Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
Die Klecksographie
Erklärungen von Justinus Kerner
Im Februar 1857
Es wird wohl manchem bei Lesung und Betrachtung dieser Blätter vielleicht zu Sinne kommen, wie er schon in frühester Jugend durch Zerdrückung von kleinen, färbenden Beeren, ja gar Fliegenköpfen usw. auf zusammengelegtem Papier, ohne Kunst, ohne Hülfe von Bleistift und Pinsel, Zeichnungen hervorgehen sah. Dessen erinnere ich mich auch noch aus meiner Jugend.
Die Zunahme meiner halben Erblindung war die Ursache, daß ich es in diesem jugendlichen Spiel weiterbrachte; denn dadurch fielen mir, wenn ich schrieb, sehr oft Dintentropfen aufs Papier. Manchmal bemerkte ich diese nicht und legte das Papier, ohne sie zu trocknen, zusammen. Zog ich es nun wieder voneinander, so sah ich, besonders wenn diese Tropfen nahe an einen Falz des Papiers gekommen waren, wie sich manchmal symmetrische Zeichnungen gebildet hatten, namentlich Arabesken, Tier- und Menschenbilder usw. Dies brachte mich auf den Gedanken, diese Erscheinung durch Übung zu etwas größerer Ausbildung zu bringen.
Das Verfahren und die dadurch entstandenen Bilder teilte ich schon vor sieben Jahren vielen meiner Freunde aus der Nähe und Ferne mit, auch wurden sie sehr oft in Albums von Freundinnen mit einer Erklärung durch einen von meiner Hand geschriebenen Vers begehrt, auch in Lotterien zu Stuttgart und Dresden, die wohltätige Frauen zum Besten der Armen veranstaltet hatten, für solche gewinntragend freudig aufgenommen.
Dieses Spiel mit den dicken Klecksen verbreitete sich auch damals bald unter vielen und wurde eine Zeitlang in unserer Gegend und auch in der Ferne fast zu einem Modespiel von Alten und Jungen, selbst in Schulen oft zum großen Jammer der Lehrer. Ein Liebhaber dieser Kunst in Stuttgart hat sogar, wie ich höre, derlei Dintenbilder durch Lithographie vervielfältigen lassen.
(gelesen bei „Projekt Gutenberg“)
Informationen zu dieser Kunst finden sich bei Wikipedia.
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Im Nov. 1812 schrieb Schubert an seinen Bruder Ferdinand:
Schon lange habe ich über meine Lage nachgedacht und gefunden, daß sie im Ganzen genommen zwar gut sei, aber doch noch hie und da verbessert werden könnte; Du weißt aus Erfahrung, daß man doch manchmal eine Semmel und ein paar Äpfel essen möchte, um so mehr, wenn man nach einem mittelmäßigen Mittagsmahle, nach 8 ½ Stunden erst ein armseliges Nachtmahl erwarten darf. Dieser schon oft sich aufgedrungene Wunsch stelle sich nun immer mehr ein, und ich mußte nolens volens endlich eine Abänderung treffen. Die paar Groschen, die ich vom Herrn Vater bekomme, sind in den ersten Tagen beim Teufel, was soll ich dann die übrige Zeit thun? Die auf dich hoffen, werden nicht zu Schanden werden. Mätthäus Cap. 3,V.4. -
So dachte auch ich. Was wär’s denn auch, wenn Du mir monatlich ein paar Kreuzer zukommen ließest. Du würdest es nicht einmal spüren, indem ich mich in meiner Clause für glücklich hielte, und zufrieden sein würde. Wie gesagt, ich stütze mich auf die Worte des Apostels Matthäus, der da spricht: Wer zwei Röcke hat, der gebe einen den Armen etc. Indessen wünsche ich, dass Du der Stimme Gehör geben mögest, die Dir unaufhörlich zuruft, Deines Dich liebenden armen, hoffenden und nochmal armen Bruders Franz zu erinnern.
Auszug aus seiner Rede zu seinem 70. Geburtstag)
„Meine verehrten Freunde und Verwandten! Der siebenzigste Geburtstag ist wohl deshalb ein großes Fest, weil es für den Jubilar zugleich ein schmerzliches ist. Denn der Volksmund hat recht: „Siebenzig Jahre ein Greis“, und das Greisentum hat wesentlich mit dem Tode zu rechnen und die Aussicht auf den letzten, grünen Hügel wird dem Siebenziger nicht mehr verschwinden. Aber da wacht im Herzen der Menschen die Liebe auf. Noch einmal wollen sie das Herz des alten Geburtstagskindes mit Freude füllen, mit Rosen soll die Perspektive verdeckt werden. So sind auch Sie alle hierher gekommen, um über diesen Lebensabschnitt hinwegzuhelfen, und ich sage Ihnen meinen Dank dafür. Die Erinnerung daran wird bei mir bleiben auf der Strecke Weges, die mir noch übrig ist, denn Sie alle haben mir eine wahrhafte Freude gebracht.
Ich hatte, als mein Vater mich aus der Prima der alten Husumer Gelehrtenschule auf das Lübecker Gymnasium schickte, keine Ahnung, dass gleichzeitig mit mir Dichter wie Uhland oder Eichendorff auf der Welt seien. In Lübeck aber, wo eine höhere Luft wehte, traten zwei für mich bedeutende Ereignisse in mein Leben. Ich lernte Goethes Faust und Heines Buch der Lieder kennen. Mag man von diesen sagen was man will oder kann - ein Dichter wird sie nie verleugnen können. Mir war – ein Jüngerer wird sich von diesem Eindrucke keine Vorstellung machen können – als sei plötzlich ein Vorhang und noch einer zerrissen, und ich blickte zum ersten Male in eine Welt, aus der die Poesie mit ihren Sternenaugen auf mich schaute. Danach kamen noch Eichendorff und später Eduard Mörike hinzu. So war ich mit denen bekannt, die bestimmend auf meine eigene Kunst einwirkten. Ich wurde ihr Schüler, niemals ihr Nachahmer, davor bewahrte mich meine selbständige Natur.
Stefan Zweig an Thomas Mann
The Wyndham Hotel, New York
17. Juli 1940
Verehrter Herr Professor, dies nur ein Gruß, der keine Antwort benötigt. Ich wollte Ihnen bloß sagen, wie sehr ich es bedaure, Sie versäumen zu müssen, aber meine Tage sind hier amtlich gezählt, und es war schon harte Arbeit, von England das Exit, von America das Transit, für Vorträge in Südamerica zu bekommen. Aber ich habe in England doch zu sehr unter dem Gefühl der Macht- und Nutzlosigkeit gelitten. Nahe Freunde wie Robert Neumann wurden interniert, Verwandte mußten unser Haus verlassen, die Fifth-Column-Hysterie, erst gefördert von oben nur, dann in den breiten Massen zu einem wilden Mythos anschwellend, macht jemandem, der einen deutschen Namen hat, das Leben unbehaglich. Hoffentlich kann ich nach England rebus bene gestis zurückkehren und muß nicht die Schar der Umgeschüttelten und Heimatlosen und somit die Last für die anderen vermehren.
Ich tue dies alles, was in meinen kleinen Kräften steht, um Freunde (und auch meine frühere Frau) aus Frankreich zu retten, aber auch in gods country mahlen Gottes Mühlen grauenhaft langsam, und ich weiß, wie drüben die Menschen von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute warten, oft an unserem Eifer, unserer Hingabe im geheimen zweifelnd – wichtig wäre, daß jenes erlösende Telegramm von Washington mit den Visas für die wirklich Gefährdeten endlich abgeht. Ich weiß, Sie haben einen Sohn, einen Bruder dort und verstehen so vom eigenen Blut her unsere Sorge.
Der arme Otto Pick gründete knapp vor seinem Tod noch eine deutsche Zeitschrift in London. Ich weiß nicht, ob Sie meinen Aufsatz über Ihre herrliche »Lotte« noch erhielten, der dort erschien – ich konnte Ihnen selbst kein Exemplar schicken, weil ich deutschen Text nicht mehr versendete. So blieb auch das ganze fast vollendete Manuscript meiner großen Balzac-Biographie, einer seit Jahren begonnenen Arbeit zurück, aber ist es nicht wichtiger sich die Arbeit zu retten, die man noch tun kann, statt die halb oder ganz getane?
In herzlicher Verehrung
Ihr Stefan Zweig
Alles Gute den Ihren!
es ist immer wieder erschütternd zu lesen, was 1940 in
Deutschland geschah.
Immer wieder versuche ich, mich in die Zeit und die Menschen
hineinzuversetzen, ihre Flucht, ihr Leiden und ihre Schmerzen
zu erleben.
Und was gestern Gil Ofarim in einem Hotel in Leipzig geschah.
Und was macht die Politik? "Das darf es in Deutschland nicht geben!"
Und - ist das alles?
Wo steuern wir hin?
Was ist los bei uns!
Ich danke Dir für diesen - traurigen - Brief.
liebe Grüsse zu Dir, Sirona.
Ingeborg
meine Freundin hat mir aus Italien diesen Faun geschickt, passt doch gut, mit dem
- hier nicht drohenden - Schatten.
Auch ich kann den erneut aufflammenden Antisemitismus nicht verstehen. Hat es die damals betroffene Generation nicht gewagt diese Schrecknisse zu erwähnen - aus Scham wegen ihres Stillschweigens und Wegschauens?
M.E. müßte die Politik gegen solche Strömungen vehementer angehen und sie im Keim ersticken.
Julie von Lespinasse an Hippolyte von Guibert
Freitag abends, den 14. Oktober 1774.
Lieber Freund! Ich komme aus dem »Orpheus«. Er hat mir die Seele weich und ruhig gemacht. Ich habe Tränen vergossen, aber keine bitteren. Mein Schmerz war sanft, meine Trauer verlor sich in der Erinnerung an Sie, meine Gedanken verweilten bei Ihnen ohne Reue. Ich weinte um den Verlorenen, aber meine Liebe galt Ihnen. Mein Herz hatte Raum für beide.
Welch wunderbare Kunst! Ein Göttergeschenk! Die Musik muß ein feinsinniger Mensch erfunden haben, um Unglückliche zu trösten.
Lieber Freund, gegen unheilbare Leiden kann man nichts tun, als Linderungsmittel suchen, und in der ganzen Welt gibt es da dreierlei für mein Herz. Der allerwirksamste Balsam sind Sie, mein Lieber. Sie vermögen mich meines Leids zu entheben, Sie erfüllen mein Herz mit einer Art Rausch, der mich Vergangenheit und Zukunft vergessen läßt. Nach diesem besten aller Mittel kommt das Opium, das mir als Hilfe und Schutz gegen die Verzweiflung wertvoll ist. Es wirkt mehr physisch, aber es ist mir unentbehrlich. Und drittens: die Musik, – sie verzaubert mein Leid, sie gießt in mein Blut, in mein ganzes Wesen eine Wonne, eine so köstliche Stimmung, daß ich fast sagen könnte, ich genieße meine Trauer und mein Unglück. Wahrlich, in den glücklichsten Tagen meines Lebens war mir die Musik nicht so wertvoll wie jetzt.
Lieber Freund, vor Ihrer Abreise bin ich keinmal im »Orpheus« gewesen. Ich hatte kein Bedürfnis danach. Sie waren bei mir, oder Sie waren eben bei mir gewesen, oder ich harrte Ihrer, – das war mir genug Lebensinhalt. Aber in der Öde, in der ich jetzt schmachte, unter dem ewigen Anstürmen der Verzweiflung und der Seelenqualen, muß ich alle Mittel zu Hilfe rufen. Wie schwach sind sie, wie machtlos gegen das Gift, das mein Leben verzehrt!
Lieber Freund, eine innerliche Stimme flüstert mir zu: »Wenn du ihn siehst, dann wird das Leben dir wieder wert und dein Leid erträglich!« Und wäre das auch nur ein Wahn, eine Illusion, gut, dann soll es die letzte sein.
Graf Crillon war in der Oper und in der Loge des Königs, er und tausend andre Crillons. Ich saß wie immer in meiner Loge. Ich habe mir seine Frau ordentlich angesehen. Sie ist mir gewöhnlich vorgekommen, nicht gerade häßlich. Er hat mich in meiner Loge besucht, wir haben von seinen Angelegenheiten geplaudert, von seiner Frau wenig. Ein großes Vermögen ist eine große Last. Er hat Prozesse und Geschäfte in Amerika. Er hat immer zu tun. Es mag Gewinn dabei herauskommen, aber kein ideeller. Das Glück steckt also nicht im großen Reichtum. Wo ist es denn? Eher ist es im Arbeitsgemach eines einsamen linkischen Gelehrten. Oder in den Werkstätten trefflicher Handwerker, die zu arbeiten haben, ohne sich dabei zu überanstrengen. Oder bei biederen Landpächtern, die eine Menge Kinder und ihr anständiges Auskommen haben. Der Rest der Erde wimmelt von Toren, Narren und Schelmen.
Ich lese an einem schlechten Buche über das Theater; ein paar treffliche Dinge stehen doch drinnen. Ich hebe es Ihnen auf.
Alle Welt ist in Fontainebleau. Ich bin sehr froh darüber. Oft möchte ich an meine Türe schreiben wie jener Weise: »Wer eintritt, ehrt mich, wer nicht eintritt, erfreut mich!«
Herr von Marmontel bot mir an, bei mir einen neuen komischen Operntext vorzulesen. Er kam, und wir waren ihrer zwölf Zuhörer, alle im Kreise, ich mit, willens, den »Alten Junggesellen« anzuhören. So ist der Titel des Werkes. Der Anfang der ersten Szene kam mir konfus und schwerfällig vor. Wissen Sie, was ich gemacht habe, ohne daß es im geringsten meine Absicht war? Ich habe nicht ein Wort gehört. Das ist so buchstäblich zu nehmen, daß ich von keiner der handelnden Personen noch vom Stoffe des Stückes etwas sagen könnte, und wenn ich gehängt werden sollte. Ich zog mich hinterher aus der Affäre, indem ich die Wahrheit sagte und meinte, die Zeit wäre mir gar nicht lang geworden. In der Tat war ich wirklich erstaunt, als ich die Gesellschaft um mich mit einem Male wieder laut plaudern hörte.
Seit es mir unmöglich ist, meine Aufmerksamkeit auf irgend etwas zu konzentrieren, liebe ich toll das Vorlesen. Es läßt mir meine Freiheit. Bei Gesprächen, selbst wenn man sich gar nicht beteiligt, rufen einen die andern allzuoft an, besonders die Leute, die einen auszeichnen wollen. Das sind die Unerträglichsten. Glauben Sie mir, am liebsten plaudre ich mit Ihnen oder mit dem Chevalier von Chastellux.
Gute Nacht! Es ist höchste Zeit, Sie aufatmen zu lassen. Ich habe in einem Zuge geschrieben. Die Operntage sind meine Erholungstage. Ich bin da allein, und hinterher zu Hause schließe ich die Türe. D'Alembert hat sich den »Harlekin« angesehen. Der macht ihm mehr Spaß als der »Orpheus«. Jeder hat recht, und es fällt mir nicht ein, über den verschiedenen Geschmack zu streiten. Jeder ist gut. Aber adieu nun! Auf morgen!
Sonnabends, vier Uhr [Mai 1776].
(Kurz vor dem Tode geschrieben.)
Mein lieber Freund, Sie sind zu gut, zu liebreich. Sie möchten ein Herz, das endlich unter der harten Last seines Leids zusammenbricht, wiederaufleben lassen. Ich fühle den ganzen Wert Ihres Wollens, aber ich verdiene es nicht mehr.
Es hat eine Zeit gegeben, wo mir, von Ihnen geliebt zu werden, keinen andern Wunsch übrig gelassen hätte. Ja, in dieser Liebe wäre vielleicht meine Reue erloschen. Mindestens hätte sich ihre Bitternis in Wonne gewandelt. Da hätte ich leben mögen. Jetzt will ich nur noch sterben. Ich habe keinen Ersatz, keinen süßen Trost für das gefunden, was ich verloren hatte ...
Mein Lieber, das ist das einzige herbe Gefühl, das ich in meiner Seele gegen Sie finde. Es war ein unseliges Geschick, das Sie einst zu mir geführt hat. Es hat mich Tränen und Schmerzen gekostet, und schließlich bin ich daran zugrunde gegangen.
Ich möchte ihr ferneres Schicksal gern kennen. Ich möchte, daß Sie – Ihrer Beanlagung gemäß – glücklich würden. Ihr Charakter und Ihre Gefühlsart werden Sie niemals tief unglücklich werden lassen.
Ihren Brief habe ich um ein Uhr erhalten. Ich lag gerade in glühendem Fieber. Wieviel Mühe und Zeit ich dazu brauchte, ihn zu lesen, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich wollte ihn nicht liegen lassen. Dies mühselige Lesen hat mich fast ins Delirium gebracht.
Ich erhoffe Nachrichten von Ihnen heute Abend.
Leben Sie wohl, mein lieber Freund. Sollte mir das Leben noch einmal geschenkt werden, so möchte ich es von neuem dazu weihen, Sie zu lieben. Aber es ist vorbei.
Informationen zu Julie de Lespinasse
https://de.wikipedia.org/wiki/Julie_de_Lespinasse
Informationen zu Hippolyte von Guibert
https://www.wikizero.com/de/Jacques_Antoine_Hippolyte_Guibert
Es bewegen zur Zeit zwei Vorfälle die Gemüter, die 96jährige Schreibkraft aus einem KZ und die Behandlung von Gil Ofarim in einem Leipziger Hotel. Die Nazi-Diktatur ist auf erscheckende Weise wieder Tagesthema. Heute habe ich hier im ST gelesen, dass auch die Rädchen im Getriebe Entscheidungsmöglichkeiten hatten. Und da ist mir Janusz Korczak eingefallen, dazu möchte ich einen Text hierlassen, auch wenn es kein Brief ist. Er ist mir deshalb eingefallen, weil ich eine Zeitlang durch die Berliner Janusz-Korczak-Straße gefahren bin auf dem Wege zum Doc.
Es gibt Schicksale, die schnüren einem augenblicklich die Kehle zu. Das Schicksal des Janusz Korczak ist so eines. Der jüdisch-polnische Kinderarzt, Pädagoge, Schriftsteller und Leiter des Warschauer Waisenhauses wurde vor 75 Jahren im KZ Treblinka ermordet, irgendwann nach dem 5. August 1942, auf den Tag genau weiß man das nicht. Korczak hatte seine Waisenkinder in die Gaskammer begleitet, obwohl er selbst mehr als einmal die Gelegenheit hatte, dem Tod zu entgehen. Obwohl er wusste, was ihn im KZ erwarten würde. "Nicht jeder ist ein Schuft", soll Korczak noch gesagt haben, als ihm ein Bahnhofskommandant auf dem Weg ins KZ die Rettung anbot. Der Mann hatte Korczak erkannt und ihm vorgeschlagen, die Kinder alleine fahren zu lassen. Korczak stieg freiwillig in den Eisenbahnwagon nach Treblinka.
Korczak wollte "seine" Kinder nicht alleine lassen. Der Komponist Władysław Szpilman hatte beobachtet, wie die Nazis Korczak und die Kinder aus dem Warschauer Ghetto abtransportieren. "Er wollte es ihnen leichter machen", schreibt Szpilman. "Sie würden aufs Land fahren, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die Ghettomauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wüchsen, gegen Bäche, in denen man würde baden können, gegen Wälder, wo es so viele Beeren und Pilze gäbe. Er ordnete an, sich festtäglich zu kleiden, und so hübsch herausgeputzt, in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an."
Szpilman war von Korczaks Mitmenschlichkeit überwältigt: "Als ich ihnen an der Gęsia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor. Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte ihnen etwas Lustiges. Bestimmt hat der ‘alte Doktor’ noch in der Gaskammer, als das Zyklon schon die kindlichen Kehlen würgte und in den Herzen der Waisen Angst an die Stelle von Freude und Hoffnung trat, mit letzter Anstrengung geflüstert: ‘Nichts, das ist nichts, Kinder’, um wenigstens seinen kleinen Zöglingen den Schrecken des Übergangs vom Leben in den Tod zu ersparen."
Korczaks Selbstlosigkeit bis in den Tod und sein Wunsch, die Kinder beim Abschied aus ihrem jungen Leben nicht alleine zu lassen – das macht sprachlos und stellt uns vor die Frage, wie wir an seiner Stelle gehandelt hätten.
LG und ein schönes Wochenende allen, die hier lesen und schreiben.
Von Korczak gibt es das schöne Buch "Wie man ein Kind lieben soll".
Das habe ich mit großem Interesse gelesen und meinem Sohn vor einigen Jahren zur Geburt seiner Tochter geschenkt. 😉
Sein Schicksal finde ich erschütternd. Dieser Mann war wirklich ein Held im besten Sinne. Es gab auch einen Film über sein Leben oder lt. Wiki mehrere. Einen davon habe ich vor Jahren mal gesehen, aber ich erinnere mich nicht daran, welcher genau es war.
nur ganz kurz: Danke
ich flieg dauernd aus dem Internet, deshalb geh ich gleich wieder - freiwillig.
Clematis