Literatur Schöne Lyrik
Der Morgen
Fliegt der erste Morgenstrahl
Durch das stille Nebeltal,
Rauscht erwachend Wald und Hügel:
Wer da fliegen kann, nimmt Flügel!
Und sein Hütlein in die Luft
Wirft der Mensch vor Lust und ruft:
Hat Gesang doch auch noch Schwingen,
Nun, so will ich fröhlich singen!
Hinaus, o Mensch, weit in die Welt,
Bangt dir das Herz in krankem Mut;
Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,
Der Morgen leicht macht's wieder gut.
Joseph von Eichendorff
Fliegt der erste Morgenstrahl
Durch das stille Nebeltal,
Rauscht erwachend Wald und Hügel:
Wer da fliegen kann, nimmt Flügel!
Und sein Hütlein in die Luft
Wirft der Mensch vor Lust und ruft:
Hat Gesang doch auch noch Schwingen,
Nun, so will ich fröhlich singen!
Hinaus, o Mensch, weit in die Welt,
Bangt dir das Herz in krankem Mut;
Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,
Der Morgen leicht macht's wieder gut.
Joseph von Eichendorff
pixabay
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
***
Rainer Maria Rilke
(1875-1926)
Frühling
Will dir den Frühling zeigen,
der hundert Wunder hat.
Der Frühling ist waldeigen
und kommt nicht in die Stadt.
Nur die weit aus den kalten
Gassen zu zweien gehn
und sich bei den Händen halten -
dürfen ihn einmal sehn.
***
Rainer Maria Rilke
(1875-1926)
Frühling
Will dir den Frühling zeigen,
der hundert Wunder hat.
Der Frühling ist waldeigen
und kommt nicht in die Stadt.
Nur die weit aus den kalten
Gassen zu zweien gehn
und sich bei den Händen halten -
dürfen ihn einmal sehn.
***
pixabay
Dass der Frühling nicht in die Stadt kommt und überdies nur von denen, die zu zweien gehen, gesehen werden kann, da widerspreche ich dem Herrn Rilke allerdings. 😊
Bild gemeinfrei
Waldandacht
Regine Merkle
Das Lieblichste, was ich auf Erden sah,
das ist im grünen Wald ein See!
Das ist mein Ideal in der Natur,
dahin zieht mich mein Herze nur.
Wenn ich am Sonntagmorgen steh
an meinem lieben, schönen See,
die Glocken läuten aus der Fern,
zu rufen in das Haus des Herrn.
Und hier im grünen Gottestempel,
all die Vöglein loben Gott mit Schall,
die Lüfte säuseln leis dazu
und ringsum tiefe, sel’ge Ruh.
Dann wird mein Herz so friedlich still
hier in dem schönen Waldidyll,
und mit der Vöglein frohem Chor
schick ich dem Schöpfer Dank empor.
Auch ich kann die Gedanken Rilkes nicht nachvollziehen. Seiner Ansicht nach erleben Single wohl nie die Schönheit des Frühlings. Da hat er sich gewaltig geirrt, denn ich verbringe als Single gern mit "Herrn Lenz" meine Zeit und genieße seine geschenkte Frühlingspracht. 😁
Die Welt ist allezeit schön
Im Frühling prangt die schöne Welt
In einem fast Smaragden Schein.
Im Sommer gläntzt das reife Feld,
Und scheint dem Golde gleich zu seyn.
Im Herbste sieht man, als Opalen,
Der Bäume bunte Blätter strahlen.
Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Fluth und Land.
Ja kurtz, wenn wir die Welt aufmercksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön.
Barthold Heinrich Brockes (1680 - 1747), deutscher Dichter
Am Walde
Eduard Mörike
Am Waldsaum kann ich lange Nachmittage,
dem Kuckuck horchend, in dem Grase liegen;
er scheint das Tal gemächlich einzuwiegen
im friedevollen Gleichklang seiner Klage.
Da ist mir wohl, und meine schlimmste Plage,
den Fratzen der Gesellschaft mich zu fügen,
hier wird sie mich doch endlich nicht bekriegen,
wo ich auf eigne Weise mich behage.
Und wenn die feinen Leute nur erst dächten,
wie schön Poeten ihre Zeit verschwenden,
sie würden mich zuletzt noch gar beneiden.
Denn des Sonetts gedrängte Kränze flechten
sich wie von selber unter meinen Händen,
indes die Augen in der Ferne weiden.
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Sonette finde ich faszinierend und dieses hier vom Herrn Mörike gefällt mir sehr, doch wage ich zu bezweifeln, dass es ihm quasi mühelos zuflog. 😁
Wikipedia: Sonette
Mörike war ein bescheidener Mensch der sein Können nicht als das Maß aller Dinge betrachtete. 😄
Bild: Da fängt es bereits an
Ein Raunen erst und dann ein Reden;
von allen Seiten kam's herbei,
des Volkes Mund ward laut und lauter,
die Luft schlug Wellen von Geschrei.
Und die sich stets entgegenstemmen
dem Geist, der größer ist als sie,
sie waren in den Kampf gerissen
und wußten selber kaum noch wie.
Sie standen an den deutschen Marken
dem Feind entgegen unverwandt,
und waren, eh sie es bedachten,
das Schwert in ihres Volkes Hand.
Theodor Storm
Ich habe zwar kein Hütlein, das ich in die Luft schwingen kann, dennoch kommt mein Herz ins Schwingen wenn ich bei einem Spaziergang die erwachende Natur und die keimende Blütenpracht bestaunen kann.