Literatur Nationales Sicherheitsamt Science-Fiction Andreas Eschbach
In diesem 2018 erschienenen dystopischen Roman thematisiert Andreas Eschbach vor allem einen durch modernste Informationstechnologien gesteuerten Überwachungsstaat, indem er diese Technologien und ihren Missbrauch in einer extremen Form auf das Dritte Reich überträgt. Im Zentrum der Handlung stehen die talentierte Programmiererin Helene und ihr Vorgesetzter Eugen Lettke, die beide im Nationalen Sicher-heitsamt arbeiten und zum radikalen Ausbau des Überwachungsstaats einen entscheidenden Beitrag leisten. Der von Informationstechnologie faszinierten Helene Bodenkamp, die sich ihrer Schuld erst sehr spät bewusst wird, gelingt es, einen von ihr geliebten Deserteur zu verstecken und ihm schließlich zur Flucht zu verhelfen. Der von ihr zu zahlende Preis dafür ist die Eheschließung mit einem ungeliebten SS-Offizier. Tragisch für Helene Bodenkamp ist auch die von ihr zu verantwortende Entdeckung der US-Pläne zur Entwicklung einer Atombombe, die dazu führt, das die NS-Regierung die Bombe zuerst entwickelt, ein-setzt und damit den Krieg mit einem Sieg beendet. Der rassisch „hochwertige” Eugen Lettke nutzt die NS-Herrschaft zu einem Rachezug gegen Frauen, die ihn als Kinder gedemütigt haben; dieser Rachezug ist mit einer Serie von Vergewaltigungen verbunden. Sowohl Eugen Lettke als auch Helene Bodenkamp werden letzlich selber Opfer des NS-Systems. Helene wird nach einer Chiptransplantation zur glühenden Hitler-verehrerin und Eugen Lettke nach seinem Selbstmordversuch zum arischen Samenspender. Dieses spannende Buch weist zu Recht eindringlich auf Gefahren der aktuellen Informationstechnologie hin, auch wenn man dem Autor vorwerfen könnte, die positiven Seiten dieser neuen Technologie nicht herauszustellen, was aber auch nicht unbedingt die Zielsetzung eines düsteren dystopischen Romans sein muss. Die Hauptpersonen werden in vielen Facetten deutlich charakterisiert, auch wenn sie im Rahmen dieser Dystopie etwas überzeichnet erscheinen. Dass die sexuellen Exzesse Eugen Lettkes so genau er-fasst werden, erscheint mir unangemessen auch im Hinblick auf die Hauptintention des Romans. Aus histo-rischer Perspektive könnte man natürlich auch kritisieren, dass viele andere wesentliche Aspekte des Nationalsozialismus nicht ausdrücklich thematisiert werden. Der Autor konzentriert sich vielleicht etwas zu einseitig auf den Überwachungsaspekt. Insgesamt gesehen ist dieser Science-Fiction-Roman trotz einiger Schwächen ein sehr lesenswerter Roman, der zum Nachdenken über Entwicklungen in unserer Gesellschaft anregt.