Literatur B e s c h n e i d u n g - ein altes Thema in der Literatur
Wer mag mitlesen, mitsammeln, mitdiskutieren?
Nachdem besonders von philosemitistischen Deutschen und von Orthodox-Juden das Stichwort Beschneidung zum Allotria oder Hallotria (was griechisch so hieß: allótria = fremde, abwegige Dinge, zu: allótrios = fremd, zu: állos = anderer) gemacht wird, habe ich mich in der Literatur umgeschaut, nein, nicht in die medizinische oder –zynische, die seröse oder die seriöse, sondern in die literarische, eben: in der Belletristik umgeschaut.
Vgl. taz-Leserbriefe zu einem Artikel „Vorhaut schutzlos“:
Vorhaut schutzlos (taz vom 14.7.)
Also: Beschneidung oder Berit Mila
Von Heinrich Heine hätte ich ja gerne mehr gelesen, als z.B.?
Nein, von seiner Beschneidung wissen wir nichts. Er hat nie was davon mitgeteilt.
Warum? Weil er beschnitten war? Oder weil er nicht beschnitten war?
Er hatte eine freundliche, fröhliche, freiheitsliebende Mutter, ob sie dafür sorgte, dass er Junge Harry unbeschnitten blieb, man weiß es nicht.
Übrigens, zum Schicksal der Betty (eigentlich Peira [wow, was heißt das?]), geborene van Geldern weiß man wenig.
Gerecht auch seine recht bösen Aphorismen:
„Die Juden, wenn sie gut sind, sind besser als die Christen, wenn sie schlecht sind, sind sie schlimmer.“
Dieser Satz wird auch hier zitiert.
Heine:
Die wunderbare „disputatio“ vermittelt noch einiges anderes an Ungehörigem:
„Disputation“
http://gutenberg.spiegel.de/buch/379/49
… mit einer gehörig frechen Wörtertraufe,
wer denn die Erörterung gewönne,
dass er was erwarten könne,
Beschneidung oder Taufe:
... mit dem nicht verwunderlichen Fazit:
...:„1851 in seiner Matratzengruft zu Paris, dem Grab
ohne Ruhe“ verfasst.
Aber, warum ist die Lady enttäuscht; warum spielt HH ihr so den Ball der auf guten Geruch fixierten Meinungsrichterin zu?
Und warum „stinken“ die Missonseifrer, beide?
Hier zur Entstehungsgeschichte der disputatio.
Ist es hier in dem Religionsstreit wie mit den kultischen Ringen der Authentizität, ... so dass Lessing glaubte:
Nun, einen Nathan der Beschneidung gibt es nicht, wenigstens nicht in der Literatur. In der Politik vermag ich sie diesertage nicht zu entdecken; zu eilfertig die semitophiliströsen Bekundungen. In den medizinischen Beiträgen findet man viele gehörig-substanzielle Argumente. (Ich werde sie hier einmal sammeln.)
Ebenso ein starker, informativer Artikel bei Wiki, mit dem Hinweis auf Thomass Manns "Joseph und seine Brüder", über die
Zirkumcision.
Aber, wie gesagt, hier schlage ich vor, kulturphilosophische oder literarische Beiträge zu sammeln.
Nachdem besonders von philosemitistischen Deutschen und von Orthodox-Juden das Stichwort Beschneidung zum Allotria oder Hallotria (was griechisch so hieß: allótria = fremde, abwegige Dinge, zu: allótrios = fremd, zu: állos = anderer) gemacht wird, habe ich mich in der Literatur umgeschaut, nein, nicht in die medizinische oder –zynische, die seröse oder die seriöse, sondern in die literarische, eben: in der Belletristik umgeschaut.
Vgl. taz-Leserbriefe zu einem Artikel „Vorhaut schutzlos“:
Vorhaut schutzlos (taz vom 14.7.)
Also: Beschneidung oder Berit Mila
Von Heinrich Heine hätte ich ja gerne mehr gelesen, als z.B.?
Nein, von seiner Beschneidung wissen wir nichts. Er hat nie was davon mitgeteilt.
Warum? Weil er beschnitten war? Oder weil er nicht beschnitten war?
Er hatte eine freundliche, fröhliche, freiheitsliebende Mutter, ob sie dafür sorgte, dass er Junge Harry unbeschnitten blieb, man weiß es nicht.
Übrigens, zum Schicksal der Betty (eigentlich Peira [wow, was heißt das?]), geborene van Geldern weiß man wenig.
Gerecht auch seine recht bösen Aphorismen:
„Die Juden, wenn sie gut sind, sind besser als die Christen, wenn sie schlecht sind, sind sie schlimmer.“
Dieser Satz wird auch hier zitiert.
Heine:
Die wunderbare „disputatio“ vermittelt noch einiges anderes an Ungehörigem:
„Disputation“
http://gutenberg.spiegel.de/buch/379/49
… mit einer gehörig frechen Wörtertraufe,
wer denn die Erörterung gewönne,
dass er was erwarten könne,
Beschneidung oder Taufe:
„(…) Durch die Macht der Argumente,
Durch der Logik Kettenschlüsse
Und Zitate von Autoren,
Die man anerkennen müsse,
Will ein jeder Kämpe seinen
Gegner ad absurdum führen
Und die wahre Göttlichkeit
Seines Gottes demonstrieren.
Festgestellt ist: daß derjenge,
Der im Streit ward überwunden,
Seines Gegners Religion
Anzunehmen sei verbunden,
Daß der Jude sich der Taufe
Heilgem Sakramente füge,
Und im Gegenteil der Christ
Der Beschneidung unterliege."
(…)Durch der Logik Kettenschlüsse
Und Zitate von Autoren,
Die man anerkennen müsse,
Will ein jeder Kämpe seinen
Gegner ad absurdum führen
Und die wahre Göttlichkeit
Seines Gottes demonstrieren.
Festgestellt ist: daß derjenge,
Der im Streit ward überwunden,
Seines Gegners Religion
Anzunehmen sei verbunden,
Daß der Jude sich der Taufe
Heilgem Sakramente füge,
Und im Gegenteil der Christ
Der Beschneidung unterliege."
... mit dem nicht verwunderlichen Fazit:
Auch der Hof wird ungeduldig,
Manche Zofe gähnt ein wenig.
Zu der schönen Königin
Wendet fragend sich der König:
Sagt mir, was ist Eure Meinung?
Wer hat Recht von diesen beiden?
Wollt Ihr für den Rabbi Euch
Oder für den Mönch entscheiden?
Donna Blanka schaut ihn an,
Und wie sinnend ihre Hände
Mit verschränkten Fingern drückt sie
An die Stirn und spricht am Ende:
Welcher Recht hat, weiß ich nicht –
Doch es will mich schier bedünken,
Daß der Rabbi und der Mönch,
Daß sie alle beide stinken.
Und:
»Was Gott kocht, ist gut gekocht!
Mönchlein, nimm jetzt meinen Rat an,
Opfre hin die alte Vorhaut
Und erquick dich am Leviathan.«
Manche Zofe gähnt ein wenig.
Zu der schönen Königin
Wendet fragend sich der König:
Sagt mir, was ist Eure Meinung?
Wer hat Recht von diesen beiden?
Wollt Ihr für den Rabbi Euch
Oder für den Mönch entscheiden?
Donna Blanka schaut ihn an,
Und wie sinnend ihre Hände
Mit verschränkten Fingern drückt sie
An die Stirn und spricht am Ende:
Welcher Recht hat, weiß ich nicht –
Doch es will mich schier bedünken,
Daß der Rabbi und der Mönch,
Daß sie alle beide stinken.
Und:
»Was Gott kocht, ist gut gekocht!
Mönchlein, nimm jetzt meinen Rat an,
Opfre hin die alte Vorhaut
Und erquick dich am Leviathan.«
...:„1851 in seiner Matratzengruft zu Paris, dem Grab
ohne Ruhe“ verfasst.
Aber, warum ist die Lady enttäuscht; warum spielt HH ihr so den Ball der auf guten Geruch fixierten Meinungsrichterin zu?
Und warum „stinken“ die Missonseifrer, beide?
Hier zur Entstehungsgeschichte der disputatio.
Ist es hier in dem Religionsstreit wie mit den kultischen Ringen der Authentizität, ... so dass Lessing glaubte:
„So glaube jeder seinen Ring
Den echten. […]
Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurtheilen freyen Liebe nach.“
(Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen. Nachdruck der Erstausgabe von 1779, hrsg. von Joseph Kiermeier-Debre, München 1997. S. 140)Den echten. […]
Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurtheilen freyen Liebe nach.“
Nun, einen Nathan der Beschneidung gibt es nicht, wenigstens nicht in der Literatur. In der Politik vermag ich sie diesertage nicht zu entdecken; zu eilfertig die semitophiliströsen Bekundungen. In den medizinischen Beiträgen findet man viele gehörig-substanzielle Argumente. (Ich werde sie hier einmal sammeln.)
Ebenso ein starker, informativer Artikel bei Wiki, mit dem Hinweis auf Thomass Manns "Joseph und seine Brüder", über die
Zirkumcision.
Aber, wie gesagt, hier schlage ich vor, kulturphilosophische oder literarische Beiträge zu sammeln.
Vom Chassidismus zu Franz Kafka:
Aus chassidischer Überliederung:
Eines Nachts schlichen sich ein Dieb ins Haus des Rabbi. In diesem Augenblicke erwachte er, um die Mitternachtsklage anzustimmen. Der Rabbi sah von seinem Kämmerchen aus, wie der Bandit alles, was ihnen unter die Hand kam, davontrug.
Da zitterte er am ganzen Leibe und rief: »Ich erkläre die Sachen für herrenloses Gut! Ich erkläre die Sachen für herrenloses Gut!«
Alsdann sagte er zu seiner Frau: »Gott sei Lob, daß ich in dieser Stunde wach war und die Sachen, die er wegtrug, für herrenloses Gut erklären konnte, er hätte sonst, Gott bewahre, die Schuld des Stehlens auf sich geladen.«
Die Nachbarn erfuhren von dem Gebaren des Rabbi. Sie fragten: „Wie konntest du dem Dieb nur so nachgeben in seiner Begier?“ Und sie warfen ihm vor: »Du selbst hast ihm geholfen, die Säcke davonzutragen!«
Der Rabbi antwortete: „As men bejsert sich ob, geht ob der kass. – Ach, es war doch nur ein Sack!“
Aber die Freunde ließen nicht locker,
„Sag uns, was war in dem Sack?“
„Fragt den mohel!“
Der mohel wurde geholt. Er hatte sich versteckt. Sein Sohn aber zeigt den Suchenden den Weg.
Er wurde zum Rabbi gebracht.
Der Rabbi nimmt ihn in den Arm: „Nun, erklär ihnen das mit dem Sack! Du weißt doch: ‚As men ken nit helfen, dem frajnd mit geld, sol men ihm chotsche helfen mit an krechz.’
Da gestand der mohel seinen Freunden, dass der Sack von Vorhäuten voll gewesen sei, die er aufgehoben habe: As men darf hoben fajer, sucht men es in asch. - Aber, es war nur ein Säckchen. Es waren derer wohlgezählt zweitausendundachthundert Vorhäuten, großen und kleinen. Aber, nu: As men esst cháser, sol es schon“ - „Nein, nein, das nicht! Das nicht!“ rief der Rabbi. „Ja, das war das falsche Wahrwort!“ Da setzte fort der mohel: Wos men rajsst ob, ist dernoch wi gefunen.“
Und der Rabbi schloss: „As men ganwet arojs dos ferd, ferschlisst men die schtal.“
*
So wird erzählt vom Rabbi Wolf von Zabarez: Eines Nachts schlich sich ein Dieb in das Haus des Rabbi…
(Aus: Bachlöhrer, Rappel, Schmaatz: ‚Wos jungerhejt’ von unbeschnittenen Dieben und beschnittenen Schwätzern lernen können. Lohrhammer. 1996. S. 16. - Gemäß dem Motto „Men hot zu derzehlen, wi baj jezíess-mizrájim.“ Ibid)
8Vgl.: 17:11 Hebrew OT: WLC (Consonants & Vowels:
וּנְמַלְתֶּם אֵת בְּשַׂר עָרְלַתְכֶם וְהָיָה לְאֹות בְּרִית בֵּינִי וּבֵינֵיכֶם׃
Christen haben diese chassidische Parabel umgedichtet, um der Missionierung eine leichte Vorgabe zu schaffen: … wie der Heilige Nikolaus zu helfen vermag, dass die Kirchen voll, die Bischofssäckel prall und die Menschen glückelich werden sollten:
Nebeneintrag:
Das wundersame Bild
Es war einmal ein Jude, welcher viel von den großen Wundern des heiligen Nikolaus hörte. Diese beeindruckten ihn doch sehr und er beschloss, sich ein Bild von ihm anfertigen zu lassen, um es in seinem Haus aufzustellen. Er befahl nun diesem Bild, auf sein Hab und Gut zu achten, wenn er in die Ferne fuhr und er sprach: „Nikolaus, all mein Gut befehl ich eurer Hut, bewahrt ihr mir das nicht, werde ich mich an euch bitter rächen.“
Weiterzulesen vom Nikolaus ...
*
Es ist möglich, dass Franz Kafka diese Überlieferung (aus Chajim Blochs Sammlung chassidischer Geschichten?) kannte.
Kafka hält fest einen Besuch bei einem Neffen.
„Heute vormittag Beschneidung meines Neffen. Ein kleiner krummbeiniger Mann, Austerlitz, der schon zweitausendundachthundert Beschneidungen hinter sich hat, führte die Sache sehr geschickt aus. Es ist eine dadurch erschwerte Operation, daß der Junge, statt auf dem Tisch, auf dem Schoß seines Großvaters liegt und daß der Opeteur [Operateur], statt genau aufzupassen, Gebete murmeln muß. Zuerst wird der Junge durch Umbinden, das nur das Glied frei läßt, unbeweglich gemacht, dann wird durch Auflegen einer durchlochten Metallscheibe die Schnittfläche präzisiert, dann erfolgt mit einem fast gewöhnlichen Messer, einer Art Fischmesser, der Schnitt. Jetzt sieht man Blut und rohes Fleisch, der Moule [Mohel] hantiert darin kurz mit seinen langnägeligen zittrigen Fingern und zieht irgendwo gewonnene Haut wie einen Handschuhfinger über die Wunde. Gleich ist alles gut, das Kind hat kaum geweint. Jetzt kommt nur noch ein kleines Gebet, während dessen der Moule Wein trinkt und mit seinen noch nicht ganz blutfreien Fingern etwas Wein an die Lippen des Kindes bringt. Die Anwesenden beten: »Wie er nun gelangt ist in den Bund, so soll er gelangen zur Kenntnis der Thora, zum glücklichen Ehebund und zur Ausübung guter Werke.«
Als ich heute den Begleiter des Moule zum Nachtisch beten hörte, und die Anwesenden, abgesehn von den beiden Großvätern, die Zeit in vollständigem Unverständnis des Vorgebeteten mit Träumen oder Langeweile verbrachten, sah ich das in einem deutlichen unabsehbaren Übergang begriffene westeuropäische Judentum vor mir, über das sich die zunächst Betroffenen keine Sorgen machen, sondern als richtige Übergangsmenschen das tragen, was ihnen auferlegt ist. Diese an ihrem letzten Ende angelangten religiösen Formen hatten schon in ihrer gegenwärtigen Übung einen so unbestrittenen bloß historischen Charakter, daß nur das Verstreichen einer ganz kleinen Zeit innerhalb dieses Vormittags nötig schien, um die Anwesenden durch Mitteilungen über den veralteten frühern Gebrauch der Beschneidung und ihrer halbgesungenen Gebete historisch zu interessieren.“
(Undatiert; aus dem Jahre 1911. - Tagebucheintrag aus "Tagebücher 1911 – 1923". Hg. v. Max Brod. (Zuerst 1948 in New York] Frankfurt 1967. S. 146).
Franz Kafkas distanzierte und melancholische Betrachtung zu diesem Erlebnis ist eindeutig religiös und historisch gestimmt: vergängliche Mühen. - Er hält die alten Traditionen solcher körperlichen Riten, die aufgeladen sind mit mythischen, mythologischen oder zeremoniellen Bedeutungen einer realen Lebenspflicht [hier der Bündniserfüllung für das Individuum in seiner lebenslangen Markierung innerhalb einer Gemeinschaft, [vgl. den nächsten Eintrag mit einer anderen Kafkaschen Reflexion über Beschneidung], für obsolet, den zwangläufigen Veränderungen von Religion als einer geistigen oder soziologischen „Bund“ oder „Vertrag“ unterworfen.
Aus chassidischer Überliederung:
Eines Nachts schlichen sich ein Dieb ins Haus des Rabbi. In diesem Augenblicke erwachte er, um die Mitternachtsklage anzustimmen. Der Rabbi sah von seinem Kämmerchen aus, wie der Bandit alles, was ihnen unter die Hand kam, davontrug.
Da zitterte er am ganzen Leibe und rief: »Ich erkläre die Sachen für herrenloses Gut! Ich erkläre die Sachen für herrenloses Gut!«
Alsdann sagte er zu seiner Frau: »Gott sei Lob, daß ich in dieser Stunde wach war und die Sachen, die er wegtrug, für herrenloses Gut erklären konnte, er hätte sonst, Gott bewahre, die Schuld des Stehlens auf sich geladen.«
Die Nachbarn erfuhren von dem Gebaren des Rabbi. Sie fragten: „Wie konntest du dem Dieb nur so nachgeben in seiner Begier?“ Und sie warfen ihm vor: »Du selbst hast ihm geholfen, die Säcke davonzutragen!«
Der Rabbi antwortete: „As men bejsert sich ob, geht ob der kass. – Ach, es war doch nur ein Sack!“
Aber die Freunde ließen nicht locker,
„Sag uns, was war in dem Sack?“
„Fragt den mohel!“
Der mohel wurde geholt. Er hatte sich versteckt. Sein Sohn aber zeigt den Suchenden den Weg.
Er wurde zum Rabbi gebracht.
Der Rabbi nimmt ihn in den Arm: „Nun, erklär ihnen das mit dem Sack! Du weißt doch: ‚As men ken nit helfen, dem frajnd mit geld, sol men ihm chotsche helfen mit an krechz.’
Da gestand der mohel seinen Freunden, dass der Sack von Vorhäuten voll gewesen sei, die er aufgehoben habe: As men darf hoben fajer, sucht men es in asch. - Aber, es war nur ein Säckchen. Es waren derer wohlgezählt zweitausendundachthundert Vorhäuten, großen und kleinen. Aber, nu: As men esst cháser, sol es schon“ - „Nein, nein, das nicht! Das nicht!“ rief der Rabbi. „Ja, das war das falsche Wahrwort!“ Da setzte fort der mohel: Wos men rajsst ob, ist dernoch wi gefunen.“
Und der Rabbi schloss: „As men ganwet arojs dos ferd, ferschlisst men die schtal.“
*
So wird erzählt vom Rabbi Wolf von Zabarez: Eines Nachts schlich sich ein Dieb in das Haus des Rabbi…
(Aus: Bachlöhrer, Rappel, Schmaatz: ‚Wos jungerhejt’ von unbeschnittenen Dieben und beschnittenen Schwätzern lernen können. Lohrhammer. 1996. S. 16. - Gemäß dem Motto „Men hot zu derzehlen, wi baj jezíess-mizrájim.“ Ibid)
8Vgl.: 17:11 Hebrew OT: WLC (Consonants & Vowels:
וּנְמַלְתֶּם אֵת בְּשַׂר עָרְלַתְכֶם וְהָיָה לְאֹות בְּרִית בֵּינִי וּבֵינֵיכֶם׃
Christen haben diese chassidische Parabel umgedichtet, um der Missionierung eine leichte Vorgabe zu schaffen: … wie der Heilige Nikolaus zu helfen vermag, dass die Kirchen voll, die Bischofssäckel prall und die Menschen glückelich werden sollten:
Nebeneintrag:
Das wundersame Bild
Es war einmal ein Jude, welcher viel von den großen Wundern des heiligen Nikolaus hörte. Diese beeindruckten ihn doch sehr und er beschloss, sich ein Bild von ihm anfertigen zu lassen, um es in seinem Haus aufzustellen. Er befahl nun diesem Bild, auf sein Hab und Gut zu achten, wenn er in die Ferne fuhr und er sprach: „Nikolaus, all mein Gut befehl ich eurer Hut, bewahrt ihr mir das nicht, werde ich mich an euch bitter rächen.“
Weiterzulesen vom Nikolaus ...
*
Es ist möglich, dass Franz Kafka diese Überlieferung (aus Chajim Blochs Sammlung chassidischer Geschichten?) kannte.
Kafka hält fest einen Besuch bei einem Neffen.
„Heute vormittag Beschneidung meines Neffen. Ein kleiner krummbeiniger Mann, Austerlitz, der schon zweitausendundachthundert Beschneidungen hinter sich hat, führte die Sache sehr geschickt aus. Es ist eine dadurch erschwerte Operation, daß der Junge, statt auf dem Tisch, auf dem Schoß seines Großvaters liegt und daß der Opeteur [Operateur], statt genau aufzupassen, Gebete murmeln muß. Zuerst wird der Junge durch Umbinden, das nur das Glied frei läßt, unbeweglich gemacht, dann wird durch Auflegen einer durchlochten Metallscheibe die Schnittfläche präzisiert, dann erfolgt mit einem fast gewöhnlichen Messer, einer Art Fischmesser, der Schnitt. Jetzt sieht man Blut und rohes Fleisch, der Moule [Mohel] hantiert darin kurz mit seinen langnägeligen zittrigen Fingern und zieht irgendwo gewonnene Haut wie einen Handschuhfinger über die Wunde. Gleich ist alles gut, das Kind hat kaum geweint. Jetzt kommt nur noch ein kleines Gebet, während dessen der Moule Wein trinkt und mit seinen noch nicht ganz blutfreien Fingern etwas Wein an die Lippen des Kindes bringt. Die Anwesenden beten: »Wie er nun gelangt ist in den Bund, so soll er gelangen zur Kenntnis der Thora, zum glücklichen Ehebund und zur Ausübung guter Werke.«
Als ich heute den Begleiter des Moule zum Nachtisch beten hörte, und die Anwesenden, abgesehn von den beiden Großvätern, die Zeit in vollständigem Unverständnis des Vorgebeteten mit Träumen oder Langeweile verbrachten, sah ich das in einem deutlichen unabsehbaren Übergang begriffene westeuropäische Judentum vor mir, über das sich die zunächst Betroffenen keine Sorgen machen, sondern als richtige Übergangsmenschen das tragen, was ihnen auferlegt ist. Diese an ihrem letzten Ende angelangten religiösen Formen hatten schon in ihrer gegenwärtigen Übung einen so unbestrittenen bloß historischen Charakter, daß nur das Verstreichen einer ganz kleinen Zeit innerhalb dieses Vormittags nötig schien, um die Anwesenden durch Mitteilungen über den veralteten frühern Gebrauch der Beschneidung und ihrer halbgesungenen Gebete historisch zu interessieren.“
(Undatiert; aus dem Jahre 1911. - Tagebucheintrag aus "Tagebücher 1911 – 1923". Hg. v. Max Brod. (Zuerst 1948 in New York] Frankfurt 1967. S. 146).
Franz Kafkas distanzierte und melancholische Betrachtung zu diesem Erlebnis ist eindeutig religiös und historisch gestimmt: vergängliche Mühen. - Er hält die alten Traditionen solcher körperlichen Riten, die aufgeladen sind mit mythischen, mythologischen oder zeremoniellen Bedeutungen einer realen Lebenspflicht [hier der Bündniserfüllung für das Individuum in seiner lebenslangen Markierung innerhalb einer Gemeinschaft, [vgl. den nächsten Eintrag mit einer anderen Kafkaschen Reflexion über Beschneidung], für obsolet, den zwangläufigen Veränderungen von Religion als einer geistigen oder soziologischen „Bund“ oder „Vertrag“ unterworfen.
Schöne Beispiele, longtime, über dieses für strenggläubige Juden anscheinend existentielle Gebot! Muslime kommen hier ja nicht vor.
Weil Du Thomas Mann erwähnst: Er nimmt sich des Themas "Beschneidung" in seinem Roman "Joseph und seine Brüder" in leicht abgewandelter Form an. Schon seine biblische Vorlage ist eine Erzählung und handelt davon, wie die Beschneidung als kriegstechnisches, hinterlistiges Mittel zum Erfolg führt.
http://www.bibleserver.com/text/ELB/1.Mose34
Diese biblische Geschichte habe ich erst nach der Lektüre vom Josephsroman nachgelesen.
http://literaturlexikon.uni-saarland.de/index.php?id=622
Ansonsten kann ich mich nicht erinnern, über eine literarisch verarbeitete Beschneidung gelesen zu haben.
Vom durch seinen "Vorleser" zum Erfolgsautoren gewordenen Bernhard Schlink gibt es in seinem Erzählband "Liebesfluchten" eine Erzählung "Die Beschneidung".
Kennt die jemand?
http://www.die-leselust.de/buch/schlink_bernhard_liebesfluchten.htm
Clara
Weil Du Thomas Mann erwähnst: Er nimmt sich des Themas "Beschneidung" in seinem Roman "Joseph und seine Brüder" in leicht abgewandelter Form an. Schon seine biblische Vorlage ist eine Erzählung und handelt davon, wie die Beschneidung als kriegstechnisches, hinterlistiges Mittel zum Erfolg führt.
http://www.bibleserver.com/text/ELB/1.Mose34
Diese biblische Geschichte habe ich erst nach der Lektüre vom Josephsroman nachgelesen.
http://literaturlexikon.uni-saarland.de/index.php?id=622
Ansonsten kann ich mich nicht erinnern, über eine literarisch verarbeitete Beschneidung gelesen zu haben.
Vom durch seinen "Vorleser" zum Erfolgsautoren gewordenen Bernhard Schlink gibt es in seinem Erzählband "Liebesfluchten" eine Erzählung "Die Beschneidung".
Kennt die jemand?
http://www.die-leselust.de/buch/schlink_bernhard_liebesfluchten.htm
Clara
[...] Vom durch seinen "Vorleser" zum Erfolgsautoren gewordenen Bernhard Schlink gibt es in seinem Erzählband "Liebesfluchten" eine Erzählung "Die Beschneidung". Kennt die jemand?
Clara
György Dalos: Die Beschneidung.
[U.a. als Taschenbuch bei Suhrkamp erschienen]
L.
Danke für die Hinweise.
Der Bernhard Schlink folgt später... - mit seiner aufregenden Erzählung "Die Bescheidung" (2000); es ist das einzige Beispiel in moderner, in Gegewartsliteratur zum Thema!
Jetzt noch was "Sagenhaftes":
Aus den Sagen der Chassidim: Über „Blutschande“
(Ullstein Buch. Hrsg.: Alexander Eliasberg. 1970):
(...)
Und der Bruder machte ein Kästchen, um das Kind gleich nach der Geburt hineinzulegen; in das gleiche Kästchen tat er viertausend Rubel und einen Brief folgenden Inhalts: »Hier in diesem Kasten liegt ein jüdisches Kind; es ist geboren an dem und dem Tag. Und der Jude, der das Kind findet, soll es zu sich nehmen und es am achten Tag nach der Geburt beschneiden. Und er soll das Kind einer Amme geben und, nachdem es entwöhnt ist, in seinem Hause wie ein eigen Kind großziehen. Später soll er das Kind durch einen Lehrer unterrichten lassen. Für alle seine Mühe soll der, der das Kind gefunden hat, die Hälfte des Geldes nehmen, das sich im Kasten befindet. Und die andere Hälfte gehört dem Kinde. Wenn das Kind groß geworden ist und bei dem, der es gefunden hat, bleiben will, so soll es bleiben; will es aber fortziehen, so soll man es nicht zurückhalten.«
Als die Schwester einen Knaben gebar, legte man ihn in das Kästchen, ebenso das Geld und den Brief. Und man schickte das Kästchen nachts mit einem zuverlässigen Boten in eine nahe Stadt, damit er es dort vor der Türe des Bethauses niederlege. Wer von den Stadtleuten am nächsten Morgen zuerst zum Beten gehen würde, der würde auch das Kästchen finden und wohl alles erfüllen, was im Briefe stand. So geschah es auch. Der Bote brachte das Kästchen mit dem Kinde in die nächste Stadt, legte es vor die Türe des Bethauses und ging ins Gasthaus, um zu übernachten.
Am nächsten Morgen ging ein Lehrer sehr früh ins Bethaus und fand das Kästchen. Die wunderliche Nachricht verbreitete sich bald in der ganzen Stadt. Der Bote wartete nur darauf. Als das Gerücht, daß der Lehrer ein Kästchen mit einem Kinde und viertausend Rubeln gefunden hatte, auch ihm zu Ohren kam, tat er so, als ob er nichts von der Sache wüßte. Er fuhr heim und erzählte seinem Auftraggeber, daß das Kind von einem Lehrer, der ein sehr ordentlicher Mensch war, gefunden worden sei. Der Vater freute sich darüber sehr.
Der Lehrer, der das Kind fand, erfüllte alles, was im Briefe stand. Er ließ das Kind am achten Tage beschneiden, nahm eine Amme auf und zog das Kind wie ein eigenes groß. Der Knabe selbst wußte nichts davon und hielt den Lehrer für seinen richtigen Vater.
Als der Knabe drei Jahre alt war, begann man ihn zu unterrichten. Er hatte treffliche Fähigkeiten und lernte besser als alle andern Kinder. Deswegen waren alle Kinder neidisch, und als es sich einmal traf, daß der Knabe sich mit einem andern Knaben zankte, sagte ihm dieser: »Glaube nicht, daß du ein Sohn des Lehrers bist: du bist ein Bastard, und der Lehrer fand dich in einem Kästchen vor dem Bethause liegen. Das hörte ich von meinem Vater und auch von andern Leuten!«
Wer mag weiterlesen? Hier bei gutenberg.spiegel.de
Der Bernhard Schlink folgt später... - mit seiner aufregenden Erzählung "Die Bescheidung" (2000); es ist das einzige Beispiel in moderner, in Gegewartsliteratur zum Thema!
Jetzt noch was "Sagenhaftes":
Aus den Sagen der Chassidim: Über „Blutschande“
(Ullstein Buch. Hrsg.: Alexander Eliasberg. 1970):
(...)
Und der Bruder machte ein Kästchen, um das Kind gleich nach der Geburt hineinzulegen; in das gleiche Kästchen tat er viertausend Rubel und einen Brief folgenden Inhalts: »Hier in diesem Kasten liegt ein jüdisches Kind; es ist geboren an dem und dem Tag. Und der Jude, der das Kind findet, soll es zu sich nehmen und es am achten Tag nach der Geburt beschneiden. Und er soll das Kind einer Amme geben und, nachdem es entwöhnt ist, in seinem Hause wie ein eigen Kind großziehen. Später soll er das Kind durch einen Lehrer unterrichten lassen. Für alle seine Mühe soll der, der das Kind gefunden hat, die Hälfte des Geldes nehmen, das sich im Kasten befindet. Und die andere Hälfte gehört dem Kinde. Wenn das Kind groß geworden ist und bei dem, der es gefunden hat, bleiben will, so soll es bleiben; will es aber fortziehen, so soll man es nicht zurückhalten.«
Als die Schwester einen Knaben gebar, legte man ihn in das Kästchen, ebenso das Geld und den Brief. Und man schickte das Kästchen nachts mit einem zuverlässigen Boten in eine nahe Stadt, damit er es dort vor der Türe des Bethauses niederlege. Wer von den Stadtleuten am nächsten Morgen zuerst zum Beten gehen würde, der würde auch das Kästchen finden und wohl alles erfüllen, was im Briefe stand. So geschah es auch. Der Bote brachte das Kästchen mit dem Kinde in die nächste Stadt, legte es vor die Türe des Bethauses und ging ins Gasthaus, um zu übernachten.
Am nächsten Morgen ging ein Lehrer sehr früh ins Bethaus und fand das Kästchen. Die wunderliche Nachricht verbreitete sich bald in der ganzen Stadt. Der Bote wartete nur darauf. Als das Gerücht, daß der Lehrer ein Kästchen mit einem Kinde und viertausend Rubeln gefunden hatte, auch ihm zu Ohren kam, tat er so, als ob er nichts von der Sache wüßte. Er fuhr heim und erzählte seinem Auftraggeber, daß das Kind von einem Lehrer, der ein sehr ordentlicher Mensch war, gefunden worden sei. Der Vater freute sich darüber sehr.
Der Lehrer, der das Kind fand, erfüllte alles, was im Briefe stand. Er ließ das Kind am achten Tage beschneiden, nahm eine Amme auf und zog das Kind wie ein eigenes groß. Der Knabe selbst wußte nichts davon und hielt den Lehrer für seinen richtigen Vater.
Als der Knabe drei Jahre alt war, begann man ihn zu unterrichten. Er hatte treffliche Fähigkeiten und lernte besser als alle andern Kinder. Deswegen waren alle Kinder neidisch, und als es sich einmal traf, daß der Knabe sich mit einem andern Knaben zankte, sagte ihm dieser: »Glaube nicht, daß du ein Sohn des Lehrers bist: du bist ein Bastard, und der Lehrer fand dich in einem Kästchen vor dem Bethause liegen. Das hörte ich von meinem Vater und auch von andern Leuten!«
Wer mag weiterlesen? Hier bei gutenberg.spiegel.de
Also zum guten Erzähler Bernhard Schlink!
... heute Nacht mit Vergnügen gelesen: die hier freundlicherweise angezeigte "Die Beschneidung" (in "Liebesfluchten". 2000).
Das 12., das letzte Kapitelchen der Erzählung.
(Was zuvor passiert war: Um seiner Geliebten Sarah in New York und ihrer Kulturwelt, nämlich der jüdischen, ganz nahe zu sein, lässt Andi sich in Deutschland bei einem befreundeten Chirurgen beschneiden. (Circumcisio mit erträglichen Nachschmerzen.) - Er fliegt nach drei Wochen zurück zu Sarah…
Auch das Flugzeug über dem Atlantik ist Niemandsland.
Man ißt, trinkt, schläft, wacht, faulenzt oder arbeitet, aber was immer man macht, ist nur eine luftige Möglichkeit, bis das Flugzeug gelandet und man angekommen ist. Erst wenn man die Sattheit, Ausgeruhtheit oder geleistete Arbeit in die Welt am Boden mitgebracht hat, sind sie wirklich. Andi wäre nicht erstaunt gewesen, wenn das Flugzeug abgestürzt wäre.
In New York trat er aus dem kühlen Flughafengebäude in die schwere, heiße Luft. Es war laut; die Autos drängten und knäulten sich, die Taxen hupten, und ein Dispatcher schaffte mit der Trillerpfeife unter Taxen und Wartenden Ordnung. Andi schaute nach Sarah aus, obwohl sie ihm gesagt hatte, sie würde ihn nicht abholen, und in New York würde überhaupt niemand niemanden am Flughafen abholen. In der Taxe war es zu heiß, wenn er das Fenster schloß, und zog es, wenn er es öffnete. »Schnapp dir eine Taxe, und komm zu mir, so schnell du kannst«, hatte Sarah gesagt. Eigentlich konnte er sich eine Taxe nicht leisten. Er verstand nicht, warum er kommen sollte, so schnell er konnte.
Was wäre anders, wenn er eine Stunde später käme? Oder drei oder sieben? Oder einen Tag? Oder eine Woche? Sarah hatte Blumen gekauft, einen großen Strauß roter und gelber Rosen. Sie hatte Champagner kalt gestellt und das Bett frisch bezogen. Sie erwartete ihn in einem kurzärmligen Männerhemd, das knapp über den Po reichte.
Sie sah verführerisch aus und verführte ihn, ehe er die Angst haben konnte, mit der er beim ersten Mal nach der Beschneidung gerechnet hatte: die Angst, daß es weh täte oder sich falsch und schlecht anfühlte oder daß er impotent würde. »I missed you«, sagte sie, »I missed you so much.«
Ihr fiel nicht auf, daß er beschnitten war. Nicht als sie zusammen schliefen, als er nackt aufstand, die Champagnerflasche
öffnete und die gefüllten Gläser ans Bett brachte, nicht als sie gemeinsam duschten. (…)
(Andi - bzw. der Autor - verspüren keine Schmerzen bei diesem nie geübten... Sex. - Hier fehlen sinnvollerweise noch anderthalb Druckseiten, die ich selber zu lesen empfehle. - Es bleibt wahrlich spannend.)
Die Erzählung ist in drei flotten Passagen eine sehr gut erzählte Darstellung mit vielen intim erlebten Einzelheiten (bei Familienifesten, bei Ausflügen, bei Besuchen) und menschlich klugen Dialogen über die beiden Hemisphären (die der Christen, die meist keine Christen mehr sind, aber gutgläubig; und der der Juden in den USA, die deutschstämmig und vom europäischen, deutsch ordentlich inszenierten Holocaust familiär geschädigt sind).
Ein (geradezu) aktuelles Leseerlebnis zwischen Kulturen und Einstellungen: Liebes-Bedürfnissen und -Hoffnungen!
Der Student Andi (schreibt an einer politisch-juristischen Dissertation über gesellschaftliche Utopien) wird häufig an dieser Rolle der oder des Deutschen gemessen, verglichen – und positiv befunden…
... heute Nacht mit Vergnügen gelesen: die hier freundlicherweise angezeigte "Die Beschneidung" (in "Liebesfluchten". 2000).
Das 12., das letzte Kapitelchen der Erzählung.
(Was zuvor passiert war: Um seiner Geliebten Sarah in New York und ihrer Kulturwelt, nämlich der jüdischen, ganz nahe zu sein, lässt Andi sich in Deutschland bei einem befreundeten Chirurgen beschneiden. (Circumcisio mit erträglichen Nachschmerzen.) - Er fliegt nach drei Wochen zurück zu Sarah…
Auch das Flugzeug über dem Atlantik ist Niemandsland.
Man ißt, trinkt, schläft, wacht, faulenzt oder arbeitet, aber was immer man macht, ist nur eine luftige Möglichkeit, bis das Flugzeug gelandet und man angekommen ist. Erst wenn man die Sattheit, Ausgeruhtheit oder geleistete Arbeit in die Welt am Boden mitgebracht hat, sind sie wirklich. Andi wäre nicht erstaunt gewesen, wenn das Flugzeug abgestürzt wäre.
In New York trat er aus dem kühlen Flughafengebäude in die schwere, heiße Luft. Es war laut; die Autos drängten und knäulten sich, die Taxen hupten, und ein Dispatcher schaffte mit der Trillerpfeife unter Taxen und Wartenden Ordnung. Andi schaute nach Sarah aus, obwohl sie ihm gesagt hatte, sie würde ihn nicht abholen, und in New York würde überhaupt niemand niemanden am Flughafen abholen. In der Taxe war es zu heiß, wenn er das Fenster schloß, und zog es, wenn er es öffnete. »Schnapp dir eine Taxe, und komm zu mir, so schnell du kannst«, hatte Sarah gesagt. Eigentlich konnte er sich eine Taxe nicht leisten. Er verstand nicht, warum er kommen sollte, so schnell er konnte.
Was wäre anders, wenn er eine Stunde später käme? Oder drei oder sieben? Oder einen Tag? Oder eine Woche? Sarah hatte Blumen gekauft, einen großen Strauß roter und gelber Rosen. Sie hatte Champagner kalt gestellt und das Bett frisch bezogen. Sie erwartete ihn in einem kurzärmligen Männerhemd, das knapp über den Po reichte.
Sie sah verführerisch aus und verführte ihn, ehe er die Angst haben konnte, mit der er beim ersten Mal nach der Beschneidung gerechnet hatte: die Angst, daß es weh täte oder sich falsch und schlecht anfühlte oder daß er impotent würde. »I missed you«, sagte sie, »I missed you so much.«
Ihr fiel nicht auf, daß er beschnitten war. Nicht als sie zusammen schliefen, als er nackt aufstand, die Champagnerflasche
öffnete und die gefüllten Gläser ans Bett brachte, nicht als sie gemeinsam duschten. (…)
(Andi - bzw. der Autor - verspüren keine Schmerzen bei diesem nie geübten... Sex. - Hier fehlen sinnvollerweise noch anderthalb Druckseiten, die ich selber zu lesen empfehle. - Es bleibt wahrlich spannend.)
Die Erzählung ist in drei flotten Passagen eine sehr gut erzählte Darstellung mit vielen intim erlebten Einzelheiten (bei Familienifesten, bei Ausflügen, bei Besuchen) und menschlich klugen Dialogen über die beiden Hemisphären (die der Christen, die meist keine Christen mehr sind, aber gutgläubig; und der der Juden in den USA, die deutschstämmig und vom europäischen, deutsch ordentlich inszenierten Holocaust familiär geschädigt sind).
Ein (geradezu) aktuelles Leseerlebnis zwischen Kulturen und Einstellungen: Liebes-Bedürfnissen und -Hoffnungen!
Der Student Andi (schreibt an einer politisch-juristischen Dissertation über gesellschaftliche Utopien) wird häufig an dieser Rolle der oder des Deutschen gemessen, verglichen – und positiv befunden…