Literatur Schöne Lyrik
Skulpturenpfad "Waldmenschen" von Thomas Rees
Überlaß es der Zeit
Erscheint dir etwas unerhört,
Bist du tiefsten Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuch's nicht mit Streit,
Berühr es nicht, überlaß es der Zeit.
Am ersten Tag wirst du feige dich schelten,
Am zweiten läßt du dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hast du's überwunden,
Alles ist wichtig nur auf Stunden,
Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.
Theodor Fontane
Eigenes Foto - Kärnten im Winter
Alles still
Th.- Fontane
Alles still! Es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
und darüber thront das Schweigen
und der Winterhimmel nur.
Alles still! Vergeblich lauschet
man der Krähe heisrem Schrei.
Keiner Fichte Wipfel rauschet,
und kein Bächlein summt vorbei.
Alles still! Die Dorfeshütten
sind wie Gräber anzusehn,
die, von Schnee bedeckt inmitten
eines weiten Friedhofs stehn.
Alles still! Nichts hör’ ich klopfen
als mein Herze durch die Nacht.
Heiße Tränen niedertropfen
auf die kalte Winterpracht.
Das Büblein auf dem Eis
von
Friedrich Wilhelm Güll
Friedrich Wilhelm Güll
Gefroren hat es heuer
Noch gar kein festes Eis .
Das Büblein steht am Weiher
Und spricht so zu sich leis :
" Ich will es einmal wagen ,
Das Eis , es muss doch tragen .“ –
Wer weiß ?
Das Büblein stampft und hacket
Mit seinem Stiefelein .
Das Eis auf einmal knacket ,
Und krach ! schon bricht’s hinein .
Das Büblein platscht und krabbelt
Als wie ein Krebs und zappelt
Mit Schrein .
" O helft , ich muss versinken
In lauter Eis und Schnee !
O helft, ich muss ertrinken
Im tiefen , tiefen See !“
Wär nicht ein Mann gekommen ,
Der sich ein Herz genommen ,
O weh !
Der packt es bei dem Schopfe
Und zieht es dann heraus :
Vom Fuß bis zu dem Kopfe
Wie eine Wassermaus .
Das Büblein hat getropfet ,
Der Vater hat’s geklopfet
Zu Haus .
LG
Roxanna
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
***
Johann Kleinfercher
(1828-1902)
Der Grashalm
Da drinnen im Waldesgrunde,
Am mild beschatteten Bach,
Da steht ein schlanker Grashalm
Und sieht den Wellen nach.
Entwandernd schau'n sie zum Halme
Mit Silberblicken empor,
Da beugt er sich liebend hinunter,
Küßt Welle für Welle zuvor.
Da scharen die zärtlichen Wellen
Liebkosend sich um ihn her
Und tragen ihn, leis' umarmend,
Mit sich hinaus ins Meer.
***
Johann Kleinfercher
(1828-1902)
Der Grashalm
Da drinnen im Waldesgrunde,
Am mild beschatteten Bach,
Da steht ein schlanker Grashalm
Und sieht den Wellen nach.
Entwandernd schau'n sie zum Halme
Mit Silberblicken empor,
Da beugt er sich liebend hinunter,
Küßt Welle für Welle zuvor.
Da scharen die zärtlichen Wellen
Liebkosend sich um ihn her
Und tragen ihn, leis' umarmend,
Mit sich hinaus ins Meer.
***
Der Weihnachtsbaum von Heinrich Seidel
1842 - 1906
Schön ist im Frühling die blühende Linde,
bienendurchsummt und rauschend im Winde,
hold von lieblichen Düften umweht,
Schön ist im Sommer die ragende Eiche,
die riesenhafte, titanengleiche,
die da in Wettern und Stürmen besteht;
schön ist im Herbste des Apfelbaums Krone,
die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohne
beugt von goldener Früchte Pracht;
aber noch schöner weiß ich ein Bäumchen,
das gar so lieblich ins ärmlichste Räumchen
strahlt in der eisigen Winternacht.
Keiner kann mirein schöneres zeigen:
Lichter blinken in seinen Zweigen,
goldene Äpfel in seinem Geist,
und mit schimmernden Sternen und Kränzen
sieht man ihn leuchten,sieht man ihn glänzen
anmutsvoll zum lieblichsten Fest.
Von seinen Zweigen ein träumerisch Düften
weihrauchwolkig weht in den Lüften,
füllet mit süßer Ahnung den Raum!
Dieser will uns am besten gefallen,
ihn verehren wir jauchzend vor allen,
ihn, den herrlichen Weihnachtsbaum !
Komet
1842 - 1906
Schön ist im Frühling die blühende Linde,
bienendurchsummt und rauschend im Winde,
hold von lieblichen Düften umweht,
Schön ist im Sommer die ragende Eiche,
die riesenhafte, titanengleiche,
die da in Wettern und Stürmen besteht;
schön ist im Herbste des Apfelbaums Krone,
die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohne
beugt von goldener Früchte Pracht;
aber noch schöner weiß ich ein Bäumchen,
das gar so lieblich ins ärmlichste Räumchen
strahlt in der eisigen Winternacht.
Keiner kann mirein schöneres zeigen:
Lichter blinken in seinen Zweigen,
goldene Äpfel in seinem Geist,
und mit schimmernden Sternen und Kränzen
sieht man ihn leuchten,sieht man ihn glänzen
anmutsvoll zum lieblichsten Fest.
Von seinen Zweigen ein träumerisch Düften
weihrauchwolkig weht in den Lüften,
füllet mit süßer Ahnung den Raum!
Dieser will uns am besten gefallen,
ihn verehren wir jauchzend vor allen,
ihn, den herrlichen Weihnachtsbaum !
Komet
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
***
Gottfried Keller
(1819-1890)
Die Zeit geht nicht
Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist ein Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
Ein Etwas, form- und farbenlos,
Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht,
Bis wieder ihr zerrinnt.
Es blitzt ein Tropfen Morgentau
Im Strahl des Sonnenlichts;
Ein Tag kann eine Perle sein
Und ein Jahrhundert nichts.
Es ist ein weisses Pergament
Die Zeit, und jeder schreibt
Mit seinem roten Blut darauf,
Bis ihn der Strom vertreibt.
An dich, du wunderbare Welt,
Du Schönheit ohne End',
Auch ich schreib' meinen Liebesbrief
Auf dieses Pergament.
Froh bin ich, dass ich aufgeblüht
In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht
Und lobe deinen Glanz.
***
Gottfried Keller
(1819-1890)
Die Zeit geht nicht
Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist ein Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
Ein Etwas, form- und farbenlos,
Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht,
Bis wieder ihr zerrinnt.
Es blitzt ein Tropfen Morgentau
Im Strahl des Sonnenlichts;
Ein Tag kann eine Perle sein
Und ein Jahrhundert nichts.
Es ist ein weisses Pergament
Die Zeit, und jeder schreibt
Mit seinem roten Blut darauf,
Bis ihn der Strom vertreibt.
An dich, du wunderbare Welt,
Du Schönheit ohne End',
Auch ich schreib' meinen Liebesbrief
Auf dieses Pergament.
Froh bin ich, dass ich aufgeblüht
In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht
Und lobe deinen Glanz.
***
Dass die Zeit still steht und wir uns stattdessen in ihr bewegen,
ist ein sehr interessanter Gedanke.
pixabay, myriams-fotos
Bildquelle: Pixabay kostenlos
Die Nacht vor dem heiligen Abend
Die Nacht vor dem heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum.
Sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.
Und während sie schlafen und träumen
wird es am Himmel klar
und durch den Himmel fliegen
drei Englein, wunderbar.
Sie tragen ein holdes kindlein,
das ist der heilige Christ.
Es ist so fromm und freundlich
wie keins auf Erden ist.
Und während es über die Dächer
still durch den Himmel fliegt,
schaut es in jedes Bettlein,
wo nur ein Kindlein liegt.
Und freut sich über alle
die fromm und freundlich sind.
Denn solche liebt von Herzen
das himmlische Kind.
Heut schlafen noch die Kinder
und sehen es nur im Traum.
Doch morgen ganzen und springen
sie um den Weihnachtsbaum.
Robert Reinick Schriftsteller, Maler
* 22.02.1805 Danzig (poln. Gdańsk)
† 07.02.1852 Dresden Dresden (Trinitatisfriedhof)
Den Mittelpunkt seiner literarischen Tätigkeit bildete die Jugendliteratur, deren Niveau er heben wollte. Er steht hier in der Tradition von Achim von Arnim, Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff, Chamisso und E.T.A. Hoffmann.
Vielleicht lohnt es sich einmal nach Gedichten von diesem interessanten Menschen umzusehen, denn m.E. ist er heute nicht mehr so bekannt.
Die Nacht vor dem heiligen Abend
Die Nacht vor dem heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum.
Sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.
Und während sie schlafen und träumen
wird es am Himmel klar
und durch den Himmel fliegen
drei Englein, wunderbar.
Sie tragen ein holdes kindlein,
das ist der heilige Christ.
Es ist so fromm und freundlich
wie keins auf Erden ist.
Und während es über die Dächer
still durch den Himmel fliegt,
schaut es in jedes Bettlein,
wo nur ein Kindlein liegt.
Und freut sich über alle
die fromm und freundlich sind.
Denn solche liebt von Herzen
das himmlische Kind.
Heut schlafen noch die Kinder
und sehen es nur im Traum.
Doch morgen ganzen und springen
sie um den Weihnachtsbaum.
Robert Reinick Schriftsteller, Maler
* 22.02.1805 Danzig (poln. Gdańsk)
† 07.02.1852 Dresden Dresden (Trinitatisfriedhof)
Den Mittelpunkt seiner literarischen Tätigkeit bildete die Jugendliteratur, deren Niveau er heben wollte. Er steht hier in der Tradition von Achim von Arnim, Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff, Chamisso und E.T.A. Hoffmann.
Vielleicht lohnt es sich einmal nach Gedichten von diesem interessanten Menschen umzusehen, denn m.E. ist er heute nicht mehr so bekannt.
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
....und wie sich Robert Reinick lohnt, liebe @Sirona!
Der Schneemann auf der Straße
trägt einen weißen Rock,
hat eine rote Nase
und einen dicken Stock.
Er rührt sich nicht vom Flecke
auch wenn es stürmt und schneit.
Stumm steht er an der Ecke
zur kalten Winterszeit.
Doch tropft es von den Dächern
im ersten Sonnenschein,
da fängt er an zu laufen
und niemand holt ihn ein.
Robert Reinick
22. 2. 1805 - 7. 2. 1852
lieben Gruss
Clematis
Der Schneemann auf der Straße
trägt einen weißen Rock,
hat eine rote Nase
und einen dicken Stock.
Er rührt sich nicht vom Flecke
auch wenn es stürmt und schneit.
Stumm steht er an der Ecke
zur kalten Winterszeit.
Doch tropft es von den Dächern
im ersten Sonnenschein,
da fängt er an zu laufen
und niemand holt ihn ein.
Robert Reinick
22. 2. 1805 - 7. 2. 1852
lieben Gruss
Clematis
Danke, liebe Clematis. Diese Wortspielerei ist ja ganz entzückend. Natürlich. holt niemand den Schneemann ein. Einfach niedlich. 😁