Literatur Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge 1:
Literatur-Kalenderblättchen ab 1.01.:
Ich will eine neue Folge eröffnen, die ich auch um einige Namen ergänze.
Jeder kann nach seinem Geschmack, seinen Vorlieben, seinen Interessen ... Beiträge, auch zu neuen Namen einbringen.
Zum 1.01.:
Jakob Wassermann
Zum 2.01.:
Ernst Barlach
Jaroslav Hašek
Ulrich Becher
3.01.:
Konrad Duden
J.R.R. Tolkien
Jiří Karel Wolker
Robert Neumann
Rose Ausländer
**
Zum 4.1.:
Jakob Grimm
Albert Camus
Alfred Magul-Sperber
Carlo Levi
**
Zum 05.01.:
Friedrich Dürrenmatt
Umberto Eco
*
Weitere Vorschläge erwünscht!
*
Ich verweise auf einen neu entdeckten Kalender:
Jubiläen der Dichter und Grafiker des Poesiealbums im Jahr 2010
Ich will eine neue Folge eröffnen, die ich auch um einige Namen ergänze.
Jeder kann nach seinem Geschmack, seinen Vorlieben, seinen Interessen ... Beiträge, auch zu neuen Namen einbringen.
Zum 1.01.:
Jakob Wassermann
Zum 2.01.:
Ernst Barlach
Jaroslav Hašek
Ulrich Becher
3.01.:
Konrad Duden
J.R.R. Tolkien
Jiří Karel Wolker
Robert Neumann
Rose Ausländer
**
Zum 4.1.:
Jakob Grimm
Albert Camus
Alfred Magul-Sperber
Carlo Levi
**
Zum 05.01.:
Friedrich Dürrenmatt
Umberto Eco
*
Weitere Vorschläge erwünscht!
*
Ich verweise auf einen neu entdeckten Kalender:
Jubiläen der Dichter und Grafiker des Poesiealbums im Jahr 2010
Re: Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge 1: Der Dichter J.Wolker
geschrieben von longtime
Ein Beitrag zum 3.Januar:
Jiří Wolker (29.03.1900-3.01.1924; ein tschechischer Dichter:
Zur Biografie empfehle ich den Link:
Sein Stil der Einfachheit, der Sensibilität, des unprätentiösen Konkretismus imponiert mir; er hatte auch, s. den Wiki-Artikel – natürlich geistverwandte Freunde und Mit-Zeitgenossen.
Er gehörte zur traumatisierten Generation des „Großen Weltkrieges“, wie man damals den „ersten“ Weltkrieg nannte.
Er verstand sich auch als proletarischer, aber nicht kommunistischer Dichter.
Jiri Wolker:
Epitaph
Zde leží Jiří Wolker, básník, jenž miloval svět
a pro spravedlnost jeho šel se bít.
Dřív než moh' srdce k boji vytasit,
zemřel - mlád dvacet čtyři let.
Wolkers Epitaph
(Von einem unbekannten Autor übersetzt)
Liegt hier Jiri Wolker, Dichter, der Welt liebte,
und für seine Gerechtigkeit wollte kämpfen.
Bevor er sein Herz in Schlacht heraus stoßen könnte,
er starb, nur, als er vierundzwanzig war.
Eine andere Übersetzung eines Unbekannten:
Epitaph
Hier liegt ein Dichter, Jiří Wolker, einen Sprung
im Herzen, das der Welt in Liebe schlug,
als er es wie ein Schwert zum Kampfe trug,
verstarb er - vierundzwanzig Jahre jung.
*
Das berühmte Winter-Gedicht in zwei Übersetzungen:
Winter
(Übersetzt von Paul Krontorad)
Ich sage euch, dass der Winter kein Greis ist
im Pelz, mit einem hölzernen Packkorb,
hingegen ist er ein halbentblößtes Mädchen,
das im sechsten Stock durchnäßte Schuhe trocknet
über einem erblauten Herzen.
*
Der Winter
(Übersetzung von Josef Mühlberger)
Ich weiß: der Winter ist kein Nikolaus im Pelz
mit einem vollen Rückenkorb aus Weidenruten,
sondern ein halbausgezogenes Mädchen,
das im sechsten Stock mit frierendem Herzen
seine nassen Schuhe trocknet.
*
Jiri Wolker:
Der Briefkasten
Der Briefkasten an der Straßenecke
ist nicht einfach irgendein Ding.
Er blüht blau,
und alle Leute sind ihm zugetan,
vertrauen sich ihm gänzlich an,
werfen Briefe hinein von zwei Seiten,
von der einen die traurigen, von der andern die heitren.
Die Briefe sind weiß wie Blütenstaub
und warten auf Züge, auf Schiffe und auf einen Menschen,
daß er sie in die Fernen ausstreut wie Hummel und Wind,
dorthin, wo Herzen sind,
roten Blütennarben,
versteckt in rosiger Hülle.
Und ist ein Brief am Ziele,
wachsen Früchte drauf,
süße oder herbe.
*
Jiri Wolker:
Die ferne Geliebte
Von einem unbekannten Übersetzer
Gestern waren bei mir alle Tode zu Besuch
- der Darm setzte sich in den großen Lehnstuhl -,
die Nierchen hatten auf dem Pott ihr Pläsierchen,
Die Zehnnägel krallten sich,
De Krebs kroch vorwärts,
aber als ich sie während des Gesprächs gefragt,
ob einer meine Geliebte irgendwo gesehn,
standen sie alle auf,
sie suchen zu gehn.
Sie gingen in eine sehr entfernte Gegend,
daher waren sie heut nicht zu sehen.
Es regnet in meine Stube und ist sehr dunkel,
in der Dämmerung nehm ich von allen Dingen Abschied:
von der Geige, den Büchern, dem Tisch.
Der Herrgott schuldet mir ein Mädchen fröhlich, frisch,
das er irgendwo fern versteckt.
Sterne und Mond sind schon sehr alt,
ich glaube nicht, daß ihnen gelingt,
bis dorthin zu kommen.
Da muß ich schon selbst gehn.
**
Die ferne Geliebte
- Übertragen von Josef Mühlberger -
Gestern waren bei mir alle Sterne
zu Besuch
- der Mond setzte sich in den großen Lehnstuhl -,
aber als ich sie während des Gesprächs gefragt,
ob einer meine Geliebte irgendwo gesehn,
standen sie alle auf,
sie suchen zu gehn.
Sie gingen in eine sehr entfernte Gegend,
daher waren sie heut nicht zu sehen.
Es regnet in meine Stube und ist sehr dunkel,
in der Dämmerung nehm ich von allen Dingen Abschied:
von der Geige, den Büchern, dem Tisch.
Der Herrgott schuldet mir ein Mädchen fröhlich, frisch,
das er irgendwo fern versteckt.
Sterne und Mond sind schon sehr alt,
ich glaube nicht, daß ihnen gelingt,
bis dorthin zu kommen.
Da muß ich schon selbst gehn.
*
Abschließen will ich hier mit einem Gedicht Wolkers, das mir helle, luftige Frühlings-, ja Sonnen-Assoziationen bietet: Wie man auch im Winter mit Hoffnungsgefühlen umgehen kann:
Jiri WOLKER
Der Schüler
(Übertragen von Pavel Petr)
Im Walde zu lernen,
das bedeutet Höllengeduld.
Der Wald hat einen stachligen Schwanz
und kitzelt damit unter der Nase, in den Ohren und Augen.
Schüler,
das Buch schimpft dich im Schatten einen Dummkopf,
- schlag es tot!
Spring
in die Sonne!
Die Sonne lacht, bis der Himmel dröhnt.
Sie ruft dir mit bronzener Stimme zu:
»Junge,
alles kannst du schon, was man für zwanzig Jahren braucht!
Wirf die Welt
in meine Arme,
packe sie in dein Herz ein,
um sie nicht zu beschädigen!“
Jiří Wolker (29.03.1900-3.01.1924; ein tschechischer Dichter:
Zur Biografie empfehle ich den Link:
Sein Stil der Einfachheit, der Sensibilität, des unprätentiösen Konkretismus imponiert mir; er hatte auch, s. den Wiki-Artikel – natürlich geistverwandte Freunde und Mit-Zeitgenossen.
Er gehörte zur traumatisierten Generation des „Großen Weltkrieges“, wie man damals den „ersten“ Weltkrieg nannte.
Er verstand sich auch als proletarischer, aber nicht kommunistischer Dichter.
Jiri Wolker:
Epitaph
Zde leží Jiří Wolker, básník, jenž miloval svět
a pro spravedlnost jeho šel se bít.
Dřív než moh' srdce k boji vytasit,
zemřel - mlád dvacet čtyři let.
Wolkers Epitaph
(Von einem unbekannten Autor übersetzt)
Liegt hier Jiri Wolker, Dichter, der Welt liebte,
und für seine Gerechtigkeit wollte kämpfen.
Bevor er sein Herz in Schlacht heraus stoßen könnte,
er starb, nur, als er vierundzwanzig war.
Eine andere Übersetzung eines Unbekannten:
Epitaph
Hier liegt ein Dichter, Jiří Wolker, einen Sprung
im Herzen, das der Welt in Liebe schlug,
als er es wie ein Schwert zum Kampfe trug,
verstarb er - vierundzwanzig Jahre jung.
*
Das berühmte Winter-Gedicht in zwei Übersetzungen:
Winter
(Übersetzt von Paul Krontorad)
Ich sage euch, dass der Winter kein Greis ist
im Pelz, mit einem hölzernen Packkorb,
hingegen ist er ein halbentblößtes Mädchen,
das im sechsten Stock durchnäßte Schuhe trocknet
über einem erblauten Herzen.
*
Der Winter
(Übersetzung von Josef Mühlberger)
Ich weiß: der Winter ist kein Nikolaus im Pelz
mit einem vollen Rückenkorb aus Weidenruten,
sondern ein halbausgezogenes Mädchen,
das im sechsten Stock mit frierendem Herzen
seine nassen Schuhe trocknet.
*
Jiri Wolker:
Der Briefkasten
Der Briefkasten an der Straßenecke
ist nicht einfach irgendein Ding.
Er blüht blau,
und alle Leute sind ihm zugetan,
vertrauen sich ihm gänzlich an,
werfen Briefe hinein von zwei Seiten,
von der einen die traurigen, von der andern die heitren.
Die Briefe sind weiß wie Blütenstaub
und warten auf Züge, auf Schiffe und auf einen Menschen,
daß er sie in die Fernen ausstreut wie Hummel und Wind,
dorthin, wo Herzen sind,
roten Blütennarben,
versteckt in rosiger Hülle.
Und ist ein Brief am Ziele,
wachsen Früchte drauf,
süße oder herbe.
*
Jiri Wolker:
Die ferne Geliebte
Von einem unbekannten Übersetzer
Gestern waren bei mir alle Tode zu Besuch
- der Darm setzte sich in den großen Lehnstuhl -,
die Nierchen hatten auf dem Pott ihr Pläsierchen,
Die Zehnnägel krallten sich,
De Krebs kroch vorwärts,
aber als ich sie während des Gesprächs gefragt,
ob einer meine Geliebte irgendwo gesehn,
standen sie alle auf,
sie suchen zu gehn.
Sie gingen in eine sehr entfernte Gegend,
daher waren sie heut nicht zu sehen.
Es regnet in meine Stube und ist sehr dunkel,
in der Dämmerung nehm ich von allen Dingen Abschied:
von der Geige, den Büchern, dem Tisch.
Der Herrgott schuldet mir ein Mädchen fröhlich, frisch,
das er irgendwo fern versteckt.
Sterne und Mond sind schon sehr alt,
ich glaube nicht, daß ihnen gelingt,
bis dorthin zu kommen.
Da muß ich schon selbst gehn.
**
Die ferne Geliebte
- Übertragen von Josef Mühlberger -
Gestern waren bei mir alle Sterne
zu Besuch
- der Mond setzte sich in den großen Lehnstuhl -,
aber als ich sie während des Gesprächs gefragt,
ob einer meine Geliebte irgendwo gesehn,
standen sie alle auf,
sie suchen zu gehn.
Sie gingen in eine sehr entfernte Gegend,
daher waren sie heut nicht zu sehen.
Es regnet in meine Stube und ist sehr dunkel,
in der Dämmerung nehm ich von allen Dingen Abschied:
von der Geige, den Büchern, dem Tisch.
Der Herrgott schuldet mir ein Mädchen fröhlich, frisch,
das er irgendwo fern versteckt.
Sterne und Mond sind schon sehr alt,
ich glaube nicht, daß ihnen gelingt,
bis dorthin zu kommen.
Da muß ich schon selbst gehn.
*
Abschließen will ich hier mit einem Gedicht Wolkers, das mir helle, luftige Frühlings-, ja Sonnen-Assoziationen bietet: Wie man auch im Winter mit Hoffnungsgefühlen umgehen kann:
Jiri WOLKER
Der Schüler
(Übertragen von Pavel Petr)
Im Walde zu lernen,
das bedeutet Höllengeduld.
Der Wald hat einen stachligen Schwanz
und kitzelt damit unter der Nase, in den Ohren und Augen.
Schüler,
das Buch schimpft dich im Schatten einen Dummkopf,
- schlag es tot!
Spring
in die Sonne!
Die Sonne lacht, bis der Himmel dröhnt.
Sie ruft dir mit bronzener Stimme zu:
»Junge,
alles kannst du schon, was man für zwanzig Jahren braucht!
Wirf die Welt
in meine Arme,
packe sie in dein Herz ein,
um sie nicht zu beschädigen!“
Re: Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge 1:
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Hallo,
ich möchte mal auf Umberto Eco eingehen. Ein berühmtes Werk ist "Der Name der Rose", was auch verfilmt wurde mit Sean Connery als William von Baskerville in der Hauptrolle.
Umberto Eco
lg
spatzl
ich möchte mal auf Umberto Eco eingehen. Ein berühmtes Werk ist "Der Name der Rose", was auch verfilmt wurde mit Sean Connery als William von Baskerville in der Hauptrolle.
Umberto Eco
lg
spatzl
Der Film hat mir zwar auch gefallen, kann aber die Lektüre bei weitem nicht ersetzen. Im Buch wird alles so akribisch beschrieben, man kann die Phantasie richtig schweifen lassen. Außerdem lernt man auf unterhaltsame Weise eine Menge über eine spannende mittelalterliche Epoche.
Clara
Clara
Albert Camus
(o7.11.1913 - 04.01.1960) war ein französischer Philosoph und Schriftsteller. 1957 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Walter Jens schrieb über ihn in der "Zeit": "Welch ein Stil! Welche Präzision und Eleganz, Sparsamkeit und visionäre Plastizität! Daß es auch in unserm Jahrhundert noch möglich ist, Wahrheit und Schönheit, Maß und Vision, Eleganz und Unbestechlichkeit zu vereinigen, schenkt uns Vertrauen zum Gewesenen, tröstet uns in der Dunkelheit des Tages, läßt uns hoffen für morgen."
Ich lese gerade seine "Gesammelten Erzählungen" (Rowohlt Verlag, Hamburg 1966). Hier eine kleine Textprobe aus "Der Fall":
"Denn war nicht eben gerade dies das Paradies, Verehrtester: die Tuchfühlung mit dem Leben? Ich besaß sie. Ich habe es nie nötig gehabt, Lebenskunst zu lernen; dieses Wissen wurde mir in die Wiege gelegt. Es gibt Leute, für die die Schwierigkeit darin besteht, sich die Mitmeinschen vom Leibe zu halten oder zumindest irgendwie mit ihnen zurechtzukommen. Für mich war das kein Problem. Ich war vertraulich zur rechten Zeit, schweigsam, wenn es not tat, der heiteren Ungezwungenheit ebenso fähig wie der würdigen Förmlichkeit, und traf immer den richtigen Ton. Ich war dann auch sehr beliebt und hatte zahllose gesellschaftliche Erfolge. Ich besaß ein angenehmes Äußeres, erwies mich sowohl unermüdlich beim Tanzen als auch unaufdringlich gebildet im Gespräch, ich brachte es fertig, gleichzeitig die Frauen und die Gerechtigkeit zu lieben, was gar nicht einfach ist, ich betrieb Sport und war den schönen Künsten zugetan, kurzum, ich will nicht weiterfahren, sonst könnten Sie mich am Ende der Selbstgefälligkeit zeihen. Stellen Sie sich also einen Mann in den besten Jahren vor, der sich einer ausgezeichneten Gesundheit erfreut und glänzend begabt ist, geschickt in den Übungen des Körpers wie in denen des Geistes, weder arm noch reich, der gut schläft und zutiefst zufrieden ist mit sich selber, ohne dies jedoch anders zu zeigen als durch eine heitere Umgänglichkeit. Dann werden Sie zugeben, daß ich in aller Bescheidenheit von einem geglückten Leben sprechen darf.
Welling
(o7.11.1913 - 04.01.1960) war ein französischer Philosoph und Schriftsteller. 1957 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Walter Jens schrieb über ihn in der "Zeit": "Welch ein Stil! Welche Präzision und Eleganz, Sparsamkeit und visionäre Plastizität! Daß es auch in unserm Jahrhundert noch möglich ist, Wahrheit und Schönheit, Maß und Vision, Eleganz und Unbestechlichkeit zu vereinigen, schenkt uns Vertrauen zum Gewesenen, tröstet uns in der Dunkelheit des Tages, läßt uns hoffen für morgen."
Ich lese gerade seine "Gesammelten Erzählungen" (Rowohlt Verlag, Hamburg 1966). Hier eine kleine Textprobe aus "Der Fall":
"Denn war nicht eben gerade dies das Paradies, Verehrtester: die Tuchfühlung mit dem Leben? Ich besaß sie. Ich habe es nie nötig gehabt, Lebenskunst zu lernen; dieses Wissen wurde mir in die Wiege gelegt. Es gibt Leute, für die die Schwierigkeit darin besteht, sich die Mitmeinschen vom Leibe zu halten oder zumindest irgendwie mit ihnen zurechtzukommen. Für mich war das kein Problem. Ich war vertraulich zur rechten Zeit, schweigsam, wenn es not tat, der heiteren Ungezwungenheit ebenso fähig wie der würdigen Förmlichkeit, und traf immer den richtigen Ton. Ich war dann auch sehr beliebt und hatte zahllose gesellschaftliche Erfolge. Ich besaß ein angenehmes Äußeres, erwies mich sowohl unermüdlich beim Tanzen als auch unaufdringlich gebildet im Gespräch, ich brachte es fertig, gleichzeitig die Frauen und die Gerechtigkeit zu lieben, was gar nicht einfach ist, ich betrieb Sport und war den schönen Künsten zugetan, kurzum, ich will nicht weiterfahren, sonst könnten Sie mich am Ende der Selbstgefälligkeit zeihen. Stellen Sie sich also einen Mann in den besten Jahren vor, der sich einer ausgezeichneten Gesundheit erfreut und glänzend begabt ist, geschickt in den Übungen des Körpers wie in denen des Geistes, weder arm noch reich, der gut schläft und zutiefst zufrieden ist mit sich selber, ohne dies jedoch anders zu zeigen als durch eine heitere Umgänglichkeit. Dann werden Sie zugeben, daß ich in aller Bescheidenheit von einem geglückten Leben sprechen darf.
Welling
Gruß an welling!
*
Ich ergänze ihn:
Gao Xingjian (4. Januar 1940, den ersten chinesischen Literatur-Nobelpreisträger: europäisch zivilisiert; französischer Staatsbürger; unerwünscht und ignoriert im Chinesisch-Kapitalien.
*
Ich ergänze ihn:
Gao Xingjian (4. Januar 1940, den ersten chinesischen Literatur-Nobelpreisträger: europäisch zivilisiert; französischer Staatsbürger; unerwünscht und ignoriert im Chinesisch-Kapitalien.
Re: Literatur-Kalender fuer das Jahr 2010 - Januar-Folge 1: Der Dichter J.Wolker
geschrieben von longtime
Ich ergänze noch einen wunderschönen lyrischen Text von Wolker.
Man kann es ein naturreligiöses, ein ökologisches, ein anthropologisches Gedicht nennen.
Jiri Wolker:
Ernte
(Übertragen von Louis Fürnberg)
Ein großer Dichter ist die Sonne,
und mit goldener Feder
schrieb sie ihr schönes Gedicht
auf unsere Erde.
Männer ohne Rock,
Frauen mit roten Kopftüchern,
Kinder an den Schößen der Mütter
lesen und lesen und lesen
den
ganzen langen Tag.
Auf dem Hügelchen über dem Feld
will auch ich das Gedicht aufsagen,
rufen,
damit die Greise im Dorf über die Schwelle träten
und hörten, was die Sonne schrieb,
aber die Worte sind so groß,
daß sie nicht über meine Lippen können,
und ich fühle nur, ich bin:
eine Ähre im Rain,
ein Buchstabe,
ein Ausrufzeichen!
*
© Aufbau Verlag.
(Aus: Die Sonnenuhr. Tschechische Lyrik aus elf Jahrhunderten. Teil 3. Hg. von Ludvik Kundera. Leipzig 1978: RUB 1154. S. 128)
**
Mich würde interessieren, ob diese poetische "Ernte" hier jemand besonders anspricht - und warum.
Man kann es ein naturreligiöses, ein ökologisches, ein anthropologisches Gedicht nennen.
Jiri Wolker:
Ernte
(Übertragen von Louis Fürnberg)
Ein großer Dichter ist die Sonne,
und mit goldener Feder
schrieb sie ihr schönes Gedicht
auf unsere Erde.
Männer ohne Rock,
Frauen mit roten Kopftüchern,
Kinder an den Schößen der Mütter
lesen und lesen und lesen
den
ganzen langen Tag.
Auf dem Hügelchen über dem Feld
will auch ich das Gedicht aufsagen,
rufen,
damit die Greise im Dorf über die Schwelle träten
und hörten, was die Sonne schrieb,
aber die Worte sind so groß,
daß sie nicht über meine Lippen können,
und ich fühle nur, ich bin:
eine Ähre im Rain,
ein Buchstabe,
ein Ausrufzeichen!
*
© Aufbau Verlag.
(Aus: Die Sonnenuhr. Tschechische Lyrik aus elf Jahrhunderten. Teil 3. Hg. von Ludvik Kundera. Leipzig 1978: RUB 1154. S. 128)
**
Mich würde interessieren, ob diese poetische "Ernte" hier jemand besonders anspricht - und warum.
Zum 05.01. möchte ich zu Friedrich Dürrenmatt was beitragen:
und zwar einen Brief von Marion Dönhoff an F.D.:
Der Zusammenhang sei benannt:
Jedes Jahr im Juli schrieb Marion Dönhoff einen Artikel zum Gedenken an den Tag des Attentats vom 20. Juli 1944 auf Hitler; sie kannte einige der Mutigen, aber Gescheiterten, aus ihrem sozialen und persönlichen Umfeld, persönlich.
1984 macht sie dem Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt brieflich folgenden Vorschlag.
Hamburg 20. Juli 1984
Lieber Herr Dürrenmatt,
ich habe während der letzten Monate hin und wieder versucht, festzustellen, ob es möglich sei, Sie einmal in der Schweiz oder hier in Deutschland zu treffen. Nicht erwähnt habe ich dabei, daß diesem Wunsch ein ganz konkretes, egoistisches Motiv zugrundeliegt.
Ich darf es Ihnen kurz schildern: Ich war sehr eng befreundet mit einigen Leuten vom 20. Juli, mit denen ich in jener Zeit zusammengearbeitet habe, und es schmerzt mich sehr, daß es offenbar unmöglich ist, der heutigen Generation etwas von dem Geist und den Wertvorstellungen dieser Menschen zu vermitteln. Die Historiker sind dazu am allerwenigsten in der Lage, denn sie neigen dazu, jene absurde Zeit mit der heutigen Elle zu messen. Ich meine, die einzige Art, in der es vielleicht gelingen könnte, etwas von dem dramatischen Geschehen zu vermitteln, wäre die Übersetzung in eine künstlerische Form. Es gibt heute nicht mehr viele, die an jenen Ereignissen in irgendeiner Weise beteiligt waren und die mithin die Atmosphäre und die Akteure kennen. Für mich trifft dies zu, und darum fühle ich mich in gewisser Weise verpflichtet, darüber nachzudenken, was man machen könnte. Das Sinnvollste wäre es, ein Stück zu schreiben. Schreiben ist mir zwar nach vieljähriger Beschäftigung in diesem Metier nicht fremd, aber ob es einem ephemeren Journalisten gelingen kann, ein Stück zu schreiben, ist mehr als fraglich. Und eben darum würde ich so gern einmal eine Stunde mit Ihnen reden dürfen, um mir darüber klar zu werden, wie man gegebenenfalls ein solches Unternehmen starten beziehungsweise, wie man es strukturieren, also den Aufbau konzipieren müßte. Ich weiß, es ist sehr vermessen, und wenn ich nicht eine Art Verpflichtung empfinden würde, würde ich im Traum nicht daran denken, so etwas zu unternehmen. Ich habe gerade zum 40. Jahrestag des 20. Juli eine Seite in der ZEIT geschrieben, die ich beifüge; desgleichen eine Schrift, die ich 1945 gleich nach Kriegsende verfaßt habe, weil ich glaubte, daß viele der Hinterbliebenen bei der hohen Geheimhaltung, die notwendig war, vielleicht gar nicht wußten, warum ihre Männer oder Brüder hingerichtet worden waren. Es war damals das erste, was über den 20. Juli erschien und ist darum natürlich lückenhaft. Nur gäbt es in etwa eine Idee von dem geistigen Hintergrund.
Hoffentlich falle ich Ihnen nicht allzu sehr zur Last schon allein mit der Lektüre dieses Briefes.
Ich darf vielleicht noch hinzufügen, daß ich am 28. September zu einer Diskussion mit Carl Friedrich von Weizsäcker in Basel bin und gegebenenfalls danach zur Verfügung stehe.
Nur möchte ich eines betonen: Wenn Sie das Ganze für vollkommen abwegig halten, sollten Sie es mir ehrlich sagen und keine Zeit darauf verschwenden.
Mit besten Grüßen
Ihre Marion Dönhoff
(Aus: Marion Dönhoff: Ein Leben in Briefen. Hamburg 2009. S. 203f.)
*
Dürrenmatt hat in einem ausführlichen Antwortbrief, der aber nicht abgedruckt wurde in diesem Buch, das Thema des deutschen Widerstands gegen die Hitlerei für außerordentlich wichtig erklärt; sah aber keine Möglichkeit, sich der Thematik mit Hilfe seiner persönlichen, dramatischen Kunst und seiner schriftstellerischen Pläne zu nähern.
und zwar einen Brief von Marion Dönhoff an F.D.:
Der Zusammenhang sei benannt:
Jedes Jahr im Juli schrieb Marion Dönhoff einen Artikel zum Gedenken an den Tag des Attentats vom 20. Juli 1944 auf Hitler; sie kannte einige der Mutigen, aber Gescheiterten, aus ihrem sozialen und persönlichen Umfeld, persönlich.
1984 macht sie dem Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt brieflich folgenden Vorschlag.
Hamburg 20. Juli 1984
Lieber Herr Dürrenmatt,
ich habe während der letzten Monate hin und wieder versucht, festzustellen, ob es möglich sei, Sie einmal in der Schweiz oder hier in Deutschland zu treffen. Nicht erwähnt habe ich dabei, daß diesem Wunsch ein ganz konkretes, egoistisches Motiv zugrundeliegt.
Ich darf es Ihnen kurz schildern: Ich war sehr eng befreundet mit einigen Leuten vom 20. Juli, mit denen ich in jener Zeit zusammengearbeitet habe, und es schmerzt mich sehr, daß es offenbar unmöglich ist, der heutigen Generation etwas von dem Geist und den Wertvorstellungen dieser Menschen zu vermitteln. Die Historiker sind dazu am allerwenigsten in der Lage, denn sie neigen dazu, jene absurde Zeit mit der heutigen Elle zu messen. Ich meine, die einzige Art, in der es vielleicht gelingen könnte, etwas von dem dramatischen Geschehen zu vermitteln, wäre die Übersetzung in eine künstlerische Form. Es gibt heute nicht mehr viele, die an jenen Ereignissen in irgendeiner Weise beteiligt waren und die mithin die Atmosphäre und die Akteure kennen. Für mich trifft dies zu, und darum fühle ich mich in gewisser Weise verpflichtet, darüber nachzudenken, was man machen könnte. Das Sinnvollste wäre es, ein Stück zu schreiben. Schreiben ist mir zwar nach vieljähriger Beschäftigung in diesem Metier nicht fremd, aber ob es einem ephemeren Journalisten gelingen kann, ein Stück zu schreiben, ist mehr als fraglich. Und eben darum würde ich so gern einmal eine Stunde mit Ihnen reden dürfen, um mir darüber klar zu werden, wie man gegebenenfalls ein solches Unternehmen starten beziehungsweise, wie man es strukturieren, also den Aufbau konzipieren müßte. Ich weiß, es ist sehr vermessen, und wenn ich nicht eine Art Verpflichtung empfinden würde, würde ich im Traum nicht daran denken, so etwas zu unternehmen. Ich habe gerade zum 40. Jahrestag des 20. Juli eine Seite in der ZEIT geschrieben, die ich beifüge; desgleichen eine Schrift, die ich 1945 gleich nach Kriegsende verfaßt habe, weil ich glaubte, daß viele der Hinterbliebenen bei der hohen Geheimhaltung, die notwendig war, vielleicht gar nicht wußten, warum ihre Männer oder Brüder hingerichtet worden waren. Es war damals das erste, was über den 20. Juli erschien und ist darum natürlich lückenhaft. Nur gäbt es in etwa eine Idee von dem geistigen Hintergrund.
Hoffentlich falle ich Ihnen nicht allzu sehr zur Last schon allein mit der Lektüre dieses Briefes.
Ich darf vielleicht noch hinzufügen, daß ich am 28. September zu einer Diskussion mit Carl Friedrich von Weizsäcker in Basel bin und gegebenenfalls danach zur Verfügung stehe.
Nur möchte ich eines betonen: Wenn Sie das Ganze für vollkommen abwegig halten, sollten Sie es mir ehrlich sagen und keine Zeit darauf verschwenden.
Mit besten Grüßen
Ihre Marion Dönhoff
(Aus: Marion Dönhoff: Ein Leben in Briefen. Hamburg 2009. S. 203f.)
*
Dürrenmatt hat in einem ausführlichen Antwortbrief, der aber nicht abgedruckt wurde in diesem Buch, das Thema des deutschen Widerstands gegen die Hitlerei für außerordentlich wichtig erklärt; sah aber keine Möglichkeit, sich der Thematik mit Hilfe seiner persönlichen, dramatischen Kunst und seiner schriftstellerischen Pläne zu nähern.
Denkmal für Khalil Gibran (6.01.1883 - 10.04.1931) in Washington D.C.:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:KhalilGibranMemorial01.jpg&filetimestamp=20050510172008
Mit wieviel Verspätung dieser „Goethe des Ostens“ in den Westen gelangte; aber auch, ob er im arabischen Raum überhaupt akzeptiert wird, dass seine friedlich-humanistischen Selbstverständlichkeiten dort z. B. in den Schulen behandelt werden – Wunderlichkeiten über die Vorherrschaft der westlichen Literaturvorstellungen; Fragen über Fragen...
Ich weiß noch, als seine Gedichte (an erster Stelle natürlich „Eure Kinder“) bei Studenten in Nachdrucken, dann bei Schülern in Poesie-Alben, dann in Lesebüchern auftauchten – da musste ich mich erst schlau machen, wer denn dieser Poet war.
Khalil Gibran
Eure Kinder
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Es sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
und obwohl sie mit euch sind,
gehören sie euch doch nicht...
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben verläuft nicht rückwärts,
noch verweilt es beim Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
*
Gedichte-Sammlung von Khalil Gibran:
Gedichte-Sammlung von Khalil Gibran
Khalil Gibran: Nachbarn
Im Herbst sammelte ich alle meine Sorgen
und vergrub sie in meinem Garten.
Und als der April wiederkehrte und
der Frühling kam, die Erde zu heiraten,
da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen,
nicht zu vergleichen mit allen anderen Blumen.
Und meine Nachbarn kamen, um sie anzuschauen,
und sie sagten zu mir:
Willst du uns, wenn der Herbst wiederkommt,
zur Saatzeit, nicht auch Samen dieser Blumen geben,
damit wir sie in unseren Gärten haben?
*
Lesegewinn: Zitate von Khalil Gibran
*
Wer kann noch mehr Lesefrüchte oder Kenntnisse zum Werk des Meisters Khalil Gibran beitragen? - Es gibt da bei Wiki Titel, die mir unbekannt sind.
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:KhalilGibranMemorial01.jpg&filetimestamp=20050510172008
Mit wieviel Verspätung dieser „Goethe des Ostens“ in den Westen gelangte; aber auch, ob er im arabischen Raum überhaupt akzeptiert wird, dass seine friedlich-humanistischen Selbstverständlichkeiten dort z. B. in den Schulen behandelt werden – Wunderlichkeiten über die Vorherrschaft der westlichen Literaturvorstellungen; Fragen über Fragen...
Ich weiß noch, als seine Gedichte (an erster Stelle natürlich „Eure Kinder“) bei Studenten in Nachdrucken, dann bei Schülern in Poesie-Alben, dann in Lesebüchern auftauchten – da musste ich mich erst schlau machen, wer denn dieser Poet war.
Khalil Gibran
Eure Kinder
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Es sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
und obwohl sie mit euch sind,
gehören sie euch doch nicht...
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben verläuft nicht rückwärts,
noch verweilt es beim Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
*
Gedichte-Sammlung von Khalil Gibran:
Gedichte-Sammlung von Khalil Gibran
Khalil Gibran: Nachbarn
Im Herbst sammelte ich alle meine Sorgen
und vergrub sie in meinem Garten.
Und als der April wiederkehrte und
der Frühling kam, die Erde zu heiraten,
da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen,
nicht zu vergleichen mit allen anderen Blumen.
Und meine Nachbarn kamen, um sie anzuschauen,
und sie sagten zu mir:
Willst du uns, wenn der Herbst wiederkommt,
zur Saatzeit, nicht auch Samen dieser Blumen geben,
damit wir sie in unseren Gärten haben?
*
Lesegewinn: Zitate von Khalil Gibran
*
Wer kann noch mehr Lesefrüchte oder Kenntnisse zum Werk des Meisters Khalil Gibran beitragen? - Es gibt da bei Wiki Titel, die mir unbekannt sind.