Literatur Schöne Lyrik
"Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manches mal
in langer Nacht mit harten Klopfen störe.
So ist’s, weil ich dich atmen höre
und weiß: du bist allein im Saal.
Und wenn du etwas brauchst, ist keiner da
um deinem Tasten einen Trank zu reichen:
Ich horche immer: „Gib ein kleines Zeichen“.
„Ich bin ganz nah".
Nur eine schmale Wand ist zwischen uns,
durch Zufall; denn es könnte sein:
ein Rufen deines oder meines Munds
und sie bricht ein
ganz ohne Lärm und Laut."
R.M. Rilke
...Glück ist flüchtig, kaum zu fassen.
Es tut gut, sich sein zu lassen...
aus einem Songtext von Konstantin Wecker:
Schlendern
Allegra
Es tut gut, sich sein zu lassen...
aus einem Songtext von Konstantin Wecker:
Schlendern
Allegra
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Linde bei der Cyriakuskirche in Bönnigheim
Der Lindenbaum
Am Brunnen vor dem Tore
da steht ein Lindenbaum;
ich träumt in seinem Schatten
so manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
so manches liebe Wort;
es zog in Freud und Leide
zu ihm mich immer fort.
Ich musst auch heute wandern
vorbei in tiefer Nacht,
da hab ich noch im Dunkel
die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten,
als riefen sie mir zu:
komm her zu mir, Geselle,
hier findst du deine Ruh!
Die kalten Winde bliesen
mir grad ins Angesicht
der Hut flog mir vom Kopfe,
ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde
entfernt von jenem Ort,
und immer hör ich's rauschen:
du fändest Ruhe dort!
Wilhelm Müller
(1794-1827)
Der Lindenbaum
Am Brunnen vor dem Tore
da steht ein Lindenbaum;
ich träumt in seinem Schatten
so manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
so manches liebe Wort;
es zog in Freud und Leide
zu ihm mich immer fort.
Ich musst auch heute wandern
vorbei in tiefer Nacht,
da hab ich noch im Dunkel
die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten,
als riefen sie mir zu:
komm her zu mir, Geselle,
hier findst du deine Ruh!
Die kalten Winde bliesen
mir grad ins Angesicht
der Hut flog mir vom Kopfe,
ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde
entfernt von jenem Ort,
und immer hör ich's rauschen:
du fändest Ruhe dort!
Wilhelm Müller
(1794-1827)
Apage, Josephine, apage -!
Kurt Tucholsky (1890 - 1935, Freitod), Pseudonyme Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger, I
In Wien zuckte neulich die Baker mit ihrem Popo,
denn es zieren die Kugeln ihrer Brüste manch schönes Revue-Tableau.
Auch tanzt sie bald auf dem rechten, bald auf dem linken Bein –
und schielen kann sie, daß das Weiße nur so erglänzt in ihren Äugelein.
Dies haben die Zentrums-Schwarzen, die jungen und die alten,
leider für eine Anspielung auf ihre Kirche gehalten.
Auch fühlten sie sich bedroht in ihrer Sittlichkeit,
und sie ließen die Glocken läuten, ganz wie in schwerer Zeit.
Drei Sühnegottesdienste stiegen auf zum österreichischen Himmel,
und die Bußglocke gefiel sich in einem moralischen Gebimmel.
Denn:
Wenn eine Tänzerin gut gewachsen ist
und einen Venus-Körper hat, der nicht aus Sachsen ist;
und wenn sie tanzt, daß nur der Rhythmus so knackt,
und wenn sie ein ganzes Theater bei allen Sinnen packt;
und wenn das Leben bunt ist hierzulande –:
das ist eine Schande.
Wenn aber Christus, der gesagt hat: »Du sollst nicht töten!«,
an seinem Kreuz sehen muß, wie sich die Felder blutig röten;
wenn die Pfaffen Kanonen und Flugzeuge segnen
und in den Feldgottesdiensten beten, daß es Blut möge regnen;
und wenn die Vertreter Gottes auf Erden
Soldaten-Hämmel treiben, auf daß sie geschlachtet werden;
und wenn die Glocken läuten: »Mord!« und die Choräle hallen:
»Mord! Ihr sollt eure Feinde niederknallen!«
Und wenn jemand so verrät den Gottessohn –:
Das ist keine Schande.
Das ist Religion.
Gieb deinem Herzen ein Zeichen,
dass die Winde sich drehn.
Hoffnung ist ohne gleichen
wenn sie die Göttlichen sehn.
Richte dich auf und verharre
still in dem großen Bezug;
leise löst sich das Starre,
milde schwindet der Bug.
Risse entstehn im Verhängnis
das du lange bewohnt,
und in das dichte Gefängnis
flößt sich ein fühlender Mond.
Rainer Maria Rilke
Gib natürlich ohne e . Ich habe den Text aus einem Rilke-Forum kopiert und nicht auf die Rechtschreibung geachtet, weil ich davon ausgegangen bin, dass dort richtig geschrieben wird. Da kann man mal sehen . Danke liebe @Clematis fürs chen.
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Gib natürlich ohne e . Ich habe den Text aus einem Rilke-Forum kopiert und nicht auf die Rechtschreibung geachtet, weil ich davon ausgegangen bin, dass dort richtig geschrieben wird. Da kann man mal sehen . Danke liebe @Clematis fürs chen.Das ist in Ordnung, Rilke schrieb gib immer mit ie!
Es wird sprachlich ja auch gedehnt.
Grüssle
Ingeborg
Schicksal
(Fred Endrikat 1890-1942)
Soviel Dinge gehn im Leben
auf dich zu, noch mehr daneben.
Mensch, dein Weg ist dir bestimmt.
Nimm das Schicksal, wie es kimmt.
Jeder muß sein Päcklein tragen,
teils mit Wohl-, teils Unbehagen.
Schau nach vorn, dort gehen sie:
Hans im Glück und Pechmarie.
Etwas Sonne, sehr viel Regen,
Freude folgt den Nackenschlägen,
oder manchmal umgedreht,
wie es so im Leben geht.
Wieviel Blüten an dem Baume
werden nie zur reifen Pflaume.
Wieviel Pulver, wieviel Blei
schießt der Feind an dir vorbei.
Weine nicht um das Verpaßte.
Denke: Was du hast, das haste.
Kriegst du nicht, was du gewollt,
hat es wohl nicht sein gesollt.
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Sommerfrische
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
mit einem grünen Reis.
Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser,
weil's wohltut, weil's frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.
Und lass deine Melodien lenken
von dem freigegebenen Wolkenzupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.
Joachim Ringelnatz
1883-1934
Clematis
Liebe Ingeborg,
das sind ja wohlwollende Ratschläge, die der Entspannung dienen.
"Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser" - diese Vorstellung ist einfach verlockend. Das wäre Erholung Pur für die Seele. Vielleicht kann ich diesen Ratschlag demnächst in Kärnten umsetzen, am 30.08. geht es für einige Tage dorthin zu meiner Tochter.
Ein toller Schnappschuß ist Dir mit der Heuschrecke gelungen! Chapeau!
Es grüßt Dich herzlich Helga