Literatur Ich lese gerade

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Der-Waldler

Guten Abend, @Rispe,

auf einen Beitrag in dem Thread "Worüber ich mich heute gefreut habe" möchte ich gern hier antworten, ich hoffe, das gilt nicht als Crossposting. Aber "drüben" soll ja nicht diskutiert werden.

Du hast eine Karte für die szenische Darstellung von Wolfgang Herrndorfs "Arbeit und Struktur" erhalten. Ich hoffe und wünsche Dir, dass Dir das Stück gefallen wird. Ich habe das Buch soeben zum zweiten Mal gelesen, und bin noch tiefer berührt als beim ersten Mal. Es ist ja die gedruckte Form eines Internet-Blogs, den Herrndorf schrieb, als er die Diagnose "unheilbarer Hirntumor" erhielt. Schonungslos schrieb es dieses "Tagebuch" bis wenige Wochen vor seinem Suizid,

Gestern habe ich die Biographie über Herrndorf von Thomas Rütter begonnen, da mich Herrndorf und sein Werk sehr interessieren. Seine Werke haben Humor und Ernst, sind sprachliche Meisterwerke und ich staune, wie sehr er sich z.B. in die beiden jugendlichen Propagandisten von "Tschick" eindenken, nein, einfühlen kann. Vor allem schrieb er an dem Buch, als er gerade seine schreckliche Diagnose bekam...

Die bevorstehende Lektüre von Rütters Buch vor ca. 2 Wochen war auch der Anlass, "Arbeit und Struktur" ein zweites Mal zu lesen.

Liebe Grüße

Der Waldler

Rispe
Rispe
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Rispe
als Antwort auf Der-Waldler vom 05.10.2023, 21:25:25

Guten Abend, @Der-Waldler,
jetzt habe ich bei meinen Büchern nochmal nachgesehen und festgestellt, dass ich die Blog-Einträge „Arbeit und Struktur“, die ja 2015 als gebundenes Buch herausgegeben wurden, tatsächlich habe und auch zu einem großen Teil mal gelesen habe. Das, was du schreibst, ist mir alles nicht neu, nur die Biographie, die du gerade liest, kenne ich nicht, habe aber gelesen, dass sie sehr gut sein soll. Das stimmt alles, was du schreibst, Herrndorf war ja eine sehr spannende und vielschichtige Persönlichkeit, ungemein begabt, was für ein Jammer, dass er so früh sterben musste.

Dass ich „Arbeit und Struktur“ auch damals gelesen habe, hatte ich vorhin beim Schreiben tatsächlich nicht mehr auf dem Schirm, weil es schon so lange her ist, eigentlich sollte ich es jetzt auch nochmal lesen zur Vorbereitung auf das Theaterstück.
Aber andererseits ist das gar nicht nötig, denn das Stück wird mir ja alles in Erinnerung rufen, darauf bin ich gespannt, es soll ja eine sehr gute Inszenierung sein.
.
Aber ich werde es, wie erwähnt, erst im November sehen, danach berichte ich mal, wie es mir gefallen hat.
Ich hoffe nur, dass da nicht wieder so laute Musik dabei ist, habe nämlich die Erfahrung gemacht, dass mittlerweile viele Theaterstücke mit so viel lauter Musik unterlegt sind, dass ich manchmal fast flüchten möchte. Das ist leider auch bei Stücken so, zu denen es m. E. gar nicht passt, man will eben die jungen Leute damit hereinholen. Vor kurzem habe ich „Biedermann und die Brandstifter“ von Frisch gesehen, ein hochaktueller Stoff immer noch, das ich seinerzeit mit großem Interesse gelesen habe.
Das war im Theater so auf Krawall gebürstet , dass es mir gar nicht gefallen hat, ich fand diese Inszenierung nicht gut und hoffe, dass die von Herrndorf mir besser gefällt, der Regisseur ist nämlich laut Beschreibung der gleiche.

Dann bis später wieder, schlaf gut und viele Grüße
Rispe

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Der-Waldler

Liebe Rispe,

ich bin gespannt, was Du darüber zu berichten weißt. Auf jeden Fall finde ich es gut, dass auch so ein heikler Stoff für die Bühne bearbeitet wird. Und hoffe nur (und wünsche Dir), dass man keine "Mätzchen" damit macht. Diese überlaute Musik bzw. das permanente Unter"malen" von Filmen (und auch Tierfilmen, Dokus usw!) mit Musik geht mir auch im TV schwer auf die Nerven...

Übrigens, mir ging es letztens auch so wie Dir mit dem Herrndorf: Ich habe mir im TV den Film "Justiz" (nach Dürrenmatt) angesehen (war nicht so gut). Meine Frau war überzeugt,  dass wir beide das Buch vor Jahrzehnten mal gelesen habe, und ich erinnere mich an nichts. Aber ich habe es dann nochmal gelesen, und langsam kamen mir wieder die Erinnerungen... Das Buch ist viel "böser" als der Film, das gefiel mir schon damals, und gefällt mir heute auch noch.

Ja, dass der "Biedermann" immer noch oder wieder so aktuell ist, ist eigentlich eine Schande...

Schönen Gruß

DW


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Rispe
Rispe
Mitglied

RE: Ich lese gerade
geschrieben von Rispe
als Antwort auf Der-Waldler vom 06.10.2023, 07:11:34
Ja, dass der "Biedermann" immer noch oder wieder so aktuell ist, ist eigentlich eine Schande...
geschrieben von Der-Waldler

Das kann man wohl sagen, es ist sogar wieder aktueller denn je. Und deshalb sollte es unbedingt wieder Schullektüre werden, ist es vielleicht sogar, denn in dem Stück waren einige Schulklassen zu sehen.
Was die Aktualität betrifft, da war es im Schauspielhaus tatsächlich sogar wirklich gelungen, das muss ich trotz meiner Kritik sagen. Man merkte ganz deutlich den Bezug zu heute, wo ich es jedem Parlamentarier ans Herz legen würde, der gemeinsame Beschlüsse mit einer rechtsextremen Partei verteidigt. Genau da fängt es an mit dem Einlass der Brandstifter. Auch da, wo man ständig alles relativiert und verharmlost, was von den an der Demokratie Nagenden kommt.
Und wenn ich dann sehe, wie man auch dann noch mit den Brandstiftern kungelt, wenn der Brand bereits ausgebrochen ist und für Verhandlungen mit ihnen eintritt, obwohl deutlich sichtbar ist, dass man man ihnen damit genau das liefert, was sie anstreben, weil sie nur davon profitieren würden, dann raufe ich mir oft die Haare bei so viel Blindheit.
Also korrigiere ich mich und sage: Allen Menschen sei dieses Stück ans Herz gelegt. Eine andere Frage ist, ob sie es überhaupt verstehen.

Sorry, jetzt habe ich hier die Politik mit reingebracht und hoffe, ich durfte das. Da sie aber auch in der Literatur mit verarbeitet wird, ist das sicher manchmal nicht zu umgehen. Und hier tue ich es immer noch lieber als da, wo sie hingehört, weil ich hier den Ideologen aus dem Weg gehen kann.

Bis später mal wieder (schön, dass man sich hier so gut austauschen kann).
Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Rispe vom 06.10.2023, 11:19:16

Was die Aktualität betrifft, da war es im Schauspielhaus tatsächlich sogar wirklich gelungen, das muss ich trotz meiner Kritik sagen. Man merkte ganz deutlich den Bezug zu heute, wo ich es jedem Parlamentarier ans Herz legen würde, der gemeinsame Beschlüsse mit einer rechtsextremen Partei verteidigt. Genau da fängt es an mit dem Einlass der Brandstifter. Auch da, wo man ständig alles relativiert und verharmlost, was von den an der Demokratie Nagenden kommt.
 

Absolute Zustimmung!

Ich hatte vorgestern ein wichtiges Carlo-Schmid-Zitat eingestellt, ich möchte es noch einmal verlinken.

 
Rispe
Rispe
Mitglied

RE: Ich lese gerade
geschrieben von Rispe
als Antwort auf Der-Waldler vom 06.10.2023, 12:00:15

Danke, das Zitat ist genau das, was ich auch immer gesagt bzw. gemeint habe.
Man sollte nicht Toleranz an der falschen Stelle predigen, wie es hier in vielen Diskussionen zu beobachten ist.
Es muss klare Grenzen geben, vor allem auch klare Abgrenzungen. Eine Demokratie kann sehr schnell zerstört werden, schneller als man denkt, wir brauchen nur nach Italien zu gucken, wo jetzt eine Faschistin das Sagen hat.

So, jetzt höre ich aber sofort auf, an dieser Stelle zu politisieren, sonst kriege ich wieder eins übergebraten. 😉


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Malinka
Malinka
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Malinka

Aus aktuellem Anlass (Friedensnobelpreis an die inhaftierte Iranerin Narges Mohammadi) möchte och auf eine Webseite aufmerksam machen, in der unter anderem aktuelle, iranische Literatur vorgestellt wird -  so ist es z.B. interessant, dass viele der iranischen Bücher zuerst in Deutschland und in anderen Ländern in der jeweiligen Landessprache erscheinen und erst viel später oder gar nicht im Iran. Die neue iranische Literatur ist, wie nicht anders zu erwarten, politisch und kritisch - aber auch wegen der Erzählform mehr als lesenswert, denn sie unterscheidet sich in vielem von der "westlichen" Literatur. 

AKTUELLE LITERATUR AUS DEM IRAN


Besonders gefallen hat mir Mahmoud Doulatabadis Roman "Nilufar"

Zitat aus www.perlentaucher.de

Klappentext: Wer ist dieser alte Mann im grauen Regenmantel, der durch die Straßen einer europäischen Großstadt irrt? Er setzt sich in ein Kaffeehaus, zieht ein zerknittertes Notizbuch aus der Tasche, liest und schreibt. Er versucht, seiner Erinnerungen an Nilufar Herr zu werden. Eines Tages war sie ihm wie eine Taube zugeflogen und hatte sich ganz einfach neben ihm auf die Parkbank gesetzt. Ein rätselhaftes Gefühl uralter Liebe, Freundschaft und Einheit verband die beiden. Im Glanz ihrer lebenssprühenden Augen fand er sein Leben wieder. Sie, und nur sie, konnte sein Schweigen brechen. Warum hat er sie wieder verloren?

Zum AutorMahmud Doulatabadi, geboren 1940 im Nordosten Irans, arbeitete in der Landwirtschaft und als Handwerker. Später absolvierte er die Theaterakademie in Teheran und war eine Zeit lang Schauspieler. Aus politischen Gründen war er zwei Jahre in Haft. Mahmud Doulatabadi gilt als bedeutendster Vertreter der zeitgenössischen persischen Prosa; er lebt mit seiner Familie als freier Schriftsteller und Universitätsdozent für Literatur in Teheran.

Zum ÜbersetzerBahman Nirumand, 1936 in Teheran geboren, studierte in Deutschland und promovierte 1960 über Bertolt Brecht. Im Iran war er Dozent an der Teheraner Universität und arbeitete daneben auch als Journalist und als Schriftsteller. Nach seiner Flucht 1965 kehrte er 1979 in den Iran zurück, musste jedoch drei Jahre später erneut ins Exil gehen. Er lebt als Schriftsteller und Publizist in Berlin.

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Rispe vom 06.10.2023, 12:15:23


So, jetzt höre ich aber sofort auf, an dieser Stelle zu politisieren, sonst kriege ich wieder eins übergebraten. 😉

Ach, dann kriege ich auch eins, und das nehme ich in Kauf... 👍
olga64
olga64
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von olga64
als Antwort auf Rispe vom 06.10.2023, 12:15:23

Josef Goebbels erklärte 1928, dass die Nazis nun im Reichstag wären und sich an den Waffenarsenalen der Demokratie bedienen würden, um diese lahmzulegen, wofür den Nazis jedes Mittel recht wäre.

Und sie haben keine leeren Versprechungen abgegeben - es kam genau so und das sollte uns immer wieder davor warnen, es den heutigen Nazis nicht zuzutrauen, dass sie ihr braunes Spiel wiederholen könnten. Olga

vivienne
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RE: Ich lese gerade
geschrieben von vivienne
als Antwort auf Rispe vom 05.10.2023, 23:19:18
Guten Abend, @Der-Waldler,
jetzt habe ich bei meinen Büchern nochmal nachgesehen und festgestellt, dass ich die Blog-Einträge „Arbeit und Struktur“, die ja 2015 als gebundenes Buch herausgegeben wurden, tatsächlich habe und auch zu einem großen Teil mal gelesen habe. Das, was du schreibst, ist mir alles nicht neu, nur die Biographie, die du gerade liest, kenne ich nicht, habe aber gelesen, dass sie sehr gut sein soll. Das stimmt alles, was du schreibst, Herrndorf war ja eine sehr spannende und vielschichtige Persönlichkeit, ungemein begabt, was für ein Jammer, dass er so früh sterben musste.

Dass ich „Arbeit und Struktur“ auch damals gelesen habe, hatte ich vorhin beim Schreiben tatsächlich nicht mehr auf dem Schirm, weil es schon so lange her ist, eigentlich sollte ich es jetzt auch nochmal lesen zur Vorbereitung auf das Theaterstück.
Aber andererseits ist das gar nicht nötig, denn das Stück wird mir ja alles in Erinnerung rufen, darauf bin ich gespannt, es soll ja eine sehr gute Inszenierung sein.
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Aber ich werde es, wie erwähnt, erst im November sehen, danach berichte ich mal, wie es mir gefallen hat.
 
Hallo @Rispe und @Der-Waldler,

Ich habe "Arbeit und Struktur" gelesen und war selten so gefesselt und gleichzeitig unglaublich aufgewühlt. Dieses Buch sollte nach meiner Ansicht jeder gelesen haben...

Allerdings kann ich mir Herrndorfs Tagebuch als Theaterstück nicht so recht vorstellen und befürchte, dass da vielleicht doch einiges an Qualität verloren geht. Deshalb bin ich sehr gespannt, liebe Rispe, was Du nach Deinem Besuch der Aufführung im November berichtest.

LG vivienne

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