Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
Von Wilhelm Busch sind neben seinen Bildern und Versen auch etliche Briefe erhalten. Zum Beispiel hatte er in den Jahren 1875 bis 1878 einen regen Briefwechsel mit Maria Anderson, einer holländischen Schriftstellerin.
Wolfenbüttel, 25.Mai 1875
Gewißheit giebt allein die Mathematik. Aber leider streift sie nur den Oberrock der Dinge. Wer je ein gründliches Erstaunen über die Welt empfunden, will mehr. Er philosophirt - und was er auch sagen mag - er glaubt. - In meinem elften Jahr verblüffte mich der Widerspruch zwischen der Allwissenheit Gottes und dem freien Willen des Menschen; mit 15 Jahren zweifelte ich am ganzen Katechismus. Seit ich Kant in die Hände kriegte, scheint mir die Idealität von Zeit und Raum ein unwiderstehliches Axiom. Ich sehe die Glieder der Kette in Eins: Kinder, Eltern, Völker, Thiere, Pflanzen und Steine. Und Alle seh ich sie von einer Kraft erfüllt.
Sind Berge, Wellen, Lüfte nicht ein Stück von mir? etc.
Drum gefällt mir Byron so sehr. Wie könnte uns auch das Zeug nur so bedeutungsvoll erscheinen, wenn alles nicht aus einer Wurzel wüchse? Die ist, was Schopenhauer den Willen nennt: der allgegenwärtige Drang zum Leben; überall derselbe, der einzige; im Himmel und auf Erden: in Felsen, Wasser, Sternen, Schweinen, wie in unserer Brust. Er schafft und füllt und drängt, was ist. Im Oberstübchen sitzt der Intellekt und schaut dem Treiben zu. Er sagt zum Willen: ,,Alter! laß das sein! Es giebt Verdruß!" Aber er hört nicht. Enttäuschung; kurze Lust und lange Sorge; Alter, Krankheit, Tod, sie machen ihn nicht mürbe; er macht so fort. Und treibt er ihn auch tausend Mal aus seiner Haut, er findet eine neue, die's büßen muß. - Und dieser Wille, das bin ich. Ich bin mein Vater, meine Mutter, ich bin Sie und Alles. Darum giebt es Mitleid, darum giebt's Gerechtigkeit.
Natur und Lehre sind verschieden, Natur ist stärker als die Lehre - sagen Sie. Natürlich und gewiß! Der Wille ist der Starke, Böse, Wirkungsvolle, Erste; der Intellekt ist No. 2. - Nichtwollen, Ruhe wär' das Beste. - Wie soll das kommen? - Da steckt's Mysterium.
Bin ich nun deutlich? -
Seien Sie gut und brav und liebenswürdig und sagen Sie: Jawohl!
Ihr Wilhelm Busch
Wolfenbüttel, 25.Mai 1875
Gewißheit giebt allein die Mathematik. Aber leider streift sie nur den Oberrock der Dinge. Wer je ein gründliches Erstaunen über die Welt empfunden, will mehr. Er philosophirt - und was er auch sagen mag - er glaubt. - In meinem elften Jahr verblüffte mich der Widerspruch zwischen der Allwissenheit Gottes und dem freien Willen des Menschen; mit 15 Jahren zweifelte ich am ganzen Katechismus. Seit ich Kant in die Hände kriegte, scheint mir die Idealität von Zeit und Raum ein unwiderstehliches Axiom. Ich sehe die Glieder der Kette in Eins: Kinder, Eltern, Völker, Thiere, Pflanzen und Steine. Und Alle seh ich sie von einer Kraft erfüllt.
Sind Berge, Wellen, Lüfte nicht ein Stück von mir? etc.
Drum gefällt mir Byron so sehr. Wie könnte uns auch das Zeug nur so bedeutungsvoll erscheinen, wenn alles nicht aus einer Wurzel wüchse? Die ist, was Schopenhauer den Willen nennt: der allgegenwärtige Drang zum Leben; überall derselbe, der einzige; im Himmel und auf Erden: in Felsen, Wasser, Sternen, Schweinen, wie in unserer Brust. Er schafft und füllt und drängt, was ist. Im Oberstübchen sitzt der Intellekt und schaut dem Treiben zu. Er sagt zum Willen: ,,Alter! laß das sein! Es giebt Verdruß!" Aber er hört nicht. Enttäuschung; kurze Lust und lange Sorge; Alter, Krankheit, Tod, sie machen ihn nicht mürbe; er macht so fort. Und treibt er ihn auch tausend Mal aus seiner Haut, er findet eine neue, die's büßen muß. - Und dieser Wille, das bin ich. Ich bin mein Vater, meine Mutter, ich bin Sie und Alles. Darum giebt es Mitleid, darum giebt's Gerechtigkeit.
Natur und Lehre sind verschieden, Natur ist stärker als die Lehre - sagen Sie. Natürlich und gewiß! Der Wille ist der Starke, Böse, Wirkungsvolle, Erste; der Intellekt ist No. 2. - Nichtwollen, Ruhe wär' das Beste. - Wie soll das kommen? - Da steckt's Mysterium.
Bin ich nun deutlich? -
Seien Sie gut und brav und liebenswürdig und sagen Sie: Jawohl!
Ihr Wilhelm Busch
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Herzlichen Dank, liebe Sirona, für diesen Busch-Brief!
Wie sehr bin ich mit ihm und diesem Inhalt einverstanden.
***
Rainer Maria Rilke
an
Magda von Hattingberg
Paris, 16. - 20. Februar 1914
"Ich glaube, wenn mans nur nicht mißvesteht und bei sich verzärtelt, so ist nichts hinfälliger als das Krankhafte, es wünscht ja selbst, unwirklich, fort zu sein, sowie nur etwas Sicheres da ist.
So hab ichs hinzunehmen gehofft immer wieder in diesem Sinne - aber was bin ich müde müde müde dabei geworden. So müde im ganzen Skelett wies die Knaben im Wachsen sind; so müde im Gehen, so müde im Liegen...Vergangenen Sommer sprach ich da und dort mit ein paar Ärzten, um wenigstens einige Schmerzen und Quälereien loszuwerden, - aber ich habe mich noch nie mit einem Arzt verständigen können; sie gehen vom Mißtrauen aus gegen das, was man vorbringt, sofort hab ich das Gefühl: da ist mir ein Fremder im Weg; was will der da zwischen meiner Natur und mir -? Und über ihn fort, giebts einen Blick zwischen dieser meiner Natur und mir, ach einen so guten, einen so vertraulichen, Magda, als könnten wir plötzlich unbegrenzt einig werden. Aber stell Dir vor, daß nicht einmal diese Freude jetzt, diese Zuversicht, dieses Gotteswunder uns einig macht.
Oft wenn ich im Geiste schon so froh bin zu Dir, so liegt mirs im Körper so dumpf und rückständig, als wüßte er von nichts, als wärs ihm gar nicht mehr beizubingen. Wenn ich wirklich noch zu einem hohen Herzen mich hinschwinge, wird er denn mitkönnen? Früher war es so leicht hinzureißen, und manchmal hab ich beides ganz in Einem gekannt: eine säftige vegetative Frohheit und die schwebende, schwingende Heiterkeit der Seele.
..."
Clematis
Wie sehr bin ich mit ihm und diesem Inhalt einverstanden.
***
Rainer Maria Rilke
an
Magda von Hattingberg
Paris, 16. - 20. Februar 1914
"Ich glaube, wenn mans nur nicht mißvesteht und bei sich verzärtelt, so ist nichts hinfälliger als das Krankhafte, es wünscht ja selbst, unwirklich, fort zu sein, sowie nur etwas Sicheres da ist.
So hab ichs hinzunehmen gehofft immer wieder in diesem Sinne - aber was bin ich müde müde müde dabei geworden. So müde im ganzen Skelett wies die Knaben im Wachsen sind; so müde im Gehen, so müde im Liegen...Vergangenen Sommer sprach ich da und dort mit ein paar Ärzten, um wenigstens einige Schmerzen und Quälereien loszuwerden, - aber ich habe mich noch nie mit einem Arzt verständigen können; sie gehen vom Mißtrauen aus gegen das, was man vorbringt, sofort hab ich das Gefühl: da ist mir ein Fremder im Weg; was will der da zwischen meiner Natur und mir -? Und über ihn fort, giebts einen Blick zwischen dieser meiner Natur und mir, ach einen so guten, einen so vertraulichen, Magda, als könnten wir plötzlich unbegrenzt einig werden. Aber stell Dir vor, daß nicht einmal diese Freude jetzt, diese Zuversicht, dieses Gotteswunder uns einig macht.
Oft wenn ich im Geiste schon so froh bin zu Dir, so liegt mirs im Körper so dumpf und rückständig, als wüßte er von nichts, als wärs ihm gar nicht mehr beizubingen. Wenn ich wirklich noch zu einem hohen Herzen mich hinschwinge, wird er denn mitkönnen? Früher war es so leicht hinzureißen, und manchmal hab ich beides ganz in Einem gekannt: eine säftige vegetative Frohheit und die schwebende, schwingende Heiterkeit der Seele.
..."
Clematis
Dietrich Bonhoeffer zum Geburtstag seiner Mutter
Prinz-Albrecht-Strasse, 28. Dez. 1944
Liebe Mama!
Eben habe ich zu meiner ganz großen Freude die Erlaubnis bekommen, Dir zum Geburtstag zu schreiben. Ich muß es etwas in Eile tun, da der Brief gleich noch fort soll. Eigentlich habe ich nur einen einzigen Wunsch, nämlich Dir in diesen für Euch so trüben Tagen irgendeine Freude machen zu können. Liebe Mama, Du mußt wissen, daß ich jeden Tag unzählige Male an Dich und Papa denke und daß ich Gott danke, daß Ihr da seid für mich und für die ganze Familie. Ich weiß, daß Du immer nur für uns gelebt hast und daß es für Dich ein eigenes Leben nicht gegeben hat. Daher kommt es, daß ich alles, was ich erlebe, auch nur mit Euch zusammen erleben kann.
Daß Maria bei euch ist, ist mir ein ganz großer Trost. Ich danke Dir für alle Liebe, die im vergangenen Jahr von Dir zu mir in meine Zelle gekommen ist und mir jeden Tag hat leichter werden lassen. Ich glaube, daß diese schweren Jahre uns noch enger miteinander verbunden haben als es je war. Ich wünsche Dir und Papa und Maria und uns allen, daß das neue Jahr uns doch wenigstens hier und da einen Lichtblick bringt und daß wir uns doch noch einmal zusammen freuen können. Gott erhalte Euch gesund!“
Es grüßt Dich, liebe, liebe Mama, und denkt an Dich an Deinem Geburtstag von ganzem Herzen
Euer dankbarer Dietrich
Diesen Lichtblick der gemeinsamen Freude hat Bonhoeffer nicht mehr erleben können; in der Morgendämmerung des 9. April 1945 wurde Bonhoeffer durch Erhängen getötet.
Die zur Hinrichtung Bestimmten mussten sich völlig entkleiden und nackt zum Galgen gehen. Der Lagerarzt beobachtete die Szene und berichtete 1955 schriftlich darüber: Bonhoeffer, den er damals nicht gekannt habe, habe ruhig und gesammelt gewirkt, sich von allen Mithäftlingen verabschiedet, an der Richtstätte ein kurzes Gebet gesprochen, sei gefasst zum Galgen gegangen und in wenigen Sekunden gestorben.
(Wiki)
Prinz-Albrecht-Strasse, 28. Dez. 1944
Liebe Mama!
Eben habe ich zu meiner ganz großen Freude die Erlaubnis bekommen, Dir zum Geburtstag zu schreiben. Ich muß es etwas in Eile tun, da der Brief gleich noch fort soll. Eigentlich habe ich nur einen einzigen Wunsch, nämlich Dir in diesen für Euch so trüben Tagen irgendeine Freude machen zu können. Liebe Mama, Du mußt wissen, daß ich jeden Tag unzählige Male an Dich und Papa denke und daß ich Gott danke, daß Ihr da seid für mich und für die ganze Familie. Ich weiß, daß Du immer nur für uns gelebt hast und daß es für Dich ein eigenes Leben nicht gegeben hat. Daher kommt es, daß ich alles, was ich erlebe, auch nur mit Euch zusammen erleben kann.
Daß Maria bei euch ist, ist mir ein ganz großer Trost. Ich danke Dir für alle Liebe, die im vergangenen Jahr von Dir zu mir in meine Zelle gekommen ist und mir jeden Tag hat leichter werden lassen. Ich glaube, daß diese schweren Jahre uns noch enger miteinander verbunden haben als es je war. Ich wünsche Dir und Papa und Maria und uns allen, daß das neue Jahr uns doch wenigstens hier und da einen Lichtblick bringt und daß wir uns doch noch einmal zusammen freuen können. Gott erhalte Euch gesund!“
Es grüßt Dich, liebe, liebe Mama, und denkt an Dich an Deinem Geburtstag von ganzem Herzen
Euer dankbarer Dietrich
Diesen Lichtblick der gemeinsamen Freude hat Bonhoeffer nicht mehr erleben können; in der Morgendämmerung des 9. April 1945 wurde Bonhoeffer durch Erhängen getötet.
Die zur Hinrichtung Bestimmten mussten sich völlig entkleiden und nackt zum Galgen gehen. Der Lagerarzt beobachtete die Szene und berichtete 1955 schriftlich darüber: Bonhoeffer, den er damals nicht gekannt habe, habe ruhig und gesammelt gewirkt, sich von allen Mithäftlingen verabschiedet, an der Richtstätte ein kurzes Gebet gesprochen, sei gefasst zum Galgen gegangen und in wenigen Sekunden gestorben.
(Wiki)
Liebe Clematis,
ähnlich wie Rilke erging es Heinrich Heine in seinen letzten Lebensjahren. Diese verbrachte Heine in seiner „Matratzengruft“, wie er sein Krankenlager bezeichnete. In dem Buch „Der Kampf mit Gott“ sind erschütternde Zeugnisse von Heines fast 6-jährigen Leiden zu lesen und auch seine Auseinandersetzung mit Gott, zu dem er in „Gesprächen“ zurückfindet.
LG Sirona
ähnlich wie Rilke erging es Heinrich Heine in seinen letzten Lebensjahren. Diese verbrachte Heine in seiner „Matratzengruft“, wie er sein Krankenlager bezeichnete. In dem Buch „Der Kampf mit Gott“ sind erschütternde Zeugnisse von Heines fast 6-jährigen Leiden zu lesen und auch seine Auseinandersetzung mit Gott, zu dem er in „Gesprächen“ zurückfindet.
LG Sirona
Herzlichen Dank, liebe Sirona, für diesen Busch-Brief!
Wie sehr bin ich mit ihm und diesem Inhalt einverstanden.
***
Rainer Maria Rilke
an
Magda von Hattingberg
Paris, 16. - 20. Februar 1914
"Ich glaube, wenn mans nur nicht mißvesteht und bei sich verzärtelt, so ist nichts hinfälliger als das Krankhafte, es wünscht ja selbst, unwirklich, fort zu sein, sowie nur etwas Sicheres da ist.
So hab ichs hinzunehmen gehofft immer wieder in diesem Sinne - aber was bin ich müde müde müde dabei geworden. So müde im ganzen Skelett wies die Knaben im Wachsen sind; so müde im Gehen, so müde im Liegen...Vergangenen Sommer sprach ich da und dort mit ein paar Ärzten, um wenigstens einige Schmerzen und Quälereien loszuwerden, - aber ich habe mich noch nie mit einem Arzt verständigen können; sie gehen vom Mißtrauen aus gegen das, was man vorbringt, sofort hab ich das Gefühl: da ist mir ein Fremder im Weg; was will der da zwischen meiner Natur und mir -? Und über ihn fort, giebts einen Blick zwischen dieser meiner Natur und mir, ach einen so guten, einen so vertraulichen, Magda, als könnten wir plötzlich unbegrenzt einig werden. Aber stell Dir vor, daß nicht einmal diese Freude jetzt, diese Zuversicht, dieses Gotteswunder uns einig macht.
Oft wenn ich im Geiste schon so froh bin zu Dir, so liegt mirs im Körper so dumpf und rückständig, als wüßte er von nichts, als wärs ihm gar nicht mehr beizubingen. Wenn ich wirklich noch zu einem hohen Herzen mich hinschwinge, wird er denn mitkönnen? Früher war es so leicht hinzureißen, und manchmal hab ich beides ganz in Einem gekannt: eine säftige vegetative Frohheit und die schwebende, schwingende Heiterkeit der Seele.
..."
Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Liebe Clematis,
ähnlich wie Rilke erging es Heinrich Heine in seinen letzten Lebensjahren. Diese verbrachte Heine in seiner „Matratzengruft“, wie er sein Krankenlager bezeichnete. In dem Buch „Der Kampf mit Gott“ sind erschütternde Zeugnisse von Heines fast 6-jährigen Leiden zu lesen und auch seine Auseinandersetzung mit Gott, zu dem er in „Gesprächen“ zurückfindet.
LG Sirona
liebe Sirona,
ich hab was gefunden:
Heinrich Heine (13. 12. 1797-17. 2. 1856)
an
Maximilian Heine
12. Deptember 1848
Für mich gibt es keine schöne Berggipfel mehr, die ich erklimme, keine Frauenlippe, die ich küsse, nicht mal mehr ein guter Rinderbraten in Gesellschaft heiter schmausender Gäste; meine Lippen sind gelähmt wie meine Füße, auch die Eßwerkzeuge sind gelähmt ebensosehr wie die Absonderungskanäle. Ich kann weder kauen noch kacken, werde wie ein Vogel gefüttert. dieses Unleben ist nicht zu ertragen. O! welch ein Unglück, lieber Max, daß ich nicht bei Dir sein kann.
aus:
"Die Worte und die Küsse
sind wunderbar vermischt..."
Ein Heine-Lesebuch
zum 150. Todestag 2006
Was für ein physisches Dasein und welch heller, klarer Kopf!
Danke, liebe Literaturfreundin, dass Du mich erinnert hast.
Clematis
ähnlich wie Rilke erging es Heinrich Heine in seinen letzten Lebensjahren. Diese verbrachte Heine in seiner „Matratzengruft“, wie er sein Krankenlager bezeichnete. In dem Buch „Der Kampf mit Gott“ sind erschütternde Zeugnisse von Heines fast 6-jährigen Leiden zu lesen und auch seine Auseinandersetzung mit Gott, zu dem er in „Gesprächen“ zurückfindet.
LG Sirona
liebe Sirona,
ich hab was gefunden:
Heinrich Heine (13. 12. 1797-17. 2. 1856)
an
Maximilian Heine
12. Deptember 1848
Für mich gibt es keine schöne Berggipfel mehr, die ich erklimme, keine Frauenlippe, die ich küsse, nicht mal mehr ein guter Rinderbraten in Gesellschaft heiter schmausender Gäste; meine Lippen sind gelähmt wie meine Füße, auch die Eßwerkzeuge sind gelähmt ebensosehr wie die Absonderungskanäle. Ich kann weder kauen noch kacken, werde wie ein Vogel gefüttert. dieses Unleben ist nicht zu ertragen. O! welch ein Unglück, lieber Max, daß ich nicht bei Dir sein kann.
aus:
"Die Worte und die Küsse
sind wunderbar vermischt..."
Ein Heine-Lesebuch
zum 150. Todestag 2006
Was für ein physisches Dasein und welch heller, klarer Kopf!
Danke, liebe Literaturfreundin, dass Du mich erinnert hast.
Clematis
Heinrich Heine´s Leidenszeit begann schon fast 10 Jahre vor seinem Tod. Ab 1848 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide.
Bereits 1845 schrieb er an Julius Campe, einem Hamburger Verleger, nachdem die von seinem verstorbenen Onkel Salomon Heine vorgesehene Unterstützung von 8000 Bankomark von seinem Cousin reduziert wurde:
(Der Streit wurde erst 1847 beendet):
"So viel werden Sie merken, dass ich einen Todeskampf beginne und neben den Gerichten auch die öffentliche Meinung für mich gewinnen will, im Fall Carl Heine nicht nachgebe. Ich will mein Recht, und müßte ich es mit meinem Tode besiegeln.
Wahrlich, was ich schreibe überliefere ich um keinen Preis einer Verwandtenzensur, aber ich will gern meinen Privatgroll verschlucken und gar nichts über das Lumpenpack schreiben, das sich alsdann seines obskuren Daseins ruhig erfreuen mag und seiner blöden Vergessenheit nach dem Tode sicher sein wird."
Bärbel
Bereits 1845 schrieb er an Julius Campe, einem Hamburger Verleger, nachdem die von seinem verstorbenen Onkel Salomon Heine vorgesehene Unterstützung von 8000 Bankomark von seinem Cousin reduziert wurde:
(Der Streit wurde erst 1847 beendet):
"So viel werden Sie merken, dass ich einen Todeskampf beginne und neben den Gerichten auch die öffentliche Meinung für mich gewinnen will, im Fall Carl Heine nicht nachgebe. Ich will mein Recht, und müßte ich es mit meinem Tode besiegeln.
Wahrlich, was ich schreibe überliefere ich um keinen Preis einer Verwandtenzensur, aber ich will gern meinen Privatgroll verschlucken und gar nichts über das Lumpenpack schreiben, das sich alsdann seines obskuren Daseins ruhig erfreuen mag und seiner blöden Vergessenheit nach dem Tode sicher sein wird."
Bärbel
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Heinrich Heine´s Leidenszeit begann schon fast 10 Jahre vor seinem Tod. Ab 1848 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide.
Bereits 1845 schrieb er an Julius Campe, einem Hamburger Verleger, nachdem die von seinem verstorbenen Onkel Salomon Heine vorgesehene Unterstützung von 8000 Bankomark von seinem Cousin reduziert wurde:
(Der Streit wurde erst 1847 beendet):
"So viel werden Sie merken, dass ich einen Todeskampf beginne und neben den Gerichten auch die öffentliche Meinung für mich gewinnen will, im Fall Carl Heine nicht nachgebe. Ich will mein Recht, und müßte ich es mit meinem Tode besiegeln.
Wahrlich, was ich schreibe überliefere ich um keinen Preis einer Verwandtenzensur, aber ich will gern meinen Privatgroll verschlucken und gar nichts über das Lumpenpack schreiben, das sich alsdann seines obskuren Daseins ruhig erfreuen mag und seiner blöden Vergessenheit nach dem Tode sicher sein wird."
Bärbel
Das ist eine prima Ergänzung, liebe Bärbel, danke!
Ja, der Brief, den ich einstellte ist vom Dezember 1848.
Da muss die Krankheit schon sehr vorgeschritten gewesen sein.
Der Arme!
lieben Gruß
Clematis
Danke, liebe Clematis, für die Ergänzung zu Heinrich Heine. Wie sehr der arme Kerl gelitten haben muß wird auch aus folgendem Schreiben deutlich:
"Es ist schlimm, an die Matratze gefesselt zu sein, wenn alle Welt auf den Beinen ist und die Dinge in Bewegung kommen. Die Nachrichten, die ich aus meiner Heimat erhalte, vermehren meine Tortur. Jetzt, wo ich mit der größten Aktivität mein Lebenswerk verfolgen sollte, bin ich zur Bewegungslosigkeit verdammt, ich kann nicht einmal die verzweifelten Rufe meiner Freunde beantworten, die mich um die übliche Unterstützung bitten."
Gelähmt, fast blind und von schmerzhaften Krämpfen gequält ist in diesem Gedicht Heines Angst vor dem Grab sowie ein tiefes Sehnen nach Liebe und Glückseligkeit zu spüren.
Der Abgekühlte – H. Heine
Und ist man tot, so muß man lang
im Grabe liegen; ich bin bang,
ja, ich bin bang, das Auferstehen
wird nicht so schnell vonstatten gehen.
Noch einmal, eh' mein Lebenslicht
erlöschet, eh' mein Herze bricht -
noch einmal möcht ich vor dem Sterben
um Frauenhuld beseligt werben.
Und eine Blonde müßt es sein,
mit Augen sanft wie Mondenschein -
denn schlecht bekommen mir am Ende
die wild brünetten Sonnenbrände.
Das junge Volk voll Lebenskraft
will den Tumult der Leidenschaft,
das ist ein Rasen, Schwören, Poltern
und wechselseit'ges Seelenfoltern!
Unjung und nicht mehr ganz gesund,
wie ich es bin zu dieser Stund',
möcht ich noch einmal lieben, schwärmen
und glücklich sein - doch ohne Lärmen.
"Es ist schlimm, an die Matratze gefesselt zu sein, wenn alle Welt auf den Beinen ist und die Dinge in Bewegung kommen. Die Nachrichten, die ich aus meiner Heimat erhalte, vermehren meine Tortur. Jetzt, wo ich mit der größten Aktivität mein Lebenswerk verfolgen sollte, bin ich zur Bewegungslosigkeit verdammt, ich kann nicht einmal die verzweifelten Rufe meiner Freunde beantworten, die mich um die übliche Unterstützung bitten."
Gelähmt, fast blind und von schmerzhaften Krämpfen gequält ist in diesem Gedicht Heines Angst vor dem Grab sowie ein tiefes Sehnen nach Liebe und Glückseligkeit zu spüren.
Der Abgekühlte – H. Heine
Und ist man tot, so muß man lang
im Grabe liegen; ich bin bang,
ja, ich bin bang, das Auferstehen
wird nicht so schnell vonstatten gehen.
Noch einmal, eh' mein Lebenslicht
erlöschet, eh' mein Herze bricht -
noch einmal möcht ich vor dem Sterben
um Frauenhuld beseligt werben.
Und eine Blonde müßt es sein,
mit Augen sanft wie Mondenschein -
denn schlecht bekommen mir am Ende
die wild brünetten Sonnenbrände.
Das junge Volk voll Lebenskraft
will den Tumult der Leidenschaft,
das ist ein Rasen, Schwören, Poltern
und wechselseit'ges Seelenfoltern!
Unjung und nicht mehr ganz gesund,
wie ich es bin zu dieser Stund',
möcht ich noch einmal lieben, schwärmen
und glücklich sein - doch ohne Lärmen.
Und nochmal Heinrich Heine.
Die letzten Monate seines Lebens erhielt er Besuche seiner Verehrerin, der aus Prag stammenden Schriftstellerin Elise Krinitz, die er liebevoll "Mouche" nach dem Emblem ihres Siegels nannte.
Die Verbindung konnte jedoch wegen seiner Hinfälligkeit nur noch auf geistiger Ebene stattfinden.
Im Novemer 1855 schrieb er:
"Süßeste Person! Ich habe heute entsetzliches Kopfweh und werde wohl morgen die Nachgeburt desselben genießen müssen. - Ich bitte Sie daher, nicht morgen sondern Montag zu kommen, es sei denn, daß der Weg Sie in meine Nähe führt, in diesem Fall können Sie auch morgen auf eigene Gefahr kommen.
Mein Bruder schwatzt mich tot - leide sehr - komme bald!"
Am 1. Januar 1856 - 1 1/2 Monate vor seinem Tod - schrieb er:
"Du bist meine liebe Mouche und ich fühle minder meine Schmerzen, wenn ich an Deine Zärtlichkeit, an die Anmut Deines Geistes denke."
Sehr berührend, finde ich.
LG Bärbel
Die letzten Monate seines Lebens erhielt er Besuche seiner Verehrerin, der aus Prag stammenden Schriftstellerin Elise Krinitz, die er liebevoll "Mouche" nach dem Emblem ihres Siegels nannte.
Die Verbindung konnte jedoch wegen seiner Hinfälligkeit nur noch auf geistiger Ebene stattfinden.
Im Novemer 1855 schrieb er:
"Süßeste Person! Ich habe heute entsetzliches Kopfweh und werde wohl morgen die Nachgeburt desselben genießen müssen. - Ich bitte Sie daher, nicht morgen sondern Montag zu kommen, es sei denn, daß der Weg Sie in meine Nähe führt, in diesem Fall können Sie auch morgen auf eigene Gefahr kommen.
Mein Bruder schwatzt mich tot - leide sehr - komme bald!"
Am 1. Januar 1856 - 1 1/2 Monate vor seinem Tod - schrieb er:
"Du bist meine liebe Mouche und ich fühle minder meine Schmerzen, wenn ich an Deine Zärtlichkeit, an die Anmut Deines Geistes denke."
Sehr berührend, finde ich.
LG Bärbel
Danke, Maxi für die Ergänzung zu Heinrich Heine. Man könnte noch so vieles ansprechen, möchte heute nur noch ein Gedicht von ihm eingeben, das er auf seinem Krankenlager verfasst hat. Dabei ist unschwer erkennbar, dass er trotz der schweren Erkrankung seinen Humor und geistige Spritzigkeit nicht verloren hat.
Gedächtnisfeier
Keine Messe wird man singen,
keinen Kadosch wird man sagen,
nichts gesagt und nichts gesungen
wird an meinen Sterbetagen.
Doch vielleicht an solchem Tage,
wenn das Wetter schön und milde,
geht spazieren auf Montmartre
mit Paulinen Frau Mathilde.
Mit dem Kranz von Immortellen
kommt sie, mir das Grab zu schmücken,
und sie seufzet: »Pauvre homme!«
Feuchte Wehmut in den Blicken.
Leider wohn ich viel zu hoch,
und ich habe meiner Süßen
keinen Stuhl hier anzubieten;
ach! sie schwankt mit müden Füßen.
Süßes, dickes Kind, du darfst
nicht zu Fuß nach Hause gehen;
an dem Barrieregitter
siehst du die Fiaker stehen.
Gedächtnisfeier
Keine Messe wird man singen,
keinen Kadosch wird man sagen,
nichts gesagt und nichts gesungen
wird an meinen Sterbetagen.
Doch vielleicht an solchem Tage,
wenn das Wetter schön und milde,
geht spazieren auf Montmartre
mit Paulinen Frau Mathilde.
Mit dem Kranz von Immortellen
kommt sie, mir das Grab zu schmücken,
und sie seufzet: »Pauvre homme!«
Feuchte Wehmut in den Blicken.
Leider wohn ich viel zu hoch,
und ich habe meiner Süßen
keinen Stuhl hier anzubieten;
ach! sie schwankt mit müden Füßen.
Süßes, dickes Kind, du darfst
nicht zu Fuß nach Hause gehen;
an dem Barrieregitter
siehst du die Fiaker stehen.