Internationale Politik Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
Hallo Adam, da hab ich was für Dich.salafismus in berlin
ausgabe vom 10.09.2011.
ausgabe vom 10.09.2011.
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
Wenn sich die Ägypter, Algerier, Tunesier endlich als Ägypter, Algerier, Tunesier definieren und nicht auch als Araber oder Muslime - dann wären sie wirklich auf dem Weg zur Demokratie. Dann könnten sie auf eine ganz natürliche Art den anderen akzeptieren, den Christen, den Juden, den Laizisten und den Fremden, der in ihrem Land lebt und heiratet, ohne gezwungen zu sein, zu konvertieren oder seine Identität zu verleugnen.
Das ist der Knackpunkt. Schön, dass das kein Europäer sagt, der ja die Mentalität und Kultur dieser Völker nicht versteht oder sonst eine Maulschelle von dieser Sorte umgehängt kriegt.
Was mich in unserem Land inzwischen stört: Die Extremen, die man nicht so gut fand, hießen mal Islamisten, dann radikale Islamisten. Jetzt heißen sie plötzlich alle Salafisten. Irgendwann werden sie radikale Salafisten heißen, eine natürlich! winzige radikale Minderheit darstellen, und an den Rest hat man sich gewöhnt.
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
Danke,Carlos, dass du diesen Beitrag von Boualem Sansal eingestellt hast. Das sind kluge Worte und das Problem des Islams wird von zwei Seiten betrachtet. Gleichzeitig zeigt es aber auch die innere Zerrissenheit der arabischen, sprich islamischen Völker. Sie sind zwar in einer Aufbruchstimmung, aber sie haben keine Klarheit, in welche Richtung sie gehen sollen.
Mich erinnert dabei vieles an das uralte Europa mit seinen religiös fundierten Aufständen und Kriegen. Diese Entwicklung steht den arabischen Ländern noch bevor, bezw. sie hat begonnen. Allerdings wird ihnen nicht mehr die Zeit zur Verfügung stehen, die Europa nicht zuletzt durch die wirtschaftliche Entwicklung vorweggenommen hat. Und genau das birgt auch die Gefahr von außen für diese Länder, die sich selbst ausbluten und schwächen und so den Begehrlichkeiten anderer Länder Tür und Tor öffnen, nicht nur dem Westen mit USA und Israel, auch China und Indien haben ihre Möglichkeiten fest im Blickfeld, solange die arabischen Länder in ihre inneren Religionskämpfe verwickelt sind.
Es gäbe noch vieles dazu zu sagen, aber langsam verlieren wir uns in der Weitläufigkeit des arabisch- islamischen Problems.
Luchs
Mich erinnert dabei vieles an das uralte Europa mit seinen religiös fundierten Aufständen und Kriegen. Diese Entwicklung steht den arabischen Ländern noch bevor, bezw. sie hat begonnen. Allerdings wird ihnen nicht mehr die Zeit zur Verfügung stehen, die Europa nicht zuletzt durch die wirtschaftliche Entwicklung vorweggenommen hat. Und genau das birgt auch die Gefahr von außen für diese Länder, die sich selbst ausbluten und schwächen und so den Begehrlichkeiten anderer Länder Tür und Tor öffnen, nicht nur dem Westen mit USA und Israel, auch China und Indien haben ihre Möglichkeiten fest im Blickfeld, solange die arabischen Länder in ihre inneren Religionskämpfe verwickelt sind.
Es gäbe noch vieles dazu zu sagen, aber langsam verlieren wir uns in der Weitläufigkeit des arabisch- islamischen Problems.
Luchs
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Sansal wirft Europa Doppelmoral vor
"...Boualem Sansal ist der wohl bekannteste Schriftsteller Algeriens, der noch im Land lebt. In seiner Heimat sind seine Bücher längst verboten, er selbst wird überwacht. Sansal ist eine der kritischsten Stimmen der arabischen Welt. Auch jetzt meldet er sich zu Wort - und wirft Europa Doppelmoral vor. Und noch mehr - sogar Verrat an den eigenen Idealen: "Die europäischen Staaten haben lange die Diktaturen unterstützt", so Sansal - "und tun es immer noch. Dabei haben sie die arabischen Völker völlig ignoriert, verachtet, wie Wilde behandelt, obwohl sie wussten, dass dort Zivilgesellschaften existieren, die sehnsüchtig auf Freiheit und Demokratie warten. Europa hat diese Länder belogen, es hat sich belogen und es hat seine Öffentlichkeit belogen."
Jahrzehntelang hat Europa mehr über Ressourcen als über Menschenrechte nachgedacht. Nordafrika wurde zum vergessenen Kontinent. Heute zahlen die Menschen in Europa und Arabien einen hohen Preis für die westliche Scheinheiligkeit. Sansal fordert jetzt ein radikales Umdenken: weg vom Markt, zurück zur Moral. "Es wäre großartig, wenn die arabische Revolution auch zu einer Revolution in Europa führen würde", so Sansal. "Europa und seine Führer müssen sich eingestehen: Wir haben uns geirrt...."
Hallo silhouette,
das Zitat geht nicht auf mich zurück. Es stammt von dem Schriftsteller B. Sansal aus dem angegebenen Essay. Eine ganzte Reihe von weiteren Essays des Schriftstellers B. Sansal finden sich in dem Sammelband "Postlagernd: Algier."
Von ihm sind auch eine Reihe von Romanen erschienen u. a. Das Dorf des Deutschen."
Ich glaube, dass es notwendig ist, sich in das Denken und Fühlen von Menschen eines anderen Kulturkreises einzufühlen. Wer könnte da besser geeignet sein, als ein Schriftsteller. Algerien und die Staaten im Nahen Osten sind Intereessierten als Daten von außenpolitischen Konflkten bekannt, als Prozentziffern für Rohöllieferungen und Kennziffen in der Zahlungsbilanz. Natürlich auch als Spielstein auf dem Schachbrett des Nahostkonfliktes. Mir ist das bekannt aus Korrempndentenberichten in den Zeitungen. Sansal schreibt mit Herzblut, er erleidet die Geschichte. Er kennt beide Kulturen, die europäische und die islamische. Er will Brücken bauen. Er sieht die Gefahren.
das Zitat geht nicht auf mich zurück. Es stammt von dem Schriftsteller B. Sansal aus dem angegebenen Essay. Eine ganzte Reihe von weiteren Essays des Schriftstellers B. Sansal finden sich in dem Sammelband "Postlagernd: Algier."
Von ihm sind auch eine Reihe von Romanen erschienen u. a. Das Dorf des Deutschen."
Ich glaube, dass es notwendig ist, sich in das Denken und Fühlen von Menschen eines anderen Kulturkreises einzufühlen. Wer könnte da besser geeignet sein, als ein Schriftsteller. Algerien und die Staaten im Nahen Osten sind Intereessierten als Daten von außenpolitischen Konflkten bekannt, als Prozentziffern für Rohöllieferungen und Kennziffen in der Zahlungsbilanz. Natürlich auch als Spielstein auf dem Schachbrett des Nahostkonfliktes. Mir ist das bekannt aus Korrempndentenberichten in den Zeitungen. Sansal schreibt mit Herzblut, er erleidet die Geschichte. Er kennt beide Kulturen, die europäische und die islamische. Er will Brücken bauen. Er sieht die Gefahren.
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
Ja carlos,
das hatte ich auch so verstanden.
Noch etwas anderes, quergedacht: es fällt uns leicht, diese Gedanken nachzuvollziehen. Was aber, wenn einer, sagen wir, auf Arabisch-Einseitig auf dem Putz haut, so wie die Europäer auf denPutz hauen, die in ihrem Denken festgefahren sind? Zitieren wir ihn dann auch so gerne?
Vielleicht zu quer gedacht.
das hatte ich auch so verstanden.
Noch etwas anderes, quergedacht: es fällt uns leicht, diese Gedanken nachzuvollziehen. Was aber, wenn einer, sagen wir, auf Arabisch-Einseitig auf dem Putz haut, so wie die Europäer auf denPutz hauen, die in ihrem Denken festgefahren sind? Zitieren wir ihn dann auch so gerne?
Vielleicht zu quer gedacht.
"Jahrzehntelang hat Europa mehr über Ressourcen als über Menschenrechte nachgedacht. Nordafrika wurde zum vergessenen Kontinent. Heute zahlen die Menschen in Europa und Arabien einen hohen Preis für die westliche Scheinheiligkeit. Sansal fordert jetzt ein radikales Umdenken: weg vom Markt, zurück zur Moral." Sansal, ziot. nach Link bei mart1
"Welcher wahrhaftige einstige Held hat gesagt: Unsere Mission war es, Algerien zu befreien, was wir getan haben; von nun an ist es an den Algeriern sich zu befreien." Sansal "Postlagernd: Algier", Seite 15
"Das Gespräch ist die Grundlage des Menschseins. Wenn dem Menschen das genommen wird, stirbt er. Das genau passiert in der arabischen und islamischen Welt. Es ist ein langsamer Tod, wenn man über nichts sprechen, sich nicht mit den anderen austauschen, seine Widersprüche diskutieren kann. Die Menschen lehnen sich auf, wenn sie spüren, dass der Tod nahe ist. Die Aufstände (Anm. 2011!)sind keine politischen, sozialen oder wirtschaftliche Unruhen, wie immer wieder behaupter wird. Die Menschen spüren ganz einfach die Notwendigkeit zu reden. Deshalb reagieren sie. Wie ein Tier, das auch getötet werden soll, reagieren sie." Sansal, a.a.O. S. 76 (Interview)
"Welcher wahrhaftige einstige Held hat gesagt: Unsere Mission war es, Algerien zu befreien, was wir getan haben; von nun an ist es an den Algeriern sich zu befreien." Sansal "Postlagernd: Algier", Seite 15
"Das Gespräch ist die Grundlage des Menschseins. Wenn dem Menschen das genommen wird, stirbt er. Das genau passiert in der arabischen und islamischen Welt. Es ist ein langsamer Tod, wenn man über nichts sprechen, sich nicht mit den anderen austauschen, seine Widersprüche diskutieren kann. Die Menschen lehnen sich auf, wenn sie spüren, dass der Tod nahe ist. Die Aufstände (Anm. 2011!)sind keine politischen, sozialen oder wirtschaftliche Unruhen, wie immer wieder behaupter wird. Die Menschen spüren ganz einfach die Notwendigkeit zu reden. Deshalb reagieren sie. Wie ein Tier, das auch getötet werden soll, reagieren sie." Sansal, a.a.O. S. 76 (Interview)
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Bei arabischen Schriftstellern und Intellektuellen ist das so eine Sache. So sehr sie die Zustände in ihrer Heimat und in der arabischen Welt kritisieren mögen, Finger in offene Wunden legen, wenn sie erst einmal anfangen, auszuteilen, dann kriegt auch der Westen, dann kriegen auch wir unser Fett ab.
Das eine wird oft von "uns" kopfnickend gerne als Bestätigung akzeptiert, das andere aber als total daneben nicht einmal als diskussionswürdig angesehen.
... und so sitzen sie zwischen den Stühlen
Das eine wird oft von "uns" kopfnickend gerne als Bestätigung akzeptiert, das andere aber als total daneben nicht einmal als diskussionswürdig angesehen.
... und so sitzen sie zwischen den Stühlen
"Bei arabischen Schriftstellern und Intellektuellen ist das so eine Sache. So sehr sie die Zustände in ihrer Heimat und in der arabischen Welt kritisieren mögen, Finger in offene Wunden legen, wenn sie erst einmal anfangen, auszuteilen, dann kriegt auch der Westen, dann kriegen auch wir unser Fett ab.
Das eine wird oft von "uns" kopfnickend gerne als Bestätigung akzeptiert, das andere aber als total daneben nicht einmal als diskussionswürdig angesehen." mart1
Hallo mart1,
und wenn das so wäre, ist es denn schlimm, "wenn der Westen sein Fett" abbekommt? Makellos und integer war die Politik der Kolonialmächte in Afrika nicht. Darum geht es aber nicht. "Postlagernd: Algier" ist ein fiktives Gespräch mit Landsleuten, in denen der Autor seine Ängste ausdrückt. Er wendet sich gegen die großen Erzählungen, die Mythen, die sich um die Entkolonialisierung ranken, um die Heroisierung von Unterdrückern. Gab es denn eine Nation in Algerien vor der Befreiung? Die Gegenwart ist entscheidend für ihn, nicht der Mythos. Das versucht er klar zu machen. Es geht ihm nicht mehr um die Unabhängigkeit des Landes, die ist errungen, sondern um die Unabhängigkeit des I)ndividuums.
Das eine wird oft von "uns" kopfnickend gerne als Bestätigung akzeptiert, das andere aber als total daneben nicht einmal als diskussionswürdig angesehen." mart1
Hallo mart1,
und wenn das so wäre, ist es denn schlimm, "wenn der Westen sein Fett" abbekommt? Makellos und integer war die Politik der Kolonialmächte in Afrika nicht. Darum geht es aber nicht. "Postlagernd: Algier" ist ein fiktives Gespräch mit Landsleuten, in denen der Autor seine Ängste ausdrückt. Er wendet sich gegen die großen Erzählungen, die Mythen, die sich um die Entkolonialisierung ranken, um die Heroisierung von Unterdrückern. Gab es denn eine Nation in Algerien vor der Befreiung? Die Gegenwart ist entscheidend für ihn, nicht der Mythos. Das versucht er klar zu machen. Es geht ihm nicht mehr um die Unabhängigkeit des Landes, die ist errungen, sondern um die Unabhängigkeit des I)ndividuums.
Viele Jahrzehnte wurden die Afrikaner (auch die Nordafrikaner) von den Westmächten ausgebeutet. Nun hat das Pendel umgeschlagen: Die Nordafrikaner holen sich das, was sie glauben, sei ihnen geraubt worden, im Westen mittels Raub und Einbruch zurück.....und in ihrer Heimat werden sie nicht mehr von Westlern, sondern von ihren eigenen Landsleuten ausgebeutet und unterdrückt!