Literatur Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute an: ...
Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute - am S e p t e m b e r-Beginn an:
geschrieben von longtime
Danke für den Saroyan-Tipp!
Man vergisst doch oft Autoren, die vor 30, 40 Jahren zum normalen Lesepensum gehörten!
**
Zum Septemberanfang den passenden "Septembermorgen" – das wohl berühmteste Septembergedicht der deutschen Literatur - dass jeder Volksschüler und fast noch jeder heutige Realschüler oder Gymnasiast auswendig lernt:
Es schmiegt sich, ob der großen anschaulichen Fülle und der rasant-lebendigen Kürze auch ein in das Gefühl und das Gedächtnis:
Eduard Mörike:
Sptembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
*
Zu dem Gedicht, das 1827 entstand:
Auch dem Pfarrherrn Renz (in Köngen, nahe Nürtingen) blieben Mörikes Absicht, seine Anstellung in der Kirchenorganisation aufzugeben, nicht verborgen.
Nach der Rückkehr aus einem Urlaub stellte Mörike bei von ihm sehr geschätzten Pfarrer "sehr auffallende, beleidigte Mienen" fest.
In einer Notiz mit dem Datum 13.9.1827 (wahrscheinlich ein Briefentwurf) mit dem Vermerk 'Morgens nach 7 Uhr' schildert Mörike die Probleme genauer:
"Ich kam vor 1/4 Stunde hier an und noch gerade zum Frühstück; in Nürtingen [bei der Mutter] musste ich, verspätet, über Nacht bleiben; das verdross meinen guten HE. Pfarrer, wie ich sogleich beim kleinlauten Empfang fühlen konnte. Es ist dies das erste Mal, das unser inniges Vernehmen gestört wird."
Am gleichen Tag beginnt Mörike einen Brief an seinen Freund Wilhelm Nast.
Bei dem Satz "Ach, nur morgendes Tages gleich fort möcht ich! Der Boden unter mir brennt mich .."
... wird er unterbrochen und zu seinem Pfarrherrn gerufen, dem er nun Rede und Antwort stehen muss.
Bei diesem Gespräch ging es jedoch nicht um seine verspätete Rückkehr, sondern um seinen Wunsch, den Pfarrerberuf aufzugeben. Über dieses Zusammentreffen mit Pfarrer Renz schreibt Eduard Mörike:
"Der 1. Mann hatte nämlich von fremder Seite her über meinen Entschluss - den Stand zu ändern - erfahren und war wie natürlich, horribel davon betroffen ... . Mit beleidigtem doch zutrauensvollem Ton bat mich der Pfarrer um Erklärung. ... Wir redeten uns ganz aus und ich hatte den Trost, einen vernünftigen und vielerfahrenen Mann in mich hineinsehen lassen zu dürfen."
In dieser für Mörike sehr schwierigen Zeit entstanden zwei Gedichte, die ihm Trost und Zuspruch bei Freunden bringen sollten.
Das eine, 'Um Mitternacht' entstand Anfang Oktober 1827. Es beschreibt das Bild des in der Nacht versickernden Tages, dessen stille Geräusche, die nur im Schlaf vernommen werden können, vom kurz zuvor Erlebten singen.
Das andere Gedicht, 'Septembermorgen', wurde bald darauf, also im Oktober, am 18.10.1827, niedergeschrieben:
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
--
longtime
Man vergisst doch oft Autoren, die vor 30, 40 Jahren zum normalen Lesepensum gehörten!
**
Zum Septemberanfang den passenden "Septembermorgen" – das wohl berühmteste Septembergedicht der deutschen Literatur - dass jeder Volksschüler und fast noch jeder heutige Realschüler oder Gymnasiast auswendig lernt:
Es schmiegt sich, ob der großen anschaulichen Fülle und der rasant-lebendigen Kürze auch ein in das Gefühl und das Gedächtnis:
Eduard Mörike:
Sptembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
*
Zu dem Gedicht, das 1827 entstand:
Auch dem Pfarrherrn Renz (in Köngen, nahe Nürtingen) blieben Mörikes Absicht, seine Anstellung in der Kirchenorganisation aufzugeben, nicht verborgen.
Nach der Rückkehr aus einem Urlaub stellte Mörike bei von ihm sehr geschätzten Pfarrer "sehr auffallende, beleidigte Mienen" fest.
In einer Notiz mit dem Datum 13.9.1827 (wahrscheinlich ein Briefentwurf) mit dem Vermerk 'Morgens nach 7 Uhr' schildert Mörike die Probleme genauer:
"Ich kam vor 1/4 Stunde hier an und noch gerade zum Frühstück; in Nürtingen [bei der Mutter] musste ich, verspätet, über Nacht bleiben; das verdross meinen guten HE. Pfarrer, wie ich sogleich beim kleinlauten Empfang fühlen konnte. Es ist dies das erste Mal, das unser inniges Vernehmen gestört wird."
Am gleichen Tag beginnt Mörike einen Brief an seinen Freund Wilhelm Nast.
Bei dem Satz "Ach, nur morgendes Tages gleich fort möcht ich! Der Boden unter mir brennt mich .."
... wird er unterbrochen und zu seinem Pfarrherrn gerufen, dem er nun Rede und Antwort stehen muss.
Bei diesem Gespräch ging es jedoch nicht um seine verspätete Rückkehr, sondern um seinen Wunsch, den Pfarrerberuf aufzugeben. Über dieses Zusammentreffen mit Pfarrer Renz schreibt Eduard Mörike:
"Der 1. Mann hatte nämlich von fremder Seite her über meinen Entschluss - den Stand zu ändern - erfahren und war wie natürlich, horribel davon betroffen ... . Mit beleidigtem doch zutrauensvollem Ton bat mich der Pfarrer um Erklärung. ... Wir redeten uns ganz aus und ich hatte den Trost, einen vernünftigen und vielerfahrenen Mann in mich hineinsehen lassen zu dürfen."
In dieser für Mörike sehr schwierigen Zeit entstanden zwei Gedichte, die ihm Trost und Zuspruch bei Freunden bringen sollten.
Das eine, 'Um Mitternacht' entstand Anfang Oktober 1827. Es beschreibt das Bild des in der Nacht versickernden Tages, dessen stille Geräusche, die nur im Schlaf vernommen werden können, vom kurz zuvor Erlebten singen.
Das andere Gedicht, 'Septembermorgen', wurde bald darauf, also im Oktober, am 18.10.1827, niedergeschrieben:
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
--
longtime
Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute - am 1.9. z. B. an August Stramm
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Edgar Rice Burroughs
amerikanischer Schriftsteller "TARZAN"
geboren am 1.9.1875 in Chicago(Illinois)
gestorben am 19.3.1950 in Encino Kalifornien)
--
spatzl
amerikanischer Schriftsteller "TARZAN"
geboren am 1.9.1875 in Chicago(Illinois)
gestorben am 19.3.1950 in Encino Kalifornien)
--
spatzl
Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute - am 1.9. z. B. an August Stramm
geschrieben von enigma
Hallo Spatzl,
von Burroughs kenne ich nur den Namen und in großen Zügen sein ziemlich abenteuerliches Leben.
Den “Tarzan” habe ich mir bisher versagt.
Hast Du denn schon etwas von B. gelesen?
Hallo Longtime,
Éin sehr schönes Gedicht, der “Septembermorgen”.
Da möchte ich den “Septembertag” von Christian Morgenstern hinzufügen, nicht ganz so schön wie das Gedicht von Mörike, aber auch schön.
Septembertag
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit,
die dich befreit, zugleich sie dich bedrängt;
wenn das kristallne Gewand der Wahrheit
sein kühler Geist um Wald und Berge hängt.
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit...
Christian Morgenstern
Gruß
--
enigma
von Burroughs kenne ich nur den Namen und in großen Zügen sein ziemlich abenteuerliches Leben.
Den “Tarzan” habe ich mir bisher versagt.
Hast Du denn schon etwas von B. gelesen?
Hallo Longtime,
Éin sehr schönes Gedicht, der “Septembermorgen”.
Da möchte ich den “Septembertag” von Christian Morgenstern hinzufügen, nicht ganz so schön wie das Gedicht von Mörike, aber auch schön.
Septembertag
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit,
die dich befreit, zugleich sie dich bedrängt;
wenn das kristallne Gewand der Wahrheit
sein kühler Geist um Wald und Berge hängt.
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit...
Christian Morgenstern
Gruß
--
enigma
Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute - am 1.9. z. B. an August Stramm
geschrieben von longtime
Also: noch vom schönen, herben September. - Später suche ich auch Texte, die den 1. September, den Angriff auf Polen und den Beginn des 2. Weltkriegs beschreiben, raus.
Also:
Wer ist der Autor von diesem "Septemberborgen" - pardon: natürlich: "Septembermorgen"?
Auf dem Turm, im Morgenstrahl
Steh ich, lichterfüllt.
Nebel hält das weite Tal
Drüben noch verhüllt.
In des Himmels lichtes Blau
Dröhnen Glocken schwer.
Unsichtbar, aus goldnem Grau
Schwingt die Antwort her.
Sieh, der Nebel reißt und raucht!
Grün und bunt der Hang!
Blitzend aus der Tiefe taucht
Jetzt der Turm, der klang ...
--
longtime
Also:
Wer ist der Autor von diesem "Septemberborgen" - pardon: natürlich: "Septembermorgen"?
Auf dem Turm, im Morgenstrahl
Steh ich, lichterfüllt.
Nebel hält das weite Tal
Drüben noch verhüllt.
In des Himmels lichtes Blau
Dröhnen Glocken schwer.
Unsichtbar, aus goldnem Grau
Schwingt die Antwort her.
Sieh, der Nebel reißt und raucht!
Grün und bunt der Hang!
Blitzend aus der Tiefe taucht
Jetzt der Turm, der klang ...
--
longtime
Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute - am 1.9. z. B. an August Stramm
geschrieben von enigma
Hallo Longtime,
verrätst Du uns, wer es wirklich ist?
Ich kenne das Gedicht nicht.
Kann ich glauben, was ich hier gefunden habe?
Gruß
--
enigma
verrätst Du uns, wer es wirklich ist?
Ich kenne das Gedicht nicht.
Kann ich glauben, was ich hier gefunden habe?
Gruß
--
enigma
Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute - am 1.9. z. B. an August Stramm
geschrieben von longtime
Der Autor ist Eugen Roth!
Ich entnahm das Gedicht der Anthologie von Eugen Roth: "Ernst und heiter". dtv 10. München 1961; Neuaufl. 1997. S. 182.
--
longtime
Ich entnahm das Gedicht der Anthologie von Eugen Roth: "Ernst und heiter". dtv 10. München 1961; Neuaufl. 1997. S. 182.
--
longtime
Der 1. September als Jahrestag und die Erinnerung an Krieg, Tod und angedrohten Völkermord und versuchte Weltvernichtung (auch in Folgekriegen nach 1945):
Ich kenne nur eine deutsche, literarische Erinnerung an radikale Kriegsverweigerung - Desertion - in der Zeit nach dem 1. September 1939:
Alfred Anderschs „Kirschen der Freiheit“ (1952):
Am 6. Juni 1944 konnte er an der Arno-Front (in Italien) desertieren und zu den Amerikanern überlaufen; von 1944 bis 1945 war er Kriegsgefangener in Louisiana und Rhode Island.
Der autobiographische Bericht „Die Kirschen der Freiheit“ beschreibt die Erfahrungen dieser „Fahnenflucht“, die Andersch als Entscheidung zur Freiheit im Sinne des demokratischen Existenzialismus interpretierte.
Das Buch machte ihn natürlich nicht berühmt; erst später sorgte sein Roman über Widerstand und Verfolgung im Deutschen Reich „Sansibar oder der letzte Grund“ (1957) für Aufsehen, als Schullektüre und Verfilmung durch Bernhard Wicki.
Das weltliterarisch bekannteste Dokument ist Boris Vians durch das von ihm selbst 1956 gesungene Chanson Le déserteur (Der Deserteur), in dem er angesichts der Teilmobilisierung der französischen Armee für den Algerienkrieg zur Fahnenflucht aufrief und so den Zorn aller nationalistischen Franzosen sowie der Justiz auf sich zog.
Boris Vian singt. S. TIPP:
*
Desertion (lat.: Verlassung, Ausreißen, Fliehen, Flucht), ist im Deutschen immer noch ein negativ besetzter, ein pejorativer Begriff; der die „eigenmächtige Entfernung eines Soldaten von seiner Truppe oder von seinem dienstmäßigen Aufenthaltsort“ meint. Das deutsche Militärstrafgesetzbuch (§ 64 ff.) unterscheidet „Desertoria sententia (S. Seite 4.703) zwischen der unerlaubten Entfernung und der Fahnenflucht.
*
DER DESERTEUR
(Deutsch von Erich Aurich)
Ihr sogenannten Herrn,
ich schreibe Euch ein Schreiben,
lest oder laßt es bleiben
und habt mich alle gern.
Ich kriege da, gebt acht,
die Militärpapiere,
damit ich einmarschiere
und zwar vor Mittwoch Nacht.
Ich sag' Euch ohne Trug:
Ihr wollt doch nur schmarotzen,
ich finde das zum Kotzen,
die Welt hat jetzt genug.
Ihr sogenannten Herrn,
ich sage Euch ganz offen,
die Wahl ist schon getroffen:
Ich werde desertier'n.
Seit ich auf Erden bin,
sah ich manch Vater sterben,
sah Brüder schnell verderben,
sah weinen oft ein Kind;
sah Mütter voller Gram,
sie konnten nicht vergessen,
daß andre vollgefressen,
wohlauf und ohne Scham.
Sah der Gefang'nen Leid;
Man hat sie nur belogen,
um ihre Frau'n betrogen,
um ihre gute Zeit.
Früh, wenn die Hähne krähn,
dann schließ' ich meine Türe,
will tote Jahre spüren
und auf die Straße gehn.
Dann geht es drauf und dran
auf Welle, Wind und Wegen
der neuen Welt entgegen,
ich rufe jedermann:
Lebt euer Leben aus,
ringt Furcht und Elend nieder,
schießt nicht auf eure Brüder
in diesem Erdenhaus.
Ihr sogenannten Herrn,
müßt ihr denn Blut vergießen,
so laßt das eure fließen,
wir hätten das so gern.
Sagt eurer Polizei,
sie werden mich schon schaffen,
denn ich bin ohne Waffen,
zu schießen steht ihr frei.
*
Eine vielsprachige Dokumentation des Chansons befindet sich hier:
Dokumentation
Zu Boris Vian:
Zu Boris Vian
Die „Fahnenflucht“ ist ein unerledigtes, kulturell und religiös unerlaubtes oder verschwiegenes, literarisches Motiv:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fahnenflucht
*
Ludwig Baumann (*13.12.1921) ist einer von 30 000 Wehrmachtsdeserteuren.
Am 3. Juni 1942 desertierte er zusammen mit seinem Freund Kurt Oldenburg bei Bordeaux / Frankreich aus Hitlers siegreicher Armee.
Verfahren wurde im Militär, in der Justiz und in den Kirchen nach Hitlers Worten: „Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben.“
Erinnerungen gefällig…?
Tagesschau über Deserteure
http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Baumann_(Wehrmachtsdeserteur)
Zu weiteren künstlerischen Gestaltungen des Themas click:
http://de.wikipedia.org/wiki/Desertion#Das_Deserteur-Thema_in_Film.2C_Literatur.2C_Musik_und_Theater
--
longtime
Ich kenne nur eine deutsche, literarische Erinnerung an radikale Kriegsverweigerung - Desertion - in der Zeit nach dem 1. September 1939:
Alfred Anderschs „Kirschen der Freiheit“ (1952):
Am 6. Juni 1944 konnte er an der Arno-Front (in Italien) desertieren und zu den Amerikanern überlaufen; von 1944 bis 1945 war er Kriegsgefangener in Louisiana und Rhode Island.
Der autobiographische Bericht „Die Kirschen der Freiheit“ beschreibt die Erfahrungen dieser „Fahnenflucht“, die Andersch als Entscheidung zur Freiheit im Sinne des demokratischen Existenzialismus interpretierte.
Das Buch machte ihn natürlich nicht berühmt; erst später sorgte sein Roman über Widerstand und Verfolgung im Deutschen Reich „Sansibar oder der letzte Grund“ (1957) für Aufsehen, als Schullektüre und Verfilmung durch Bernhard Wicki.
Das weltliterarisch bekannteste Dokument ist Boris Vians durch das von ihm selbst 1956 gesungene Chanson Le déserteur (Der Deserteur), in dem er angesichts der Teilmobilisierung der französischen Armee für den Algerienkrieg zur Fahnenflucht aufrief und so den Zorn aller nationalistischen Franzosen sowie der Justiz auf sich zog.
Boris Vian singt. S. TIPP:
*
Desertion (lat.: Verlassung, Ausreißen, Fliehen, Flucht), ist im Deutschen immer noch ein negativ besetzter, ein pejorativer Begriff; der die „eigenmächtige Entfernung eines Soldaten von seiner Truppe oder von seinem dienstmäßigen Aufenthaltsort“ meint. Das deutsche Militärstrafgesetzbuch (§ 64 ff.) unterscheidet „Desertoria sententia (S. Seite 4.703) zwischen der unerlaubten Entfernung und der Fahnenflucht.
*
DER DESERTEUR
(Deutsch von Erich Aurich)
Ihr sogenannten Herrn,
ich schreibe Euch ein Schreiben,
lest oder laßt es bleiben
und habt mich alle gern.
Ich kriege da, gebt acht,
die Militärpapiere,
damit ich einmarschiere
und zwar vor Mittwoch Nacht.
Ich sag' Euch ohne Trug:
Ihr wollt doch nur schmarotzen,
ich finde das zum Kotzen,
die Welt hat jetzt genug.
Ihr sogenannten Herrn,
ich sage Euch ganz offen,
die Wahl ist schon getroffen:
Ich werde desertier'n.
Seit ich auf Erden bin,
sah ich manch Vater sterben,
sah Brüder schnell verderben,
sah weinen oft ein Kind;
sah Mütter voller Gram,
sie konnten nicht vergessen,
daß andre vollgefressen,
wohlauf und ohne Scham.
Sah der Gefang'nen Leid;
Man hat sie nur belogen,
um ihre Frau'n betrogen,
um ihre gute Zeit.
Früh, wenn die Hähne krähn,
dann schließ' ich meine Türe,
will tote Jahre spüren
und auf die Straße gehn.
Dann geht es drauf und dran
auf Welle, Wind und Wegen
der neuen Welt entgegen,
ich rufe jedermann:
Lebt euer Leben aus,
ringt Furcht und Elend nieder,
schießt nicht auf eure Brüder
in diesem Erdenhaus.
Ihr sogenannten Herrn,
müßt ihr denn Blut vergießen,
so laßt das eure fließen,
wir hätten das so gern.
Sagt eurer Polizei,
sie werden mich schon schaffen,
denn ich bin ohne Waffen,
zu schießen steht ihr frei.
*
Eine vielsprachige Dokumentation des Chansons befindet sich hier:
Dokumentation
Zu Boris Vian:
Zu Boris Vian
Die „Fahnenflucht“ ist ein unerledigtes, kulturell und religiös unerlaubtes oder verschwiegenes, literarisches Motiv:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fahnenflucht
*
Ludwig Baumann (*13.12.1921) ist einer von 30 000 Wehrmachtsdeserteuren.
Am 3. Juni 1942 desertierte er zusammen mit seinem Freund Kurt Oldenburg bei Bordeaux / Frankreich aus Hitlers siegreicher Armee.
Verfahren wurde im Militär, in der Justiz und in den Kirchen nach Hitlers Worten: „Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben.“
Erinnerungen gefällig…?
Tagesschau über Deserteure
http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Baumann_(Wehrmachtsdeserteur)
Zu weiteren künstlerischen Gestaltungen des Themas click:
http://de.wikipedia.org/wiki/Desertion#Das_Deserteur-Thema_in_Film.2C_Literatur.2C_Musik_und_Theater
--
longtime
Wahnsinn, wie viele Künstler sich mit dem Gedicht/dem Lied befasst haben.
Wolf Biermann natürlich auch.
Es gibt eine weitere deutsche Version mit etwas verändertem Text von "Zupfgeigenhansel" - Linktipp!
Gruß
--
enigma
Wolf Biermann natürlich auch.
Es gibt eine weitere deutsche Version mit etwas verändertem Text von "Zupfgeigenhansel" - Linktipp!
Gruß
--
enigma
Danke, enigma! -. Ein schönes Beispiel von den "Zupfgeigenhanseln"!
*
Zum Motiv des absolut christlichen Gewaltverzichts und der Desertion gibt es wenig literarische Belege.
Anastasius Grün (1806 – 1876):
Der Deserteur
Auf der Hauptwacht sitzt geschlossen
Des Gebirges schlanker Sohn,
Morgen frühe wird erschossen,
Der dreimal der Fahn' entflohn.
Heute gönnten mit Erbarmen
Sie ihm Wein und Prasserkost;
Doch in seiner Mutter Armen
Gibt und nimmt er letzten Trost:
"Mutter, seht, die närr'schen Leute
Heischten Treu' und Eid mir ab,
Die ich doch, und nicht erst heute,
Meiner lieben Sennin gab!
Soll mein Blut dem Fürsten geben,
Mag wohl sein ein guter Mann;
Doch er fordre nicht mein Leben!
Was blieb' euch; o Mutter, dann?
Eures Hauptes Silberflocken,
Acker schirmen, Hof und Haus
Und der Liebsten goldne Locken,
Füllt's nicht schön ein Leben aus?
Hoch von langen Stangen wallten
Fetzen Tuchs, drauf sie recht fein
Ein geflügelt Raubthier malten;
Und da sollt' ich hinterdrein!
Dem Gevögel Adlern, Geiern,
War ich doch mein Lebtag gram;
Schoß manch einen, der zu euern
Und der Liebsten Herden kam!
"Ueber eine blanke Schachtel
Spannten sie ein Eselsfell:
Welch Gedröhn, statt Lerch' und Wachtel,
Die im Korn einst schlugen hell!
Trommellärm trieb mich von dannen,
Alphorn rief mich zu den Höhn,
Wo die grünen, duft'gen Tannen,
Meine ächten Fahnen, wehn!
Unserm Küster lauscht' ich lieber
Mit dem tapfern Fiedelstrich,
Während vom Gebirg herüber
Süßrer Klang mein Ohr beschlich!
In zweifarbig Tuch geschlagen,
Knebelten mich Spang' und Knopf;
Einen Höcker sollt' ich tragen
Und als Hut solch schwarzen Topf!
Besser läßt, das sieht doch Jeder,
Mir der grüne Schützenrock,
Auf dem Hut die Schildhahnfeder,
Stutzen auch und Alpenstock!
Wachtstehn sollt' ich nachts vor Zelten!
Lullt mein Wachen sie in Ruh?
Legt der Herr den mir geschmälten
Schlummer wohl dem ihren zu?
Besser als durch mich geborgen
Stellt' in Himmels Schutz ich sie;
Und vor Liebchens Haus am Morgen
Stand als Ehrenwacht ich früh.
Morgen wenn die Schüsse schüttern,
Mutter, denkt, daß fern von euch
Im Gebirg bei Hochgewittern
Mich erschlug ein Wetterstreich!
Besser will mir's so behagen!
Kann doch auf den Lippen treu
Euren, ihren Namen tragen,
Wie der blühndsten Rosen zwei!" -
Und der Morgen stieg zur Erde;
Unter laub'gem Blüthenbaum
Ruht die Sennin; ihre Herde
Weidet rings am Bergessaum.
Horch! im Thalgrund Büchsenknalle,
Daß, aus seinem Morgentraum
Aufgeschreckt vom rauhen Halle,
Bang und zitternd lauscht der Baum!
Aus der Krone losgerüttelt
Taumeln Blüthenflocken hin,
Tropfen Thau's, wie Thränen, schüttelt
Er auf's Haupt der Sennerin!
Und entsunken sind zur Stunde
In dem Thale, grün und frei,
Einem rothen Jünglingsmunde
Wohl der blühndsten Rosen zwei.
(Aus: Gedichte. 1869)
Anastasius Grün (Pseudonym von Anton Alexander Graf von Auersperg) wurde am 11. April 1806 in Laibach geboren und starb am 12. September 1876 in Graz.
Er war ein volkstümlich gefeierter Vertreter der österreichisch-liberalen, politischen Poesie; er galt als Vorkämpfer für die Freiheit in den Zeiten des "Vormärz".
--
longtime
*
Zum Motiv des absolut christlichen Gewaltverzichts und der Desertion gibt es wenig literarische Belege.
Anastasius Grün (1806 – 1876):
Der Deserteur
Auf der Hauptwacht sitzt geschlossen
Des Gebirges schlanker Sohn,
Morgen frühe wird erschossen,
Der dreimal der Fahn' entflohn.
Heute gönnten mit Erbarmen
Sie ihm Wein und Prasserkost;
Doch in seiner Mutter Armen
Gibt und nimmt er letzten Trost:
"Mutter, seht, die närr'schen Leute
Heischten Treu' und Eid mir ab,
Die ich doch, und nicht erst heute,
Meiner lieben Sennin gab!
Soll mein Blut dem Fürsten geben,
Mag wohl sein ein guter Mann;
Doch er fordre nicht mein Leben!
Was blieb' euch; o Mutter, dann?
Eures Hauptes Silberflocken,
Acker schirmen, Hof und Haus
Und der Liebsten goldne Locken,
Füllt's nicht schön ein Leben aus?
Hoch von langen Stangen wallten
Fetzen Tuchs, drauf sie recht fein
Ein geflügelt Raubthier malten;
Und da sollt' ich hinterdrein!
Dem Gevögel Adlern, Geiern,
War ich doch mein Lebtag gram;
Schoß manch einen, der zu euern
Und der Liebsten Herden kam!
"Ueber eine blanke Schachtel
Spannten sie ein Eselsfell:
Welch Gedröhn, statt Lerch' und Wachtel,
Die im Korn einst schlugen hell!
Trommellärm trieb mich von dannen,
Alphorn rief mich zu den Höhn,
Wo die grünen, duft'gen Tannen,
Meine ächten Fahnen, wehn!
Unserm Küster lauscht' ich lieber
Mit dem tapfern Fiedelstrich,
Während vom Gebirg herüber
Süßrer Klang mein Ohr beschlich!
In zweifarbig Tuch geschlagen,
Knebelten mich Spang' und Knopf;
Einen Höcker sollt' ich tragen
Und als Hut solch schwarzen Topf!
Besser läßt, das sieht doch Jeder,
Mir der grüne Schützenrock,
Auf dem Hut die Schildhahnfeder,
Stutzen auch und Alpenstock!
Wachtstehn sollt' ich nachts vor Zelten!
Lullt mein Wachen sie in Ruh?
Legt der Herr den mir geschmälten
Schlummer wohl dem ihren zu?
Besser als durch mich geborgen
Stellt' in Himmels Schutz ich sie;
Und vor Liebchens Haus am Morgen
Stand als Ehrenwacht ich früh.
Morgen wenn die Schüsse schüttern,
Mutter, denkt, daß fern von euch
Im Gebirg bei Hochgewittern
Mich erschlug ein Wetterstreich!
Besser will mir's so behagen!
Kann doch auf den Lippen treu
Euren, ihren Namen tragen,
Wie der blühndsten Rosen zwei!" -
Und der Morgen stieg zur Erde;
Unter laub'gem Blüthenbaum
Ruht die Sennin; ihre Herde
Weidet rings am Bergessaum.
Horch! im Thalgrund Büchsenknalle,
Daß, aus seinem Morgentraum
Aufgeschreckt vom rauhen Halle,
Bang und zitternd lauscht der Baum!
Aus der Krone losgerüttelt
Taumeln Blüthenflocken hin,
Tropfen Thau's, wie Thränen, schüttelt
Er auf's Haupt der Sennerin!
Und entsunken sind zur Stunde
In dem Thale, grün und frei,
Einem rothen Jünglingsmunde
Wohl der blühndsten Rosen zwei.
(Aus: Gedichte. 1869)
Anastasius Grün (Pseudonym von Anton Alexander Graf von Auersperg) wurde am 11. April 1806 in Laibach geboren und starb am 12. September 1876 in Graz.
Er war ein volkstümlich gefeierter Vertreter der österreichisch-liberalen, politischen Poesie; er galt als Vorkämpfer für die Freiheit in den Zeiten des "Vormärz".
--
longtime
Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken heute - zum Thema Frieden (ernsthaft), Pazifismus (nicht als Floskel), Desertion (als Auf-Gabe von Aggressionen)
geschrieben von longtime
Ich beschließe diese ausgewählten Texte mit einem kleinen Aufsatz von Anneliese Fikentscher:
Niemals mitlaufen - In Köln wurde das erste Denkmal für Deserteure der Wehrmacht eingeweiht.
Der Literaturkalender wird nach diesem thematischen Intermezzo hier wieder mit der Ehrung persönlicher Namen und Vorbilder fortgesetzt.
--
longtime
Niemals mitlaufen - In Köln wurde das erste Denkmal für Deserteure der Wehrmacht eingeweiht.
Der Literaturkalender wird nach diesem thematischen Intermezzo hier wieder mit der Ehrung persönlicher Namen und Vorbilder fortgesetzt.
--
longtime