Forum Kunst und Literatur Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe

Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Von den fünf Kindern, die aus Goethes Verbindung mit Christiane entsprossen, blieb nur August am Leben. Auch die am 18. Dezember 1802 geborene Tochter war bereits am 21. wieder gestorben.

Aja Goethe an Wolfgang:

den 31ten Dezember 1802

Lieber Sohn!

Dein letztes Schreiben hat mich sehr betrübt - getäuschte Hoffnungen thun weh - nichts hielft als die Zeit die wohltätig den Schmertz in den hintergrund stelt - das trösten habe ich nie leiden können - den wenig Menschen sind im stande sich in die Lage des Traurigen zu setzen und werden demnach leidige Tröster - von mir erwartet keinen Trost - aber Dancksagung an Gott! der Euch gesund erhalten hat - und Bitte, dieses theure Gleinod wohl zu bewahren - und mch immer gute und frohe Nachrichten hören zu laßen - das meinem Hertzen jederzeit so wohl thut.

Tausend Seegens wünsche zum Neuen Jahr! Frohen Sinn - Gesundheit - Häußliche Glückseligkeit - alles was zum Leben und wandel gehört wünschet von Gott! und erbittet vor Euch -

Eure
treue Großmutter u Mutter
Goethe


aus:
Briefe der Frau Rat Goethe
Insel-Bücherei Nr. 544

Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 21.07.2015, 10:38:32
Theodor Fontane
an
Theodor Storm

Letschin im Oderbruch
17. April 1854

Mein lieber Storm


Seit fünf Tagen bin ich nun mit Frau und Kind hier: riesige Napfkuchen und blaue Veilchen, Sonnenschein und Glockenklang laben abwechselnd alle Sinne, und ich fühle ordentlich, wie ruckweise der Alp von Leib und Seele rutscht. Erst unter natürlichen, wohlhabenden, sorglosen und freien Menschen fühlt man so recht, welch ein stellenweis erbärmliches Leben man in unsern großen Städten und unter unsern kleinen, dürftigen Sechserverhältnissen führt.

Allerdings möcht ich nicht tauschen, unser geistiges Leben hat eine Süße, von der ich unfähig wäre, mich zu entwöhnen, aber inmitten eines äußerlichen Behagens , das bei 35 Rtl. monatlichen Gehalts schlecht zu kultivieren ist, wird einem wenigstens fühlbar, daß das Glück, das man genießt, nur ein halbes ist, ein schwer erkauftes, dessen Einsatz oft höher ist als der Gewinn.
Es ist wunderbar, in wie nahen Beziehungen Menschenglück und Putenbraten zueinander stehn und welche Püffe das Herz verträgt, wenn man jeden Schlag mit einer Flasche Markobrunner parieren kann.

Maxi41
Maxi41
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Maxi41
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.07.2015, 10:52:36
Simone de Beauvoir kann man immer wieder lesen und entdeckt jedes Mal Neues, Überraschendes. Für Generationen von Frauen war sie Vorbild und Wegbereiterin als eine Frau, die Emanzipation lebte und in ihren Büchern die theoretischen Grundlagen dafür lieferte.
Mit Jean-Paul Sartre war sie ihr Leben lang liiert, obwohl die von ihm vorgegebene offene Beziehung ihr (und ihm) die Freiheit anderer Liebesbeziehungen gab.
Sartre nannte Simone d. B. "mein reizender Castor", sie nannte ihn ihren "lieben Kleinen".

Brief S.d.Beauvoir an Sartre, Sept. 1939 (gekürzt)

"Mon amour, mon cher amour,
mein lieber Kleiner - ich sehne mich heute Abend so sehr nach Ihrer Zärtlichkeit; es kommt mir vor, als hätte ich Ihnen niemals genügend gesagt, wie ich Sie liebe, als wäre ich nie nett genug zu Ihnen gewesen, mein süßer Kleiner, wie ich Sie halten und mit Küssen bedecken möchte - wie ich mit Ihnen glücklich war, von überallher überfielen mich heute herzzerreißende Erinnerungen.
Ich hab einen reizenden Brief von Kos. bekommen - aber von Ihnen nichts. Ich würde so gern eine Möglichkeit finden, Sie zu sehen. Mon amour, ich liebe Sie, ich wäre so nett, wenn Sie da wären - Sie sind mein Leben, mein Glück und ich selbst - Sie sind alles für mich - und heute Abend vor allem ein zärtliches Gesicht, an das ich denken kann, ohne zu weinen. Ich liebe Sie leidenschaftlich.

Ihr reizender Castor"

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yoli
yoli
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von yoli
als Antwort auf Maxi41 vom 27.07.2015, 15:56:40
Theodor Storm wusste nicht wie begehrt dieser Wein heute ist.
Kann mir jemand sagen was das monatliche Einkommen bei 35 Rtl. war.
Umgerechnet zu Heute

1945er Markobrunner Trockenbeerenauslese Brogsitter Rheingau 0.75-l Flasche

EUR 1.935,00

Grüssle
Yoli
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Paula Modersohn-Becker
an
Rainer Maria Rilke

Ich finde, wir sollen von unserer armen Seele nicht immer Sonntagsstimmung verlangen. Und dann finde ich, jeden Akt, den wir tun, das sind wir, und man soll Achtung davor haben. Ich erkenne keine Norm an, nicht Norm Rilke, Norm Becker etc., sondern fasse den Menschen auf in seiner mannigfachen Vielfarbigkeit oder versuche es zu tun, in Demut und habe Achtung davor und habe auch Achtung vor Ihrem Briefe.

Meine Seele feiert heute auch keinen Sonntag. Sie weiß auch nicht, was sie heute feiert oder nicht feiert. Das weiß ich eigentlich nie. Sie ist verschleiert heut. Ein Nebel liegt auf ihr und macht sie unbeweglich. Und trotzdem schreibe ich Ihnen. Und Sie erlauben den Seelenalltag, nicht wahr? Und dulden ihn und schätzen ihn nicht gering?

Und dies ist alles, alles Nebensache und kleiner Kram und Sachen, womit man die Zeit totsclägt. Das Eine für mich, das Ganze, Große, das Feststehende für mich ist meine Liebe zu Otto Modersohn und seine Liebe zu mir. Und die ist was Wundervolles und segnet mich und überströmt mich und singet und geiget um mich und in mir. Und ich hole tief, tief Atem und gehe dahin wie im Traum. Sie wissen davon, nicht wahr?

Es ist schon lange; schon vor Hamburg. Ich habe Ihnen nicht davon gesprochen. Ich dachte, Sie wüßten. Sie wissen ja immer, und das ist so schön. Und heute mußte ich es Ihnen doch mit Worten nennen und taufen und Ihnen es fromm in die Hände legen, auf daß Sie Pate stehen. Denn Ihre Hände bringen Gutes. ...

12. November 1900
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
Von Stefan Zweig an Hermann Hesse
Victor Massé, Paris 21. Nov. 1904

Lieber Herr Hesse, Das »Litterarische Echo«, in dem ich Ihre lieben Worte lese, erinnert mich daran, daß ich Ihnen mit meinem herzlichsten Dank zugleich auch einen Brief schulde. Nun kennen Sie ja selbst Paris – wenn Sie es auch nicht lieben, wissen Sie doch, wie sehr es einen von allen Seiten gefangennimmt. Ich habe eine sehr hübsche Wohnung gefunden, die in einen Garten hineinzielt und so still ist, als läge sie, von endlosen Wiesen umzirkt, mitten im Lande. Das macht mich nun sehr froh, daß ich des öfteren still bei mir sein kann und mich nach meiner Art vergnügen: Bekannte habe ich hier, wenn ich sie will, und das ist mir lieb. Holzamer, den ich schon lange kenne, habe ich sehr gern; ein paar Wiener, ein paar junge Franzosen kenne ich, und wenn Verhaeren kommt, so habe ich einen wertvollen und gütigen Gefährten.

Meinen »Verlaine« habe ich hier mit Lust begonnen, in Hast vor meinem wachsenden Unmut vollendet: ich will mich nie und nimmer mehr binden und verpflichten. Das zerstört einem das Schönste, die willige Freude des Schaffens.

Bei Ihnen scheinen ja jetzt frohe Tage zu sein. Der Bauernfeld-Preis hat mich sehr gefreut – um so mehr als unsere Wiener Herren sonst ein wenig dickköpfig sind. Und Weihnachten streut unseren lieben »Peter Camenzind« – den ich bei Bernus jüngst sogar angedichtet fand – sicher in alle Welt. Hoffentlich sind auch alle andern Sorgen beim Teufel und Sie leben wohlgemut und schaffensfroh.

Vergessen Sie mich aber, lieber Herr Hesse, nicht ganz. Erzählen Sie mir einmal, ob wir Neues von Ihnen erhoffen dürfen oder ob Sie brachliegen für die kommenden Jahre der Ernten. Ich freue mich immer so sehr darüber. Gerne hätte ich einen Abstecher zu Ihnen gemacht – zwei Stunden war ich weit –, als ich nach Paris fuhr, da Sie mir aber schrieben, Ihre Frau sei nicht gesund, hütete ich mich wohl, Sie zu verständigen und von Ihrem Heim fortzulocken. Ich hab schon das Vertrauen, daß wir uns einmal finden werden, und ich will Ihnen da gern ein paar Kilometer entgegengehn.

Und das Reisen? Haben Sie es verlernt? Ich nicht, wahrhaftig nicht, ich habe so eine Unrast überallhin zu fahren, alles zu sehen und zu genießen, habe Angst vor dem Alter, daß ich dies – meinen liebsten Besitz – einmal verlieren könnte in Mattigkeit und Faulheit. Im März geht es nach Spanien – es muß dies das schönste Land Europas sein, ich fühle das. Kommen Sie mit: Sie wären ein Reisegefährte! Ich weiß nicht: immer wenn ich mir Spanien vor mich hin sage, spüre ich's wie einen Ruck. Ich freu mich so darauf; schon studiere ich spaniolisch.

Nun noch herzliche Grüße, von denen Sie aber Ihrer Frau auch ein paar abgeben müssen. Ihr in Ergebenheit und Freundschaft getreuer Stefan Zweig

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Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
Im Gegensatz zu seinem Bruder Dietrich wurde Klaus Bonhoeffer während seiner Haft entsetzlich gefoltert und gequält. Wenige Tage vor seinem Tod hat Klaus Bonhoeffer auf einem Zettel eine kleine Notiz hinterlassen, die gefunden und überliefert wurde, in der er schreibt:
„Ich fürchte mich nicht vor dem Erhängtwerden, aber ich möchte diese Gesichter nie mehr sehen... dieses Maß an Verkommenheit... Ich möchte überhaupt lieber sterben, als diese Gesichter nochmal zu sehen. Ich habe den Teufel gesehen, das werde ich nicht los.“

Kurz vor seiner Hinrichtung schrieb er seinen Kindern einen bewegenden Abschiedsbrief. Wegen der Länge setze ich lediglich einige Auszüge ein:

Meine lieben Kinder!
Ich werde nicht mehr lange leben und will nun von Euch Abschied nehmen. Das wird mir sehr schwer; denn ich habe jeden von Euch so sehr lieb und Ihr habt mir immer nur Freude gemacht. Ich werde nun nicht mehr sehen, wie Ihr heranwachst und selbständige Menschen werdet. Ich bin aber ganz zuversichtlich, daß Ihr an Mamas Hand den rechten Weg geht und dann auch von Verwandten und Freunden Rat und Beistand finden werdet. Liebe Kinder, ich habe viel gesehen und noch mehr erlebt. Meine väterlichen Erfahrungen können Euch aber nicht mehr leiten. Ich möchte Euch deshalb noch einiges sagen, was für Euer Leben wichtig ist, wenn Euch auch manches erst später aufgehen wird.....
......nach Anerkennung streben macht Euch unfrei, wenn Ihr sie nicht mit Anmut auch entbehren könnt, und das gelingt nicht jedem. Hört nicht auf billigen Beifall. Die Menschen, die Euch sonst begegnen, nehmt, wie sie sind. Stoßt Euch nicht gleich an dem, was fremd ist oder Euch mißfällt und schaut auf die guten Seiten. Dann seid Ihr nicht nur gerechter, sondern bewahrt euch selbst vor Engherzigkeit. Im Garten wachsen viele Blumen. Die Tulpe blüht schön, aber duftet nicht, und die Rose hat ihre Dornen. Ein offenes Auge aber freut sich am unscheinbaren Grün. So entdeckt man bei den Menschen meist verborgene und erfreuliche Seiten, wenn man sich erst einmal in sie hineinversetzt. Wer nur mit sich beschäftigt ist, hat dafür keinen Sinn. Glaubt mir aber, liebe Kinder, das Leben erschließt sich euch erst dann im kleinen Kreise und im Großen, wenn Ihr nicht nur an Euch, sondern auch an die andern denkt .......
....... Die Zeiten des Grauens, der Zerstörung und des Sterbens, in denen Ihr, liebe Kinder, aufwachst, führen den Menschen die Vergänglichkeit alles Irdischen vor Augen; denn alle Herrlichkeit des Menschen ist wie des Grases Blume.....


Der vollständige Abschiedsbrief ist in dem Buch „Emmi Bonhoeffer – Bewegende Zeugnisse eines mutigen Lebens“ aufgezeichnet.

LG Sirona
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Theodor Fontane
an
Friedrich Stephany

Berlin, 10. Oktober 1889

Hochverehrter Herr und Freund.

...
Und nun Gerhart Hauptmann, der neue Räuberhauptmann, neben dem Ibsen bloß ein Cadet. Ja, ich bin auch sehr von ihm eingenommen, werde mich aber sehr manierlich ausdrücken und allen Radau vermeiden, was ich auch kann, ja muss, weil ich durchaus nicht so stehe, dass ich wünschen könnte, die nächste Generation mit lauter Gerhart Hauptmannschen Schnapstragödien oder dem Ähnlichen beglückt zu sehn.
Es steckt nur in all diesen neuen Stücken was drin, was die alten nicht haben und sie verhältnismäßig dürftig und oft tot erscheinen läßt. Der Realismus wird ganz falsch aufgefasst, wenn man von ihm annimnmt, er sei mit der Häßlichkeit ein für allemal vermählt; er wird erst ganz echt sein, wenn er sich umgekehrt mit der Schönheit vermählt, und das nebenherlaufende Häßliche, das nun mal zum Leben gehört, verklärt hat.

Wie und wodurch? das ist seine Sache zu finden; der beste Weg ist der des Humors. Übrigens haben wir in Shakespeare längst die Vollendung des Realismus. Er wid nur in seiner Größe nicht ausschließlich daraufhin angesehn.
...

Clematis
Federstrich
Federstrich
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Federstrich
als Antwort auf yoli vom 28.07.2015, 18:25:49

Kann mir jemand sagen was das monatliche Einkommen bei 35 Rtl. war.
Umgerechnet zu Heute
geschrieben von yoli


Hallo Yoli,
verschiedene Quellen geben als ganz groben Orientierungswert an, dass 35 Preußische Rtl. um 1854 ca. 514 DM (1 RT = ca. 14,70 DM mit Kaufkraft von 1969) entsprachen, d.h. Fontane verdiente ca. 263€ im Monat.
LG, Fedi
yoli
yoli
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von yoli
als Antwort auf Federstrich vom 11.08.2015, 11:39:52
Danke dir Fedi, es freut mich auch du hier dabei bist. Ich lese die Einträge sehr gerne, weiss aber nicht wo ich Artikel über Herz reinschreiben suchen soll.
Liebe Grüss
Yoli

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