Literatur Schöne Lyrik
Eigenes Foto - Burg Altena
Verwunschen
[Wilhelm Busch]
„Geld gehört zum Ehestande,
Hässlichkeit ist keine Schande,
Liebe ist beinah absurd.
Drum, du nimmst den Junker Jochen
innerhalb der nächsten Wochen!“
Also sprach der Ritter Kurt.
„Vater“, flehte Kunigunde,
„schone meine Herzenswunde,
ganz umsonst ist dein Bemühn,
ja, ich schwör's bei Erd und Himmel,
niemals nehm' ich diesen Lümmel,
ewig, ewig hass' ich ihn!“
„Nun, wenn Worte nicht mehr nützen,
dann so bleibe ewig sitzen,
marsch mit dir ins Burgverlies!“
Zornig sagte dies der Alte,
als er in die feuchte, kalte
Kammer sie hinunter stieß.
Jahre kamen, Jahre schwanden,
nichts im Schlosse blieb vorhanden
außer Kunigundens Geist.
Dort, wo graue Ratten rasseln,
sitzt sie zwischen Kellerasseln,
von dem Feuermolch umkreist.
Heut noch ist es nicht geheuer
in dem alten Burggemäuer
um die Mitternacht herum.
„Wehe!“ ruft ein weißes Wesen.
„Will denn niemand mich erlösen?“
Doch die Wände bleiben stumm.
Verwunschen
[Wilhelm Busch]
„Geld gehört zum Ehestande,
Hässlichkeit ist keine Schande,
Liebe ist beinah absurd.
Drum, du nimmst den Junker Jochen
innerhalb der nächsten Wochen!“
Also sprach der Ritter Kurt.
„Vater“, flehte Kunigunde,
„schone meine Herzenswunde,
ganz umsonst ist dein Bemühn,
ja, ich schwör's bei Erd und Himmel,
niemals nehm' ich diesen Lümmel,
ewig, ewig hass' ich ihn!“
„Nun, wenn Worte nicht mehr nützen,
dann so bleibe ewig sitzen,
marsch mit dir ins Burgverlies!“
Zornig sagte dies der Alte,
als er in die feuchte, kalte
Kammer sie hinunter stieß.
Jahre kamen, Jahre schwanden,
nichts im Schlosse blieb vorhanden
außer Kunigundens Geist.
Dort, wo graue Ratten rasseln,
sitzt sie zwischen Kellerasseln,
von dem Feuermolch umkreist.
Heut noch ist es nicht geheuer
in dem alten Burggemäuer
um die Mitternacht herum.
„Wehe!“ ruft ein weißes Wesen.
„Will denn niemand mich erlösen?“
Doch die Wände bleiben stumm.
Der höhere Friede
Wenn sich auf des Krieges Donnerwagen
Menschen waffnen, auf der Zwietracht Ruf,
Menschen, die im Busen Herzen tragen,
Herzen, die der Gott der Liebe schuf:
Denk' ich, können sie doch mir nichts rauben,
Nicht den Frieden, der sich selbst bewährt,
Nicht die Unschuld, nicht an Gott den Glauben,
Der dem Hasse wie dem Schrecken wehrt;
Nicht des Ahorns dunkelm Schatten wehren,
Daß er mich im Weizenfeld erquickt,
Und das Lied der Nachtigall nicht stören,
Die den stillen Busen mir entzückt.
Heinrich von Kleist
Eigenes Foto
Mittag
Rings alles still - wohin man horcht und späht,
im schatt'gen Walde, wie auf lichter Flur;
nicht einmal eines einz'gen Vogels Laut,
kein Blattgesäusel, keines Hauches Wehn,
denn die Natur hält ihren Odem an.
Weißglühend senkt die Sonne scheitelrecht
ihr Strahlenmeer herab aufs stille All,
und kein Gewölk am ganzen Horizont
erspäht der Blick, nur eine weiße Flocke
hängt leuchtend dort, ganz einsam, wie verloren,
ganz regungslos im glühenden Azur.
"Es schlummert Pan", so redeten sie einst.
"Seid stille, stört den Geist des Waldes nicht."
Nun aber ist er tot, der alte Pan,
und mit ihm sind gestorben der Dryaden
wie der Najaden gütige Gestalten,
die schützend tief im Walde Wohnenden,
in grüner, quell-durchrauschter Einsamkeit -
dahin die ganze alte schöne Welt.
Du aber, Mensch, befolge noch das Wort;
sei still in wunderbarer Mittagszeit,
daß du den Traum des Waldes nimmer störst
durch wüsten Lärm, und laß die Arbeit ruhen
und ruhe selbst und träume. Es ist süß
ganz aufzugehen in das große Schweigen
und eins zu werden mit der Natur.
(Hermann Ludwig Allmers)
Mittag
Rings alles still - wohin man horcht und späht,
im schatt'gen Walde, wie auf lichter Flur;
nicht einmal eines einz'gen Vogels Laut,
kein Blattgesäusel, keines Hauches Wehn,
denn die Natur hält ihren Odem an.
Weißglühend senkt die Sonne scheitelrecht
ihr Strahlenmeer herab aufs stille All,
und kein Gewölk am ganzen Horizont
erspäht der Blick, nur eine weiße Flocke
hängt leuchtend dort, ganz einsam, wie verloren,
ganz regungslos im glühenden Azur.
"Es schlummert Pan", so redeten sie einst.
"Seid stille, stört den Geist des Waldes nicht."
Nun aber ist er tot, der alte Pan,
und mit ihm sind gestorben der Dryaden
wie der Najaden gütige Gestalten,
die schützend tief im Walde Wohnenden,
in grüner, quell-durchrauschter Einsamkeit -
dahin die ganze alte schöne Welt.
Du aber, Mensch, befolge noch das Wort;
sei still in wunderbarer Mittagszeit,
daß du den Traum des Waldes nimmer störst
durch wüsten Lärm, und laß die Arbeit ruhen
und ruhe selbst und träume. Es ist süß
ganz aufzugehen in das große Schweigen
und eins zu werden mit der Natur.
(Hermann Ludwig Allmers)
Eigenes Foto
Im Frühling – E. Mörike
Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag' mir, alleinzige Liebe,
wo du bleibst, dass ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.
Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,
sehnend,
sich dehnend
in Liebe und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd ich gestillt?
Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss,
es dringt der Sonne goldner Kuss
mir tief bis ins Geblüt hinein;
die Augen, wunderbar berauschet,
tun, als schliefen sie ein,
nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.
Ich denke dies und denke das,
ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
mein Herz, o sage,
was webst du für Erinnerung
in golden grüner Zweige Dämmerung?
Alte unnennbare Tage!
Im Frühling – E. Mörike
Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag' mir, alleinzige Liebe,
wo du bleibst, dass ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.
Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,
sehnend,
sich dehnend
in Liebe und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd ich gestillt?
Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss,
es dringt der Sonne goldner Kuss
mir tief bis ins Geblüt hinein;
die Augen, wunderbar berauschet,
tun, als schliefen sie ein,
nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.
Ich denke dies und denke das,
ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
mein Herz, o sage,
was webst du für Erinnerung
in golden grüner Zweige Dämmerung?
Alte unnennbare Tage!
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Noch ein kleines Rilke-Gedicht
Im Park
Ein ganz kleines Reh stand am ganz kleinen Baum
Still und verklärt wie im Traum.
Das war des Nachts elf Uhr zwei.
Und dann kam ich um vier
Morgens wieder vorbei,
Und da träumte noch immer das Tier.
Nun schlich ich mich leise - ich atmete kaum -
Gegen den Wind an den Baum
Und gab dem Reh einen ganz kleinen Stips.
Und da war es aus Gips.
Joachim Ringelnatz
(1883-1934)
Gestern stürmt's noch ...
Gestern stürmt's noch, und am Morgen
blühet schon das ganze Land -
will auch nicht für morgen sorgen,
alles steht in Gottes Hand.
Putz dich nur in Gold und Seiden:
In dem Felde über Nacht
Engel Gotts die Lilien kleiden,
schöner, als du's je gedacht.
Sonn dich auf des Lebens Gipfeln:
Über deinem stolzen Haus
singt der Vogel in den Wipfeln,
schwingt sich über dich hinaus!
Vögel nicht noch Blumen sorgen
hat doch jedes sein Gewand -
wie so fröhlich rauscht der Morgen!
Alles steht in Gottes Hand.
Joseph Freiherr von Eichendorff
Sieh, das ist es...
Sieh, das ist es, was auf Erden
Jung dich hält zu jeder Frist,
Dass du ewig bleibst im Werden,
Wie die Welt im Wandeln ist.
Was dich rührt im Herzensgrunde,
Einmal kommt’s und nimmer so;
Drum ergreife kühn die Stunde,
Heute weine, heut sei froh!
Gib dem Glück dich voll und innig,
Trag es, wenn der Schmerz dich presst,
Aber nimmer eigensinnig
Ihren Schatten halte fest.
Heiter senke, was vergangen,
In den Abgrund jeder Nacht!
Soll der Tag dich frisch empfangen,
Sei getreu, doch neu, erwacht.
Frei dich wandelnd und entfaltend,
Wie die Lilie wächst im Feld,
Wachse fort, und nie veraltend
Blüht und klingt für dich die Welt.
Emanuel Geibel
Eigenes Foto - Creglingen
Die Teilung der Erde
Friedrich Schiller:
Nehmt hin die Welt! rief Zeus von seinen Höhen
den Menschen zu. Nehmt, sie soll euer sein!
Euch schenk ich sie zum Erb und ew’gen Lehen -
doch teilt euch brüderlich darein!
Da eilt', was Hände hat, sich einzurichten,
es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
der Junker pirschte durch den Wald.
Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
der König sperrt die Brücken und die Straßen
und sprach: "Der Zehente ist mein."
Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
naht der Poet, er kam aus weiter Fern -
Ach! da war überall nichts mehr zu sehen,
und alles hatte seinen Herrn!
Weh mir! So soll denn ich allein von allen
vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen
und warf sich hin vor Jovis Thron.
Wenn du im Land der Träume dich verweilet,
versetzt der Gott, so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?
"Ich war", sprach der Poet, "bei dir".
"Mein Auge hing an deinem Angesichte,
an deines Himmels Harmonie mein Ohr -
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
berauscht, das Irdische verlor!
"Was tun?" spricht Zeus, "die Welt ist weggegeben,
der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben -
so oft du kommst, er soll dir offen sein."
Die Teilung der Erde
Friedrich Schiller:
Nehmt hin die Welt! rief Zeus von seinen Höhen
den Menschen zu. Nehmt, sie soll euer sein!
Euch schenk ich sie zum Erb und ew’gen Lehen -
doch teilt euch brüderlich darein!
Da eilt', was Hände hat, sich einzurichten,
es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
der Junker pirschte durch den Wald.
Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
der König sperrt die Brücken und die Straßen
und sprach: "Der Zehente ist mein."
Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
naht der Poet, er kam aus weiter Fern -
Ach! da war überall nichts mehr zu sehen,
und alles hatte seinen Herrn!
Weh mir! So soll denn ich allein von allen
vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen
und warf sich hin vor Jovis Thron.
Wenn du im Land der Träume dich verweilet,
versetzt der Gott, so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?
"Ich war", sprach der Poet, "bei dir".
"Mein Auge hing an deinem Angesichte,
an deines Himmels Harmonie mein Ohr -
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
berauscht, das Irdische verlor!
"Was tun?" spricht Zeus, "die Welt ist weggegeben,
der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben -
so oft du kommst, er soll dir offen sein."
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
RE: Schöne Lyrik
Schöne Idee, danke! Willkommen und Abschied Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde! Es war getan fast eh gedacht. Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht; Schon stand im Nebelkleid die Eiche, Ein aufgetürmter Riese, da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Der Mond von einem Wolkenhügel Sah kläglich aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer, Doch frisch und fröhlich war mein Mut: In meinen Adern welches Feuer! In meinem Herzen welche Glut! Dich sah ich, und die milde Freude Floss von dem süßen Blick auf mich; Ganz war mein Herz an deiner Seite Und jeder Atemzug für dich. Ein rosenfarbnes Frühlingswetter Umgab das liebliche Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter! Ich hofft' es, ich verdient' es nicht! Doch ach, schon mit der Morgensonne Verengt der Abschied mir das Herz: In deinen Küssen welche Wonne! In deinem Auge welcher Schmerz! Ich ging, du standst und sahst zur Erden Und sahst mir nach mit nassem Blick: Und doch, welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück! Johann Wolfgang von Goethe ---- LG Morrison