Literatur Schöne Lyrik
Eduard Mörike: Romanze vom Feuerreiter (Ballade v. 1824):
(Vom mir so benannt:) Ein Feuerreiter (Pferd):
Bentley (acht Jahre alt). Mini-Shetty-Hengst, lebt in Traventahl. Fotografiert v. Wiebke Haas. IIn: DIE ZEIT v. 18.07.2019)
Auch hier wird, in der Mörike-Gesellschaft, die Fassung mit den vier Strophen von 1824 mit der fünstrophigen Fassung von 1841 gleichgesetzt:
Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter
Seht ihr am Fensterlein
Dort die rote Mütze wieder?
Muß nicht ganz geheuer seyn,
Denn er geht schon auf und nieder!
Und was für ein toll Gewühle
Plötzlich auf den Gassen schwillt!
Horch! das Jammerglöcklein grillt
Hinterm Berg, hinterm Berg
Brennts in einer Mühle!
Schaut! Dort sprengt er wüthend schier,
Durch das Thor, der Feuerreiter!
Auf dem rippendürren Thier
Als auf einer Feuerleiter.
Durch den Qualm und durch die Schwüle
Rennt er schon wie Windesbraut.
Aus der Stadt, da ruft es laut
Hinterm Berg, hinterm Berg
Brennts in einer Mühle!
Keine Stunde hielt es an
Bis die Mühle borst in Trümmer.
Und den wilden Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Darauf stiller das Gewühle
Kehret wiederum nach Haus.
Auch das Glöcklein klinget aus:
Hinterm Berg, hinterm Berg
Brennts -!
Nach der Zeit ein Müller fand
Ein Gerippe samt der Mützen
Ruhig an der Kellerwand
Auf der beinern Mähre sitzen;
Feuerreiter! wie so kühle
Reitest du in deinem Grab! -
Husch! da fällts wie Asche ab.
Ruhe wohl, ruhe wohl
Drunten in der Mühle!
*
(Aus Mörirkes "Grünen Heft", als Geschenk für seine Schwägerin. 1828. S. 22ff. - Vom Mörike in einem Brief von 1824 bekundet.)
*
Seht ihr am Fensterlein
Dort die rote Mütze wieder?
Muß nicht ganz geheuer seyn,
Denn er geht schon auf und nieder!
Und was für ein toll Gewühle
Plötzlich auf den Gassen schwillt!
Horch! das Jammerglöcklein grillt
Hinterm Berg, hinterm Berg
Brennts in einer Mühle!
Schaut! Dort sprengt er wüthend schier,
Durch das Thor, der Feuerreiter!
Auf dem rippendürren Thier
Als auf einer Feuerleiter.
Durch den Qualm und durch die Schwüle
Rennt er schon wie Windesbraut.
Aus der Stadt, da ruft es laut
Hinterm Berg, hinterm Berg
Brennts in einer Mühle!
Keine Stunde hielt es an
Bis die Mühle borst in Trümmer.
Und den wilden Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Darauf stiller das Gewühle
Kehret wiederum nach Haus.
Auch das Glöcklein klinget aus:
Hinterm Berg, hinterm Berg
Brennts -!
Nach der Zeit ein Müller fand
Ein Gerippe samt der Mützen
Ruhig an der Kellerwand
Auf der beinern Mähre sitzen;
Feuerreiter! wie so kühle
Reitest du in deinem Grab! -
Husch! da fällts wie Asche ab.
Ruhe wohl, ruhe wohl
Drunten in der Mühle!
*
(Aus Mörirkes "Grünen Heft", als Geschenk für seine Schwägerin. 1828. S. 22ff. - Vom Mörike in einem Brief von 1824 bekundet.)
*
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen:
Dann könnte ich in einem tausendfachen Gedanken
bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.
Rainer Maria Rilke
(kostenloses Bild Pixabay)
Trost in Tränen – J. W. v. Goethe
Wie kommt’s, daß du so traurig bist,
da alles froh erscheint?
Man sieht dir’s an den Augen an,
gewiß, du hast geweint.
Und hab ich einsam auch geweint,
so ist’s mein eigner Schmerz,
und Tränen fließen gar so süß,
erleichtern mir das Herz.
Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht,
was mich, den Armen, quält.
Ach nein, verloren hab’ ich’s nicht,
so sehr es mir auch fehlt.
Ach nein, erwerben kann ich’s nicht,
es steht mir gar zu fern.
Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
wie droben jener Stern.
Die Sterne, die begehrt man nicht,
man freut sich ihrer Pracht,
und mit Entzücken blickt man auf
in jeder heitern Nacht.
Weil Goethe Anna Amalia nicht ehelichen konnte, sie aber auch nicht verloren hatte, versetzte er sie als Stern an den Himmel. Die zehn Jahre der innigen Liebesbeziehung sind längst vorbei, Entsagung ist der neue Wegweiser geworden.
Trost in Tränen – J. W. v. Goethe
Wie kommt’s, daß du so traurig bist,
da alles froh erscheint?
Man sieht dir’s an den Augen an,
gewiß, du hast geweint.
Und hab ich einsam auch geweint,
so ist’s mein eigner Schmerz,
und Tränen fließen gar so süß,
erleichtern mir das Herz.
Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht,
was mich, den Armen, quält.
Ach nein, verloren hab’ ich’s nicht,
so sehr es mir auch fehlt.
Ach nein, erwerben kann ich’s nicht,
es steht mir gar zu fern.
Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
wie droben jener Stern.
Die Sterne, die begehrt man nicht,
man freut sich ihrer Pracht,
und mit Entzücken blickt man auf
in jeder heitern Nacht.
Weil Goethe Anna Amalia nicht ehelichen konnte, sie aber auch nicht verloren hatte, versetzte er sie als Stern an den Himmel. Die zehn Jahre der innigen Liebesbeziehung sind längst vorbei, Entsagung ist der neue Wegweiser geworden.
(eigenes Foto - Sommerflieder)
Sonnenaufgang
Marie Ihering (1852 - 1920), deutsche Dichterin
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen! –
Von dem Himmel träumt die Welt;
Blümlein vor dem Herrn sich neigen,
Engel geh'n durch Wald und Feld.
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen!
Friedensgruß aus lichten Höh'n!
Betend muß mein Herz sich beugen
vor der Gottheit leisem Weh'n.
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen! –
Keine Spur vom Kampf der Welt!
Duft'ge Purpurwölkchen steigen
schimmern auf dem Himmelszelt.
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen! –
Bald ein Jubel nah' und fern!
Wenn die Gluten flammend steigen,
jauchzt die Schöpfung: "Preis dem Herrn!" –
Leider sind Gedichte von dieser Dichterin in Vergessenheit geraten und kaum bekannt. Dieses fand ich zufällig im Internet. Zudem ist bei Wiki noch dieses Gedicht zu lesen.
https://nddg.de/dichter/2104-Marie+Ihering.html
Sonnenaufgang
Marie Ihering (1852 - 1920), deutsche Dichterin
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen! –
Von dem Himmel träumt die Welt;
Blümlein vor dem Herrn sich neigen,
Engel geh'n durch Wald und Feld.
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen!
Friedensgruß aus lichten Höh'n!
Betend muß mein Herz sich beugen
vor der Gottheit leisem Weh'n.
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen! –
Keine Spur vom Kampf der Welt!
Duft'ge Purpurwölkchen steigen
schimmern auf dem Himmelszelt.
Heil'ge Andacht, tiefes Schweigen! –
Bald ein Jubel nah' und fern!
Wenn die Gluten flammend steigen,
jauchzt die Schöpfung: "Preis dem Herrn!" –
Leider sind Gedichte von dieser Dichterin in Vergessenheit geraten und kaum bekannt. Dieses fand ich zufällig im Internet. Zudem ist bei Wiki noch dieses Gedicht zu lesen.
https://nddg.de/dichter/2104-Marie+Ihering.html
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Lob der Faulheit
Faulheit jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied singen.
O - wie - sau - er - wird es mir, -
Dich - nach Würden - zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut, wer Dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben -
Ach! - ich - gähn - ich - werde matt -
Nun so - magst du - mir's vergeben,
Dass ich dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.
Gotthold Ephraim Lessing
22. 1. 1729 - 15. 2. 1781
Clematis
Nach getaner Arbeit tut es richtig gut auch einmal "faul" sein zu dürfen. Kluger Lessing!
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Foto: Pixabay
Arm Kräutchen
Ein Sauerampfer auf dem Damm
stand zwischen Bahngeleisen,
machte vor jedem D-Zug stramm,
sah viele Menschen reisen.
Und stand verstaubt und schluckte Qualm,
schwindsüchtig und verloren,
ein armes Kraut, ein schwacher Halm,
mit Augen, Herz und Ohren.
Sah Züge schwinden, Züge nahen.
Der arme Sauerampfer
sah Eisenbahn um Eisenbahn,
sah niemals einen Dampfer.
Joachim Ringelnatz
7. 8. 1882 - 17. 11. 1934
Foto: Pixabay
Clematis
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Foto: Pixabay
Das Ährenfeld
Ein Leben wars im Ährenfeld
Wie sonst wohl nirgends auf der Welt.
Musik und Kirmes weit und breit
Und lauter Lust und Fröhlichkeit.
Die Grillen zirpten früh am Tag
Und luden ein zum Zechgelag.
Hier ist es gut, herein, herein!
Hier schenkt man Tau und Blütenwein.
Der Käfer kam mit seiner Frau,
Trank hier ein Mäßlein kühlen Tau,
Und wo nur winkt ein Blümelein,
Da kehrte gleich das Bienchen ein.
Den Fliegen ward die Zeit nicht lang,
Sie summten manchen frohen Sang.
Die Mücken tanzen ihren Reihn
Wohl auf und ab im Sonnenschein.
Das war ein Leben ringsumher,
Als ob es ewig Kirmes wär.
Die Gäste zogen aus und ein.
Und ließen sich`s gar wohl dort sein.
Wie aber geht es in der Welt?
Heut ist gemäht das Ährenfeld,
Zerstöret ist das schöne Haus,
Und hin ist Kirmes, Tanz und Schmaus.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1798 - 1874)
Clematis
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Foto: Pixabay
Abendlied
Der Mond ist aufgegangen
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold!
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen? -
er ist nur halb zu sehen,
und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
sind eitel arme Sünder,
und wissen gar nicht viel;
wir spinnen Luftgespinste,
und suchen viele Künste,
und kommen weiter von dem Ziel.
Gott, lass uns dein Heil schauen,
auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun!
Lass uns einfältig werden,
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein!
Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
lass uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!
So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
und lass uns ruhig schlafen!
und unsern kranken Nachbar auch!
Matthias Claudius
15. 8. 1740 - 21. 1. 1815
Die Engel
Sie haben alle müde Münde
und helle Seelen ohne Saum.
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)
geht ihnen manchmal durch den Traum.
Fast gleichen sie einander alle;
in Gottes Gärten schweigen sie,
wie viele, viele Intervalle
in seiner Macht und Melodie.
Nur wenn sie ihre Flügel breiten,
sind sie die Wecker eines Winds:
als ginge Gott mit seinen weiten
Bildhauerhänden durch die Seiten
im dunklen Buch des Anbeginns.
Rainer Maria Rilke