Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?

Internationale Politik Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?

olga64
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von olga64
als Antwort auf hafel vom 04.02.2011, 15:40:12
Ja und inklusive der Touristen, die noch letzten Woche nach Ägypten flogen. Sie sind zwar (noch) bombenfrei in Sharm el Scheich und Hurghada - aber sie meckern schon, weil der Rotwein und das Brot dort zur Neige gehen. Entrüstet erklären einige von ihnen,dass es ihnen doch egal sein könne, ob Ägypten eine Diktatur sei oder nicht - sicher werden sie gegen ihren Reiseveranstalter prozessieren.
In den arabischen Ländern, die sich nun erheben, leben 300 Mio Menschen (Muslime) - 60% sind jung. Da in den Ländern mit jahrzehntelang regierenden Autokraten keine Oppositionen vorhanden sind, werden die muslimischen Gruppen (Muslimbrüder in Ägypten) Zulauf bekommen; diese kümmern sich ja bereits heute schon um die sozialen Bereiche, was insbesondere bei der armen Bevölkerung gut ankommt. Und ein Gegenargument kann der Westen nicht mehr liefern, der sich alles schön redete aus purer Angst vor Muslimen.
Auch der Iran frohlockt bereits - es wird gefährlich werden und sowohl der EU als auch der Pax Americana ihr Ende aufzeigen, wenn es um Einflussnahme dieser vielen Menschen geht. Olga
luchs35
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von luchs35
als Antwort auf olga64 vom 04.02.2011, 15:32:51
Wer da letzten Endes umarmt wird, wird sich hoffentlich bald wenisgstens in Ansätzen zeigen. Denn noch haben die Aufständischen niemanden ernannt, der sie alle vertritt. Das ist die Schwäche dieses Aufstandes.
El Baradei vertritt so wenig die Masse der Demonstrierenden wie Amr Mussa, die beide sich nun in den Vordergrund schieben und sich Chancen auf den "Thron" ausrechnen. Und je länger diese Hinauszögerungen gehen, umso eher besteht die vertrackte Möglichkeit, dass die falschen Kräfte nach oben geschoben werden.

Man darf nicht vergessen, Ägypten ist ein islamisches Volk und die Islamische Bruderschaft ist hier tief verankert. Dass in den großen Städten sich über eine Million Menschen an den Demonstrationen beteiligen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch rund 79 Millionen im Hintergrund sind, von denen man nichts weiß.

Und wir alle wissen auch nichts! Wir sehen die Bilder, hören Kommentare, aber wir leben nicht mittendrin.

Uns ist zwar gestattet, uns aus dem Gesehenen und Gehörten eine evtl. richtige oder unrichtige Meinung zu bilden, aber wissen! tun wir nichts.

Zu denken sollte uns aber geben, dass sich der Zorn der Demonstranten auch gegen die westlichen Länder richtet.

Luchs
Mitglied_bed8151
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf pilli vom 04.02.2011, 15:25:53
berlusconi spricht das aus, was alle europäischen führer denken, aber nicht mehr öffentlich aussprechen mögen. mubarak war der garant ihrer "stabilität" (das ist neusprech für koloniale ausbeutung). er, mubarak, war ihr mann fürs grobe, besorgte vor ort die drecksarbeit.

orderly transition. oder: usa, eu + israel suchen neuen schlauch für alten wein

der schurke mubarak, "unser" schurke, ist verbrannt. ein neuer schurke wird gesucht. unter neuem namen soll es kolonial weitergehen.

--
Wolfgang

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hafel
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von hafel
als Antwort auf luchs35 vom 04.02.2011, 16:12:17
Es ist doch noch gar nicht so lange her, als der Französische Präsident Sarkozy im Namen der EU eine Partnerschaft mit den Mittelmeer-Anrainern posaunte. Nur verkümmerte diese EU-Initiative sehr bald kläglich.

Auch derzeitig hört man von den Repräsentanten der EU sehr wenig, was den Menschen vor Ort wirklich hilft. Da bleibt doch eine bittere Enttäuschung der Menschen nicht aus.

Tunesien galt noch vor geraumer Zeit in der EU als "Wirtschaftswunderland" und Ägypten als Stabilisationsfaktor.

Außer dummerhaften Phrasen: "dass ein geordneter Übergang zur Demokratie" gefordert wird, kommt sehr wenig von den Spitzen Europas.

Hafel
olga64
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von olga64
als Antwort auf luchs35 vom 04.02.2011, 16:12:17
Und auch wir werden allmählicher aus Inner-Egypt keine Informationen mehr bekommen, da die Korrespondenten ja seit gestern um ihr Leben (oder zumindest um ihre equipments) fürchten müssen und teilweise in die deutschen Botschaften geflüchtet sind.
Dies ist jetzt wieder die Stunde der selbsternannten Experten, die zuhauf in den dafür zuständigen Talk-Shows ihr dürftiges Wissen in epischer Breite darlegen. Ich frage mich auch in diesem Fall: warum haben diese Experten diese Revolutionsströmung nicht vorausgeahnt? So etwas bahnt sich ja an und kommt nicht unbedingt innerhalb von 5 Minuten. Olga
luchs35
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von luchs35
als Antwort auf olga64 vom 04.02.2011, 16:42:17
Da frage ich mich aber noch mehr, warum keiner der Geheimdienste vorher etwas bemerkt hat. Selbst die allgegenwärtige Mossad wurde wohl buchstäblich "im Schlaf" überrascht.

Zumindest Obama hat die eigenen Geheimdienste jetzt gerügt. Vermutlich hatte man die jungen Studenten und Intellektuellen, von denen ursprünglich der Aufstand ausging, nicht genau im Visier oder traute ihnen nicht zu, dass sie die Massen derart bewegen könnten.

Nachdem nun die journalistische Tätigkeit mit Lebensgefahr verbunden ist, werden wir von dieser Seite auch nur mangelhaft informiert werden können. Bleiben aber immer noch die Sender "Al Jazeera" und "El Arabija", die aus dem Blickwinkel der arabischen Länder berichten, obwohl sie ebenfalls bedroht werden.

Es sind wirklich nur Mosaiksteinchen, aus denen man sich ein Bild zusammensetzen kann.Ob es mit unserer Sicht zusammenpasst, ist wieder eine andere Frage.

Luchs



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olga64
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von olga64
als Antwort auf olga64 vom 04.02.2011, 16:42:17
Nachdem anscheinend wieder 1 Mio Menschen am Tahrir-Platz in Kairo demonstrieren (manchmal frage ich mich, wer die wie zählt? Die Ausgabe von TEilnehmerkarten wäre ja eher deutscher Stil für Revolutionen und wird sicher in Ägypten nicht praktiziert) wird nun fieberhaft daran gearbeitet, einen runden Tisch zu gründen, um mit Oppositionsmitgliedern und den Islam-Brüdern zu sprechen. Das verstehe ich nun wieder gar nicht - es gibt ja keine expliziten Revolutionsführern, sondern vermutlich nur irgendwelche Leute, die frühzeitig auf einen Zug aufspringen wollen für die Zeit "after Mubarak".
ES gibt ja anscheinend seit einigen Monaten ein sog. "Volksparlament" bestehend aus einigen Männern aus teilweise sehr obskuren Gruppen. Diese tagten ebenfalls in den letzten Tagen, zerstritten sich aber schon nach 20 Minuten und gingen unverrichteter Dinge auseinander. ES bräuchte dort einige weise Männer und Frauen, die "schlichten" können (aber bitte keinen Geissler o.ä.)- aber auch das ist sicher schwierig in diesen emotionalen Zeiten. Es müsste ein völlig integrer, international akzeptierter Mann oder Frau sein - und wo soll es das schon geben?
Olga
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von olga64
als Antwort auf luchs35 vom 04.02.2011, 17:08:28
Ist Al Jazeera nicht schon seit Tagen abgeschaltet?
Und was von den Geheimdiensten zu halten ist, wissen wir doch spätestens in Sachen CIA und Nine-Eleven, oder? Interessant ist aber auch, dass anscheinend die Transparenz von Facebook,Twitter us.w nicht so hoch ist, wie von gerade deutschen Bedenkenträgern befürchtet? Die Organisation der Demos lief ja über diese Kommunikationsmittel - spätens da hätte bei starker Frequenz dies auffallen müssen, oder sehe ich dies grundfalsch? Olga
luchs35
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von luchs35
als Antwort auf olga64 vom 04.02.2011, 17:19:17
Al Jazeera und El Arabija wurden schon öfters abgeschaltet, waren aber bereits nach Stunden wieder am Senden, weil die Stationen so verzweigt gelegt sind, dass immer eine Station weitermachen kann.

Erst heute gab es eine Rüge vom Vizepräsidenten an die beiden Sender, aber besonders an Al Jazeera, an den er appelierte, sich daran zu erinnern, welches Bild Ägypten in der Welt abliefere durch diese laufende Information durch die Bilder. Heute Nacht wurde auch durch die Schlägertrupps ihr Büro gestürmt und die gesamte Ausrüstung zerstört. Sie senden aber wieder von einem andern Ort.

Teilweise wird auf Phoenix übertragen.

Luchs
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Re: Wie geht es weiter in den arabischen Ländern?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Revolutionen beflügeln. Nichts bleibt, wie es war. Der Kopf wird klar. Auch anderswo wird plötzlich klarer gedacht. Die Wirklichkeit bricht sich Bahn.

Schlechte Zeiten für Ideologen

Revolution ist ein Wort für kollektives, schnelles Lernen von der Wirklichkeit. Gut so! Denn nur in der Wirklichkeit (nicht etwa in Ideologien, auch nicht in westlichen Ideologien) liegt Wahrheit!

--
Wolfgang

SPON
04.02.2011
Muslimbrüder in Ägypten: Wie Deutschland sich den Islamisten annähert
Nach dem absehbaren Ende der Mubarak-Ära werden die Muslimbrüder in Ägypten vermutlich eine wichtige Rolle spielen. Offiziell hält die Bundesregierung Abstand zu den Islamisten - doch über indirekte Kanäle spricht sie schon mit ihnen.
Von Andreas Niesmann


Berlin - Es ist eine heikle Mission für die deutsche Diplomatie: Offiziell will keine westliche Regierung mit islamischen Fundamentalisten in Verbindung gebracht werden - erst Recht nicht mit der ägyptische Muslimbruderschaft. Andererseits weiß im Auswärtigen Amt jeder, dass die Bundesregierung mit allen politischen Akteuren reden muss, wenn sie den Prozess der Demokratisierung in Ägypten unterstützen und den deutschen Einfluss wahren will.

Zumal kaum jemand Zweifel daran hegt, dass die Islamisten an Bedeutung gewinnen werden, wenn Präsident Mubarak abtritt.

Offiziell sind die Muslimbrüder in Ägypten verboten. Inoffiziell aber duldete das Regime in den vergangenen Jahren die politische Bewegung, die sich 1928 mit dem Ziel gegründet hat, die Gesellschaft zu islamisieren. In der ägyptischen Bevölkerung genießen die Brüder großen Rückhalt. Sie sorgen für soziale Dienstleistungen wie Krankenhäuser oder Schulen. Der Westen dagegen fürchtete über Jahre nichts mehr als ein Erstarken der Islamisten - und stützte nicht zuletzt deshalb die autoritäre Herrschaft Husni Mubaraks.

Doch mit dem Aufstand in der arabischen Welt hat eine neue Ära begonnen - auch für die deutsche Außenpolitik.

[...]

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