Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Theodor Fontane an Friedrich Witte - Auszug
Berlin, 1. Mai 1851
"Sie sprechen in Ihren Briefen so ausserordentlich wenig über Ihre augenblicklichen Verhältnisse, nur Unbehagen schimmert hindurch. Räsonieren Sie sich doch mal in einem Briefe tüchtig aus; Sie sollen sehn, es wird einem wohler danach. Im übrigen haben Sie's nun überstanden; Temperatur und Komfort Ihrer freundlichen Hundehütte wird Ihnen hinfort nicht mehr lästig fallen, und unter grünen Bäumen, bei Frühlingsluft und Schwalbengezwitscher vergisst unsereins allen winterlichen Trübsinn."
Clematis
Berlin, 1. Mai 1851
"Sie sprechen in Ihren Briefen so ausserordentlich wenig über Ihre augenblicklichen Verhältnisse, nur Unbehagen schimmert hindurch. Räsonieren Sie sich doch mal in einem Briefe tüchtig aus; Sie sollen sehn, es wird einem wohler danach. Im übrigen haben Sie's nun überstanden; Temperatur und Komfort Ihrer freundlichen Hundehütte wird Ihnen hinfort nicht mehr lästig fallen, und unter grünen Bäumen, bei Frühlingsluft und Schwalbengezwitscher vergisst unsereins allen winterlichen Trübsinn."
Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Rainer Maria Rilke an Fürstin Marie von Thurn und Taxis - Auszug
Ronda, 17. Dezember 1912
"Übrigens müssen Sie wissen, Fürstin, ich bin seit Cordoba von einer beinah rabiaten Antichristlichkeit, ich lese den Koran, er nimmt mir, stellenweise, eine Stimme an, in der ich so mit aller Kraft drinnen bin, wie der Wind in der Orgel. Hier meint man in einem christlichen Lande zu sein, nun auch hier ists längst überstanden, christlich wars, solang man hundert Schritte vor der Stadt den Mut hatte, umzubringen, darüber gediehen die vielen anspruchslosen Steinkreuze, auf denen einfach steht: hier starb der und der, - das war die hiesige Version Christentums. Jetzt ist hier eine Gleichgültigkeit ohne Grenzen, leere Kirchen, vergessene Kirchen, Kapellen die verhungern, - wirklich man soll sich länger nicht an diesen abgesessenen Tisch setzen und die Fingerschalen, die noch herumstehen, für Nahrung ausgeben."
Clematis
Ronda, 17. Dezember 1912
"Übrigens müssen Sie wissen, Fürstin, ich bin seit Cordoba von einer beinah rabiaten Antichristlichkeit, ich lese den Koran, er nimmt mir, stellenweise, eine Stimme an, in der ich so mit aller Kraft drinnen bin, wie der Wind in der Orgel. Hier meint man in einem christlichen Lande zu sein, nun auch hier ists längst überstanden, christlich wars, solang man hundert Schritte vor der Stadt den Mut hatte, umzubringen, darüber gediehen die vielen anspruchslosen Steinkreuze, auf denen einfach steht: hier starb der und der, - das war die hiesige Version Christentums. Jetzt ist hier eine Gleichgültigkeit ohne Grenzen, leere Kirchen, vergessene Kirchen, Kapellen die verhungern, - wirklich man soll sich länger nicht an diesen abgesessenen Tisch setzen und die Fingerschalen, die noch herumstehen, für Nahrung ausgeben."
Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Catharina Elisabeth Goethe, genannt Aja (19. 2. 1731-13. 9. 1808)
an:
Gustav Friedrich W. Großmann (1743-1796) Schauspieldirektor
und Verfasser von Lustspielen
Frankfurt d 19. May 1780
"Lieber Herr Gevatter!
Sehr, recht sehr hat es mich gefreut daß Sie glücklich in Bonn angelangt auch Ihre lieben Kinder wieder hübsch frisch und munter angetroffen haben...Nochmals vielen Dank vor alle die Freuden und vergnügten Tage die Sie mir vier hübsche Wochen lang tag täglich verursacht und gemacht haben. Bey meiner Lage, bey der stille die um mich herum herscht ists nöthig, ists Wohlthat wenn mir was vor die Seele gestelt wird das sie aufzieht, in die höhe spant, daß sie ihre anziehende kraft nicht verliehrt. Doch da mir Gott die Gnade gethan, daß meine Seele von Jugend auf keine Schnürbrust angekriegt hat, sondern daß Sie nach Hertzens lust hat wachsen und gedeuhen, Ihre Äste weit ausbreiten können u.s.w. und nicht wie die Bäume in den langweiligen Zier Gärten zum Sonnenfächer ist verschnitten und verstümmelt worden; so fühle ich alles was wahr gut und brav ist, mehr als villeicht Tausend andre meines Geschlechts - und wenn ich im Sturm und Drang meines Hertzens im Hamlet vor innerlichem Gefühl und Gewühl nach Luft und Odem schnappe, so kan eine andre die neben mir sitzt, mich angaffen und sagen, es ist ja nicht wahr, sie spielens ja nur so - Nun eben dieses unverfälschte und starcke Nathur gefühl bewahrt meine Seele /:Gott sey ewig Danck:/ vor Rost und Fäulniß..."
aus: Briefe der Frau Rat Goethe
Insel-Bücherein Nr. 544
Clematis
an:
Gustav Friedrich W. Großmann (1743-1796) Schauspieldirektor
und Verfasser von Lustspielen
Frankfurt d 19. May 1780
"Lieber Herr Gevatter!
Sehr, recht sehr hat es mich gefreut daß Sie glücklich in Bonn angelangt auch Ihre lieben Kinder wieder hübsch frisch und munter angetroffen haben...Nochmals vielen Dank vor alle die Freuden und vergnügten Tage die Sie mir vier hübsche Wochen lang tag täglich verursacht und gemacht haben. Bey meiner Lage, bey der stille die um mich herum herscht ists nöthig, ists Wohlthat wenn mir was vor die Seele gestelt wird das sie aufzieht, in die höhe spant, daß sie ihre anziehende kraft nicht verliehrt. Doch da mir Gott die Gnade gethan, daß meine Seele von Jugend auf keine Schnürbrust angekriegt hat, sondern daß Sie nach Hertzens lust hat wachsen und gedeuhen, Ihre Äste weit ausbreiten können u.s.w. und nicht wie die Bäume in den langweiligen Zier Gärten zum Sonnenfächer ist verschnitten und verstümmelt worden; so fühle ich alles was wahr gut und brav ist, mehr als villeicht Tausend andre meines Geschlechts - und wenn ich im Sturm und Drang meines Hertzens im Hamlet vor innerlichem Gefühl und Gewühl nach Luft und Odem schnappe, so kan eine andre die neben mir sitzt, mich angaffen und sagen, es ist ja nicht wahr, sie spielens ja nur so - Nun eben dieses unverfälschte und starcke Nathur gefühl bewahrt meine Seele /:Gott sey ewig Danck:/ vor Rost und Fäulniß..."
aus: Briefe der Frau Rat Goethe
Insel-Bücherein Nr. 544
Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Rainer Maria Rilke an
Magda von Hattinberg
Paris 16. - 20. Februar 1914 (Rilke schrieb über Tage Briefe)
Auszug
"Ach, ach, wenn ich Dir erst einmal davon spreche, Vertraute, von diesem Schlecht-werden bis weit in die Seele hinein und den ganzen Körper entlang. Diesem Verbogenwerden wie ein Ding, das man verwendet zu nicht entsprechendem Gebrauchen. Diesem Schartigsein oder Stumpfsein oder Verrosten oder Daliegen eines Werkzeugs, wo's nicht gefunden wird. Und stell Dir vor, Herz, stell Dir vor, dass das in dem Augenblick über das Werkzeug hereinbrach (hereinbrach und dann vorhielt), in dem es sich scharf, grad, so zu sagen erst fertig fühlte; als ob alles Bisherige nur die Arbeit an ihm gewesen sei, seine eigene Zurüstung: nun lag es da, nun durfte der Meister kommen - oh Erwartung in einem guten Werkzeug, oh Vorlust innen im Hammer vor dem ersten Hammerschlag, oh Werktagsmorgen. Da aber hatte die böse Fee das Arge hereingewunschen. Da wurde das Werkzeug eingesteckt und in finstern Taschen getragen; da wurde es hervorgeholt und von neugierigen Augen betrachtet, die nicht erkannten, wozu es diene; da wurde es falsch gebraucht und falsch angefasst: da schnitt es den Leuten in die Hände. Da wurden sie zornig und warfen es in eine Ecke. Dort blieb es liegen. Und es wurden seltsame Dinge darüber gehäuft."
aus:
Rainer Maria Rilke: Mitten im Lesen schreib ich Dir
Bibliothek Suhrkamp
Clematis
Magda von Hattinberg
Paris 16. - 20. Februar 1914 (Rilke schrieb über Tage Briefe)
Auszug
"Ach, ach, wenn ich Dir erst einmal davon spreche, Vertraute, von diesem Schlecht-werden bis weit in die Seele hinein und den ganzen Körper entlang. Diesem Verbogenwerden wie ein Ding, das man verwendet zu nicht entsprechendem Gebrauchen. Diesem Schartigsein oder Stumpfsein oder Verrosten oder Daliegen eines Werkzeugs, wo's nicht gefunden wird. Und stell Dir vor, Herz, stell Dir vor, dass das in dem Augenblick über das Werkzeug hereinbrach (hereinbrach und dann vorhielt), in dem es sich scharf, grad, so zu sagen erst fertig fühlte; als ob alles Bisherige nur die Arbeit an ihm gewesen sei, seine eigene Zurüstung: nun lag es da, nun durfte der Meister kommen - oh Erwartung in einem guten Werkzeug, oh Vorlust innen im Hammer vor dem ersten Hammerschlag, oh Werktagsmorgen. Da aber hatte die böse Fee das Arge hereingewunschen. Da wurde das Werkzeug eingesteckt und in finstern Taschen getragen; da wurde es hervorgeholt und von neugierigen Augen betrachtet, die nicht erkannten, wozu es diene; da wurde es falsch gebraucht und falsch angefasst: da schnitt es den Leuten in die Hände. Da wurden sie zornig und warfen es in eine Ecke. Dort blieb es liegen. Und es wurden seltsame Dinge darüber gehäuft."
aus:
Rainer Maria Rilke: Mitten im Lesen schreib ich Dir
Bibliothek Suhrkamp
Clematis
Theodor Storm ....
schreibt nach dem Tode seiner Frau Constanze in einem Bekenntnisbrief an ein befreundetes Ehepaar (Hartmuth und Laura Brinkmann) unter anderem folgendes:
In mein Leben wie in meine Poesie teilen sich zwei Frauen:
die Mutter meiner Kinder, Constanze, die so lange der Stern meines Lebens war, ist nicht mehr;
die andre lebt, nachdem sie fern von mir allein und oft in drückender Abhängigkeit verblüht ist.
Beide habe ich geliebt, ja beide liebe ich noch jetzt; welche am meisten, weiß ich nicht; die erschütterndste Leidenschaft hat mir einst die noch Lebende eingeflößt, die leidenschaftlichen Lieder, die ihr ja oft gelesen, sind der Kranz, den sie noch jetzt in ihrem Haar trägt.
Beide sind sie, obwohl sonst mannigfach verschieden, die süßesten mildesten Frauenseelen, die ich im Leben gefunden, und von grenzenloser Hingebung an den geliebten Mann. Das wäre noch alles schön und gut; aber die Leidenschaft für die Lebende brach über mich herein, als die Verstorbene schon mein Weib war.
So kam es ....... ich heiratete, und jenes Mädchen, damals eben aufgeblüht, kam oft in unser Haus. In meiner jungen Ehe fehlte eins, die Leidenschaft; meine und Constanzes Hände waren mehr aus stillem Gefühl der Sympathie ineinander liegen geblieben. Die leidenschaftliche Anbetung des Weibes, die ich zuletzt für sie gehabt, gehört ihrer Entstehung nach einer späteren Zeit an.
Aber bei jenem Kinde, die, wie ich glaube, mit der Leidenschaft für mich geboren ist, da war jene berauschende Atmosphäre, der ich nicht widerstehen konnte. Vielleicht mag ich auf sie eine gleiche Wirkung gehabt haben. Gewiß ist, daß ein Verhältnis der erschütterndsten Leidenschaft zwischen uns entstand, das mit seiner Hingebung, seinem Kampf und seinen Rückfällen jahrelang dauerte und viel Leid um sich verbreitete - um Constanze und uns.
Nach dem Tod seiner Frau Constanze heiratete Storm 1866 seine Geliebte Doris Jensen, die seinen Kindern eine gute Mutter war und selbst Mutter einer Tochter wurde.
Clematis eine schöne Idee, bestimmt werde ich hin und wieder etwas zu diesem Thread beisteuern können.
LG Sirona
schreibt nach dem Tode seiner Frau Constanze in einem Bekenntnisbrief an ein befreundetes Ehepaar (Hartmuth und Laura Brinkmann) unter anderem folgendes:
In mein Leben wie in meine Poesie teilen sich zwei Frauen:
die Mutter meiner Kinder, Constanze, die so lange der Stern meines Lebens war, ist nicht mehr;
die andre lebt, nachdem sie fern von mir allein und oft in drückender Abhängigkeit verblüht ist.
Beide habe ich geliebt, ja beide liebe ich noch jetzt; welche am meisten, weiß ich nicht; die erschütterndste Leidenschaft hat mir einst die noch Lebende eingeflößt, die leidenschaftlichen Lieder, die ihr ja oft gelesen, sind der Kranz, den sie noch jetzt in ihrem Haar trägt.
Beide sind sie, obwohl sonst mannigfach verschieden, die süßesten mildesten Frauenseelen, die ich im Leben gefunden, und von grenzenloser Hingebung an den geliebten Mann. Das wäre noch alles schön und gut; aber die Leidenschaft für die Lebende brach über mich herein, als die Verstorbene schon mein Weib war.
So kam es ....... ich heiratete, und jenes Mädchen, damals eben aufgeblüht, kam oft in unser Haus. In meiner jungen Ehe fehlte eins, die Leidenschaft; meine und Constanzes Hände waren mehr aus stillem Gefühl der Sympathie ineinander liegen geblieben. Die leidenschaftliche Anbetung des Weibes, die ich zuletzt für sie gehabt, gehört ihrer Entstehung nach einer späteren Zeit an.
Aber bei jenem Kinde, die, wie ich glaube, mit der Leidenschaft für mich geboren ist, da war jene berauschende Atmosphäre, der ich nicht widerstehen konnte. Vielleicht mag ich auf sie eine gleiche Wirkung gehabt haben. Gewiß ist, daß ein Verhältnis der erschütterndsten Leidenschaft zwischen uns entstand, das mit seiner Hingebung, seinem Kampf und seinen Rückfällen jahrelang dauerte und viel Leid um sich verbreitete - um Constanze und uns.
Nach dem Tod seiner Frau Constanze heiratete Storm 1866 seine Geliebte Doris Jensen, die seinen Kindern eine gute Mutter war und selbst Mutter einer Tochter wurde.
Clematis eine schöne Idee, bestimmt werde ich hin und wieder etwas zu diesem Thread beisteuern können.
LG Sirona
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Käthe Kollwitz an...? nicht ersichtlich
Florenz, Mai 1907 - Auszug
"Lores Freundin und ich - wir wollen über S. Gimignano und Volterra ein bißchen in die Maremmengegend gehen, aber sehr mit Vorsicht wegen dem Fieber (noch ist nicht die schlimme Zeit). Dann waagrecht durch am Lago Trasimeno vorbei nach Perugia und Assisi. (Vielleicht dann noch nördlich nach dem vom Hesse gepriesenen Gubbio.) Dann südlich nach Orvieto herunter. Siena auf der Rückreise. Auf dieses Wandern freue ich mich unglaublich. Wie ich aussehen werde, wenn ich dann nach Rom kommen werde, darauf bin ich selbst neugierig. Jetzt schon sehe ich aus, wie sonst im Sommer, wie aber werde ich erst im Juli aussehen? -
Jetzt blühen die Rosen - aber einfach die Masse. Auf der Straße werden einem für so gut wie nichts Rosen angeboten. Wenn man dann nichts haben will, sagt der Verkäufer, man soll wenigstens daran riechen, und geht immer neben einem her, den Strauß einem an die Nase haltend. Schließlich muß man lachen und er auch, und dann kauft man die sie."
Garten(Clematis)
Clematis
Florenz, Mai 1907 - Auszug
"Lores Freundin und ich - wir wollen über S. Gimignano und Volterra ein bißchen in die Maremmengegend gehen, aber sehr mit Vorsicht wegen dem Fieber (noch ist nicht die schlimme Zeit). Dann waagrecht durch am Lago Trasimeno vorbei nach Perugia und Assisi. (Vielleicht dann noch nördlich nach dem vom Hesse gepriesenen Gubbio.) Dann südlich nach Orvieto herunter. Siena auf der Rückreise. Auf dieses Wandern freue ich mich unglaublich. Wie ich aussehen werde, wenn ich dann nach Rom kommen werde, darauf bin ich selbst neugierig. Jetzt schon sehe ich aus, wie sonst im Sommer, wie aber werde ich erst im Juli aussehen? -
Jetzt blühen die Rosen - aber einfach die Masse. Auf der Straße werden einem für so gut wie nichts Rosen angeboten. Wenn man dann nichts haben will, sagt der Verkäufer, man soll wenigstens daran riechen, und geht immer neben einem her, den Strauß einem an die Nase haltend. Schließlich muß man lachen und er auch, und dann kauft man die sie."
Garten(Clematis)
Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Paula Modersohn-Becker an Jeanne Bauck
7. Mai 1897
"Es gibt für mich nichts Schöneres, als ein Atelier zu betreten, dann bekomme ich viel frömmere Gedanken als in der Kirche. Mir ist dann innerlich so still und groß und wunderschön zumute. Es hingen famose Sachen im Atelier, Poträts und Landschaften, eine große, einfache Auffassung in jedem Bild, und doch nicht maniriert, fein, fein!"
7. Mai 1897
"Es gibt für mich nichts Schöneres, als ein Atelier zu betreten, dann bekomme ich viel frömmere Gedanken als in der Kirche. Mir ist dann innerlich so still und groß und wunderschön zumute. Es hingen famose Sachen im Atelier, Poträts und Landschaften, eine große, einfache Auffassung in jedem Bild, und doch nicht maniriert, fein, fein!"
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Felix Mendelssohn Bartholdy
vermutlich an die Eltern
Weimar, 21. Mai 1830
Auszug:
"Da ich Goethe gebeten hatte, mich Du zu nennen, ließ er mir den folgenden Tag duch Ottilie sagen, dann müsse ich aber länger bleiben als zwei Tage, wie ich gewollt hätte, sonst könne er sich nicht wieder daran gewöhnen. Wie er mir das nun noch selbst sagte, und meinte, ich würde wohl nichts versäumen, wenn ich etwas länger bliebe, und mich einlud, jeden Tag zum Essen zu kommen, wenn ich nicht anders wo sein wollte; wie ich denn nun bis jetzt auch jeden Tag da war, und ihm gestern von Schottland, Hengstenberg, Spontini und Hegels Ästhetik erzählen musste, wie er mich dann nach Tiefurth mit den Damen schickte, mir aber verbot nach Berka zu fahren, weil da ein schönes Mädchen wohne, und er mich nicht ins Unglück stürzen wolle, und wie ich dann so dachte, das sei nun der Goethe, von dem die Leute einst behaupten würden, er sei gar nicht eine Person, sondern er bestehe aus mehreren kleinen Goethiden - da wär ich wohl recht toll gewesen, wenn mich die Zeit gereut hätte. Heut soll ich ihm von Bach, Haydn und Mozart vorspielen, und ihn dann so weiter führen bis jetzt, wie er sagte."
Felix Mendelssohn Bartholdy wurde durch Goethes Freund, Carl Friedrich Zelter, bei Goethe eingeführt.
Der alte Goethe liebte diesen jungen Felix, der liebenswürdig und gebildet ihn belehren durfte.
Zelter und Felix entdeckten Johann Sebastian Bach und "erweckten" ihn nach 300 Jahren zu neuem Leben. Seine Matthäus-Passion dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy 1829.
Clematis
vermutlich an die Eltern
Weimar, 21. Mai 1830
Auszug:
"Da ich Goethe gebeten hatte, mich Du zu nennen, ließ er mir den folgenden Tag duch Ottilie sagen, dann müsse ich aber länger bleiben als zwei Tage, wie ich gewollt hätte, sonst könne er sich nicht wieder daran gewöhnen. Wie er mir das nun noch selbst sagte, und meinte, ich würde wohl nichts versäumen, wenn ich etwas länger bliebe, und mich einlud, jeden Tag zum Essen zu kommen, wenn ich nicht anders wo sein wollte; wie ich denn nun bis jetzt auch jeden Tag da war, und ihm gestern von Schottland, Hengstenberg, Spontini und Hegels Ästhetik erzählen musste, wie er mich dann nach Tiefurth mit den Damen schickte, mir aber verbot nach Berka zu fahren, weil da ein schönes Mädchen wohne, und er mich nicht ins Unglück stürzen wolle, und wie ich dann so dachte, das sei nun der Goethe, von dem die Leute einst behaupten würden, er sei gar nicht eine Person, sondern er bestehe aus mehreren kleinen Goethiden - da wär ich wohl recht toll gewesen, wenn mich die Zeit gereut hätte. Heut soll ich ihm von Bach, Haydn und Mozart vorspielen, und ihn dann so weiter führen bis jetzt, wie er sagte."
Felix Mendelssohn Bartholdy wurde durch Goethes Freund, Carl Friedrich Zelter, bei Goethe eingeführt.
Der alte Goethe liebte diesen jungen Felix, der liebenswürdig und gebildet ihn belehren durfte.
Zelter und Felix entdeckten Johann Sebastian Bach und "erweckten" ihn nach 300 Jahren zu neuem Leben. Seine Matthäus-Passion dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy 1829.
Clematis
Goethe berichtet seinem Freund, dem Berliner Komponisten Carl Friedrich Zelter, am 2. September:
„Beethoven habe ich in Töplitz kennen gelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie dadurch freilich weder für sich noch für andere genußreicher macht. Sehr zu entschuldigen ist er hingegen und sehr zu bedauern, da ihn sein Gehör verläßt, das vielleicht dem musikalischen Teil seines Wesens weniger als dem geselligen schadet. Er, der ohnehin lakonischer Natur ist, wird es nun doppelt durch diesen Mangel.“
Beethoven berichtete seinem Leipziger Verleger Härtel zunächst noch freudig dass Goethe ihm vage versprochen habe für ihn „etwas zu schreiben“, dann aber informiert er Härtel schon am 9. August aus Franzensbrunn (wo es so kalt sei, „daß man schreiben könnte am 9ten November 1812“):
„Göthe behagt die Hofluft zu sehr – mehr als es einem Dichter ziemt. Es ist nicht vielmehr über die Lächerlichkeiten der Virtuosen hier zu reden, wenn Dichter, die als die ersten Lehrer der Nation angesehn seyn sollten, über diesem Schimmer alles andere vergessen können.“
Für Beethoven waren alle Menschen gleich, er verachtete die Verehrung, die der adeligen Gesellschaft entgegengebracht worden ist und verstand nicht, dass ein Genie wie Goethe sich vor diesen verneigte. Der Überlieferung nach soll er dem Fürsten Lichnowsky einmal gesagt haben, dass es Fürsten immer schon gegeben habe, aber einen Beethoven gäbe es nur einmal! Das nennt man Selbstbewusstsein!
Es ist für uns heute unverständlich, dass die Musik Beethovens bei Goethe keinen Anklang gefunden hat. Da trafen zwei Genies des Jahrhunderts aufeinander und blieben sich doch fremd.
Sirona
„Beethoven habe ich in Töplitz kennen gelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie dadurch freilich weder für sich noch für andere genußreicher macht. Sehr zu entschuldigen ist er hingegen und sehr zu bedauern, da ihn sein Gehör verläßt, das vielleicht dem musikalischen Teil seines Wesens weniger als dem geselligen schadet. Er, der ohnehin lakonischer Natur ist, wird es nun doppelt durch diesen Mangel.“
Beethoven berichtete seinem Leipziger Verleger Härtel zunächst noch freudig dass Goethe ihm vage versprochen habe für ihn „etwas zu schreiben“, dann aber informiert er Härtel schon am 9. August aus Franzensbrunn (wo es so kalt sei, „daß man schreiben könnte am 9ten November 1812“):
„Göthe behagt die Hofluft zu sehr – mehr als es einem Dichter ziemt. Es ist nicht vielmehr über die Lächerlichkeiten der Virtuosen hier zu reden, wenn Dichter, die als die ersten Lehrer der Nation angesehn seyn sollten, über diesem Schimmer alles andere vergessen können.“
Für Beethoven waren alle Menschen gleich, er verachtete die Verehrung, die der adeligen Gesellschaft entgegengebracht worden ist und verstand nicht, dass ein Genie wie Goethe sich vor diesen verneigte. Der Überlieferung nach soll er dem Fürsten Lichnowsky einmal gesagt haben, dass es Fürsten immer schon gegeben habe, aber einen Beethoven gäbe es nur einmal! Das nennt man Selbstbewusstsein!
Es ist für uns heute unverständlich, dass die Musik Beethovens bei Goethe keinen Anklang gefunden hat. Da trafen zwei Genies des Jahrhunderts aufeinander und blieben sich doch fremd.
Sirona
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Deshalb sind Briefe so viel wert, weil sie
das Unmittelbare des Daseins aufbewahren...
Johann Wolfgang von Goethe
Hernann Hesse an einen jungen Menschen
Zürich, Mai 1943
Auszüge:
"Obwohl ich zu einem richtigen Brief nicht fähig bin - die Ärzte plagen mich wieder - möchte ich doch Ihren Gruß erwidern. Er kommt aus einer Not, wie ich sehe.
...
Sie sprechen vom Ich, als sei es eine bekannte, objektive Größe, die es eben nicht ist. In jedem von uns sind zwei Ich, und wer immer wüßte, wo das eine beginnt und das andere aufhört, wäre restlos weise.
Unser subjektives, empirische, individuelles Ich, wenn wir es ein wenig beobachten, zeigt sich als sehr wechselnd, launisch, sehr abhängig von außen, Einflüssen sehr ausgesetzt.
Es kann also nicht eine Größe sein, mit der fest gerechnet werden kann, noch viel weniger kann es Maßstab und Stimme für uns sein. Dies "Ich" belehrt uns über gar nichts, als daß wir, wie die Bibel oft genug sagt, ein recht schwaches, trotziges und verzagtes Geschlecht sind.
Dann ist aber das andere Ich da, im ersten Ich verborgen, mit ihm vermischt, keineswegs aber mit ihm zu verwechseln. Dies zweite, hohe, heilige Ich (der Atman der Inder, den Sie dem Brahma gleichstellen) ist nicht persönlich, sondern ist unser Anteil an Gott, am Leben, am Ganzen, am Un- und Überpersönlichen. Diesem Ich nachzugehen und zu folgen, lohnt sich schon eher. Nur ist es schwer, dies ewige Ich ist still und geduldig, während das andere Ich so vorlaut und ungeduldig ist.
Die Religionen sind zum Teil Erkenntnisse über Gott und Ich, zum Teil seelische Praktiken, Übungssysteme zum Unabhängigwerden vom launischen Privat-Ich und dem Näherkommen an das Göttliche in uns.
Ich glaube, eine Religion ist ungefähr so gut wie die andere. Es gibt keine, in der man nicht ein Weiser werden könnte, und keine, die man nicht auch als dümmsten Götzendienst betreiben könnte."
aus:
Hermann Hesse
Ausgewählte Briefe
Suhrkamp Taschenbuch 211
Stadtbesichtigungen(Clematis)
auf der Brücke in Calw
das Unmittelbare des Daseins aufbewahren...
Johann Wolfgang von Goethe
Hernann Hesse an einen jungen Menschen
Zürich, Mai 1943
Auszüge:
"Obwohl ich zu einem richtigen Brief nicht fähig bin - die Ärzte plagen mich wieder - möchte ich doch Ihren Gruß erwidern. Er kommt aus einer Not, wie ich sehe.
...
Sie sprechen vom Ich, als sei es eine bekannte, objektive Größe, die es eben nicht ist. In jedem von uns sind zwei Ich, und wer immer wüßte, wo das eine beginnt und das andere aufhört, wäre restlos weise.
Unser subjektives, empirische, individuelles Ich, wenn wir es ein wenig beobachten, zeigt sich als sehr wechselnd, launisch, sehr abhängig von außen, Einflüssen sehr ausgesetzt.
Es kann also nicht eine Größe sein, mit der fest gerechnet werden kann, noch viel weniger kann es Maßstab und Stimme für uns sein. Dies "Ich" belehrt uns über gar nichts, als daß wir, wie die Bibel oft genug sagt, ein recht schwaches, trotziges und verzagtes Geschlecht sind.
Dann ist aber das andere Ich da, im ersten Ich verborgen, mit ihm vermischt, keineswegs aber mit ihm zu verwechseln. Dies zweite, hohe, heilige Ich (der Atman der Inder, den Sie dem Brahma gleichstellen) ist nicht persönlich, sondern ist unser Anteil an Gott, am Leben, am Ganzen, am Un- und Überpersönlichen. Diesem Ich nachzugehen und zu folgen, lohnt sich schon eher. Nur ist es schwer, dies ewige Ich ist still und geduldig, während das andere Ich so vorlaut und ungeduldig ist.
Die Religionen sind zum Teil Erkenntnisse über Gott und Ich, zum Teil seelische Praktiken, Übungssysteme zum Unabhängigwerden vom launischen Privat-Ich und dem Näherkommen an das Göttliche in uns.
Ich glaube, eine Religion ist ungefähr so gut wie die andere. Es gibt keine, in der man nicht ein Weiser werden könnte, und keine, die man nicht auch als dümmsten Götzendienst betreiben könnte."
aus:
Hermann Hesse
Ausgewählte Briefe
Suhrkamp Taschenbuch 211
Stadtbesichtigungen(Clematis)
auf der Brücke in Calw