Forum Kunst und Literatur Literatur Religiöse Dichtung

Literatur Religiöse Dichtung

Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf immergruen vom 14.07.2007, 12:41:04
Sonntags....?

- Vielleicht passt das Gedicht mit seiner Stimmung in ein Ferienerlebnis - oder in ein Gespräch zu einen TV-Beitrag oder Film - oder in die eigene Erinnerung ..:


Detlev von Liliencron:
Dorfkirche im Sommer

Schläfrig singt der Küster vor,
Schläfrig singt auch die Gemeinde.
Auf der Kanzel der Pastor
Betet still für seine Feinde.

Dann die Predigt, wunderbar,
Eine Predigt ohnegleichen.
Die Baronin weint sogar
Im Gestühl, dem wappenreichen.

Amen, Segen, Türen weit,
Orgelton und letzter Psalter.
Durch die Sommerherrlichkeit
Schwirren Schwalben, flattern Falter.

*

D. v. L.; aus: Benno von Wiese: Detlev von Liliencron. Werke, Bd. 1. Insel Verlag, Frankfurt am Main: 1978, S. 35.

--
elfenbein
Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 14.07.2007, 15:34:47
Wagner - ein naturfrommer Dichter, der keine Theorien, keine Kirchen, keine Prediger brauchte, wie der Hirt, der seine Schafe weidet, und sich und sie und uns (als Leser) unterhält, ohne Dogmen, außer dem Glauben an seine Arbeit und den möglichen Frieden: Leben in der natürlichsten Form.


Christian Wagner (1835-1918):
Spätes Erwachen


So wie ein Mensch nach lärmendem Gelag
Noch spät zu Mitternacht nicht schlafen mag
Und seine Ruhe erst findet knapp vor Tag;

Und süß erst schläft beim hellen Morgenschein,
So reichte in die Jugend mir hinein
Versäumter Schlaf von einem vorigen Sein. -

O wüßt ich doch, was mich nicht schlafen ließ!
Ob mich ein Gott vom Bacchanal verstieß?
Ob ich betrunken kam vom Paradies?

--
elfenbein
Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.07.2007, 07:26:23
Zum Werk Christian Wagners:

Der schwäbische Dichter und Bauer Christian Wagner (1835-1918) gehört zu den literarischen Außenseitern der deutschen Literatur, des späten 19. Jahrhunderts.

Seine Lyrik, geprägt von der Naturphilosophie von der Idee der »Schonung alles Lebendigen«, wurde erst ab 1885 publiziert und ist keiner Richtung oder literarischen Schule zuzurechnen, auch ohne ein direktes Vorbild.

Er war Autodidakt, ohne höhere Schulbildung, lebenslang der bäuerlichen Arbeit und dörflichen Umgebung verpflichtet. Er blieb erfogllos zu seiner Zeit.

Wagner schuf sein Werk, das von ethischen und sprachlichen Grundwerten getragen ist.
Seine Lyrik gehört zum Bestand der deutschen Öko-Literatur.
Wenige Dichter haben sie erkannt und gefördert: Gustav Landauer, Bruno Wille, Hermann Hesse, Kurt Tucholsky...

--
elfenbein

Anzeige

immergruen
immergruen
Mitglied

Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von immergruen
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.07.2007, 07:26:23

--
immergruen
Ich hatte von Christian Wagner noch nie gehört und bin von der Art seines Ausdrucks,
darf ich sagen, ergriffen? Danke für den Linktipp. Wo findest Du all die schönen Sachen? Ich bin beim Suchen in den Maschinen des www. nie erfolgreich.
Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf immergruen vom 15.07.2007, 09:13:11
Hallo, immergruen!

Bei dem Wagner-Tipp hatte ich vergessen, wo her ich den Text heute Morgen hatte: von dradio.de

--
elfenbein
Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.07.2007, 23:14:21
Von Christian Wagner habe ich bei gutenberg.spiegel.de zwar keine Gedichte, aber schöne Jugendgeschichten gefunden.



elfenbein

Anzeige

enigma
enigma
Mitglied

Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.07.2007, 23:33:02
Ich habe auch wieder etwas gefunden:

Davids Traum

Wohin, die mich trug und erhellte,
Welle des Lebens, wohin?
Erblinden die Spiegelsteine ringsum
Oder schwindet mir selbst schon der Sinn?
Ob ich die Gesellin mir wecke,
Die Magd aus schlaftrunkenem Wahn?
Schlaf, Abisag – o, daß du wachtest,
Mein Bruder Jonathan!
Lang, lange. Wie, daß sie mich riefen,
Den Jüngsten, den Knaben vom Feld?
Und ein Königsschild hieß mir das Leben,
Eine Harfe – die Welt.
Dann freilich, dann war es ein Anderer,
Der mir zu Hilfe kam,
Und der vor dem Speerwurf des Königs Saul
Gelind mich zur Seite nahm.
Ich war der Gesalbte in Israel,
Der Heilige – war ich nicht.
Meine Jahre Leben, ich schaue sie an,
Und ich sehe ein dunkles Licht.
Ach, und das Feuer, das Feuer,
Das ich fachte, das mir geschah –
Name, weißgleißendes Holzscheit:
Uria und Bathseba.
Vorbei. Vorbei auch der Feldschlacht
Jubel und Ruhm und Pein.
Gedenk ich der Höhen Gilboas,
Gedenk ich, Jonathan, dein.
Die rote Blüte der Aloe,
Fühlt sie den Morgenwind schon?
Bald, durch den Vorhang der Frühe, bald
Tritt ein mein Erbe, mein Sohn.
Vorüber. Aber die Sterne
Am immerwährenden Ort.
Aus den Sternen kommt Sternengeraune,
Aus dem Geraune das Wort,
Verheißung, Isais Lenden,
Meinem, dem Königsstamm –
Ich träume: ein Blachfeld im Dunkeln
Und ein Hirt und ein Licht und ein Lamm.

Albrecht Goes




--
enigma
Medea
Medea
Mitglied

Mechthild von Magdeburg
geschrieben von Medea
als Antwort auf enigma vom 16.07.2007, 07:56:54

Medea
Medea
Mitglied

Mechthild von Magdeburg
geschrieben von Medea
als Antwort auf enigma vom 16.07.2007, 07:56:54
Meine Pein ist tiefer als er Abgrund,
mein Herzeleid ist weiter als die Welt,
Meine Furcht ist größer als die Berge,
Meine Sehnsuht reicht höher als die Sterne.
In diesen Dingen kann ich Dich nirgends finden.



Medea.
Medea
Medea
Mitglied

Angelus Silesius
geschrieben von Medea
als Antwort auf Medea vom 16.07.2007, 08:16:29
Liebe

Liebe, die du mich erkoren,
eh als ich geschaffen war,
Liebe, die du Mensch geboren
und mir gleich wardst ganz und gar.
Liebe, dir ergab ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

Liebe, die für mich gelitten
und gestorben in der Zeit,
Liebe, die mir hat erstritten
ewge Lust und Seligkeit.
Liebe, dir ergeb ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

Liebe, die mich hat gebunden
an ihr Joch mit Leib und Sinn,
Liebe, die mich überwunden
und mein Herze hat dahin,
Liebe, dir ergeb ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

Liebe, die mich ewig liebet,
die für meine Seele bitt,
Liebe, die das Lösgeld gibet
und mich kräftiglich vertritt.
Liebe, dir ergeb ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

Liebe, die mich wird erwecken
aus dem Grab der Sterblichkeit,
Liebe, die mich wird umstecken
mit dem Laub der Herrlichkeit,
Liebe, dir ergeb ich mich,
Dein zu bleiben ewiglich.

Medea.











Anzeige