Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
Matthias Claudius an seine Tochter Caroline und deren Ehemann
den 26. XBr. 1799
Liebe Caroline und lieber Perthes!
Vielen großen Dank für mich Mama, Guste, Trinette, Hans, Rebecca, Fritz, Ernst und Franz.
Es rüsten sich zwar verschiedene zum Schreiben, weil man aber nicht weiß, wie weit es damit gedeihen werde, so habe ich auf alle Fälle die allgemeine Freude und Jubelei und Auspack-Rumor pp. zu notifizieren wollen und sollen.
Alle Präsente werden schon gebraucht, in den Büchern wird gelesen, aus dem Teetopf ist gestern und heute getrunken, die Schnabelei wird schnabeliert usw. Die Dröscher dröschen, die Trompete trompetet, doch ist die letztere auf bestimmte Vorträge eingeschränkt ihrer schneidenden und unangenehmen Stimme halber.
Die Küchenplatten haben vorzüglichen Beifall gefunden, sind aber noch nicht angelegt.
Wenn das Wetter morgen sehr günstig wäre, sind die Demoiselles sehr geneigt, Eure Einladung anzunehmen.
D.M.C.
an Philipp Deppe
Berlin, (Dezember 1895)
Mein lieber kleiner Philipp Deppe,
Und da sagtest Du endlich, Du möchtest wohl ganz gern einmal solch ein kleines Schiff habe mit einem kleinen Anker und das man selbst so ein bißchen auftakeln könnte.
„Nun!“ hast Du Dir im Sommer wohl gedacht, als ich nichts mehr von mir hören ließ, „der Christian hat mich kleinen Philipp offenbar ganz vergessen.“
Das war aber nicht so. Ich dachte sogar sehr oft an Dich. Auf Sylt aber, wo ich im Kurhaus Kampen drei Wochen verbrachte, ging mir leider das Geld aus, was Dir wahrscheinlich auch manchmal im Leben passieren wird, obwohl ich es Dir nicht wünsche. Und so nahm ich mir vor, Dir Weihnachten aus Berlin ein kleines Schiff zu schicken. Du mußt nun als Inselbewohner, der so viele schöne Boote immer vor Augen hat, an das kleine beigepackte Ding keine hohen Anforderungen stellen. Denn die Berliner sind schlechte Schiffsbauer, und ich bin aus mehreren Spielwarenhandlungen ärgerlich wieder hinausgegangen, weil sie entweder nur Schiffe aus lackiertem Blech hatten, was ganz unseemännisch aussieht oder aber Schiffe mit einem Mast - und Segelwerk darauf, das so wenig der Wirklichkeit entspricht, daß man die Berliner Landratten, die das gemacht haben, nur gründlich auslachen kann. Das Segelboot, das ich nun endlich fand,
Ihr mögt jetzt wohl viele gefährliche Stürme auf der Insel haben, ich las erst kürzlich eine Nachricht von Eurer Insel. Das wäre schön, wenn ich jetzt mal ein paar Tage an der Nordsee sein könnte, im Sommer ist sie ja meistens so sehr ruhig. Nun, vielleicht komme ich mal wieder und werde Dich dann gewiß besuchen.
Sei recht vergnügt am Weihnachtsabend und bleibe ein strammer deutscher Junge! Grüß Deine lieben Eltern unbekannterweise vielmals von mir und schreib mir mal, wenn Du Zeit und Lust hast“!
Mit Gruß und Handschlag
Dein Christian Morgenstern
Friedrich Hebbel an Elise Lensing
München, den 12ten Decbr. 1838
Ich hatte Deinen Brief, den ich gestern Mittag empfing und, weil ich mir etwas Liebes gern bis zum Schluß des Tags aufspare, gestern Abend nach dem Teetrinken las, nicht so früh erwartet, um so angenehmer überraschte er mich in meiner so wenig durch Briefe als durch Menschen unterbrochenen Einöde. Meine gegenwärtige Antwort werde ich am 18ten d.M. auf die Post geben, dann trifft sie, wenn ich nach der Zeit, die Deinige gebraucht hat, rechnen darf, gerade am heiligen Abend bei Dir ein, was Dir gewiß lieb sein wird. Wie gern, wie außerordentlich gern ich, statt meines Briefs, die Reise machte, kann ich Dir gar nicht sagen. Das Wiedersehen ist doppelt so süß, wenn man sich am Weihnachtsabend wiedersieht; es gibt kaum etwas so Herrliches.
Wie immer, liebe Elise, ganz Dein F. Hebbel
Theodor Storm an Gottfried Keller
Da bin ich, lieber Freund, um Ihnen, so gut es durch so viel Ferne geschehen kann, zu dem mir ewig jungen Kindheitsfeste die Hand zu schütteln.
Unten spielt meine Jüngste allerlei süße Melodien, und im ganzen Hause weihnachtet es sehr. Zwei Tage lang nichts als Kisten gepackt und Pakete gemacht und Weihnachtbriefe an Alt und Jung in alle Welt gesendet; ich habe diesmal nur meine zwei Jüngsten, die Gertrud und Dodo, zu Haus, und morgen kommt aus Varel noch mein Musikus, das heißt Musiklehrer.
Aber die breitästige, zwölf Fuß hohe Tanne steht schon im großen Zimmer, an den letzten Abenden ist fleißige Hausarbeit gehalten: der goldene Märchenzweig, dito die Traubenbüschel des Erlensamens und große Fichtenzapfen, an denen diesmal lebensgroße Kreuzschnäbel von Papiermaché sich anklammern werden, während zwei desgleichen Rotkehlchen neben ihrem Nest mit Eiern im Tannengrün sitzen, feine weiße Netze, deren Inhalt sorgsam in Gold- und andere nach Lichtfarben gewählte Papiere gewickelt ist, alles liegt parat und morgen helfe ich den Baum schmücken.
Wenn dann aber am Weihnachtsabend die Lichter brennen und die Kinder ihr Weihnachtslied anstimmen, dann überfällt’s mich doch: Wo sind sie alle, die sich einst mit mir gefreut? – Antwort: wo ich auch bald sein werde. – Und das Geschick deiner Lieben? Ein ewiges Dunkel für dich. --- Lieber Freund, ich werde sentimental, und das schickt sich eigentlich nicht für alte Leute . . . .
Doch genug für heute. Die meinen grüßen Sie mit mir. Möge auch über Sie die Märchenstille dieses Festes kommen, einerlei ob von dem Kinde in der Krippe oder von unsern alten schönen Götterfrauen, die in den Zwölften Umzug halten! Vor allen Dingen auch möge Ihr treu Geschwister sich mit Ihnen in gefestigter Gesundheit der Festesruhe freuen!
Ich grüße Sie herzlich – Ihr Th. Storm
Meine liebe Frau Hesse!
Ich selbst befinde mich wohl bis jetzt. Im Hause geht mir’s nach Wunsch. Die drei Kinder sind wohlerzogen. Ihre Heiterkeit um den Christbaum herum, ihre nachträgliche Tätigkeit mit den Geschenken zum Handgebraucht, wie Martin hämmert, wie Ruth fleißig bügelt und Anneliese ihr Püppchen schleppt, das kann ich noch immer trotz meines Alters nicht ohne Teilnahme betrachten. Zu längst vergangenen Weihnachtstagen ziehen dann die Gedanken zurück, als das bescheidene Verlangen so leicht zu befriedigen war, während die kleine Phantasie sich obendrein rührte, das Angenehme noch mehr zu verschönen.
Unser Winter kam diesmal früh, scharf, unerwartet, so daß wir die Rosen holterdiepolter bedecken mußten, vielleicht schon zu spät. Nachher fiel Schnee in Menge. Es macht sich ja nicht übel, aber als alter Junge, find ich, tut man am besten, sich diese Herrlichkeit von der Stube aus behaglich rauchend zu betrachten.
An die Vögel draußen wird auch gedacht. Für die Meisen hat der Neffe allerlei Ampeln, ausgegossen mit Talg und Sämereien, gegenüber den Fenstern in die Bäume gehängt; am Boden dagegen sind Äpfel und Korinthen für die Schwarzdrossel serviert. Das ist unser Wintertheater. Wie Sie sehen, sind nicht nur die Stadtleute vergnügungssüchtig.
Bleiben Sie gesund und munter, liebe Frau Hesse. Herzliche Grüße von
Ihrem alten Wilhelm Busch
[Hölderlin an Susette Gontard - Anfang November 1799]
Hier unsern "Hyperion", Liebe! Ein wenig Freude wird diese Frucht unserer seelenvollen Tage Dir doch geben. Verzeih mirs, daß Diotima stirbt. Du erinnerst Dich, wir haben uns ehmals nicht ganz darüber vereinigen können. Ich glaubte, es wäre, der ganzen Anlage nach, notwendig.
Liebste! alles, was von ihr und uns, vom Leben unseres Lebens hie und da gesagt ist, nimm es wie einen Dank, der öfters um so wahrer ist, je ungeschickter er sich ausdrückt. Hätte ich mich zu Deinen Füßen nach und nach zum Künstler bilden können, in Ruhe und Freiheit, ja ich glaube, ich wär es schnell geworden, wonach in allem Leide mein Herz sich in Träumen und am hellen Tage, und oft mit schweigender Verzweiflung sehnt. Es ist wohl der Tränen alle wert, die wir seit Jahren geweint, daß wir die Freude nicht haben sollten, die wir uns geben können, aber es ist himmelschreiend, wenn wir denken müssen, daß wir beide mit unsern besten Kräften vielleicht vergehen müssen, weil wir uns fehlen.
Und sieh! das macht mich eben so stille manchmal, weil ich mich hüten muß vor solchen Gedanken. Deine Krankheit, Dein Brief - es trat mir wieder, so sehr ich sonst verblinden möchte, so klar vor die Augen, daß Du immer, immer leidest, - und ich Knabe kann nur weinen darüber! - Was ist besser, sage mirs, daß wirs verschweigen, was in unserm Herzen ist, oder daß wir uns es sagen! -
Immer hab ich die Memme gespielt, um Dich zu schonen, - habe immer getan, als könnt ich mich in alles schicken, als wär ich so recht zum Spielball der Menschen und der Umstände gemacht und hätte kein festes Herz in mir, das treu und frei in seinem Rechte für sein Bestes schlüge, teuerstes Leben! habe oft meine liebste Liebe, selbst die Gedanken an Dich, mir manchmal versagt und verleugnet, nur um so sanft wie möglich um Deinetwillen dies Schicksal durchzuleben.
Du auch, Du hast immer gerungen, Friedliche! um Ruhe zu haben, hast mit Heldenkraft geduldet, und verschwiegen, was nicht zu ändern ist, hast Deines Herzens ewige Wahl in Dir verborgen und begraben, und darum dämmerts oft vor uns, und wir wissen nicht mehr, was wir sind und haben, kennen uns kaum noch selbst; dieser ewige Kampf und Widerspruch im Innern, der muß Dich freilich langsam töten, und wenn kein Gott ihn da besänftigen kann, so hab ich keine Wahl, als zu verkümmern über Dir und mir, oder nichts mehr zu achten als Dich und einen Weg mit Dir zu suchen, der den Kampf uns endet.
Ich habe schon gedacht, als könnten wir auch von Verleugnung leben, als machte vielleicht auch dies uns stark, daß wir entschieden der Hoffnung das Lebewohl sagten.
http://www.faz.net/aktuell/reise/hoelderlin-gontard-so-lieben-wie-ich-dich-wird-dich-nichts-mehr-12218462.html
Warschau, 13. Dezember 1942
(an Ehefrau und Kinder)
Meine Annemie, liebe drei, Detlev, Jorinde, Uta -
*) älteste Sohn – Medizinstudent
Es ist viel klüger, Du entziehst Dich von Zeit zu Zeit Deinen Beschäftigungen, als dass sie Dich ziehen und Dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem Du nicht landen willst. Du fragst: "An welchen Punkt?" An den Punkt, wo das Herz hart wird.
Wenn also alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum solltest einzig Du selbst nichts von Dir haben? Wie lange noch schenkst Du allen Anderen die Aufmerksamkeit, nur nicht Dir selbst? Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein?
Denk also daran: Gönne Dich Dir selbst. Ich sage nicht: Tu das immer. Ich sage nicht: Tu das oft. Aber ich sage: Tu das immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen.
Bernhard von Clairvaux
* um 1090 - 20. 8. 1163
in einem Brief an Papst Eugen III
Clematis
Frau Rat von Goethe an Christiane Vulpius
den 17. Mertz 1801
Liebe Tochter!
Tausend Dank vor Ihren lieben Brief, Sie haben mich dadurch sehr glücklich gemacht - beehren Sie mich zuweilen mit Ihrer lieben Zuschrift, und ich werde immer dadurch verjüngt wie ein Adler! Wohl mögte ich einmahl das weimarer Theater das überall berühmt ist sehen - aber du Lieber Gott! Ich und Reißen!! Ich wünscht ich hätte Frau von La Roche Ihren Muth und Ihre Reiße seligkeit, den habe ich aber nicht, und da wird es wohl so bey dem alten bleiben.
Tantzen Sie immer liebes Weibgen Tantzen Sie - frölige Menschen die mag ich gar zu gern - und wenn sie zu meiner Familie gehören habe ich sie doppelt und dreyfach lieb - Wäre ich eine Regirende Fürstin, so machte ich es wie Julius Cäsar lauter fröliche Gesichter müßten an meinem Hof zu sehen seyn denn das sind der Regel nach gute Menschen, die ihr Bewusstsein froh macht - aber die Duckmäußer die immer unter sich sehen - haben etwas vom Kain an sich die fürchte ich - Luther hat Gott zu Kain sagen laßen warum verstelts du deine Geberde, aber es heißt eigendlich im Grundtext - warum läßt du den Kopf hängen.
Leben Sie wohl - vergnügt und Tantzen wo Sie Gelegenheit dazu finden - darüber wird sich hertzlich freuen die sich nent
Ihre
treue Mutter Goethe
Clematis
Theodor Storm an seine Braut Constanze
(18.04.1844)
Ich komme eben aus dem Gericht. Wunderbarer Frühlingszauber liegt auf allen Wegen; die linden Lüfte spielen um Stirn und Wange, mir ist unendlich wohl – wärest nur Du hier! Ich ging an unserem künftigen Hause vorbei, und da klang’s sogleich in mir; hör’ nur die Improvisation:
Ins liebe Städtlein unversehrt
sind nun die Störche eingekehrt
und bauen um des Schornsteins Rand
ihr Nest hoch über allem Land.
Du weißt ja, welch besonderes Heil
durch solche Gäste wird zuteil.
Was ist auf unserm künft’gen Haus
das Storchenpaar geblieben aus!
Errätst du wohl den tiefen Sinn!
Ein Witwer einsam wohnt darin,
doch denk’ ich, über Jahr und Tag
gibt’s lustig Klappern auf dem Dach.
Nun grüße mir Vater recht herzlich. O! es ist jetzt so frühlingshell! Meine Constanze, meine süße Braut, denkst Du wohl jetzt an mich?
Dein Theodor