Literatur Die Welt nach den Imperien Sachbuch Adom Getachew
In diesem in der deutschen Übersetzung 2022 erschienenen Sachbuch analysiert die äthiopisch-amerika-nische Politologin Adom Getachew die Geschichte der Dekolonialisierung im 20. Jahr-hundert vor allem mit Bezug auf Theorien afrikanischer(z. B. Nkrumah, Nyerere, Azikiwe) und karibischer(z. B. W.E.B. Dubois, George Padmore) Politiker und Intellektueller, die versuchten, diese weltgeschichtliche Entwicklung als Zeit-genossen mitzuprägen und zu interpretieren. Aus Sicht dieser Protagonisten und der Autorin sind Kolonia-lismus, Dekolonialiserung und die neue Weltordnung durch offene oder z. T. latente Formen von Rassis-mus, Imperialismus und damit verbundene Formen der wirtschaftlichen Beherrschung geprägt. Das Buch konzentriert sich auf die Analyse der Begriffe Selbstbestimmung, Staatenbund (Föderation) und Bundes-staat als Lösungen, die von Theoretikern in der Hoffnung auf eine egalitäre Integration der aus der Dekolo-nialisierung hervorgehenden neuen Staaten präsentiert und diskutiert wurden. Es wird deutlich, dass sich viele Theoretiker von der Dekolonialiserung auch einen Übergang zu einer gerechteren globalen Weltwirt-schaft erhofften, die eine einseitige ökonomische und politische Beherrschung der ehemaligen afrikani-schen und karibischen Kolnien durch die Industriestaaten des Norden beenden sollten. Am Beispiel des Abessinienkriegs(1935) wird besonders klar, mit welchen moralisch fragwürdigen Konzepten eine effektive internationale Hilfe für Abessinien gegen die italienische Aggression verhindert wurde.
Die wesentlichen Thesen dieses Buchs, das auch das Scheitern der theoretischen Bemühungen um eine gerechtere Weltordnung herausstellt, sind korrekt, aber das Buch hat doch erhebliche Mängel.Es klam-mert viele historische, wirtschaftliche und kulturelle Fakten weitgehend aus und erfasst hauptsächlich theoretische Diskussionen, die oft in einer sehr redundanten Form dargestellt werden. Die von der Autorin gewählte z. T. nicht ganz klare Einbeziehung von Zitaten (mit Anhang und Erläuterungen am Buchende) sowie das konsequente Gendern, das oft nicht einmal korrekt ist und zu merkwürdigen bzw. irritierenden Formulierungen führt( B.: die Bäuer:in/ die Nationalist:innen) erschweren die Lektüre dieses Buches, das eine sehr hohe Konzentration eines geduldigen Lesers voraussetzt, der sich vor allem für politische Theorien interessiert.