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Literatur Politische Gedichte

miriam
miriam
Mitglied

Re: Politische Gedichte
geschrieben von miriam
als Antwort auf Milan vom 01.05.2012, 21:15:50
Danke dir Milan, hauptsächlich für das Gedicht von Kurt Tucholsky, der Dichter den ich liebe und verehre.

Wie sagte es Werner Schneyder in seinem Lied?


"Schlafen Sie gut, Herr Tucholsky
Ihr Selbstmord war nicht übereilt -
Ihr Werk hat zehn Bände, ich les sie zuende
Und bin von jeglicher Hoffnung geheilt."


Miriam
yankee
yankee
Mitglied

Re: Politische Gedichte
geschrieben von yankee


Der Welt Herr

Morgenstund hat Gold im Munde,
Denn da kommt die Börsenzeit
Und mit ihr die süße Kunde,
Die des Kaufmanns Herz erfreut:
Was er abends spekulieret
Hat den Kurs heut regulieret.

Eilend ziehen die Kuriere
Mit dem kleinen Kursbericht,
Dass er diese Welt regiere,
Von der andern weiß ich’s nicht:
Zitternd sehn ihn Potentaten
Und es bricht das Herz der Staaten.

Achim von Arnim (1781-1831)
yankee
yankee
Mitglied

Re: Politische Gedichte
geschrieben von yankee
als Antwort auf yankee vom 02.05.2012, 12:58:05


Erziehung

Der Vater zu dem Sohne spricht:
Zum Herz- und Seelengleichgewicht,
zur inneren Zufriedenheit
und äußeren Behaglichkeit
und zur geregelten Verdauung
bedarf es einer Weltanschauung.
Mein Sohn, du bist nun alt genug.
Das Leben macht den Menschen klug,
die Klugheit macht den Menschen reich,
der Reichtum macht uns Herrschern gleich,
und herrschen juckt uns in den Knöcheln
vom Kindesbein bis zum Verröcheln.
Und sprichst du: Vater, es ist schwer.
Wo nehm ich Geld und Reichtum her?
So merk: Sei deines Nächsten Gast!
Pump von ihm, was du nötig hast.
Sei's selbst sein letzter Kerzenstumpen -
besinn dich nicht, auch den zu pumpen.
Vom Pumpen lebt die ganze Welt.
Glück ist und Ruhm auf Pump gestellt.
Der Reiche pumpt den Armen aus,
vom Armen pumpt auch noch die Laus,
und drängst du dich nicht früh zur Krippe,
das Fell zieht man dir vom Gerippe.
Drum pump, mein Sohn, und pumpe dreist!
Pump anderer Ehr, pump anderer Geist.
Was andere schufen, nenne dein!
Was andere haben, steck dir ein!
Greif zu, greif zu! Gott wird's dir lohnen.
Hoch wirst du ob der Menschheit thronen!

Erich Mühsam (1878-1934)

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Schachspieler
Schachspieler
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Re: Politische Gedichte
geschrieben von Schachspieler
als Antwort auf yankee vom 02.05.2012, 13:11:11
Höre Israel

Als wir verfolgt wurden
war ich einer von euch.
Wie kann ich das bleiben,
wenn ihr Verfolger werdet?

Eure Sehnsucht war,
wie die anderen Völker zu werden
die euch mordeten.
Nun seid ihr geworden wie sie.

Ihr habt überlebt
die zu euch grausam waren.
Lebt ihre Grausamkeit
in euch jetzt weiter?

Den Geschlagenen habt ihr befohlen:
»Zieht eure Schuhe aus«.
Wie den Sündenbock habt ihr sie
in die Wüste getrieben

in die große Moschee des Todes
deren Sandalen Sand sind
doch sie nahmen die Sünde nicht an
die ihr ihnen auflegen wolltet.

Der Eindruck der nackten Füße
im Wüstensand
überdauert die Spuren
eurer Bomben und Panzer

Erich Fried - 100 Gedichte ohne Vaterland
myrja
myrja
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Re: Politische Gedichte
geschrieben von myrja
Ein Text, der mich immer wieder tief bewegt!
Wieviele sehr junge Menschen haben u. a. in den vergangenen Kriegen (und auch heute noch) ihr Leben nicht leben können,
weil sie viel zu früh für irgendwelche Machtansprüche der Politiker sterben mussten.

Es ist an der Zeit
Ein irischer Text

Weit in der Champagne im Mittsommergrün,
Dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blüh'n,
Da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht,
Im Wind, der sanft über das Gräberfeld streicht.
Auf Deinem Kreuz finde ich toter Soldat,
Deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat
Die Zahl Neunzehnhundertundsechzehn gemalt
Und Du warst nicht einmal neunzehn Jahre alt.

Refrain:
Ja auch Dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun,
Und Du hast ihnen alles gegeben:
Dein Kraft, Deine Jugend, Dein Leben.

2. Hast du, toter Soldat, mal ein Mädchen geliebt?
Sicher nicht, denn nur dort, wo es Frieden gibt,
Können Zärtlichkeit und Vertrauen gedeihn,
Warst Soldat, um zu sterben, nicht um jung zu sein.
Vielleicht dachtest du dir, ich falle schon bald,
Nehme mir mein Vergnügen, wie es kommt, mit Gewalt.
Dazu warst du entschlossen, hast dich aber dann
Vor dir selber geschämt und es doch nie getan.

Refrain:
Ja auch Dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun,
Und Du hast ihnen alles gegeben:
Dein Kraft, Deine Jugend, Dein Leben.

3. Soldat, gingst du gläubig und gern in den Tod?
Oder hast du verzweifelt, verbittert, verroht,
Deinen wirklichen Feind nicht erkannt bis zum Schluß?
Ich hoffe, es traf dich ein sauberer Schuß.
Oder hat ein Geschoß dir die Glieder zerfetzt,
Hast du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt,
Bist auf deinen Beinstümpfen weitergerannt,
Und Dein Grab, birgt es mehr als ein Bein, eine Hand.

Refrain:
Ja auch Dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun,
Und Du hast ihnen alles gegeben:
Dein Kraft, Deine Jugend, Dein Leben.

4. Es blieb nur das Kreuz als die einzige Spur
Von deinem Leben, doch hör meinen Schwur,
Für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein:
Fällt die Menscheit noch einmal auf Lügen herein,
Dann kann es geschehen, daß bald niemand mehr lebt,
Niemand, der die Milliarden von Toten begräbt.
Doch längst finden sich mehr und mehr Menschen bereit,
Diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit.

Refrain:
Ja auch Dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun,
Und Du hast ihnen alles gegeben:
Dein Kraft, Deine Jugend, Dein Leben.

Gesungen v. Hannes Wader: Es ist an der Zeit

Myrja

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