Literatur Dichter raten...?

Dichter raten...?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
.. oder auch Künstler, Komponisten..?

Hier eine biografische Angabe und die Frage: Wer?


Die Schule brach der junge Mann mit 17 Jahren ab.
Wie er sich die Zukunft (nämlich künstlerisch...) vorstellte, war den Eltern allerdings zu wenig konkret. - Er sollte eine Lehre machen!

Beim Bewerbungsgespräch wurde er also gefragt: "Sie wollen Buchhändler werden?"

Er antwortete, ganz wahrheitsgemäß prompt: "Nein, ich muss."
*

Er wurde erst Soldat, gezwungermaßen - und Dichter.

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elfenbein
enigma
enigma
Mitglied

Re: Dichter raten...?
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 28.06.2007, 19:01:09
hallo elfenbein,

ja, da hast Du tatsächlich mit dem Linktipp zu viel verraten......

Aber vielleicht versuchst Du es mit neuen Herausforderungen für uns?



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enigma
Re: Dichter raten...?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 29.06.2007, 07:52:10
Nachdem ich die Bild-URL eingegeben hatte, sah ich die Lösung, die ich nicht verraten wollte.

Aus der "ZEIT", vom 28.06.2007 Nr. 27, die
Lebensgeschichte von

Wolfgang Borchert:

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elfenbein

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Re: Dichter raten...?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 29.06.2007, 10:15:46
Nächster Dichter, auch ein Wehmuts-Fall, aus einem anderen Jahrhundert:

Der Autor zeichnet in seinem Tagebuch auf:

K... den 18. Juni 1837. Sonntag Abend.

Da bin ich denn nun seit einem Vierteljahre unter deutschen Studenten selbst ein deutscher Student. Ich hätte mir den deutschen Studenten anders gedacht: Ein Gemisch aus ritterlicher Galanterie, traulicher Heiterkeit, Begeisterung für seinen freien Stand; Geist und Herz und Gefühl für Alles Schöne.
Aber was finde ich von alle dem? Mut allerdings, Mut fehlt dem deutschen Studenten noch nicht. Aber wo trifft man die schöne, jugendliche Poesie des Lebens, die noch unverkümmert ist von den beengenden Verhältnissen der späten Jahre, wo die bescheidne Heiterkeit, die ihn charakterisieren soll und den deutschen Studenten bei allen guten Menschen beliebt macht?
Ich möchte sagen, der K... , und ich glaube sagen zu können, der deutsche Student ist entweder ein Mensch, der viel kneipt und trinkt, alle Naslang auf der Mensur liegt, sich in Gemeinheiten gefällt, eben von nichts anderem redet, als von Kneipereien und Paukereien, sich irgend ein schmuckes Dienstmädchen an der Hand hält, auch wohl die Farben irgend einer Verbindung und, wenn er ihn hat, einen Schnauzbart trägt und nebenbei etwas ins Kolleg geht, oder er ist arbeitsam, eingezogen, einseitig oder einfältig.

So sind, nach meiner Ansicht, die Meisten der Studenten.
Ich mag die rechten vielleicht noch nicht haben finden können. - Wie schmerzlich entbehr ich einen Gleichgesinnten, der den Klang und die Dichtung meiner Seele verstehen und erwidern mag.

*

Das Bildmotiv charakterisiert den Dichter aus einem späteren Jahr, als er für seinen Sohn ein Märchen schrieb. (An der Adresse ist es nicht erkennbar.)


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elfenbein
enigma
enigma
Mitglied

Re: Dichter raten...?
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 29.06.2007, 10:19:29
Ist es vielleicht das hier?


"Theodor Storm

Der kleine Häwelmann
Es war einmal ein kleiner Junge, der hieß Häwelmann. Des nachts schlief er in einem Rollenbett und auch des nachmittags, wenn er müde war; wenn er aber nicht müde war, so mußte seine Mutter ihn darin in der Stube umherfahren, und davon konnte er nie genug bekommen."(....)

Wer weiterlesen will - she. Linktipp!

(Das Märchen ist nämlich auch schön, wenn es nicht das Gesuchte ist).



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enigma
Re: Dichter raten...?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 29.06.2007, 12:56:07
Bingo: enigma!

Ja, es ist Storm. Der Text, aus dem ich ihn heraus vorstellte, ist nicht im Internet auffindbar.

Theodor Storm (14.09.1817 - 4.07.1888:)

AUS DER STUDIENZEIT (in Kiel)
[Persönliche Aufzeichung]

Kiel den 18. Juni 1837. Sonntag Abend.

Da bin ich denn nun seit einem Vierteljahre unter deutschen Studenten selbst ein deutscher Student. Ich hätte mir den deutschen Studenten anders gedacht: Ein Gemisch aus ritterlicher Galanterie, traulicher Heiterkeit, Begeisterung für seinen freien Stand; Geist und Herz und Gefühl für Alles Schöne.
Aber was finde ich von alle dem? Mut allerdings, Mut fehlt dem deutschen Studenten noch nicht. Aber wo trifft man die schöne, jugendliche Poesie des Lebens, die noch unverkümmert ist von den beengenden Verhältnissen der späten Jahre, wo die bescheidne Heiterkeit, die ihn charakterisieren soll und den deutschen Studenten bei allen guten Menschen beliebt macht? Ich möchte sagen, der Kieler, und ich glaube sagen zu können, der deutsche Student ist entweder ein Mensch, der viel kneipt und trinkt, alle Naslang auf der Mensur liegt, sich in Gemeinheiten gefällt, eben von nichts anderem redet, als von Kneipereien und Paukereien, sich irgend ein schmuckes Dienstmädchen an der Hand hält, auch wohl die Farben irgend einer Verbindung und, wenn er ihn hat, einen Schnauzbart trägt und nebenbei etwas ins Kolleg geht, oder er ist arbeitsam, eingezogen, einseitig oder einfältig.
So sind, nach meiner Ansicht, die Meisten der Studenten. Ich mag die rechten vielleicht noch nicht haben finden können. - Wie schmerzlich entbehr ich einen Gleichgesinnten, der den Klang und die Dichtung meiner Seele verstehen und erwidern mag.
Kiel ist schön, sehr schön, die schönste Stadt im schonen Holstein; aber aller Orten, auf den belebtesten, volkreichsten Spaziergängen wandle ich alleine unter den schönen Holsteinerinnen. Ein ungestillte, nie zu stillendes Sehnen nach einem unbekannten Etwas, dies unglückliche Sehnen hält mich gefesselt. - Was will ich? Wohin will ich? - Ich trage in mir ein Streben, aber kein Ziel. (...)
*
Th. Storm: Sämtliche Werke in vier Bänden. Bd. 4. 1998. S. 495f.
*
Die Sehnsucht nach persönlicher, erotisch-sexueller Anerkennung und Gegenliebe - und nach literarischem Erfolg haben den Zwanzigjährigen mächtig seufzen lassen. Erst einmal wurde er Jurist in seiner Vaterstandt Husum.
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elfenbein

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Re: Dichter raten...?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 29.06.2007, 14:56:45
Ich habe einen Auszug aus der Novelle "Auf der Universität" von Theodor Storm (1863), die auf seine Schülererfahrungen in Husum und auf diese studentischen Aufzeichnungen zurück geht, hier angeboten:


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elfenbein
Re: Dichter raten...?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 29.06.2007, 14:56:45
Aus einer fast vergessenen Zeit, einer anderen Richtung ... der Dichtung:

Wer schrieb diesen (Gebrauchs-)Text, dessen Überschrift ich weggelassen habe (... "Holzauge", pass auf aufs Internet!)?


Der Oberst sagt zum Adjutanten:

Morgen früh um neun ist eine Sonnenfinsternis. Etwas, was nicht alle Tage passiert. Die Männer sollen im Drillich auf dem Kasernenhof stehen und sich das seltene Schauspiel ansehen. Ich werde es ihnen erklären. Wenn es regnet, werden wir nichts sehn. Dann sollen sie in die Sporthalle gehn.

Der Adjutant zum Hauptmann:

Befehl vom Oberst: Morgen früh um neun ist eine Sonnenfinsternis. Wenn es regnet, kann man sie vom Kasernenhof nicht sehn, dann findet sie im Drillich in der Sporthalle statt. Etwas, was nicht alle Tage passiert. Der Oberst wird erklären, warum das Schauspiel selten ist.

Der Hauptmann zum Leutnant:

Schauspiel vom Oberst: Morgen früh neun Uhr Einweihung der Sonnensfinsternis in der Sporthalle. Der Oberst wird erklären, warum es regnet. Sehr, sehr selten so was!

Der Leutnant zum Feldwebel:

Seltner Schauspielbefehl: Morgen neun Uhr wird der Oberst im Drillich die Sonne verfinstern, wie es alle Tage passiert in der Sporthalle, wenn ein schöner Tag ist. Wenn's regnet: Kasernenhof!

Der Feldwebel zum Unteroffizier:

Morgen um neune Verfinsterung des Obersten im Drillich wegen der Sonne. Wenn es in der Sporthalle regnet, was nicht alle Tage passiert, antreten auf dem Kasernenhof. Äh... - sollten Schauspieler dabei sein, solln sich selten machen.

Gespräch unter den Soldaten:

Haste schon gehört, wenn's morgen regnet? Tja, ich weiß - der Oberst will unser Drillich verfinstern. Das dollste Ding: Wenn die Sonne keinen Hof hat, will er ihr einen machen. Schauspieler sollen Selter bekommen, typisch. Dann will er erklären, warum er aus rein sportlichen Gründen die Kaserne nicht mehr sehen kann.
Schade, daß das nicht alle Tage passiert.

Wen wundert es da noch, daß auf den Truppenübungsplätzen die Manöver-Beobachter nie voll getroffen werden!

--
elfenbein
enigma
enigma
Mitglied

Re: Dichter raten...?
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 30.06.2007, 09:22:59
Nach dem Foto ist das der Wolfgang Neuss, Schauspieler und Kabarettist, der später Probleme mit Drogen bekam und meines Wissens ziemlich
armselig (und vor allem zahnlos, der Ärmste) seine letzten Lebensjahre verbrachte.
Ich erinnere mich auch noch, dass Neuss ein Programm zusammen mit Biermann gemacht hat.

Ja, da scheine ich mir wohl ziemlich sicher zu sein....

)
--
enigma
Re: Dichter raten...?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 30.06.2007, 13:18:52
Ja, wahrlich, der antibürgerliche Wolfgang Neuss.

Der herrliche Text über BUND-Spiele stammt von der ersten LP:
Wolf Biermann, Ost, zu Gast bei Wolfgang Neuss, West. Live im Gesellschaftshaus am Zoo Frankfurt. 19. April 1965.
(Meine erste Schallplatte von Biermann)
*
Als CD neu:

http://www.zweitausendeins.de/suche/?ArticleFocus=4&ord=-1&alpha=1&cat=all&q=Neuss

Schon seit 1950 schwirrte Neuss durch Spielfilme. Er war ein Clown, der den politische Aktionismus der 68er mit machte, aber nicht ideell mit der demokratischen Freiheitsidee verbunden war.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Neuss

Provozierende Sprüche gelangen ihm noch:
"Ich mache mich seit zehn Jahren in Berlin ein bisschen straffällig, um die andere Million Gesetze richtig einzuhalten. Wie machen Sie's?"

Siehe auch diesen Epilog auf den "Mann mit der Pauke"
oder:
... wie man einen, der ein Alk war - und tablettensüchtig - und sich mit Cannabis einige Zeit über Wasser gehalten hat, verehren kann als Vorbild:

--
elfenbein

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