Literatur Religiöse Dichtung
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immergruen
Wenn ich das lese,berührt es mich ganz tief,
und wer Ähnliches erlebt hat, fühlt mit ihr, dieser Mutter, die jede Mutter sein kann, die ein Kind verloren hat.
Anna Achmatowa
Kreuzigung
Die Engel rühmen ihn, den Todesblassen,
der Himmel brannte, als Sein Mund erblich,
als Er zum Vater schrie, der ihn verlassen,
zur Mutter sagte:"Weine nicht um Mich!"
Händeringend klagte Magdalene,
schmerzerstarrt sah man die Jünger stehn.
Doch zur Mutter - schweigend, ohne Träne -
wagte niemand auch nur hinzusehn.
Brecht und seine Intentionen unterstelle ich als hinreichend bekannt.
Das folgende Gedicht hat m.E. einen religiösen Bezug in Form des "Zweifels":
Bert Brecht
Lob des Zweifels
Gelobt sei der Zweifel! Ich rate Euch, begrüsst mir
Heiter und mit Achtung den
Der Euer Wort wie einen schlechten Pfennig prüft!
Ich wollte, Ihr wäret weise und gäbt
Euer Wort nicht allzu zuversichtlich.
Lest die Geschichte und seht
In wilder Flucht die unbesiegbaren Heere.
Allenthalben
Stürzen unzerstörbare Festungen ein und
Wenn die auslaufende Armada unzählbar war
Die zurückkehrenden Schiffe
Waren zählbar.
So stand eines Tages ein Mann auf dem unbesteigbaren Berg
Und ein Schiff erreichte das Ende des
Unendlichen Meeres.
Oh schönes Kopfschütteln
Über der unbestreitbare Wahrheit!
Oh tapfere Kur des Arztes
An dem rettungslos verlorenen Kranken.
Schönster aller Zweifel aber
Wenn die Verzagten, Geschwächten den Kopf heben und
An die Stärke ihrer Unterdrücker
Nicht mehr glauben.
Oh, wie war doch der Lehrsatz mühsam erkämpft!
Was hat es an Opfern gekostet!
Daß dies so ist und nicht etwa so,
Wie schwer war's, zu sehen doch!
Aufatmend schrieb ihn ein Mensch eines Tages in das Merkbuch des Wissens ein.
Lange steht er vielleicht nun da drin und viele Geschlechter
Leben mit ihm und sehen ihn als ewige Weisheit
Und es verachten die Kundigen alle, die ihn nicht wissen.
Und dann mag es geschehen,daß ein Argwohn entsteht , denn neue Erfahrung
Bringt den Satz in Verdacht, der Zweifel erhebt sich.
Und eines anderen Tages streicht ein Mensch im Merkbuch des Wissens
Bedächtig den Satz durch.
Von Kommandos umbrüllt, gemustert
Ob seiner Tauglichkeit, von bärtigen Ärzten inspiziert,
Von strahlenden Wesen mit goldenen Abzeichen ermahnt,
Von feierlichen Pfaffen, die ihm ein von Gott selber verfasstes Buch um die Ohren schlagen
Belehrt
Vor ungeduldigen Schulmeistern steht der Arme und hört
Daß die Welt die beste der Welten ist und daß das Loch
Im Dach seiner Kammer von Gott selber geplant ist.
Wirklich, er hat es schwer
An dieser Welt zu zweifeln.
Schweißtriefend bückt sich der Mann, der das Haus baut, in dem er nicht wohnen soll
Aber es schuftet schweisstriefend auch der Mann der sein eigenes Haus baut.
Da sind die Unbedenklichen, die niemals zweifeln.
Ihre Verdauung ist glänzend, ihr Urteil ist unfehlbar.
Sie glauben nicht den Fakten, sie glauben nur sich, Im Notfall
Müssen die Fakten d'ran glauben. Ihre Geduld mit sich selber
Ist unbegrenzt, auf Argumente
Hören sie mit dem Ohr des Spitzels.
Den Unbedenklichen, die niemals zweifeln
Begegnen die Bedenklichen, die niemals handeln.
Sie zweifeln nicht, um zur Entscheidung zu kommen, sondern
Um den Entscheidungen auszuweichen. Köpfe
Benützen sie nur zum Schütteln. Mit besorgter Miene
Warnen sie die Insassen sinkender Schiffe vor dem Wasser.
Unter der Axt des Mörders
Fragen sie sich, ob er nicht auch ein Mensch ist.
Mit der gemurmelten Bemerkung
Daß die Sache noch nicht durchdacht ist, steigen sie ins Bett.
Ihre Tätigkeit besteht im Schwanken
Ihr Lieblingswort ist nicht spruchreif.
Freilich, wenn ihr den Zweifel lobt,
so lobt nicht
Das Zweifeln, das ein Verzweifeln ist!
Was hilft Zweifeln können dem
Der sich nicht entschließen kann.
Falsch mag handeln
Wer sich mit zu wenigen Gründen begnügt,
Aber untätig bleibt in der Gefahr
Der zu viele braucht.
Du, der du ein Führer bist, vergiß nicht,
Dass du es bist, weil Du an Führern gezweifelt hast.
So gestatte den Geführten
Zu zweifeln!
--
enigma
Das folgende Gedicht hat m.E. einen religiösen Bezug in Form des "Zweifels":
Bert Brecht
Lob des Zweifels
Gelobt sei der Zweifel! Ich rate Euch, begrüsst mir
Heiter und mit Achtung den
Der Euer Wort wie einen schlechten Pfennig prüft!
Ich wollte, Ihr wäret weise und gäbt
Euer Wort nicht allzu zuversichtlich.
Lest die Geschichte und seht
In wilder Flucht die unbesiegbaren Heere.
Allenthalben
Stürzen unzerstörbare Festungen ein und
Wenn die auslaufende Armada unzählbar war
Die zurückkehrenden Schiffe
Waren zählbar.
So stand eines Tages ein Mann auf dem unbesteigbaren Berg
Und ein Schiff erreichte das Ende des
Unendlichen Meeres.
Oh schönes Kopfschütteln
Über der unbestreitbare Wahrheit!
Oh tapfere Kur des Arztes
An dem rettungslos verlorenen Kranken.
Schönster aller Zweifel aber
Wenn die Verzagten, Geschwächten den Kopf heben und
An die Stärke ihrer Unterdrücker
Nicht mehr glauben.
Oh, wie war doch der Lehrsatz mühsam erkämpft!
Was hat es an Opfern gekostet!
Daß dies so ist und nicht etwa so,
Wie schwer war's, zu sehen doch!
Aufatmend schrieb ihn ein Mensch eines Tages in das Merkbuch des Wissens ein.
Lange steht er vielleicht nun da drin und viele Geschlechter
Leben mit ihm und sehen ihn als ewige Weisheit
Und es verachten die Kundigen alle, die ihn nicht wissen.
Und dann mag es geschehen,daß ein Argwohn entsteht , denn neue Erfahrung
Bringt den Satz in Verdacht, der Zweifel erhebt sich.
Und eines anderen Tages streicht ein Mensch im Merkbuch des Wissens
Bedächtig den Satz durch.
Von Kommandos umbrüllt, gemustert
Ob seiner Tauglichkeit, von bärtigen Ärzten inspiziert,
Von strahlenden Wesen mit goldenen Abzeichen ermahnt,
Von feierlichen Pfaffen, die ihm ein von Gott selber verfasstes Buch um die Ohren schlagen
Belehrt
Vor ungeduldigen Schulmeistern steht der Arme und hört
Daß die Welt die beste der Welten ist und daß das Loch
Im Dach seiner Kammer von Gott selber geplant ist.
Wirklich, er hat es schwer
An dieser Welt zu zweifeln.
Schweißtriefend bückt sich der Mann, der das Haus baut, in dem er nicht wohnen soll
Aber es schuftet schweisstriefend auch der Mann der sein eigenes Haus baut.
Da sind die Unbedenklichen, die niemals zweifeln.
Ihre Verdauung ist glänzend, ihr Urteil ist unfehlbar.
Sie glauben nicht den Fakten, sie glauben nur sich, Im Notfall
Müssen die Fakten d'ran glauben. Ihre Geduld mit sich selber
Ist unbegrenzt, auf Argumente
Hören sie mit dem Ohr des Spitzels.
Den Unbedenklichen, die niemals zweifeln
Begegnen die Bedenklichen, die niemals handeln.
Sie zweifeln nicht, um zur Entscheidung zu kommen, sondern
Um den Entscheidungen auszuweichen. Köpfe
Benützen sie nur zum Schütteln. Mit besorgter Miene
Warnen sie die Insassen sinkender Schiffe vor dem Wasser.
Unter der Axt des Mörders
Fragen sie sich, ob er nicht auch ein Mensch ist.
Mit der gemurmelten Bemerkung
Daß die Sache noch nicht durchdacht ist, steigen sie ins Bett.
Ihre Tätigkeit besteht im Schwanken
Ihr Lieblingswort ist nicht spruchreif.
Freilich, wenn ihr den Zweifel lobt,
so lobt nicht
Das Zweifeln, das ein Verzweifeln ist!
Was hilft Zweifeln können dem
Der sich nicht entschließen kann.
Falsch mag handeln
Wer sich mit zu wenigen Gründen begnügt,
Aber untätig bleibt in der Gefahr
Der zu viele braucht.
Du, der du ein Führer bist, vergiß nicht,
Dass du es bist, weil Du an Führern gezweifelt hast.
So gestatte den Geführten
Zu zweifeln!
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enigma
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immergruen
Ich finde diesen Brecht bissig und kritisch, wie immer.
"dass die Welt die beste seiner Welten ist und dass das Loch
im Dach seiner Kammer
von Gott selber geplant ist.
Wirklich, er hat es schwer,
an dieser Welt zu zweifeln."----
Unbedarft und unbedankleich sind wirklich nur die, die sich bedingungslos dem Dogma beugen und damit zufrieden sind.
Schwierigkeiten in der Praxis
„Da stieg Petrus aus dem Boot ...“
Matthäus 14,30
Für das Glaubensseminar
„Über Wasser wandeln –
Glaube, der trägt“
haben sich einundsiebzig
Teilnehmer gemeldet. –
Fünf Abende, mit
praktischen Übungen,
dem Thema entsprechend,
im Städtischen Schwimmbad.
Leider
muß das Seminar ausfallen.
Nicht wie sonst
mangels Beteiligung –
nein,
es hat sich kein Lehrer
gefunden.
Lothar Zenetti
Mehr über Lothar Zenetti - she. Linktipp!
--
enigma
„Da stieg Petrus aus dem Boot ...“
Matthäus 14,30
Für das Glaubensseminar
„Über Wasser wandeln –
Glaube, der trägt“
haben sich einundsiebzig
Teilnehmer gemeldet. –
Fünf Abende, mit
praktischen Übungen,
dem Thema entsprechend,
im Städtischen Schwimmbad.
Leider
muß das Seminar ausfallen.
Nicht wie sonst
mangels Beteiligung –
nein,
es hat sich kein Lehrer
gefunden.
Lothar Zenetti
Mehr über Lothar Zenetti - she. Linktipp!
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enigma
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immergruen
anne weinhart
Gebet
Herr, ich bitte, hilf mir leben!
Meine Ängste sind so groß,
und die Zweifel aller Tage
lassen mich auch nachts nicht los.
Herr, ich bitte, hilf mit tragen!
Meine Schultern sind so schmal,
und ich komm so mühsam weiter
und die Last wird mir zur Qual.
Herr, ich bitte, hilf mir gehen!
Meine Füße sind so schwer,
und der Weg hat gar kein Ende
und ich seh mein Ziel nicht mehr.
Herr, ich bitte, hilf mir lachen!
Meine Tränen sind so heiß,
und sie sind so schrecklich bitter,
weil ich nicht mehr weiter weiß.
Herr, ich bitte, hilf mir leben!
Ich bin hilflos und allein.
Hätte ich nicht deine Hände,
müßt ich ohne Hoffnung sein.
Dorothee Sölle
Definitionen des Erwachsenseins
Gott fluchen am morgen
ihn loben am abend
Kluge zehen haben
das tanzen anfangen
die finger spitzen
Ein lehrer werden
die leidenschaft für die ungeschickten
genausein für die
die sprachlos gemacht worden sind
genauwerden mit ihnen
Arbeiten so
dass das ergebnis jederzeit im prozess aufscheint
lieben so
dass das ergebnis jederzeit
auch im schmerz
leuchtet
den morgenstern sehen er
bleibt nicht ewig aus
das glück nicht nur vom hörensagen kennen
es anfassen
mit verbrannten händen
--
enigma
Definitionen des Erwachsenseins
Gott fluchen am morgen
ihn loben am abend
Kluge zehen haben
das tanzen anfangen
die finger spitzen
Ein lehrer werden
die leidenschaft für die ungeschickten
genausein für die
die sprachlos gemacht worden sind
genauwerden mit ihnen
Arbeiten so
dass das ergebnis jederzeit im prozess aufscheint
lieben so
dass das ergebnis jederzeit
auch im schmerz
leuchtet
den morgenstern sehen er
bleibt nicht ewig aus
das glück nicht nur vom hörensagen kennen
es anfassen
mit verbrannten händen
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enigma
Blicken wir noch einmal zurück zum religiösen Gedicht -
und lasst uns an die Wurzeln schauen.
Im Beginn war - das Kindergebet :
Ein Blümlein steh' ich im Erdenthal,
mich lockt die Sonne mit warmem Strahl,
mit meinen Blättchen buhlet der Wind,
der Zephyr nennt mich liebliches Kind,
und Tau und Regen erquicken mich;
wohl jung und lustig und schön bin ich,
doch muß ich welken und sterben.
Und wann ich endlich gestorben bin,
so schläft und träumet mein kleiner Sinn
im Winterwiegelein still und fromm;
dann kommt der Frühling und rufet: komm !
Wach Kindlein ! ruft die Sonne dazu,
wach auf vom Schlummer ! vorbei ist die Ruh,
sollst wieder blühen in Freude.
*
... dann - eines Knaben Abendgebet :
Die Welt tut ihre Augen zu,
und alles wird so still,
auch ich bin müde und zur Ruh'
ich nun mich legen will;
ich leg' im stillen Kämmerlein
mich in mein Bettchen warm,
und Engel sollen Wächter sein
vor jedem Trug und Harm.
Du lieber Gott, der uns die Nacht
mit Mond und Sternen schuf,
Der himmlisch uns das Herz gemacht
für himmlischen Beruf,
Der uns den lichten Himmelschein
gesenkt in tiefe Brust,
damit wir sollen selig sein
durch deiner Liebe Lust.
Du lieber Gott, du gehst mit mir
ins stille Kämmerlein
und stellst die Wächter an die Tür,
die Engel fromm und fein;
sie treten leis und sanft daher
und halten treue Hut,
daß diese Nacht und nimmermehr
uns nichts was Leides tut.
Nun habe Dank für jeden Tag
und Dank für jede Freud'.
Ich weiß nicht, was ich beten mag
mit rechter Herzlichkeit !
Du weißt am besten, was ich will,
Du liebster, treuster Hort,
drum bin ich mit den Lippen still,
Gott ist mein einzig Wort.
von Ernst Moritz Arndt, (1769-1860)
Link zum Inhaltsverzeichnis :
http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=76&kapitel=1#
***
... ein inbrünstiges Gebet :
Ich glaube an Alles noch nie Gesagte.
Ich will meine frömmsten Gefühle befrein.
Was noch keiner zu wollen wagte,
wird mir einmal unwillkürlich sein.
Ist das vermessen, mein Gott, vergieb.
Aber ich will dir damit nur sagen:
Meine beste Kraft soll sein wie ein Trieb,
so ohne Zürnen und ohne Zagen;
so haben dich ja die Kinder lieb.
Mit diesem Hinfluten, mit diesem Münden
in breiten Armen ins offene Meer,
mit dieser wachsenden Wiederkehr
will ich dich bekennen, will ich dich verkünden
wie keiner vorher.
von Rainer Maria Rilke (1875-1926)
aus : Das Buch vom Mönchischen Leben, 1899.
***
... eines frommen Menschen Nachtgebet :
O sähst du mich jetzt beten
zu deinen heilig tiefen Augen,
die fragend zu mir flehten
wie nach Liebe;
du schlössest deine tiefen Augen,
daß ich nicht drein vergehe,
wie in Liebe.
O sähst du wie ich bete
zu deiner kinderfrohen Seele,
es schwiege deine Kinderseele,
daß sie nicht untergehe
in meiner Liebe.
von E. H. Hess
von http://www.recmusic.org/lieder/h/hess/
Ob der Mensch seinen Sinn ohne religiöse Dichtung überhaupt finden kann ?
Laut William Blake (1757-1827 - All Religions Are One)
ist der "poetische Genius" das wahre Wesen im Menschen...
--
hydelber
und lasst uns an die Wurzeln schauen.
Im Beginn war - das Kindergebet :
Ein Blümlein steh' ich im Erdenthal,
mich lockt die Sonne mit warmem Strahl,
mit meinen Blättchen buhlet der Wind,
der Zephyr nennt mich liebliches Kind,
und Tau und Regen erquicken mich;
wohl jung und lustig und schön bin ich,
doch muß ich welken und sterben.
Und wann ich endlich gestorben bin,
so schläft und träumet mein kleiner Sinn
im Winterwiegelein still und fromm;
dann kommt der Frühling und rufet: komm !
Wach Kindlein ! ruft die Sonne dazu,
wach auf vom Schlummer ! vorbei ist die Ruh,
sollst wieder blühen in Freude.
*
... dann - eines Knaben Abendgebet :
Die Welt tut ihre Augen zu,
und alles wird so still,
auch ich bin müde und zur Ruh'
ich nun mich legen will;
ich leg' im stillen Kämmerlein
mich in mein Bettchen warm,
und Engel sollen Wächter sein
vor jedem Trug und Harm.
Du lieber Gott, der uns die Nacht
mit Mond und Sternen schuf,
Der himmlisch uns das Herz gemacht
für himmlischen Beruf,
Der uns den lichten Himmelschein
gesenkt in tiefe Brust,
damit wir sollen selig sein
durch deiner Liebe Lust.
Du lieber Gott, du gehst mit mir
ins stille Kämmerlein
und stellst die Wächter an die Tür,
die Engel fromm und fein;
sie treten leis und sanft daher
und halten treue Hut,
daß diese Nacht und nimmermehr
uns nichts was Leides tut.
Nun habe Dank für jeden Tag
und Dank für jede Freud'.
Ich weiß nicht, was ich beten mag
mit rechter Herzlichkeit !
Du weißt am besten, was ich will,
Du liebster, treuster Hort,
drum bin ich mit den Lippen still,
Gott ist mein einzig Wort.
von Ernst Moritz Arndt, (1769-1860)
Link zum Inhaltsverzeichnis :
http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=76&kapitel=1#
***
... ein inbrünstiges Gebet :
Ich glaube an Alles noch nie Gesagte.
Ich will meine frömmsten Gefühle befrein.
Was noch keiner zu wollen wagte,
wird mir einmal unwillkürlich sein.
Ist das vermessen, mein Gott, vergieb.
Aber ich will dir damit nur sagen:
Meine beste Kraft soll sein wie ein Trieb,
so ohne Zürnen und ohne Zagen;
so haben dich ja die Kinder lieb.
Mit diesem Hinfluten, mit diesem Münden
in breiten Armen ins offene Meer,
mit dieser wachsenden Wiederkehr
will ich dich bekennen, will ich dich verkünden
wie keiner vorher.
von Rainer Maria Rilke (1875-1926)
aus : Das Buch vom Mönchischen Leben, 1899.
***
... eines frommen Menschen Nachtgebet :
O sähst du mich jetzt beten
zu deinen heilig tiefen Augen,
die fragend zu mir flehten
wie nach Liebe;
du schlössest deine tiefen Augen,
daß ich nicht drein vergehe,
wie in Liebe.
O sähst du wie ich bete
zu deiner kinderfrohen Seele,
es schwiege deine Kinderseele,
daß sie nicht untergehe
in meiner Liebe.
von E. H. Hess
von http://www.recmusic.org/lieder/h/hess/
Ob der Mensch seinen Sinn ohne religiöse Dichtung überhaupt finden kann ?
Laut William Blake (1757-1827 - All Religions Are One)
ist der "poetische Genius" das wahre Wesen im Menschen...
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hydelber
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immergruen
Es gibt auch Kindergebete, die mit religiöser Dichtung wenig zu tun haben und die Schwere der Thematik etwas auflockern
Joachim Ringelnatz
"Kindergebetchen"
Erstes
Lieber Gott, ich liege
Im Bett. Ich weiß, ich wiege
Seit gestern fünfunddreißig Pfund.
Halte Pa und Ma gesund.
Ich bin ein armes Zwiebelchen,
nimm mir das nicht übelchen.
Zweites
Lieber Gott, recht gute Nacht.
Ich hab schnell noch Pipi gemacht,
Damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.
Nimm meine Worte freundlich hin,
weil ich schon sehr erwachsen bin.
Drittes
Lieber Gott mit Christussohn,
Ach schenk mir doch ein Grammophon.
Ich bin ein ungezognes Kind,
Weil meine Eltern Säufer sind.
Verzeih mir, daß ich gähne,
Beschütze mich in aller Not,
Mach meine Eltern noch nicht tot
Und schenk der Oma Zähne.
Folgendermassen erkannte "Alt-Häuptling-Schreibe-Feder" die Lage :
aus "Himmelsgedanken" - Unsern Dichtern :
Geht nach dem Morgenland; vernehmt die Weisen,
die einst zum Saitenspiele dort erklungen.
Sie sollten Gott, den Einzigen, nur preisen
und wurden doch für Andre auch gesungen.
Die Sänger starben, doch seht ihr die Noten
der Lieder noch, wenn ihr vor Säulen steht,
und mit dem Auge hört ihr noch der Toten
Gesänge, wenn ihr durch die Trümmer geht.
Die Psalter und die Harfen sind zerbrochen,
zu denen Davids Stimme man gehört,
und wo der Herr durch Steine einst gesprochen,
liegt ihre Harmonie, ihr Reim zerstört.
Doch seht ihr wo ein Kapitäl noch ragen,
ein steinern Lied, im zarten Mondesschein,
so dürft ihr im Gedicht es heimwärts tragen
und der Verstorbnen fromme Erben sein.
Geht nach dem Morgenland; vernehmt die Weisen,
die dorten einst in Wort und Werk erklungen.
Sie sollten Gott, den Einzigen, nur preisen
und wurden doch für ihn nicht ausgesungen.
Die Töne hört, die sich aus Trümmern ringen;
vernehmt ihr Klagen, und befreiet sie;
dann wird in Euern Liedern neu erklingen
des Morgenlandes Gottespoesie !
von Karl May, (1842-1912)
Link zu Karl May's Himmelsgedanken :
http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=1782&kapitel=1#
Gottespoesie. Es folgt ein Beispiel eines Zeitgenossen Karl May's.
--
hydelber
Meines Erachtens eine Perle deutscher Gottespoesie :
Die Weisheit.
(Aus den Sprüchen.)
Es tönt der Weisheit Stimme auf den Gassen,
vor allem Volk will sie sich hören lassen:
Wie lang, ihr Toren, wollt ihr Einfalt lieben ?
Zu lang, ihr Spötter, habt ihr Spott getrieben.
Wie lang, ihr Tröpfe, fürchtet ihr das Wissen ?
Lasst euch von mir befrein aus Finsternissen.
Mit mir hat Gott die Schöpfung angefangen,
ich bin zuerst aus ihm hervorgegangen.
Ich ward gebildet vor der Zeit Beginn,
erst nach mir stellte Gott die Erde hin.
Ich ward geboren vor den Wassertiefen,
bevor die flutgefüllten Quellen liefen,
bevor gelegt der Erde Fundament,
bevor sich Hügel noch und Tal getrennt,
bevor aus allen ungezählten Schollen
zum Erdenrunde Land und Feld geschwollen.
Als Gott die Wölbung auf die Flut gestellt
als Himmel, war schon Ich dort ihm gesellt.
Als er verteilt die lichten Wolken droben,
in ihnen für die Quellen Flut erhoben,
als Er das Meer in feste Ränder dämmte
damit es nicht die Länder überschwämmte;
als Er der Erde Unterbau gegründet,
war Ich mit ihm als Künstlerin verbündet.
Denn durch die Weisheit hat der Herr gestaltet
die Erde, und das Himmelszelt entfaltet,
durch Wissen jenes Wasser angestaut
das aus dem Schoss der Wolke niedertaut.
Als Lustkind musst' ich ihm zur Seite bleiben,
vor seinen Augen meine Spiele treiben.
Nun spiel' ich fort in seinem Weltgebäude
und an den Menschen hab' ich meine Freude.
Drum hört mich, Söhne, daß euch Segen folgt,
es erntet Heil wer meinen Wegen folgt.
Der Perlen Schmuck erreicht den meinen nicht,
mein Glanz erbleicht vor Edelsteinen nicht.
Denn meine Rechte führt zum langen Leben,
Gold kann die Link' und Ruhmesprangen geben.
Wer Mich erfasst, der hat die Frucht gepflückt
vom Lebensbaum, weil meine Zucht beglückt,
weil Wonnen meinem Weg beschieden sind
und meine Pfade voll von Frieden sind.
Wilhelm Jordan
Geboren am 8.Feb.1819 Insterburg/Ostpreußen;
starb am 25.Juni 1904 Frankfurt/M.
Inhaltsverzeichnis :
http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=1341&kapitel=1#
Daselbst G.-Poesien zum lesen - die Psalmen 139, 104 und 90.
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hydelber
Die Weisheit.
(Aus den Sprüchen.)
Es tönt der Weisheit Stimme auf den Gassen,
vor allem Volk will sie sich hören lassen:
Wie lang, ihr Toren, wollt ihr Einfalt lieben ?
Zu lang, ihr Spötter, habt ihr Spott getrieben.
Wie lang, ihr Tröpfe, fürchtet ihr das Wissen ?
Lasst euch von mir befrein aus Finsternissen.
Mit mir hat Gott die Schöpfung angefangen,
ich bin zuerst aus ihm hervorgegangen.
Ich ward gebildet vor der Zeit Beginn,
erst nach mir stellte Gott die Erde hin.
Ich ward geboren vor den Wassertiefen,
bevor die flutgefüllten Quellen liefen,
bevor gelegt der Erde Fundament,
bevor sich Hügel noch und Tal getrennt,
bevor aus allen ungezählten Schollen
zum Erdenrunde Land und Feld geschwollen.
Als Gott die Wölbung auf die Flut gestellt
als Himmel, war schon Ich dort ihm gesellt.
Als er verteilt die lichten Wolken droben,
in ihnen für die Quellen Flut erhoben,
als Er das Meer in feste Ränder dämmte
damit es nicht die Länder überschwämmte;
als Er der Erde Unterbau gegründet,
war Ich mit ihm als Künstlerin verbündet.
Denn durch die Weisheit hat der Herr gestaltet
die Erde, und das Himmelszelt entfaltet,
durch Wissen jenes Wasser angestaut
das aus dem Schoss der Wolke niedertaut.
Als Lustkind musst' ich ihm zur Seite bleiben,
vor seinen Augen meine Spiele treiben.
Nun spiel' ich fort in seinem Weltgebäude
und an den Menschen hab' ich meine Freude.
Drum hört mich, Söhne, daß euch Segen folgt,
es erntet Heil wer meinen Wegen folgt.
Der Perlen Schmuck erreicht den meinen nicht,
mein Glanz erbleicht vor Edelsteinen nicht.
Denn meine Rechte führt zum langen Leben,
Gold kann die Link' und Ruhmesprangen geben.
Wer Mich erfasst, der hat die Frucht gepflückt
vom Lebensbaum, weil meine Zucht beglückt,
weil Wonnen meinem Weg beschieden sind
und meine Pfade voll von Frieden sind.
Wilhelm Jordan
Geboren am 8.Feb.1819 Insterburg/Ostpreußen;
starb am 25.Juni 1904 Frankfurt/M.
Inhaltsverzeichnis :
http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=1341&kapitel=1#
Daselbst G.-Poesien zum lesen - die Psalmen 139, 104 und 90.
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hydelber