Literatur Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge 1:
Hallo Spatzl,
da nimmst Du mir das Wort aus dem Munde oder die Idee aus dem Kopf, wie man will. )
Auch ich habe schon in meinen Bücherbeständen rumgesucht und bisher insgesamt 4 ältere Taschenbücher von Maugham gefunden.
Auf zwei möchte ich etwas näher eingehen.
Einmal ist es das Buch mit dem Titel “Silbermond und Kupfermünze“, in dem er durch den Protagonisten Charles Strickland den totalen Ausstieg des Malers Paul Gauguin aus seiner bürgerlichen Umgebung und Existenz beschreibt.
Mehr über das Buch hier:
Das zweite Buch heißt “Oben in der Villa” und wird als kriminalistischer Liebesroman bezeichnet.
Zum Inhalt hier folgendes aus dem Klappentext:
Das dritte Buch heißt “Auf Messers Schneide”. Daran habe ich kaum noch eine Erinnerung und möchte die im Moment auch nicht wieder auffrischen.
Und schließlich habe ich noch “Der rote Ted” gefunden.. Das ist ein kleiner Erzählband mit - wenn ich mich richtig erinnere - ziemlich exotischen Geschichten. Aber auch diese Geschichten müsste ich erneut lesen, um mich genauer zu erinnern.
Ich empfand Maugham als guten Erzähler, allerdings als einen, der für meinen heutigen Geschmack fast schon zu genau und detailliert alles und jeden beschreibt, so genau beschreibt, dass der Fantasie des Lesers fast nichts mehr überlassen bleibt?
Aber vielleicht rührte das daher, dass er als Geheimdienstmitarbeiter über die in dieser Funktion erfahrenen Geheimnisse absolut nichts verlauten lassen durfte?
Und außerdem ist persönlicher Geschmack ja, wie wir immer wieder feststellen können, sehr unterschiedlich.
Grüß` Dich zum Wochenanfang.
da nimmst Du mir das Wort aus dem Munde oder die Idee aus dem Kopf, wie man will. )
Auch ich habe schon in meinen Bücherbeständen rumgesucht und bisher insgesamt 4 ältere Taschenbücher von Maugham gefunden.
Auf zwei möchte ich etwas näher eingehen.
Einmal ist es das Buch mit dem Titel “Silbermond und Kupfermünze“, in dem er durch den Protagonisten Charles Strickland den totalen Ausstieg des Malers Paul Gauguin aus seiner bürgerlichen Umgebung und Existenz beschreibt.
Mehr über das Buch hier:
Das zweite Buch heißt “Oben in der Villa” und wird als kriminalistischer Liebesroman bezeichnet.
Zum Inhalt hier folgendes aus dem Klappentext:
“Achtundvierzig Stunden aus dem Leben einer Frau, die sich in eine toskanische Villa zurückgezogen hat, um über einen Heiratsantrag nachzudenken. Doch die geplanten Einkehrtage geraten unversehens zum tollsten, kriminalistischen Liebesabenteuer ihres Lebens.
Oben in der Villa wurde Maughams populärster kleiner Roman - und nebenbei eine Studie männlicher Eitelkeiten in drei Variationen: der Karrierist, der Playboy und der romantische Jüngling sind die Opfer seiner spannenden Satire.”
Das dritte Buch heißt “Auf Messers Schneide”. Daran habe ich kaum noch eine Erinnerung und möchte die im Moment auch nicht wieder auffrischen.
Und schließlich habe ich noch “Der rote Ted” gefunden.. Das ist ein kleiner Erzählband mit - wenn ich mich richtig erinnere - ziemlich exotischen Geschichten. Aber auch diese Geschichten müsste ich erneut lesen, um mich genauer zu erinnern.
Ich empfand Maugham als guten Erzähler, allerdings als einen, der für meinen heutigen Geschmack fast schon zu genau und detailliert alles und jeden beschreibt, so genau beschreibt, dass der Fantasie des Lesers fast nichts mehr überlassen bleibt?
Aber vielleicht rührte das daher, dass er als Geheimdienstmitarbeiter über die in dieser Funktion erfahrenen Geheimnisse absolut nichts verlauten lassen durfte?
Und außerdem ist persönlicher Geschmack ja, wie wir immer wieder feststellen können, sehr unterschiedlich.
Grüß` Dich zum Wochenanfang.
Nachtrag:
Weil es ein wichtiger Roman ist, ergänze ich zu Anderschs bekanntestem Roman „Sansibar oder Der letzte Grund“ eine Kritik aus dem Jahre 1957, die ich vor Jahren zur Vorübung fürs Abitur als Klausur nach der Kurs-Lektüre schreiben ließ. (Die Aufgabenstellung lasse ich hier weg.)
Der Autor, ein Freund von A.A., rezensierte über den Andersch-Roman folgendermaßen:
"Das Land aus dem man flüchtet"
„… wie nachdenklich, daß ein solches Buch gerade heute erscheint.
Wie aufschlußreich! Denn - trommeln wir doch nicht auf unsere Brüste, sondern schlagen wir daran! -: auch bei uns ist wieder die KPD verboten. Auch bei uns werden schon wieder jüdische Friedhöfe geschändet. Auch bei uns geht allenthalben wieder »Uniformiertes Fleisch« um. Auch ‚uns’ gilt - man sei doch ehrlich - Barlach oder Expressionismus längst wieder als ‚entartete Kunst’!
Macht man sich denn in allen Kreisen keine Gedanken darüber:
Warum wohl der große Einstein emigrieren mußte; und 45 nicht nach Deutschland zurückkehrte?
Warum Thomas Mann (der nach Europa zurückkam) mitnichten seinen Wohnsitz am Brunnquell westdeutschen Geistes, in Bonn, aufschlug; sondern lieber in der Schweiz blieb?
Warum Hermann Hesse - ich wähle, es ist dem Bürgertum eindrucksvoller, deutsche Nobelpreisträger - still in seinem Tessin bleibt?
Denn es genügt nicht ganz, wenn ein Land von sich rühmen kann, daß es die Wiege großer Männer war; es muß auch noch den Nachweis erbringen, daß es ihr Grab zeigen kann - und selbst das ist wertlos, wenn die verehrend dorthin Pilgernden immer wieder nach irgendeinem Buchenwald gewiesen werden!
»In Schönheit aufgelöste Trauer«?: Ich, ein Deutscher, will Herrn Professor Doktor Muschg sagen, was Anderschs großes Buch von Sansibar meiner Meinung nach ist:
Eine sachlich unwiderlegbare Anklage gegen Deutschland. Eine Warnung »an alle, die es angeht«. Unterricht in (ja, fast Anleitung zur) Flucht als Protest. Vorzeichen einer neuerlichen, nur durch ein Wunder noch aufzuhaltenden Emigration aller Geistigkeit: (aber wohin heute?!). Ein Mißtrauensvotum ersten Ranges gegen unser behäbig-aufgeblasenes »Volk der Mitte«.
Kompositorisch ausgezeichnet; sprachlich bedeutend über dem Durchschnitt.“
*
(Erschienen in: »Die andere Zeitung', Hamburg, 24. 10. 1957)
*
Ergänzende Angabe:
Walter Muschg (1898 -1965), ein Schweizer Essayist und Literaturkritiker, hatte über „Sansibar oder Der letzte Grund“ geschrieben:
»Alfred Andersch ist ein Dichter. Seine neue große Erzählung 'Sansibar oder der letzte Grund' bezaubert durch die verhaltene Musik der Sprache, durch die kunstvolle Komposition und durch die in Schönheit aufgelöste Trauer eines mit der heutigen Welt vertrauten noblen Geistes. Mit sparsamer Hand formt er ein unaufdringliches Gleichnis, das man nicbt vergißt. Diese paar Menschen, die, jeder aus einem anderen Grund, ihrem unerträglich gewordenen Dasein zu entrinnen suchen und den Weg in die Freiheit finden, bilden meisterlich vereinfacht unser aller Leben ab (. . .) Es ist tröstlich, im deutschen Schrifttum der Gegenwart ein so vollendetes und innerliches Buch anzutreffen.“
*
(Der Text ist im Internet nicht zu finden.)
Weil es ein wichtiger Roman ist, ergänze ich zu Anderschs bekanntestem Roman „Sansibar oder Der letzte Grund“ eine Kritik aus dem Jahre 1957, die ich vor Jahren zur Vorübung fürs Abitur als Klausur nach der Kurs-Lektüre schreiben ließ. (Die Aufgabenstellung lasse ich hier weg.)
Der Autor, ein Freund von A.A., rezensierte über den Andersch-Roman folgendermaßen:
"Das Land aus dem man flüchtet"
„… wie nachdenklich, daß ein solches Buch gerade heute erscheint.
Wie aufschlußreich! Denn - trommeln wir doch nicht auf unsere Brüste, sondern schlagen wir daran! -: auch bei uns ist wieder die KPD verboten. Auch bei uns werden schon wieder jüdische Friedhöfe geschändet. Auch bei uns geht allenthalben wieder »Uniformiertes Fleisch« um. Auch ‚uns’ gilt - man sei doch ehrlich - Barlach oder Expressionismus längst wieder als ‚entartete Kunst’!
Macht man sich denn in allen Kreisen keine Gedanken darüber:
Warum wohl der große Einstein emigrieren mußte; und 45 nicht nach Deutschland zurückkehrte?
Warum Thomas Mann (der nach Europa zurückkam) mitnichten seinen Wohnsitz am Brunnquell westdeutschen Geistes, in Bonn, aufschlug; sondern lieber in der Schweiz blieb?
Warum Hermann Hesse - ich wähle, es ist dem Bürgertum eindrucksvoller, deutsche Nobelpreisträger - still in seinem Tessin bleibt?
Denn es genügt nicht ganz, wenn ein Land von sich rühmen kann, daß es die Wiege großer Männer war; es muß auch noch den Nachweis erbringen, daß es ihr Grab zeigen kann - und selbst das ist wertlos, wenn die verehrend dorthin Pilgernden immer wieder nach irgendeinem Buchenwald gewiesen werden!
»In Schönheit aufgelöste Trauer«?: Ich, ein Deutscher, will Herrn Professor Doktor Muschg sagen, was Anderschs großes Buch von Sansibar meiner Meinung nach ist:
Eine sachlich unwiderlegbare Anklage gegen Deutschland. Eine Warnung »an alle, die es angeht«. Unterricht in (ja, fast Anleitung zur) Flucht als Protest. Vorzeichen einer neuerlichen, nur durch ein Wunder noch aufzuhaltenden Emigration aller Geistigkeit: (aber wohin heute?!). Ein Mißtrauensvotum ersten Ranges gegen unser behäbig-aufgeblasenes »Volk der Mitte«.
Kompositorisch ausgezeichnet; sprachlich bedeutend über dem Durchschnitt.“
*
(Erschienen in: »Die andere Zeitung', Hamburg, 24. 10. 1957)
*
Ergänzende Angabe:
Walter Muschg (1898 -1965), ein Schweizer Essayist und Literaturkritiker, hatte über „Sansibar oder Der letzte Grund“ geschrieben:
»Alfred Andersch ist ein Dichter. Seine neue große Erzählung 'Sansibar oder der letzte Grund' bezaubert durch die verhaltene Musik der Sprache, durch die kunstvolle Komposition und durch die in Schönheit aufgelöste Trauer eines mit der heutigen Welt vertrauten noblen Geistes. Mit sparsamer Hand formt er ein unaufdringliches Gleichnis, das man nicbt vergißt. Diese paar Menschen, die, jeder aus einem anderen Grund, ihrem unerträglich gewordenen Dasein zu entrinnen suchen und den Weg in die Freiheit finden, bilden meisterlich vereinfacht unser aller Leben ab (. . .) Es ist tröstlich, im deutschen Schrifttum der Gegenwart ein so vollendetes und innerliches Buch anzutreffen.“
*
(Der Text ist im Internet nicht zu finden.)
26.01.:
Achim von Arnim
Rudolf Alexander Schröder
Siegfried von Vegesack
*
Es gibt sicherlich noch ausländische SchriftstellerInnen, an die man erinnern könnte...
Achim von Arnim
Rudolf Alexander Schröder
Siegfried von Vegesack
*
Es gibt sicherlich noch ausländische SchriftstellerInnen, an die man erinnern könnte...
Schon seit Fontane kann man neben dem heftigen, deutschen Antisemitismus auch Kritik an dieser politischen, "geistig-christlichen" Schweinerei feststellen:
In der Weimarer Zeit war Vegesack einer der ersten, der ohne gruppenmäßige Absicherung sich so äußerte:
Siegfried von Vegesack:
"Schlag sie tot, Patriot!"
Ich bin kein Jude. Auch kein besonderer Judenfreund. Aber wenn das so weitergeht wie jetzt, dann könnte man wohl bald das vogelfreie Dasein eines Ostjuden der Schmach, Deutscher zu sein, vorziehen.
Gewiß, man mußte sich auch früher zuweilen als Deutscher schämen. Als alle Welt uns anspie und wir Vertrauen und Achtung wiederzuerringen hofften, indem wir uns selbst bespuckten. Aber damals, als man sich nackt und wehrlos am öffentlichen Pranger der ganzen Welt verhöhnt fühlte - grade damals rief etwas in unserm Innersten: jetzt kannst du dich, jetzt mußt du dich als Deutscher bekennen, denn deutsch sein heißt: verworfen sein - und ist es nicht immer rühmlicher gewesen, statt mit Allen über Einen zu triumphieren, allein von aller Welt verworfen zu werden? Und grade damals, als Millionen von uns ans Auswandern dachten, konnte es für einen Auslandsdeutschen eine schmerzliche Lockung sein, sich im verfolgten und gepeinigten Deutschland dauernd niederzulassen, um an der innersten Gemeinschaft teilzuhaben: an der Gemeinschaft des Unglücks.
Aber heute? Kann man heute noch Deutscher sein, ohne vor Scham sich in den Wäldern verkriechen zu wollen? Heute, wo wir nichts Besseres zu tun haben, als alles Unrecht, das man uns zugefügt hat, am wehrlosen Dritten am Juden auszulassen! Gibt es denn für uns Deutsche nur dies eine Mittel, unser seelisches Gleichgewicht zu bewahren: zu treten, wenn man getreten wird? Gibt es überhaupt etwas Erbärmlicheres, als Prügel eines Stärkeren mit dem Fußtritt gegen einen Schwächern zu quittieren?
Wenn unsre Alldeutschen ahnten, wie undeutsch sie sind! Denn wenn es einen wirklich deutschen Wesenszug gibt (oder richtiger: gab!), der weder bei den Franzosen noch bei den Russen (von den Engländern ganz zu schweigen) so stark entwickelt ist wie bei uns, so ist es der: daß wir Deutsche für fremde Eigenart ein ganz besonderes Verständnis haben, von Shakespeare bis Strindberg, von Dante bis Dostojewski den fremden Herzschlag wie unsern eignen spüren. Und nun sollen wir unser "Deutschtum" durch Pogrome betätigen!
Aber ganz abgesehen von allen Gründen der Moral, des Anstandes und unsrer nationalen Würde (wenn es die noch gibt), ist die Judenhetze wohl das Dümmste, was alldeutscher Eifer zur Erreichung seines Zieles anstellen konnte. Denn wenn es so weiter geht, wird voraussichtlich der anständige Jude mit Selbstgefühl Deutschland verlassen. Und grade die Minderwertigen, die sich unter allen Umständen anpassen, werden bleiben, werden, wenn's nötig ist, ihr Judentum verleugnen und umso schneller in den deutschen Volkskörper eindringen. Es ist so wie mit einer Vergiftung: je heftiger man sich sperkelt, desto rascher und sicherer schreitet sie vor.
Gewiß: das deutsche Volk in seiner Mehrheit steht noch nicht hinter den Pogromhelden. Aber so, wie unsre Feinde von gestern durch unablässiges Hetzen schließlich die ganze Welt von unsrer Minderwertigkeit überzeugten genau so wird es auch der alldeutschen Agitation zuletzt gelingen, alle Verbrechen (und erst recht ihre eignen!) auf die Juden abzuwälzen, wenn nicht eine Gegenaktion erfolgt.
Nicht von jüdischer, sondern von deutscher Seite müßte diese erfolgen.
Nur dann könnte sie vielleicht etwas von dem ungeheuern Schaden wieder gut machen, den alldeutsche Berserkerwut wieder angerichtet hat. Die besten Köpfe, die besten Namen aller Derer, denen deutsch sein mehr bedeutet als gesinnungstüchtiges Gebrüll in Jägerhemd und Lodenmantel, sollten sich zu einer eindrucksvollen Kundgebung schnell zusammentun:
"Schlag sie tot, Patriot!" - nicht die Juden, sondern die für jeden Deutschen schmachvolle Judenhetze!
*
(Erstdruck: Der Aufsatz erschien am 15. April 1920 in der Berliner Zeitschrift "Weltbühne"; aus: S.v.V.: Briefe. 1914 - 1971.S.66f. - Der Aufsatz wurde gekürzt nachgedruckt in: Weimarer Republik. Lesebuch. Hrsg. v. Stephan Reinhardt. Berlin 1982: Wagenbach Verlag. S. 81)
Worterläuterung: sperkeln: ndd.: sich bemühen
In der Weimarer Zeit war Vegesack einer der ersten, der ohne gruppenmäßige Absicherung sich so äußerte:
Siegfried von Vegesack:
"Schlag sie tot, Patriot!"
Ich bin kein Jude. Auch kein besonderer Judenfreund. Aber wenn das so weitergeht wie jetzt, dann könnte man wohl bald das vogelfreie Dasein eines Ostjuden der Schmach, Deutscher zu sein, vorziehen.
Gewiß, man mußte sich auch früher zuweilen als Deutscher schämen. Als alle Welt uns anspie und wir Vertrauen und Achtung wiederzuerringen hofften, indem wir uns selbst bespuckten. Aber damals, als man sich nackt und wehrlos am öffentlichen Pranger der ganzen Welt verhöhnt fühlte - grade damals rief etwas in unserm Innersten: jetzt kannst du dich, jetzt mußt du dich als Deutscher bekennen, denn deutsch sein heißt: verworfen sein - und ist es nicht immer rühmlicher gewesen, statt mit Allen über Einen zu triumphieren, allein von aller Welt verworfen zu werden? Und grade damals, als Millionen von uns ans Auswandern dachten, konnte es für einen Auslandsdeutschen eine schmerzliche Lockung sein, sich im verfolgten und gepeinigten Deutschland dauernd niederzulassen, um an der innersten Gemeinschaft teilzuhaben: an der Gemeinschaft des Unglücks.
Aber heute? Kann man heute noch Deutscher sein, ohne vor Scham sich in den Wäldern verkriechen zu wollen? Heute, wo wir nichts Besseres zu tun haben, als alles Unrecht, das man uns zugefügt hat, am wehrlosen Dritten am Juden auszulassen! Gibt es denn für uns Deutsche nur dies eine Mittel, unser seelisches Gleichgewicht zu bewahren: zu treten, wenn man getreten wird? Gibt es überhaupt etwas Erbärmlicheres, als Prügel eines Stärkeren mit dem Fußtritt gegen einen Schwächern zu quittieren?
Wenn unsre Alldeutschen ahnten, wie undeutsch sie sind! Denn wenn es einen wirklich deutschen Wesenszug gibt (oder richtiger: gab!), der weder bei den Franzosen noch bei den Russen (von den Engländern ganz zu schweigen) so stark entwickelt ist wie bei uns, so ist es der: daß wir Deutsche für fremde Eigenart ein ganz besonderes Verständnis haben, von Shakespeare bis Strindberg, von Dante bis Dostojewski den fremden Herzschlag wie unsern eignen spüren. Und nun sollen wir unser "Deutschtum" durch Pogrome betätigen!
Aber ganz abgesehen von allen Gründen der Moral, des Anstandes und unsrer nationalen Würde (wenn es die noch gibt), ist die Judenhetze wohl das Dümmste, was alldeutscher Eifer zur Erreichung seines Zieles anstellen konnte. Denn wenn es so weiter geht, wird voraussichtlich der anständige Jude mit Selbstgefühl Deutschland verlassen. Und grade die Minderwertigen, die sich unter allen Umständen anpassen, werden bleiben, werden, wenn's nötig ist, ihr Judentum verleugnen und umso schneller in den deutschen Volkskörper eindringen. Es ist so wie mit einer Vergiftung: je heftiger man sich sperkelt, desto rascher und sicherer schreitet sie vor.
Gewiß: das deutsche Volk in seiner Mehrheit steht noch nicht hinter den Pogromhelden. Aber so, wie unsre Feinde von gestern durch unablässiges Hetzen schließlich die ganze Welt von unsrer Minderwertigkeit überzeugten genau so wird es auch der alldeutschen Agitation zuletzt gelingen, alle Verbrechen (und erst recht ihre eignen!) auf die Juden abzuwälzen, wenn nicht eine Gegenaktion erfolgt.
Nicht von jüdischer, sondern von deutscher Seite müßte diese erfolgen.
Nur dann könnte sie vielleicht etwas von dem ungeheuern Schaden wieder gut machen, den alldeutsche Berserkerwut wieder angerichtet hat. Die besten Köpfe, die besten Namen aller Derer, denen deutsch sein mehr bedeutet als gesinnungstüchtiges Gebrüll in Jägerhemd und Lodenmantel, sollten sich zu einer eindrucksvollen Kundgebung schnell zusammentun:
"Schlag sie tot, Patriot!" - nicht die Juden, sondern die für jeden Deutschen schmachvolle Judenhetze!
*
(Erstdruck: Der Aufsatz erschien am 15. April 1920 in der Berliner Zeitschrift "Weltbühne"; aus: S.v.V.: Briefe. 1914 - 1971.S.66f. - Der Aufsatz wurde gekürzt nachgedruckt in: Weimarer Republik. Lesebuch. Hrsg. v. Stephan Reinhardt. Berlin 1982: Wagenbach Verlag. S. 81)
Worterläuterung: sperkeln: ndd.: sich bemühen
Rudolf Alexander Schröder: Ich habe ihn bei einer Dichterlesung in München erlebt, kann mich aber nur noch an seine Kippa erinnern (s. Bild im Link!). Wichtig ist, dass er der Bekennenden Kirche nahestand. Einige seiner geistlichen Gedichte wurden ins Evangelische Kirchengesangbuch aufgenommen. Hier die erste Strophe eines Weihnachtsliedes (1937), Melodie von Christian Lahusen (1948):
Mit Schall von Zungen ist hell erklungen
zunacht in Lüften ein fröhlich Lied.
Viel Engel schwungen sich her und sungen:
Ehre sei Gott und auf Erden Fried.
Rudolf Alexander Schröder
Clara
Mit Schall von Zungen ist hell erklungen
zunacht in Lüften ein fröhlich Lied.
Viel Engel schwungen sich her und sungen:
Ehre sei Gott und auf Erden Fried.
Rudolf Alexander Schröder
Clara
Re: Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge II. - Nachtrag zu Anton Tschechow
geschrieben von longtime
Nachtrag zu Cardenal:
»Ich muss optimistisch sein«
Der Priester, Dichter und Revolutionär Ernesto Cardenal aus Nicaragua feiert 85. Geburtstag.
»Ich muss optimistisch sein«
Der Priester, Dichter und Revolutionär Ernesto Cardenal aus Nicaragua feiert 85. Geburtstag.
Re: Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge II. - Nachtrag zu Ernesto Cardenal
geschrieben von longtime
Ich habe die einzelnen Termine gefunden:
Konzertlesereise der Grupo Sal und Ernesto Cardenal
"DEN HIMMEL BERÜHREN"
Ernesto Cardenal und die Grupo Sal gehen gemeinsam erneut auf Lesereise. Cardenal liest ausgewählte Texte und wird musikalisch von der Grupo Sal, der "Stimme Lateinamerikas" im deutschsprachigen Europa begleitet.
Folgende Tourtermine stehen fest:
9.3. München,
10.3. Münster,
11.3. Altenkirchen,
12.3. Wilhelmshaven,
13.3. Recklinghausen,
14.3. Lingen,
15.3. Paderborn,
16.3. Hamburg,
17.3. Hildesheim,
18.3. Berlin,
19.3. Leipzig,
20.3. Lich
*
Konzertlesereise der Grupo Sal und Ernesto Cardenal
"DEN HIMMEL BERÜHREN"
Ernesto Cardenal und die Grupo Sal gehen gemeinsam erneut auf Lesereise. Cardenal liest ausgewählte Texte und wird musikalisch von der Grupo Sal, der "Stimme Lateinamerikas" im deutschsprachigen Europa begleitet.
Folgende Tourtermine stehen fest:
9.3. München,
10.3. Münster,
11.3. Altenkirchen,
12.3. Wilhelmshaven,
13.3. Recklinghausen,
14.3. Lingen,
15.3. Paderborn,
16.3. Hamburg,
17.3. Hildesheim,
18.3. Berlin,
19.3. Leipzig,
20.3. Lich
*
27. Januar:
Heute ein besonderer Hinweis:
Seit 1996 in Deutschland, seit 2005 weltweit offizieller „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ und erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.
Ich glaube, in jeder großen Stadt gibt es Veranstaltungen, die auf diese
Menschheitsverpflichtung hinweisen.
Ich verweise zu diesem Thema auf den Film "Der Junge im gestreiften_Pyjama": (Regie: Mark Herman) und verweise auch auf das Buch von John Boyne.
Z.B. hier wird er aufgeführt:
In RE: „Der Junge im gestreiften Pyjama„Der Junge im gestreiften Pyjama“
*
Erinnerungstage für heute:
David Friedrich Strauß
Michail Saltykow-Schtschedrin
Lewis Carroll
Ernst Penzoldt
Bernd Jentzsch
John Updike
Heute ein besonderer Hinweis:
Seit 1996 in Deutschland, seit 2005 weltweit offizieller „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ und erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.
Ich glaube, in jeder großen Stadt gibt es Veranstaltungen, die auf diese
Menschheitsverpflichtung hinweisen.
Ich verweise zu diesem Thema auf den Film "Der Junge im gestreiften_Pyjama": (Regie: Mark Herman) und verweise auch auf das Buch von John Boyne.
Z.B. hier wird er aufgeführt:
In RE: „Der Junge im gestreiften Pyjama„Der Junge im gestreiften Pyjama“
*
Erinnerungstage für heute:
David Friedrich Strauß
Michail Saltykow-Schtschedrin
Lewis Carroll
Ernst Penzoldt
Bernd Jentzsch
John Updike
Re: Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge II. - 27. 01.
Longtime - wie wohltuend, dass du hier in einem anderen Kontext an diesen Tag erinnerst.
Mein Versuch, einfach nur auf die Gedenkstunde die heute im Bundestag stattfindet zu erinnert, hat manche Facetten des ST gezeigt, die sprachlos machen.
Ich möchte diesen Tag würdigen, mit einem Auszug aus der Rede von Martin Buber, anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1953 - also gerade mal 8 Jahre nach der Befreiung des KZs Auschwitz.
Liebe Grüße
Miriam
Mein Versuch, einfach nur auf die Gedenkstunde die heute im Bundestag stattfindet zu erinnert, hat manche Facetten des ST gezeigt, die sprachlos machen.
Ich möchte diesen Tag würdigen, mit einem Auszug aus der Rede von Martin Buber, anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1953 - also gerade mal 8 Jahre nach der Befreiung des KZs Auschwitz.
Liebe Grüße
Miriam
Ja, Bubers Geist! - Ein schöner Beitrag, miriam!
*
David Friedrich Strauß (27.01.1808 - 8.02.1874) - ein unabhängiger, evangelischer Kopf im süddeutschen Biedermeier.
Sein Hauptwerk, das ein Vorläufer wurde für Albert Schweizers Leben-Jesu-Forschung:
„Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet“. -Volksausgabe in ungekürzter Form. 2 Bde. Stuttgart; Leben Jesu. 1835.
Strauß war neben anderen philosophischen Intellektuellen seiner Zeit, die alle nicht anerkannt wurden, theologisch oder politisich, ein Freund Mörikes.
Über Strauß im BBKL:
Der erste Leben-Jesu-Forscher Strauß
*
David Friedrich Strauß (27.01.1808 - 8.02.1874) - ein unabhängiger, evangelischer Kopf im süddeutschen Biedermeier.
Sein Hauptwerk, das ein Vorläufer wurde für Albert Schweizers Leben-Jesu-Forschung:
„Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet“. -Volksausgabe in ungekürzter Form. 2 Bde. Stuttgart; Leben Jesu. 1835.
Strauß war neben anderen philosophischen Intellektuellen seiner Zeit, die alle nicht anerkannt wurden, theologisch oder politisich, ein Freund Mörikes.
Über Strauß im BBKL:
Der erste Leben-Jesu-Forscher Strauß