Literatur Gedichte 01

Medea
Medea
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Re: Lenzliches bei Sklaven
geschrieben von Medea
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.04.2007, 09:43:43
Elfenbein,
was ist denn in Dich gefahren? Warum denn gleich so grimmig?
Tucholsky ist ein von mir sehr geschätzter
Literat - Du solltest wirklich nicht so schnell 'ausrasten'. Vielleicht kann ich Dich mit Friedrich Rückerts "Die Wolke" wieder ein wenig versöhnen?

An der Birke Stamm gelehnt,
sah ich ihn sich biegen,
und die Wolke weißgedehnt
über ihm sich wiegen;
hin mit ihr zu fliegen
hab ich mich empor gesehnt.

Lieblich steuerst du dein Boot,
Wolke, Götterbote,
angehaucht von Morgenrot,
und vom Abendrote;
stände zu Gebote
mir dein Zaubermachtgebot!

Dich verwandelnd wie ein Traum,
füllest du die Leere
mit Gestalt, den Himmelsraum
bald mit Schlacht und Heere,
bald im blauen Meere
ragst du Fels, und stirbst du Schaum.

Was die Seele wünschen mag,
zeigest du im Bilde,
vor der Sonn am heißen Tag
dienest du zum Schilde,
und von deiner Milde
bettelt Tau der Frühlingshag.

Medea.





Medea
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Re: Lenzliches bei Sklaven
geschrieben von Medea
als Antwort auf Medea vom 15.04.2007, 10:16:01

Hier ein sehr schönes Frühlingsgedicht von Georg Heym:

Alle Landschaften haben
sich mit Blau erfüllt,
alle Büsche und Bäume des Stromes,
der weit in den Norden schwillt.

Leichte Geschwader, Wolken,
weiße Segel, dicht,
die Gestade des Himmels dahinter
zergehen in Wind und Licht.

Wenn die Abende sinken
und wir schlafen ein,
gehen die Träume, die schönen,
mit leichten Füßen herein.

Cymbeln lassen sie klingen
in den Händen licht.
Manche flüstern und halten
Kerzen vor ihr Gesicht.



Re: Lenzliches von Dichtern
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 15.04.2007, 09:01:27
April
Von Theodor Storm

Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum -
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.

*
Als Gedicht im „Lyrischen Kalender bei www.dradio.de:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/612204

--
elfenbein

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pilli
pilli
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Re: Lenzliches vom Dichter Tucholsky
geschrieben von pilli
als Antwort auf Medea vom 15.04.2007, 07:58:57
watt soll datt!

medea du guteste;

nicht verstanden, was elfenbein, so sorgsam abgestimmt auf zeit und aussage uns anbietet? warum gleich so flintenbeladen die wortwelt niederwalzen wollen mit sklavengesabbel?

es hat so reiche möglichkeiten im neuen forum medea.

auch kritischen lesestoff zur diskussion anzubieten, bitte, warum nutzt du nicht die gelegenheit an anderer stelle, dein leseangebot zu präsentieren damit nicht themenfremdes ablenkt?

--
pilli
Re: Lenzliches von Dichtern
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.04.2007, 10:28:28
Frühling der Seele

Aufschrei im Schlaf; durch schwarze Gassen stürzt der Wind,
Das Blau des Frühlings winkt durch brechendes Geäst,
Purpurner Nachttau und es erlöschen rings die Sterne.
Grünlich dämmert der Fluß, silbern die alten Alleen
Und die Türme der Stadt. O sanfte Trunkenheit
Im gleitenden Kahn und die dunklen Rufe der Amsel
In kindlichen Gärten. Schon lichtet sich der rosige Flor.

Feierlich rauschen die Wasser. O die feuchten Schatten der Au,
Das schreitende Tier; Grünendes, Blütengezweig
Rührt die kristallene Stirne; schimmernder Schaukelkahn.
Leise tönt die Sonne im Rosengewölk am Hügel.
Groß ist die Stille des Tannenwalds, die ernsten Schatten am Fluß.

Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade des Todes,
Des grauen steinernen Schweigens, die Felsen der Nacht
Und die friedlosen Schatten? Strahlender Sonnenabgrund.

Schwester, da ich dich fand an einsamer Lichtung
Des Waldes und Mittag war und groß das Schweigen des Tiers;
Weiße unter wilder Eiche, und es blühte silbern der Dorn.
Gewaltiges Sterben und die singende Flamme im Herzen.

Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische.
Stunde der Trauer, schweigender Anblick der Sonne;
Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Geistlich dämmert
Bläue über dem verhauenen Wald und es läutet
Lange eine dunkle Glocke im Dorf; friedlich Geleit.
Stille blüht die Myrthe über den weißen Lidern des Toten.

Leise tönen die Wasser im sinkenden Nachmittag
Und es grünet dunkler die Wildnis am Ufer, Freude im rosigen Wind;
Der sanfte Gesang des Bruders am Abendhügel.

Georg Trakl (1887-1914)

Re: Lenzliches von D a u t h e n d e y
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.04.2007, 10:55:42
Dauthendeys Gedichtkünste wurden hier - im alten ST - schon häufig zitiert; heute ein Stückchen Prosa vom "Blütenleben" - die Bienen leben bei ihn noch wonnenvoll.

Max Dauthendey:
Blütenleben

Lauer Schatten.
Ein blühender Birnbaum auf altem müden Gemäuer. Bronzefarbenes Moos quillt über die Kanten und Risse.
Ringsum Gras, junggrün und durchsichtig. Es neigt sich leise und schmiegsam.
Harte blaßgelbe Winterhalme zittern dazwischen, farblos und schwach, wie vergrämte greise Haare.
Aschgraues und purpurbraunes Laub, mit feinem Metallschimmer, wie tiefes gedunkeltes Silber deckt den Grund.
Hie und da ein weißes Blütenblatt mit blaßrosiger Lippe. Leicht, zart, aber müde.
Das Geäst biegt sich dicht und tief zur Erde.
Sacht zerrinnt Blüte um Blüte und gleitet weiß, zögernd nieder.
Die Zweige senken sich tief, bis zu den einsam gefallenen Blüten.
Das Alter hat den Stamm zerschürft. In der gefurchten Rinde ziehen die Ameisen eine Straße hoch hinaus zur Krone. Emsig und flink rennt es aneinander vorüber.
Und dann oben die Bienen. Sie saugen schwerfällig und lüstern von den süßen Lippen und klammern trunken an den weichen Blütenrändern.
Ein üppiges Summen ist in der Laubkrone, ein einförmig gärender Ton.
Die Blüten zittern leise, und die jungen Blattspitzen Zittern.
Der alte Baum wiegt sich und seufzt. Duft löst sich, schwebt hinaus in den blauen Sonnenschein, warmsüß und scharf herb.

*
Aus: M. D.: Ultra violett. Einsame Poesie. 1893.
*
Die Dauthendey-Gesellschaft:

http://www.alg.de/mitglied/a-zmitglieder/d-mitgli/dauthendey-gesel.html
--
elfenbein

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Medea
Medea
Mitglied

Re: Lenzliches von D a u t h e n d e y
geschrieben von Medea
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.04.2007, 13:17:57

Der Wald, der alt und greise
von Schnee war und von Eise,
nun in lichter Farbe glänzt,
schönbekränzt.
Stolzes Kind,
nun reihet, wo die Blumen sind.

Auf manchem grünen Reise
hört ich süße Weise
singen kleine Vögelein.
Blumenschein
ich da fand;
Heide hat ihr licht Gewand.

Ich bin hold dem Maien:
mein Lieb sah ich im Reihen,
wo die Linde Schatten hat;
unterm Blatt
er da lag
für den sonnenheißen Tag.

- Neidhart von Reuenthal -





enigma
enigma
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Vorfrühling
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.04.2007, 13:17:57
Vorfrühling

Sieh da: nun ist der fette Dichter wieder
von seinem Winterschläfchen aufgewacht,
und er entlockt der Harfe heitre Lieder,
ti püng – die Winde wehn, der Himmel lacht.

Er schauet sanft verklärt, und eine Putte
hält über seinem Kopf den Lorbeerkranz.
Vorfrühling nähert sich, die junge Nutte,
und probt, noch schüchtern, einen kleinen Tanz.

Das Barometer droht mit seinem Zeiger:
»Nicht immer feste druff! Ich falle bald.«
Selbst Barometer schwätzen. Große Schweiger
sind selten in dem Land des Theobald.

Noch immer Zabern und Theaterpleiten,
und wie man wieder auf den Fasching geht,
Protestbeschlüsse, andre Lustbarkeiten –
und alles red't und alles red't.

Und wenn man dieses Deutschland sieht und diese
mit Parsifalleri – und -fallerein
von Hammeln abgegraste Geisteswiese –
ah Frühling! Hier soll immer Winter sein!


Theobald Tiger
Die Schaubühne, 05.02.1914, Nr. 6, S. 169

--
enigma
Re: Vorfrühling
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 15.04.2007, 18:04:16
Kurt Tucholsky:
Nicht! noch nicht!

Ein leichter Suff umnebelt die Gedanken.
Verdammt! Der Frühling kommt zu früh.
Der Parapluie
steht tief im Schrank - die Zeitbegriffe schwanken.

Was wehen jetzt die warmen Frühlingslüfte?
Ein lauer Wind umsäuselt still
mich im April -
die Nase schnuppert ungewohnte Düfte.

Du lieber Gott, da ist doch nichts dahinter!
Und wie ein dicker Bär sich murrend schleckt,
zu früh geweckt,
so zieh ich mich zurück und träume Winter.

Ich bin zu schwach. Ich will am Ofen hocken -
die Animalität ist noch nicht wach.
Ich bin zu schwach.
Laternenschimmer will ich, trübe Dämmerung und dichte Flocken.

*
Theobald Tiger. In: Die Schaubühne, 16.04.1914, Nr. 16, S. 459; später in: "Fromme Gesänge". (Verlag Lehmann, Charlottenburg 1919).

--
elfenbein
Re:Tucholskys Fragezeichen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 15.04.2007, 18:04:16
Enigma, danke für den "Vorfrühling?" [mit kritischem Fragezeichen von Theobald Tiger versehen, das sich auf die politischen Umstände beziehen sollte, im Gegensatz zur Jahreszeit!)

Tucholsky hat nicht nur als Humorist "hervorgetan", sondern auch als politischer und juristisch-geschichtlicher Fachmann Stellung bezogen vom Kaiserreich bis zum beginnenden Faschismus (und geistig, sozusagen posthum, darüber hinaus.

Deshalb hier einige Anmerkungen zum Text:

"Vorfrühling?"

Nich immer feste druff!:
Mit dem Telegramm «Immer feste druff!» soll der deutsche. Kronprinz das gewaltsame militärische Einschreiten des Obersten Adolf von Reuter in der Zabern-Affäre gutgeheißen haben.

Zabern:
Zabern-Affäre im Elsass, bei dem befohlenen Waffengebrauch beim Militär bekannt geworden war. Von K.T häufig als unangemessener militärischer Übergriff auf den Zivilbereich kritisiert.

Theaterpleiten:
Bezogen auf den Rücktritt Adolph Lantz' als Direktor des Deutschen Schauspielhauses in Berlin.

Parsifalleri- und -fallerein:
Parodistisches Zitieren der germanophilen Götter-Dünste der Wagner-Begeisterung im herr-lichen "Deutschen Reich". Im Dez. 1913 war die dreißigjährige Schutzfrist abgelaufen, während der Wagners "Parsifal"; nur in Bayreuth aufgeführt werden durfte. Die Feuilletons der Tageszeitungen berichteten ausführlich über die zahlreichen Aufführungen des «Bühnenweihfestspiels» auf den europäischen Opernbühnen (allein in Berlin sowohl im Königlichen. Opernhaus als auch im Dt. Opernhaus Charlottenburg) seit den ersten Januartagen 1914.
Der kaiserliche Militärkram und der Imperialismus in Deutschland bezogen sich immer auch auf die Wagnereien, als wesensverwandte Mythen und Ideologien; s. später Hitlers Narreteien.
--
elfenbein

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