Literatur Schöne Lyrik
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Liebe Srona,
ich hab nachgeschaut:
jetzt sieht der Eintrag von Rosi anders aus.
Bei meinem Bericht war das ganze Gedicht von Eugen Roth.
Ich vermute, dass Karl es verändert hat, wie es jetzt ist.
Übrigens: ich wüsste gar nicht, wie das geht, so mit dem Hinweis auf die Quelle usw.
Danke für das Himmelfahrtsgedicht.
Einen frohen Tag
Clematis
lach, ich hab nochmal nachgeschaut,
ja, Karl hat es berichtigt.
Clematis
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Das Liedlein vom Kirschbaum
(alemannisch)
Der lieb Gott het zuem Früehlig gseit:
"Gang, deck im Würmli au si Tisch!"
Druf het der Chries-Baum Blätter treit,
vil tausig Blätter grün und frisch.
Und's Würmli us em Ei verwacht's,
's het gschlofen in si'm Winterhuus.
Es streckt si, und sperrt 's Müüli uf,
und ribt die blöden Augen us.
Und druf se hets mit stillem Zahn
am Blättli g'nagt enander no
und gseit: "Wie isch das Gmües so gut!
Me chunnt schier nimme weg dervo."
Und wieder het der lieb Gott gseit:
"Deck jez im Immli au si Tisch."
Druf het der Chriesbaum Blüethe treit,
viel tausig Blüethe wiiß und frisch.
Und 's Immli siehts und fliegt druf los,
früeih in der Sunne Morge-Schin.
Es denkt: "Das wird mi Caffe sy,
si hen doch chosper Porzelin.
Wie sufer sin die Chächeli gschwenkt!"
Es streckt si troche Züngli dri.
Es trinkt und seit: "Wie schmeckts so süeß,
do mueß der Zucker wohlfel sy."
Der lieb Gott het zuem Summer gseit:
"Gang, deck im Spätzli au si Tisch!"
Druf het der Chriesbaum Früchte treit,
viel tausig Chriesi rot und frisch.
Und 's Spätzli seit: "Isch das der B'richt?
Do sitzt me zu, und frogt nit lang.
Das git mer Chraft in Mark und Bei',
und stärkt mer d'Stimm zum neue Gsang."
Der lieb Gott het zum Spötlig gseit:
"Ruum ab, sie hen jez alli g'ha!"
Druf het e chüele Bergluft gweiht,
und 's het scho chleini Rife g'ha.
Und d'Blättli werde gel und roth
und fallen eis im andere no,
und was vom Bode obsi chunnt,
muß au zum Bode nidsi go.
Der lieb Gott het zum Winter gsait:
"Deck weidli zu, was übrig ist."
Druf het der Winter Flocke gstreut -
viil tausig Flocke, wyß und frisch.
Johann Peter Hebel
10. 5. 1760 - 22. 9. 1826
Clematis
Liebe Srona,Liebe Clematis,
ich hab nachgeschaut:
jetzt sieht der Eintrag von Rosi anders aus.
Bei meinem Bericht war das ganze Gedicht von Eugen Roth.
Ich vermute, dass Karl es verändert hat, wie es jetzt ist.
Übrigens: ich wüsste gar nicht, wie das geht, so mit dem Hinweis auf die Quelle usw.
Danke für das Himmelfahrtsgedicht.
Einen frohen Tag
Clematis
lach, ich hab nochmal nachgeschaut,
ja, Karl hat es berichtigt.
Clematis
das ist doch gar nicht so schwer. Wenn Du eine Internetseite aufrufst erscheint oben in der Menueleiste der entsprechende Link. Diesen kopieren und hier wie gewohnt einfügen. Das ist die ganze Kunst.
Grüßlis Sirona
Au weia, die Sprache verstehe ich nicht. Ist schwäbischer Dialekt?
Das Liedlein vom Kirschbaum
(alemannisch)
Der lieb Gott het zuem Früehlig gseit:
"Gang, deck im Würmli au si Tisch!"
Druf het der Chries-Baum Blätter treit,
vil tausig Blätter grün und frisch.
Und's Würmli us em Ei verwacht's,
's het gschlofen in si'm Winterhuus.
Es streckt si, und sperrt 's Müüli uf,
und ribt die blöden Augen us.
Und druf se hets mit stillem Zahn
am Blättli g'nagt enander no
und gseit: "Wie isch das Gmües so gut!
Me chunnt schier nimme weg dervo."
Und wieder het der lieb Gott gseit:
"Deck jez im Immli au si Tisch."
Druf het der Chriesbaum Blüethe treit,
viel tausig Blüethe wiiß und frisch.
Und 's Immli siehts und fliegt druf los,
früeih in der Sunne Morge-Schin.
Es denkt: "Das wird mi Caffe sy,
si hen doch chosper Porzelin.
Wie sufer sin die Chächeli gschwenkt!"
Es streckt si troche Züngli dri.
Es trinkt und seit: "Wie schmeckts so süeß,
do mueß der Zucker wohlfel sy."
Der lieb Gott het zuem Summer gseit:
"Gang, deck im Spätzli au si Tisch!"
Druf het der Chriesbaum Früchte treit,
viel tausig Chriesi rot und frisch.
Und 's Spätzli seit: "Isch das der B'richt?
Do sitzt me zu, und frogt nit lang.
Das git mer Chraft in Mark und Bei',
und stärkt mer d'Stimm zum neue Gsang."
Der lieb Gott het zum Spötlig gseit:
"Ruum ab, sie hen jez alli g'ha!"
Druf het e chüele Bergluft gweiht,
und 's het scho chleini Rife g'ha.
Und d'Blättli werde gel und roth
und fallen eis im andere no,
und was vom Bode obsi chunnt,
muß au zum Bode nidsi go.
Der lieb Gott het zum Winter gsait:
"Deck weidli zu, was übrig ist."
Druf het der Winter Flocke gstreut -
viil tausig Flocke, wyß und frisch.
Johann Peter Hebel
10. 5. 1760 - 22. 9. 1826
Clematis
Ein wunderschönes Bild, die Kirschen sehen zum Anbeißen aus.
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Au weia, die Sprache verstehe ich nicht. Ist schwäbischer Dialekt?
Das Liedlein vom Kirschbaum
(alemannisch)
Der lieb Gott het zuem Früehlig gseit:
"Gang, deck im Würmli au si Tisch!"
Druf het der Chries-Baum Blätter treit,
vil tausig Blätter grün und frisch.
Und's Würmli us em Ei verwacht's,
's het gschlofen in si'm Winterhuus.
Es streckt si, und sperrt 's Müüli uf,
und ribt die blöden Augen us.
Und druf se hets mit stillem Zahn
am Blättli g'nagt enander no
und gseit: "Wie isch das Gmües so gut!
Me chunnt schier nimme weg dervo."
Und wieder het der lieb Gott gseit:
"Deck jez im Immli au si Tisch."
Druf het der Chriesbaum Blüethe treit,
viel tausig Blüethe wiiß und frisch.
Und 's Immli siehts und fliegt druf los,
früeih in der Sunne Morge-Schin.
Es denkt: "Das wird mi Caffe sy,
si hen doch chosper Porzelin.
Wie sufer sin die Chächeli gschwenkt!"
Es streckt si troche Züngli dri.
Es trinkt und seit: "Wie schmeckts so süeß,
do mueß der Zucker wohlfel sy."
Der lieb Gott het zuem Summer gseit:
"Gang, deck im Spätzli au si Tisch!"
Druf het der Chriesbaum Früchte treit,
viel tausig Chriesi rot und frisch.
Und 's Spätzli seit: "Isch das der B'richt?
Do sitzt me zu, und frogt nit lang.
Das git mer Chraft in Mark und Bei',
und stärkt mer d'Stimm zum neue Gsang."
Der lieb Gott het zum Spötlig gseit:
"Ruum ab, sie hen jez alli g'ha!"
Druf het e chüele Bergluft gweiht,
und 's het scho chleini Rife g'ha.
Und d'Blättli werde gel und roth
und fallen eis im andere no,
und was vom Bode obsi chunnt,
muß au zum Bode nidsi go.
Der lieb Gott het zum Winter gsait:
"Deck weidli zu, was übrig ist."
Druf het der Winter Flocke gstreut -
viil tausig Flocke, wyß und frisch.
Johann Peter Hebel
10. 5. 1760 - 22. 9. 1826
Clematis
Ein wunderschönes Bild, die Kirschen sehen zum Anbeißen aus.
Das Lied vom Kirschbaum
Zum Frühling sagt der liebe Gott-
»Geh, deck dem Wurm auch seinen Tisch!«
Gleich treibt der Kirschbaum Laub um Laub,
vieltausend Blätter, grün und frisch.
Das Würmchen ist im Ei erwacht,
es schlief in seinem Winterhaus;
es streckt sich, sperrt sein Mäulchen auf
und reibt die blöden Augen aus.
Und darauf hat's mit stillem Zahn
an seinen Blätterchen genagt;
es sagt: »Man kann nicht weg davon!
Was solch Gemüs' mir doch behagt!« –
Und wieder sagt der liebe Gott:
»Deck jetzt dem Bienchen seinen Tisch!«
Da treibt der Kirschbaum Blüt' an Blüt',
vieltausend Blüten, weiß und frisch.
Und's Bienchen sieht es in der Früh
im Morgenschein und fliegt heran
und denkt: Das wird mein Kaffee sein;
was ist das kostbar Porzellan!
Wie sind die Tässchen rein gespült!»
Es steckt sein Züngelchen hinein,
es trinkt und sagt: Wie schmeckt das süß!
Da muss der Zucker wohlfeil sein!«
Zum Sommer sagt der liebe Gott:
»Geh, deck dem Spatzen seinen Tisch!«
Da treibt der Kirschbaum Frucht an Frucht,
vieltausend Kirschen, rot und frisch.
Und Spätzchen sagt: »Ist's so gemeint?
ich setz' mich hin, ich hab' App'tit,
das gibt mir Kraft in Mark und Bein,
stärkt mir die Stimm' zu neuem Lied.«
Da sagt zum Herbst der liebe Gott:
»Räum fort, sie haben abgespeist!«
Drauf hat die Bergluft kühl geweht,
und 's hat ein bissel Reif geeist.
Die Blätter werden gelb und rot,
eins nach dem andern fällt schon ab,
und was vom Boden stieg herauf,
zum Boden muss es auch hinab.
Zum Winter sagt der liebe Gott:
»Jetzt deck, was übrig ist, mir zu!«
Da streut der Winter Flocken drauf;
nun danket Gott und geht zur Ruh'.
Ja, jetzt habe ich die Verse verstanden. Danke für die Übersetzung liebe Clematis.
Ein ganz süßes Gedicht, in dem die Jahreszeiten aus dem Blickwinkel vom Werden und Vergehen erklärt werden.
LG Sirona
Abschied von der Hofbibliothek [Heute Nationalbibliothek]
Lebet wohl, ihr guten Musen,
ich verlaß' euch bald,
denn an eurem welken Busen
ists verzweifelt kalt.
Für den Kopf, ich muß es sagen,
sorgtet ihr recht sehr,
doch ich hab auch einen Magen,
und den ließt ihr leer.
"Sieh den Lorbeer! Was lohnt höher?"
Ach, ich hab ihn satt,
scheid' ich nicht, so braucht ich eher
noch ein Feigenblatt;
denn hienieden ist man leider
nur auf Geld erpicht,
Geld verlangt der harte Schneider,
ach, und kein Gedicht. Mit den Göttern nur im Bunde,
fremd im ird'schen Land,
schüttelt Gold ihr aus dem Munde,
Kupfer aus der Hand.
Leder habt ihr an den Bänden,
keines für den Schuh,
Tische g'nug an euren Wänden,
Tischtuch fehlt dazu.
Trotz der Handschrift, die für teuer
euer Schrein uns gibt,
dünkt ein Wechsel mir, beim Geyer!
beß'res Manuskript,
und, am Schluß, statt länger'm Fabeln,
Lieschens Auge brennt
nach ganz andern Inkunabeln,
als Herr Sensel kennt. [damals Bibliotheksdirektor]
Drum lebt wohl, ihr guten Musen,
ihr seid mir zu kalt,
mich zieht an des Lebens Busen
stärkere Gewalt.
Lebet wohl, ihr guten Musen,
ich verlaß' euch bald,
denn an eurem welken Busen
ists verzweifelt kalt.
Für den Kopf, ich muß es sagen,
sorgtet ihr recht sehr,
doch ich hab auch einen Magen,
und den ließt ihr leer.
"Sieh den Lorbeer! Was lohnt höher?"
Ach, ich hab ihn satt,
scheid' ich nicht, so braucht ich eher
noch ein Feigenblatt;
denn hienieden ist man leider
nur auf Geld erpicht,
Geld verlangt der harte Schneider,
ach, und kein Gedicht.
fremd im ird'schen Land,
schüttelt Gold ihr aus dem Munde,
Kupfer aus der Hand.
Leder habt ihr an den Bänden,
keines für den Schuh,
Tische g'nug an euren Wänden,
Tischtuch fehlt dazu.
Trotz der Handschrift, die für teuer
euer Schrein uns gibt,
dünkt ein Wechsel mir, beim Geyer!
beß'res Manuskript,
und, am Schluß, statt länger'm Fabeln,
Lieschens Auge brennt
nach ganz andern Inkunabeln,
als Herr Sensel kennt. [damals Bibliotheksdirektor]
Drum lebt wohl, ihr guten Musen,
ihr seid mir zu kalt,
mich zieht an des Lebens Busen
stärkere Gewalt.
Franz Grillparzer (1791 - 1872)
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ja, jetzt habe ich die Verse verstanden. Danke für die Übersetzung liebe Clematis.Vor allem, liebe Sirona, dass für jegliches Wesen und Leben gesorgt ist. Jedes könnte satt werden, wenn wir nach dem Ursprung schauen. Nur - was der Mensch alles kaputt macht, das wissen wir mittlerweile auch.
Ein ganz süßes Gedicht, in dem die Jahreszeiten aus dem Blickwinkel vom Werden und Vergehen erklärt werden.
LG Sirona
Clematis
Bei diesem Gedicht @qilin fielen mir sofort die Neun Musen ein, die in der Uni Freiburg stehen. Ich finde sie passen sehr gut dazu.
Hier noch ein erläuternder Text - etwas unscharf -, aber man kann ihn gerade so lesen. Bei den Musen habe ich mir bisher immer Gestalten vorgestellt, die hell, heiter und fröhlich wirken. Diese hier geben ein Bild der Trauer ab, wie ich finde.
Gruß
Roxanna
Das Alemannische, liebe @Clematis und liebe @Sirona klingt für mich, nachdem ich hier schon so lange lebe, inzwischen heimatlich.
Hier noch ein erläuternder Text - etwas unscharf -, aber man kann ihn gerade so lesen. Bei den Musen habe ich mir bisher immer Gestalten vorgestellt, die hell, heiter und fröhlich wirken. Diese hier geben ein Bild der Trauer ab, wie ich finde.
Gruß
Roxanna
Das Alemannische, liebe @Clematis und liebe @Sirona klingt für mich, nachdem ich hier schon so lange lebe, inzwischen heimatlich.
Das Ungelöste im Herzen
Man muss Geduld haben
gegen das Ungelöste im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.
Man muss Geduld haben
gegen das Ungelöste im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)