Literatur Schöne Lyrik
noch ein Platen:
Die Tulpe
Andre mögen andre loben,
mir behagt dein reich Gewand,
durch sein eigen Lied erhoben,
pflückt dich eines Dichters Hand.
In des Regenbogens sieben
Farben wardst du eingeweiht,
und wir sehen, was wir lieben,
an dir zu derselben Zeit.
Als mit ihrem Zauberstabe
Flora dich entstehen ließ,
einte sie des Duftes Gabe
deinem hellen, bunten Vlies.
Doch die Blumen all, die frohen,
standen nun voll Kummers da,
als die Erde deinen hohen
Doppelzauber werden sah.
"Göttin, o zerstör' uns wieder,
denn wer blickt uns nun noch an?"
sprach's die Rose, sprach's der Flieder,
sprach's der niedre Thymian.
Flora kam, um auszusaugen
deinen Blättern ihren Duft;
du erfreust, sie sagt's, die Augen
sie erfreun die trunkne Luft.
August Graf von Platen
24. 10. 1796 - 5. 12. 1835
Clematis
Frühlingsbotschaft
Leise zieht durch mein Gemüt
liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
kling hinaus ins Weite.
Kling hinaus bis an das Haus,
wo die Veilchen sprießen!
Wenn du eine Rose schaust,
sag, ich lass' sie grüßen.
Heinrich Heine
(1797-1856)
Das ist Clair
Clematis
Frühling
Was rauschet, was rieselt, was rinnet so schnell?
Was blitzt in der Sonne? Was schimmert so hell?
Und als ich so fragte, da murmelt der Bach:
"Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist wach!"
Was knospet, was keimet, was duftet so lind?
Was grünet so fröhlich? Was flüstert im Wind?
Und als ich so fragte, da rauscht es im Hain:
"Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!"
Was klingelt, was klaget, was flötet so klar?
Was jauchzet, was jubelt so wunderbar?
Und als ich so fragte, die Nachtigall schlug:
"Der Frühling, der Frühling!" - da wusst' ich genug!
Heinrich Seidel
1842-1906
Clematis
Frühling
Nun ist er endlich kommen doch
im grünen Knospenschuh;
"Er kam, er kam ja immer noch",
die Bäume nicken sich's zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
nun treiben sie Schuß auf Schuß;
im Garten der alte Apfelbaum,
er sträubt sich, aber er muß.
Wohl zögert auch das alte Herz
und atmet noch nicht frei,
es bangt und sorgt: "es ist erst März
und März ist noch nicht Mai."
O schüttle ab den schweren Traum
und die lange Winterruh:
es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's auch du.
Theodor Fontane
30. 12. 1819 - 20. 9. 1898
Clematis
Foto: Pixabay
Der Hügel
Wie wundersam ist doch der Hügel,
der sich ans Herz der Sonne legt,
indes des Winds gehaltner Flügel
des Gipfels Gräser leicht bewegt.
Mit buntem Faltertanz durchwebt sich,
von wilden Bienen singt die Luft,
und aus der warmen Erde hebt sich
ein süßer, hingegebner Duft.
Christian Morgenstern
6. 5. 1871 - 31. 3. 1914
Clematis
Foto: Pixabay
Anemonen
Dass mir Tröstung werde bei dem Gnadenschein
frommer Blumenaugen, wandl' ich durch den Hain.
Heinwehkrank und müde von des Lebens Last,
dieser Hochverklärten sel'ger Glanz mich fasst,
dass ich selbst nun schaue, schön im Lenzgefild,
hohen Zukunftleibes strahlendes Gebild.
Christian Wagner
5. 8. 1835 - 15. 2. 1918
Clematis
weil es , wie ich finde, so gut in genau diese Zeit passt ...
wer auf den Link klickt gelangt zur FAZ, wo es noch einmal besprochen ist und wo es ein Video mit dem gesprochenen Gedicht des einzigartigen Dylan Thomas gibt
Dylan Thomas: „Die gute Nacht“ / „Do Not Go Gentle Into That Good Night“
Geh nicht in Frieden in die gute Nacht.
Wer alt ist, sollte schäumen voller Wut.
Empör dich, wenn das Tageslicht erstirbt!
Zwar wissen Weise: Dunkelheit hat Recht.
Doch weil sie selber keinen Blitz entzündet,
Gehn sie verzweifelt in die gute Nacht.
Und gute Menschen, deren schwache Taten
So gern in einer grünen Bucht getanzt,
Empör’n sich auf der letzten Lebenswelle.
Und wilde Männer, die die Sonne liebten
Verstehn zu spät, es war ein Missverständnis
Und klagen, fluchend, dass sie untergeht.
Und ernste Männer sehn, zu spät und lichtverbannt,
Auch blinde Augen könnten wie Meteore
Vor Freude strahl’n – und wüten, fast erblindet.
Mein Vater, du, hoch oben und in Trauer
Verfluch mich, segne mich mit scharfen Tränen,
Empör dich, weil das Tageslicht erstirbt!
Geh nicht in Frieden in die gute Nacht! ***
Do not go gentle into that good night,
Old age should burn and rave at close of day;
Rage, rage against the dying of the light.
Though wise men at their end know dark is right,
Because their words had forked no lightning they
Do not go gentle into that good night.
Good men, the last wave by, crying how bright
Their frail deeds might have danced in a green bay,
Rage, rage against the dying of the light.
Wild men who caught and sang the sun in flight,
And learn, too late, they grieved it on its way,
Do not go gentle into that good night.
Grave men, near death, who see with blinding sight
Blind eyes could blaze like meteors and be gay,
Rage, rage against the dying of the light.
And you, my father, there on the sad height,
Curse, bless me now with your fierce tears,
I pray. Do not go gentle into that good night.
Rage, rage against the dying of the light.
Dylan Thomas: „Windabgeworfenes Licht“. Gedichte. Englisch und Deutsch. S. Fischer Taschenbuchverlag. Frankfurt am Main 1995. 416 S., br., 12,95 €.
Übersetzung ins Deutsche von Ruth Klüger
Zum 250. Geburtstag Friedrich Hölderlins
DIE EICHBÄUME
Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges!
Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,
pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen.
Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen
in der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
der euch nährt und erzog und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,
und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,
untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken
ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels lebt ihr,
jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.
Könnt ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.
Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,
das von Liebe nicht lässt, wie gern würd ich unter euch wohnen.
Das lyrische Ich befindet sich in der „freien“ Natur, wandert aus den Bereichen der von Menschen kultivierten Natur („Gärten“) in die unberührte, sich selbst überlassene Natur. Die Betrachtung/Begegnung mit den Eichen löst in ihm eine Reflexion seiner eigenen Lebensproblematik/Lebenssituation aus und führt ihn zu der - schmerzlichen Erkenntnis seiner Abhängigkeit von der Gesellschaft, weil er durch „Liebe“ darin gebunden ist.
(Interpretation lt. Wikipedia)
Gestern sah ich auf SWR eine Dokumentation über Hölderlin. Ich war erschüttert! Wie musste dieses damals verkannte Genie an der Welt leiden und endete als völlig gebrochener Mensch. Es gibt schon bewegende Schicksale.
Mit Vergnügen genieße ich die Serien von Lutz Görner, m.E. einer der besten Rezitatoren. Hier stellt er Hermann Hesse vor, einen Dichter der bei Jung und Alt beliebt war und noch immer ist. Insbesondere war er seinerzeit bei den 68er ein Vorbild für eine freie Lebensart. Seine Werke sind so tiefgründig und für jede Generation geschaffen.
Aufgrund des bestehenden Urheberrechts ist es leider nicht möglich seine Gedichte öffentlich einzustellen, doch man kann auf YouTube ausweichen und entsprechende Videos auch in Foren einsetzen.
In diesem Jahr wird des 250. Geburtstags Friedrich Hölderlins gedacht
Menschenbeifall
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
da ich stolzer und wilder, wortereicher und leerer war?
Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
an das Göttliche glauben die allein, die es selber sind.
(Fr. Hölderlin)
Biografisches
Nach seinem Studium war Hölderlin als Hauslehrer bei den Bankiers Gontard in Frankfurt angestellt, er war für die Erziehung des Sohnes zuständig. Er hatte ein gutes Einkommen und durfte auch an den Geselligkeiten teilnehmen. Im Laufe seiner Lehrtätigkeit verliebten sich die Gattin des Bankiers (Suzette) und Hölderlin ineinander, es entstand eine tiefe seelische Verbundenheit. In dieser Zeit schrieb Hölderlin seinen Hyperion und verewigte in Diotima seine Suzette.
Nachdem Suzettes Ehemann von dieser Verbindung erfuhr musste Hölderlin das Haus verlassen. Im Jahr 1802 starb Suzette Gontard an einer Infektion (Röteln), die sie sich bei der Pflege ihrer Kinder zugezogen hatte. Zu der Zeit weilte Hölderlin in Bordeaux wo er als Hauslehrer tätig war. Als Hölderlin vom Tod Suzettes erfuhr brach er das Arbeitsverhältnis in Bordeaux ab. Seitdem verschlechterte sich seine psychische Verfassung immer mehr, so dass er psychiatrisch betreut werden musste. Die letzten 30 Jahre seines Lebens verbrachte er im bekannt gewordenen „Tübinger Turm“.