zerschellt,
Und wessen Nam’ hier ward gepriesen,
Was kümmert es die heutige Welt?

Vergeblich wären alle Fragen,
Wer hier geliebt, gehaßt, gelebt? —
Ins Blau die stummen Zinken ragen,
Am Wappenschild der Epheu bebt.

Der Wind zaust an den gelben Blättern;
Bald da, bald dorten eines fällt,
Spurlos verweht in Wind und Wettern,
Im allgemeinen Chaos Welt.

Demetrius Schrutz, 1895

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