Literatur Ein Brief

longtime
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Ein Brief
geschrieben von longtime
... nach marinas Anregung:

Ja, der Brief ist bekannt, trotzdem..:

Mich interessiert auch die Geschichte dahinter: die Voraussetzungen, der Parallelbrief; die Reaktion der "lieben Mitwelt" - die Nachruf.
Wer findet Namen, Zeugnisse, Bilder..?


Berlin, November 1811

Mein [Vorname], mein Süßtönender, mein Hyazinthenbeet, mein Wonnemeer, mein Morgen- und Abendrot, meine Äolsharfe, mein Tau, mein Friedensbogen, mein Schoßkindchen, mein liebstes Herz, meine Freude im Leid, meine Wiedergeburt, meine Freiheit, meine Fessel, mein Sabbath, mein Goldkelch, meine Luft, meine Wärme, mein Gedanke, mein teurer Sünder, mein Gewünschtes hier und jenseit, mein Augentrost, meine süßeste Sorge, meine schönste Tugend, mein Stolz, mein Beschützer, mein Gewissen, mein Wald, meine Herrlichkeit, mein Schwert und Helm, meine Großmut, meine rechte Hand, mein Paradies, meine Träne, meine Himmelsleiter, mein Johannes, mein Tasso, mein Ritter, mein Graf Wetter, mein zarter Page, mein Erzdichter, mein Kristall, mein Lebensquell, meine Rast, meine Trauerweide, mein Herr Schutz und Schirm, mein Hoffen und Harren, meine Träume, mein liebstes Sternbild, mein Schmeichelkätzchen, meine sichre Burg, mein Glück, mein Tod, mein Herzensnarrchen, meine Einsamkeit, mein Schiff, mein schönes Tal, meine Belohnung, mein Werther, meine Lethe, meine Wiege, mein Weihrauch und Myrrhen, meine Stimme, mein Richter, mein Heiliger, mein lieblicher Träumer, meine Sehnsucht, meine Seele, meine Nerven, mein goldner Spiegel, mein Rubin, meine Syringsflöte, meine Dornenkrone, mein tausend Wunderwerke, mein Lehrer und mein Schüler, wie über alles Gedachte und zu Erdenkende lieb ich dich.
Meine Seele sollst du haben.
[Vorname der Schreiberin]

Mein Schatten am Mittag, mein Quell in der Wüste, meine geliebte Mutter, meine Religion, meine innre Musik, mein armer kranker Heinrich, mein zartes weißes Lämmchen, meine Himmelspforte. H.


**

Ein heutiges Gedicht hat die Situation aufgenommen:

Martin Sperlich:
Sackgasse in Wannsee

In diesem Grab - es brauchte keinen Stein
NUN O UNSTERBLICHKEIT BIST DU GANZ MEIN -,
in diesem Grundstück, das wir ihm vergeuden -
ein Wassergrundstück zwischen Clubgebäuden -,
liegt, glauben wir, mit Schußloch, ein Skelett -
nein, liegen zwei in Dichters Doppelbett.
Längst hat das Volk vergessen und verziehn
und eingeplant ins öffentliche Grün.

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longtime
enigma
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Re: Ein Brief
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 08.04.2008, 13:57:05
Stand das auf seinem ersten Grabstein?
"Er lebte, sang und litt / in trüber schwerer Zeit, / er suchte hier den Tod, / und fand Unsterblichkeit - Matth.6 V.12"


Dann geht es um Henriette Vogel und Heinrich von Kleist.

Hier eine Seite mit ihren Grabsteinen - she. Linktipp!

Gruß

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enigma
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Re: Ein Brief
geschrieben von enigma
als Antwort auf enigma vom 08.04.2008, 15:55:20
...von ihrem Grab müsste es ja eigentlich richtig heißen.denn die beiden Gräber liegen ja ganz dicht nebeneinander.

Hier noch ein etwas anderes Foto, das es im Ganzen besser zeigt - Linktipp!


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enigma

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