Literatur Ich lese gerade

Mitglied_6d29e9d
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Globetrotter vom 24.02.2021, 19:06:55

ich lese auch gerade etwas Spanisches ..  einen neuen Roman des vielfach ausgezeichneten Kubaners Leonardo Padura:
Padura lebt immer  noch im Barrio de Mantilla, in dem Stadtviertel Havannas, in dem er geboren wurde. 
Sein neues Buch heisst 
"Como polvo en el viento " (WIE STAUB IM WIND)

Clara, Elisa, Bernardo, Darío, Irving, Horacio ... Sie alle sind Charaktere, die das Schicksal vereint.  Einige verließen Kuba und begannen ein neues Leben, wo immer sie der Wind hin blies --- oder auch nicht. 
Der Autor selbst (geb.1955) weiß sehr gut, warum er Kuba nicht verlassen hat, um in den USA sein Glück zu suchen,er weiss, er hätte es nicht gefunden. Und er kennt die Schicksale Tausende und Abertausende von Landsleuten, die ihre Fantasie nutzten, um dem Elend und der Unzufriedenheit zu entkommen und längst nicht alle das fanden, was sie ersehnten, Das Thema zieht sich durch fast alle seine Bücher.

In diesem neuen Roman erzählt er die Geschichte einer Gruppe von Freunden, die es in ganz unterschiedliche Teile der Welt getrieben hat. Nach Barcelona, ​​in den äußersten Nordwesten der Vereinigten Staaten, in Madrid, in Puerto Rico, in Buenos Aires ... Was hat das Schicksal mit ihnen gemacht, diesen Menschen, die sich einst so sehr geliebt hatten? Was ist mit denen passiert, die gegangen sind und denen, die beschlossen haben zu bleiben? Wie hat die Welt, in der sie jetzt leben, sie verändert? Wird der Magnetismus des Zugehörigkeitsgefühls, die Kraft der Zuneigungen sie wieder vereinen? Oder ist ihr Leben schon Staub im Wind?

Im Trauma der Diaspora und dem Zerfall der Bindungen ist dieser Roman auch eine Hymne an die Freundschaft, an die unsichtbaren und mächtigen Fäden der Liebe und der alten Loyalität. Ein schillernder Roman, ein bewegendes Menschenporträt, ein weiteres Meisterwerk von Leonardo Padura.
Sicher wird es dieses Buch bald auch auf Deutsch geben - bisher erschienen in deutscher Sprache:

2001 Adiós Hemingway
Adios Hemingway, dt. von Hans-Joachim Hartstein; Unionsverlag, Zürich 2006, ISBN 3-293-00362-1

2002 La novela de mi vida.
Die Palme und der Stern, dt. von Hans-Joachim Hartstein; Union, Zürich 2015, ISBN 978-3-293-00485-6.

2005 La neblina del ayer
Der Nebel von gestern, dt. von Hans-Joachim Hartstein; Union, Zürich 2008, ISBN 978-3-293-00388-0

2009 El hombre que amaba a los perros
Der Mann, der Hunde liebte, dt. von Hans-Joachim Hartstein; Union, Zürich 2011, ISBN 978-3-293-00425-2

2011 La cola de la serpiente
Der Schwanz der Schlange, dt. von Hans-Joachim Hartstein; Union, Zürich 2012, ISBN 978-3-293-00440-5

2013 Herejes
Ketzer, dt. von Hans-Joachim Hartstein; Union, Zürich 2014, ISBN 978-3-293-00469-6

2018 La transparencia del tiempo
Die Durchlässigkeit der Zeit, dt. von Hans-Joachim Hartstein; Union, Zürich 2019, ISBN 978-3-293-00542-6

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Der-Waldler vom 07.02.2021, 11:31:18
Ich habe gestern das neue Buch von Robert Seethaler, "Der letzte Satz" (eine Art Novelle über Gustav Mahlers letzte Tage), angefangen.

Seethaler ist von Haus aus Schauspieler, aber er schreibt auch Erzählungen, Novellen, Romane. Nein, nicht "auch". Für mich ist er vielmehr hauptsächlich Autor, und zwar ein grandioser! Sein vor einigen Jahren erschienener (Kurz-)Roman "Ein ganzes Leben" über einen ganz einfachen Bergbauern gehört für mich zu den wichtigsten Leseerlebnissen der letzten 20 Jahre.

DW

Ich habe das Buch zwar schon vor ca. einer Woche beendet,möchte aber noch kurz etwas dazu sagen, wobei ich betonen will, dass es meine subjektive Meinung ist!

MICH hat dieses Buch extrem enttäuscht. Ich schätze Seethaler ja außerordentlich, wie auch aus meiner obigen Empfehlung herauszulesen ist. Aber diese Novelle ist.. tja, was?

Ich fragte mich beim Lesen die ganze Zeit, warum Seethaler dieses Buch wohl geschrieben hat. Zu Mahlers Leben steht kaum etwas drin, das nicht bekannt wäre. Wer also von Mahler nichts weiß/kennt, erfährt bei Wikipedia sicherlich mehr über ihn.

Aber okay, ein Autor kann und darf hinzu erfinden, Biographisches mit Fiktivem mischen, aber auch das tat Seethaler meiner Meinung nach in diesem Buch nur in sehr geringem Maße.

Für Mahlerfreunde ist das Ganze eine Summierung einiger weniger, lange bekannter biographischer Details. Zu Mahlers letzten Tagen gibt es weder Mahlerspezifisches noch etwa eine Meditation über Sterben und Tod (so in etwa war es irgendwo angekündigt oder besprochen worden, löst diesen Anspruch aber überhaupt nicht ein),  Und auch zu seiner (ja doch sehr interessanten) Ehe mit Alma Mahler-Werfel steht nichts Erhellendes drin, das über "Klatsch" hinausginge.

Ich fragte mich also während der ganzen Lektüre (und auch jetzt noch)  nach der Intention, nach dem, was den Autor veranlaßt haben könnte, das Buch zu schreiben und warum er meint, dass diese (sorry) "Belanglosigkeit" einen Leser oder eine Leserin interessieren könnte. Ich fand und finde keine Antwort.

Aber okay, ich werde auch das nächste Buch von Seethaler dennoch lesen, denn drei seiner Bücher haben mich ja sehr überzeugt, da darf auch mal etwas "schief gehen". Ich wollte Euch, denen ich das ja empfohlen hatte, aber nicht vorenthalten, das mir das Buch nicht gefallen hat. Und der Fairness halber muss ich auch sagen, dass meine Frau das Buch zwar nicht so gut findet wie die anderen drei, aber meinen "Verriss" durchaus NICHT nachvollziehen kann. Sie "wirft mir vor", als Mahlerianer und Alma-Fan nicht objektiv zu sein.. 😉
 
Globetrotter
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Globetrotter
als Antwort auf Der-Waldler vom 26.02.2021, 10:14:33

@Der-Waldler ich habe jetzt irgendwo gelesen das du Buchhändler gewesen bist, ich hoffe ich erzähle hier jetzt nichts Falsches. Vielleicht bist du auf Grund dessen, in puncto Autorenverträge,  besser informiert als "Nur Leser". Kann es sein das Seethaler unter Termindruck stand?


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Der-Waldler
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Globetrotter vom 26.02.2021, 10:55:11

Hallo, Globetrotter,

ja, ich war 10 Jahre lang Buchhändler, als junger Mann. Meine Frau war 43 Jahre lang in dem Beruf.

Dass ein derart seriöser Verlag wie der Hanser Verlag einen seiner Star-Autoren unter Druck setzt, kann ich mir -ehrlich gesagt- nicht vorstellen. Beim einen oder anderen "Stapel-Verlag" ist das denkbar, jedenfalls heutzutage, aber nicht bei Hanser, Suhrkamp, Fischer, Rowohlt, Schöpfling und wie diese guten Verlage alle heißen. Zumindest habe ich so etwas noch nie gehört oder gelesen.

Lieben Gruß

DW

 

Globetrotter
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Globetrotter
als Antwort auf Der-Waldler vom 26.02.2021, 11:57:50

@Der-Waldler
da habe ich doch wieder etwas dazu gelernt. Vielen Dank für die Info😊

Michiko
Michiko
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Michiko
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.02.2021, 20:04:13

Hallo Woschi2 ...
ich habe Deinen Beitrag über Leonardo Paduro gelesen, von diesem Autor hatte ich noch nie etwas gehört. Neugierig geworden, habe ich mich dann im Netz etwas schlauer gemacht über ihn und seine Bücher und mir jetzt bei booklooker "Der Nebel von gestern" bestellt. Du hast ja viele seiner Bücher angeführt, aber mit einem muss man ja anfangen. Ich bin wirklich gespannt, ob Paduro mir auch so gefällt wie Dir.

Gruss
Michiko


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Mitglied_6d29e9d
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Michiko vom 26.02.2021, 17:23:25

Liebe Michiko, wenn Du Romane liebst, deren Handlung einen mit in die Vergangenheit ziehen , dann kann es Dir eingenllich nur gefallen. Auch seine Krimis - bisher habe ich vier gelesen, haben mich ganz in ihren Bann gezogen und ich konnte sie kaum aus der Hand legen . 
Wenn Gabriel Garcia Marquez '"Liebe in der Zeit der Cholera" den Liebesroman in Literatur verwandeln konnte und Mario Vargas Llosa mit "Gespräch in der »Kathedrale«" die französischen Jugendstil-Techniken der 1950er Jahre auf einen aktuellen politischen Thriller anwendete, dann ist es der Kubaner Leonardo Padura, der in seinen Detektivgeschichten und Krimis  die Qualität großer russischer Romane anwendet, nicht nur wegen der Länge bei einigen :-)
Sein Schreibstil offenbart diese "tolstojanische" Leidenschaft für historische Kleinigkeiten und der Freude Dostojewski, das moralische Leben seiner Figuren zu durchleuchten .  ich habe erste ine deutsche Übersetzung gelesen und die hat mir gut gefallen. Sie zeigte viel Verbundenheit und Kenntnis der manchmal recht brutalen und schnodderigen Art des Spanisch, wie es in Kuba gesprochen wird und opfert dabei nicht die lyrischen Schnörkel des Originals, wie es in Übersetzungen leider oft vorkommt- Bin gespannt, was Du berichten wirst :-)

Michiko
Michiko
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Michiko
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.02.2021, 19:57:42

Liebe Woschi2,

ich habe so ziemlich alles gelesen, was mir in die Hände fiel, das waren natürlich die alten Klassiker, aber das ist schon lange her. In meinen letzten 15 Arbeitsjahren durfte ich beim Aufbau einer Bibliothek mithelfen, das war eine wunderbare Gelegenheit, fast alles, was mir durch die Hände ging, auch zu lesen. Das betraf vorwiegend deutsche Geschichte in den zurückliegenden beiden Diktaturen.
Von den Autoren, die Du hier nennst, habe ich nur die "Liebe in Zeiten der Cholera" gelesen, muss aber zugeben, dass ich mich damit schwer tat. Umso neugieriger bin ich jetzt auf dieses Buch von Paduro. Ich werde berichten.😉

LG Michiko




 

Mitglied_6d29e9d
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Michiko vom 26.02.2021, 20:57:31

Hallo liebe Michiko,
tatsächlich ist es nicht so gan einfach, sich auf diesen "Magischen Realismus" einzulassen - dieses für mich einfach nur schöne Genre der Literatur entstand in Lateinamerika und Gabriel Garcia Marquez war darin ein wirklicher Meister - und es ist eben so ganz anders wie die europäisch geprägte Literatur, an die die meisten gewöhnt sind. Im "Magischen Realismus" verschachteln sich so viele Geschichten ineinander und die Grenzen zwischen heute, morgen, gestern und vorgestern , der Realität, der Phantasie und den Träumen verwischen so sehr, dass es ein wenig Gewöhnung beim Lesen und Miterleben des Ganzen braucht. Tatsächlich baut dieser Schreibstil auf die Mythologie und die Erzählungen der indigen Völker auf . Es ist wohl eines der grossartigsten Symbiosen auf einem Kontinent, in dem die Kultur der Einheimischen und ihre Kunst ansonsten so gnadenlos niedergemacht wurde. Ein echter Glücksfall. 
Hat man sich einmal darauf eingelassen, saugen diese Bücher einen geradezu auf - und es spielt fast gar keine Rolle mehr, was denn nun Realität und was Phantasie ist. Man kann dem Alltag so herrlich entfliehen und doch befindet man sich nicht in Fiktionen - dazu sind die beschriebenen Ereignisse viel zu real. 
"Liebe in den Zeiten der Cholera" habe ich 4 x gelesen - einmal dad Original, einmal eine englische Übersetzung und zwei deutsche - denn die erste Übersetzung war sehr schlecht, man merkt beim nochmaligen Lesen nach einigen Jahren, dass der Übersetzter sich - da es noch unbekannt war - sich auf diesen magischen Realismus gar nicht einlassen konnte.

Es gibt so viele Szenen in dem Buch, an die ich mich sofort erinnere, als wäre ich dabei gewesen ..
In die männliche Hauptfigur , den ach so verliebten Florentino Ariza, hätte ich mich auch verliebt..in den jungen genauso wie in den alten Mann :-) obwohl seine Liebe zu Fermina Diaz , die sich ja für einen anderen, den reichen und angesehenen Dr. Juvenal Urbino, entschied, schon etwas bizarr ist.
Florentino behält sie immer im Auge und liebt nur sie..auch wenn er unzählige Sexaffairen hat ... 

 ...da gibt es diese Szene, in der Fermina mit ihrem Mann gerade von einer langen Reise nach Europa zurückkommt und mit Freunden im angesagten Nobelrestaurant der Stadt speist.  Florentino , inzwischen durch den Tod seines leiblichen Vaters, der ihn zu Lebzeiten als unehelichen Sohn nie anerkennen wollte und der ein reicher Schiffsreeder war, zu Wohlstand gekommen, geht natürlich auch hin und setzt sich etwas versteckt an einen Tisch, um Fermina zu beobachten. 
Und ersetzt sich genau so, dass er mit dem Rücken zu der illustren Freundesrunde sitzt , aber alles in einem riesigen Spiegel, der ihm gegenüber hängt, beobachten kann - besonders Fermina sieht er - und nur sie ..und vor lauter Liebe zu ihr kauft er dem Restaurantbesitzer diesen riesigen Spiegel ab, in dem SIE sich gespiegelt hat und hängt ihn bei sich in seiner Villa auf ,,,  einzig und allein, weil ihr Spiegelbild darin war .. was für eine irre Geschichte ! :-)

Bitte schau Dir nie den Film an, der kastriert diesen wunderschönen Roman komplett und gibt nicht einmal 10% dieser monumentalen Geschichte wieder :-) aber schau noch mal hinein :-) 

Michiko
Michiko
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Michiko
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 27.02.2021, 10:23:23

Liebe Woschi2 ....

lange schon habe ich niemanden so begeistert von einem Buch reden hören, und das sagt mir, ich muss es noch einmal versuchen mit der Liebe in Zeiten der Cholera.😃 Das Buch bekam ich ausgeborgt, es gehörte mir nicht. Die Fermina muss allerdings eine aussergewöhnliche Frau gewesen sein, das muss bei Florentino "passion" gewesen sein, so etwas soll es ja geben.....
Ähnlich ging es mir mit einem anderen Buch, "Das Parfum" von Patrick Süskind. Bei einem KH-Aufenthalt über 5 Tage las in meinem Zimmer eine Dame dieses Buch, sie borgte es mir und ich hatte drei Tage Zeit, darin zu lesen und dachte, nein, nichts verpasst.  Dann bekam ich es überraschenderweise geschenkt und war nach dem Lesen total begeistert.

Ein Buch, das einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterließ, ist von Donna Tartt "Der Distelfink", ein 1000seitiges Werk!  Erst hatte ich es weggelegt, es fing so mit seitenlangen ausführlichen Beschreibungen an, aber dann mich gezwungen weiterzulesen und konnte es nicht mehr weglegen. 
Zu Beginn Ort der Handlung das New Yorker Metropolitan Museum of art. Der junge Theo Decker besichtigt es mit seiner Mutter, als sich eine Explosion ereignet. Die Mutter verliert ihr Leben, das Kind Theo überlebt und nimmt im Chaos und der Panik der Explosion das Bild von der Wand und flieht mit diesem in eine ungewisse Zukunft. Das verstörte Kind wird von einem Ort zum anderen gereicht, seine einzige Konstante ist der Distelfink. Das kleine Bild ist Millionen wert, was ihm aber (noch) nicht klar ist. Für ihn ist es die letzte Verbindung zur Mutter, sein Trost inmitten seines von Einsamkeit und Verlassenheit geprägten Lebens.

Weil mir dieses monumentale Buch und die Erzählweise von Donna Tartt so gefallen hatte, habe ich noch die beiden anderen Bücher von ihr "Die geheime Geschichte" und "Der kleine Freund" gekauft und bin nicht enttäuscht worden.

So, jetzt habe ich Dir auch viel geschrieben, vielleicht sind Dir die von mir angepriesenen Bücher auch bekannt. Oder vielleicht einem anderen user hier, der mitliest, könnte ja sein. Ich habe hier schon so einige schöne Buchtipps erlesen.

LG Michiko

 


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