Literatur Gedichte verschiedene
Franz Grillparzer
Der Minister des Äußern
Der Minister des Äußern
kann sich nicht äußern;
der Minister des Innern
kann sich nicht erinnern;
der Minister des Krieges
ist nicht der des Sieges;
nach dem Minister der Finanzen
muß alles tanzen.
--
enigma
Die Briefmarke.
Ein männlicher Briefmark
erlebte was schönes,bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
doch hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens.
Joachim Ringelnatz
--
eleisa
Ein männlicher Briefmark
erlebte was schönes,bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
doch hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens.
Joachim Ringelnatz
--
eleisa
))
Ja, Eleisa, das kommt so oft vor, dass etwas vergeblich ist.
Auch bei May Ayim war es so, jedenfalls in ihrem nachfolgenden Gedicht, aber nicht wie bei Ringelnatz, etwas ironisch, sondern mit ernsterem Unterton:
gewitterstille
manchmal
leuchten die schönen momente bis
heute und
umstreichelte wunden flüstern
schmerzen
in sanfte träume
im sandkasten
sehe ich uns am liebsten
erde und wasser zu mutkematke verrührend
die häuser die wir bauten waren schön und
zerbrechlich
wie blitze die schläge
auf kopf und gerippe
wenn wir gegen SIE lachten und weinten wuchs
unsere nähe
ich lachte so gerne mit dir!
manchmal leuchten
die schönen momente bis heute
dann rühre ich mutkematke
und male unsere gesichter
(May Ayim)
--
enigma
Ja, Eleisa, das kommt so oft vor, dass etwas vergeblich ist.
Auch bei May Ayim war es so, jedenfalls in ihrem nachfolgenden Gedicht, aber nicht wie bei Ringelnatz, etwas ironisch, sondern mit ernsterem Unterton:
gewitterstille
manchmal
leuchten die schönen momente bis
heute und
umstreichelte wunden flüstern
schmerzen
in sanfte träume
im sandkasten
sehe ich uns am liebsten
erde und wasser zu mutkematke verrührend
die häuser die wir bauten waren schön und
zerbrechlich
wie blitze die schläge
auf kopf und gerippe
wenn wir gegen SIE lachten und weinten wuchs
unsere nähe
ich lachte so gerne mit dir!
manchmal leuchten
die schönen momente bis heute
dann rühre ich mutkematke
und male unsere gesichter
(May Ayim)
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enigma
Bei Dichters
Neulich war ich bei Dichters eingeladen.
Da roch es nach Lorbeern und Gesprächen mit Gott.
Es gab lyrische Hammelkarbonaden
Und hinterher Aphorismenkompott.
Herr Dichter sprach über die letzte Schaffensepoche
Und kaute gedankenvoll Petersilie.
Es kam mir vor wie ein Bild aus der „Woche“:
Der Dichter im Kreise seiner Familie.
Frau Dichter machte in Seelenergüssen
Und sprach, als Herr Dichter mal austreten ging,
Von der Tragik derer, die dichten müssen.
Wobei sie noch mal mit Kompott anfing.
Nach Tisch kamen noch zwei weitere Genies,
Beide mit katafalkischen Mienen,
An denen sich unschwer erkennen ließ:
Es lebte die gleiche Tragik in ihnen.
Herr Dichter schob uns in seine Zelle;
Da war er eben von einem Drama genesen.
Wir lagerten uns pittoresk an der Quelle.
Herrn Dichter drang es, was vorzulesen.
Und er las, bis seine Bronchien pfiffen,
Die lautesten Stellen aus jedem Akt.
Wir saßen finster und angegriffen,
Von seiner starken Dynamik zerhackt.
Dann klappte er zu, mit verhängten Pupillen.
Frau Dichter schmolz über seine Knie.
Im Dunkeln funkelten hörnerne Brillen,
Die räusperten was von Kosmosophie.
Hierauf traten die andern Herrn aus dem Schatten.
Manuskripte wurden heftig gezückt,
Die sie alle zufällig bei sich hatten;
Und jeder las nun den eignen Konflikt.
Herr Dichter sah ganz von oben runter,
Das geschlossene Auge nach innen getunkt.
Doch die andern wurden gewaltig munter
Und deklamierten geballt, ohne Reim und Punkt.
Das eine Genie kriegte tragische Inspiration,
Die eine Hand im Klavier, die andre am Schlipse,
Und melodramte lyrisch kakophon.
Es war eine schauerliche Apokalypse.
Dann redeten sie mit verstauchten Manschetten:
Sie wären innerlich völlig Kristall,
Und wie sie mit Gott zu ringen hätten
Und glühend dahinzuschweifen durchs All. -
Ich bin leise weinend davongelaufen,
Mir hing schon die ganze Seele raus.
Denn so viel Tragik auf einen Haufen,
Das hält die beste Gesundheit nicht aus.
Érich Weinert
--
enigma
Neulich war ich bei Dichters eingeladen.
Da roch es nach Lorbeern und Gesprächen mit Gott.
Es gab lyrische Hammelkarbonaden
Und hinterher Aphorismenkompott.
Herr Dichter sprach über die letzte Schaffensepoche
Und kaute gedankenvoll Petersilie.
Es kam mir vor wie ein Bild aus der „Woche“:
Der Dichter im Kreise seiner Familie.
Frau Dichter machte in Seelenergüssen
Und sprach, als Herr Dichter mal austreten ging,
Von der Tragik derer, die dichten müssen.
Wobei sie noch mal mit Kompott anfing.
Nach Tisch kamen noch zwei weitere Genies,
Beide mit katafalkischen Mienen,
An denen sich unschwer erkennen ließ:
Es lebte die gleiche Tragik in ihnen.
Herr Dichter schob uns in seine Zelle;
Da war er eben von einem Drama genesen.
Wir lagerten uns pittoresk an der Quelle.
Herrn Dichter drang es, was vorzulesen.
Und er las, bis seine Bronchien pfiffen,
Die lautesten Stellen aus jedem Akt.
Wir saßen finster und angegriffen,
Von seiner starken Dynamik zerhackt.
Dann klappte er zu, mit verhängten Pupillen.
Frau Dichter schmolz über seine Knie.
Im Dunkeln funkelten hörnerne Brillen,
Die räusperten was von Kosmosophie.
Hierauf traten die andern Herrn aus dem Schatten.
Manuskripte wurden heftig gezückt,
Die sie alle zufällig bei sich hatten;
Und jeder las nun den eignen Konflikt.
Herr Dichter sah ganz von oben runter,
Das geschlossene Auge nach innen getunkt.
Doch die andern wurden gewaltig munter
Und deklamierten geballt, ohne Reim und Punkt.
Das eine Genie kriegte tragische Inspiration,
Die eine Hand im Klavier, die andre am Schlipse,
Und melodramte lyrisch kakophon.
Es war eine schauerliche Apokalypse.
Dann redeten sie mit verstauchten Manschetten:
Sie wären innerlich völlig Kristall,
Und wie sie mit Gott zu ringen hätten
Und glühend dahinzuschweifen durchs All. -
Ich bin leise weinend davongelaufen,
Mir hing schon die ganze Seele raus.
Denn so viel Tragik auf einen Haufen,
Das hält die beste Gesundheit nicht aus.
Érich Weinert
--
enigma
Zum neuen Jahr.
Will das Glück nach seinem Sinn
dir was gutes schenken,
sage dank und nimm es hin
ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüßt,
doch vor allen Dingen
das,worum du dich bemühst
möge dir gelingen.
Wilhelm Busch
--
eleisa
Will das Glück nach seinem Sinn
dir was gutes schenken,
sage dank und nimm es hin
ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüßt,
doch vor allen Dingen
das,worum du dich bemühst
möge dir gelingen.
Wilhelm Busch
--
eleisa
Zu den ersten Postongs hier im Fred stammt auch ein Lied von Boris Vian:
DER DESERTEUR
Ihr sogenannten Herrn,
ich schreibe Euch ein Schreiben,
lest oder laßt es bleiben
und habt mich alle gern.
Ich kriege da, gebt acht,
die Militärpapiere,
damit ich einmarschiere
und zwar vor Mittwoch Nacht.
Ich sag' Euch ohne Trug:
Ihr wollt doch nur schmarotzen,
ich finde das zum Kotzen,
die Welt hat jetzt genug.
Ihr sogenannten Herrn,
ich sage Euch ganz offen,
die Wahl ist schon getroffen:
Ich werde desertier'n.
Seit ich auf Erden bin,
sah ich manch Vater sterben,
sah Brüder schnell verderben,
sah weinen oft ein Kind;
sah Mütter voller Gram,
sie konnten nicht vergessen,
daß andre vollgefressen,
wohlauf und ohne Scham.
Sah der Gefang'nen Leid;
Man hat sie nur belogen,
um ihre Frau'n betrogen,
um ihre gute Zeit.
Früh, wenn die Hähne krähn,
dann schließ' ich meine Türe,
will tote Jahre spüren
und auf die Straße gehn.
Dann geht es drauf und dran
auf Welle, Wind und Wegen
der neuen Welt entgegen,
ich rufe jedermann:
Lebt euer Leben aus,
ringt Furcht und Elend nieder,
schießt nicht auf eure Brüder
in diesem Erdenhaus.
Ihr sogenannten Herrn,
müßt ihr denn Blut vergießen,
so laßt das eure fließen,
wir hätten das so gern.
Sagt eurer Polizei,
sie werden mich schon schaffen,
denn ich bin ohne Waffen,
zu schießen steht ihr frei.
--
aus wiki: Boris Vian (* 10. März 1920 in Ville d'Avray; † 23. Juni 1959 in Paris) war ein französischer Schriftsteller, Jazztrompeter, Chansonnier, Schauspieler, Übersetzer, wesentliches Mitglied des Collège de Pataphysique und Leiter der Jazzplattenabteilung bei Philips. Nach seinem Tod zunächst ein wenig in Vergessenheit geraten, gilt er heute wieder als einer der interessantesten Intellektuellen der französischen Nachkriegszeit.
angelottchen
DER DESERTEUR
Ihr sogenannten Herrn,
ich schreibe Euch ein Schreiben,
lest oder laßt es bleiben
und habt mich alle gern.
Ich kriege da, gebt acht,
die Militärpapiere,
damit ich einmarschiere
und zwar vor Mittwoch Nacht.
Ich sag' Euch ohne Trug:
Ihr wollt doch nur schmarotzen,
ich finde das zum Kotzen,
die Welt hat jetzt genug.
Ihr sogenannten Herrn,
ich sage Euch ganz offen,
die Wahl ist schon getroffen:
Ich werde desertier'n.
Seit ich auf Erden bin,
sah ich manch Vater sterben,
sah Brüder schnell verderben,
sah weinen oft ein Kind;
sah Mütter voller Gram,
sie konnten nicht vergessen,
daß andre vollgefressen,
wohlauf und ohne Scham.
Sah der Gefang'nen Leid;
Man hat sie nur belogen,
um ihre Frau'n betrogen,
um ihre gute Zeit.
Früh, wenn die Hähne krähn,
dann schließ' ich meine Türe,
will tote Jahre spüren
und auf die Straße gehn.
Dann geht es drauf und dran
auf Welle, Wind und Wegen
der neuen Welt entgegen,
ich rufe jedermann:
Lebt euer Leben aus,
ringt Furcht und Elend nieder,
schießt nicht auf eure Brüder
in diesem Erdenhaus.
Ihr sogenannten Herrn,
müßt ihr denn Blut vergießen,
so laßt das eure fließen,
wir hätten das so gern.
Sagt eurer Polizei,
sie werden mich schon schaffen,
denn ich bin ohne Waffen,
zu schießen steht ihr frei.
--
aus wiki: Boris Vian (* 10. März 1920 in Ville d'Avray; † 23. Juni 1959 in Paris) war ein französischer Schriftsteller, Jazztrompeter, Chansonnier, Schauspieler, Übersetzer, wesentliches Mitglied des Collège de Pataphysique und Leiter der Jazzplattenabteilung bei Philips. Nach seinem Tod zunächst ein wenig in Vergessenheit geraten, gilt er heute wieder als einer der interessantesten Intellektuellen der französischen Nachkriegszeit.
angelottchen
Ein Hoch auf Boris Vian!
Und ein weiteres auf K.T.:
Silvester
Was fange ich Silvester an?
Geh ich in Frack und meinen kessen
Blausanen Strümpfen zu dem Essen,
Das Herrn Generaldirektor gibt?
Wo man heut nur beim Tanzen schiebt?
Die Hausfrau dehnt sich wild im Sessel -
Der Hausherr tut das sonst bei Dressel -,
Das junge Volk verdrückt sich bald.
Der Sekt ist warm. Der Kaffee kalt -
Prost Neujahr!
Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?
Wälz ich mich im Familienschoße?
Erst gibt es Hecht mit süßer Sauce,
Dann gibt's Gelee. Dann gibt es Krach.
Der greise Männe selbst wird schwach.
Aufsteigen üble Knatschgerüche.
Der Hans knutscht Minna in der Küche.
Um zwölf steht Rührung auf der Uhr.
Die Bowle -? (nur - )
Prost Neujahr!
Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?
Mach ich ins Amüsiervergnügen?
Drück ich mich in den Stadtbahnzügen?
Schrei ich in einer schwulen Bar:
"Huch, Schneeballblüte! Prost Neujahr -!"
Geh ich zur Firma Sklarz Geschwister -
Bleigießen? Ists ein Fladen klein:
Dies wird wohl Deutschlands Zukunft sein...
Prost Neujahr!
Helft mir armem Mann!
Was fang ich bloß Silvester an ?
)
Von mir auch Prost Neujahr!
--
enigma
Und ein weiteres auf K.T.:
Silvester
Was fange ich Silvester an?
Geh ich in Frack und meinen kessen
Blausanen Strümpfen zu dem Essen,
Das Herrn Generaldirektor gibt?
Wo man heut nur beim Tanzen schiebt?
Die Hausfrau dehnt sich wild im Sessel -
Der Hausherr tut das sonst bei Dressel -,
Das junge Volk verdrückt sich bald.
Der Sekt ist warm. Der Kaffee kalt -
Prost Neujahr!
Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?
Wälz ich mich im Familienschoße?
Erst gibt es Hecht mit süßer Sauce,
Dann gibt's Gelee. Dann gibt es Krach.
Der greise Männe selbst wird schwach.
Aufsteigen üble Knatschgerüche.
Der Hans knutscht Minna in der Küche.
Um zwölf steht Rührung auf der Uhr.
Die Bowle -? (
Prost Neujahr!
Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?
Mach ich ins Amüsiervergnügen?
Drück ich mich in den Stadtbahnzügen?
Schrei ich in einer schwulen Bar:
"Huch, Schneeballblüte! Prost Neujahr -!"
Geh ich zur Firma Sklarz Geschwister -
Bleigießen? Ists ein Fladen klein:
Dies wird wohl Deutschlands Zukunft sein...
Prost Neujahr!
Helft mir armem Mann!
Was fang ich bloß Silvester an ?
)
Von mir auch Prost Neujahr!
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enigma
Boris Vian - he himself ...
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angelottchen
--
angelottchen
still ist es jetzt draussen; das lachen und jubeln der mitternächtlichen stunde verhallt und meine zwitschernden frühstücksgäste, die spatzen und meisen fliegen nicht, wie an anderen tagen, zwischen vogelhaus und der kleinen, mit einer sonderportion äpfel geschmückten tanne, hin und her. ob sie die knallerei der böller vorsichtig gemacht hat?
gestöbert habe ich gestern in der schatzkammer der klassischen foren und vieles gelesen, das von euch, der zeit *zwischen den jahren* entsprechend, liebevoll gesammelt und angeboten wurde.
danke an angelottchen, antonius, enigma, marina, yankee und andere verbunden mit guten wünschen für das *Neue Jahr*!
...
"Das Bewusstsein vorausgesetzt,
dass auch zwischen den nächsten Menschen
unendliche Fernen bestehen bleiben,
kann ihnen ein wundervolles Nebeneinander erwachsen,
wenn es ihnen gelingt, die Weite zwischen sich zu lieben,
die ihnen die Möglichkeit gibt,
einander in ganzer Gestalt
vor einem großen Himmel zu sehen."
(Reiner Maria Rilke)
--
pilli
gestöbert habe ich gestern in der schatzkammer der klassischen foren und vieles gelesen, das von euch, der zeit *zwischen den jahren* entsprechend, liebevoll gesammelt und angeboten wurde.
danke an angelottchen, antonius, enigma, marina, yankee und andere verbunden mit guten wünschen für das *Neue Jahr*!
...
"Das Bewusstsein vorausgesetzt,
dass auch zwischen den nächsten Menschen
unendliche Fernen bestehen bleiben,
kann ihnen ein wundervolles Nebeneinander erwachsen,
wenn es ihnen gelingt, die Weite zwischen sich zu lieben,
die ihnen die Möglichkeit gibt,
einander in ganzer Gestalt
vor einem großen Himmel zu sehen."
(Reiner Maria Rilke)
--
pilli
Hallo , yankee,
ein treffendes Gedicht für alle, die sich mit Politik
beschäftigen.
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu
können, muß man vor allem ein Schaf sein.“ Albert Einstein
Viele Grüße
--
arno
ein treffendes Gedicht für alle, die sich mit Politik
beschäftigen.
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu
können, muß man vor allem ein Schaf sein.“ Albert Einstein
Viele Grüße
--
arno