Internationale Politik Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
bis Jahresende heisst es in Kairo und in in den restlichen arabischen Hauptstaedten:
"unsere gestohlene Revolution zurueckholen"
Ja, Abdu, so sehe ich das auch. Nur hoffe ich , dass es dann auch ein Konzept und eine Planung mit entsprechenden Leuten für das "danach" gibt. Daran scheiterte nämlich letzten Endes diese Revolution, dass wohl Mauern eingerissen wurden, aber keine Handwerker bereit standen, die aufbauen konnten - symbolisch gesprochen, aber ich denke, du verstehst es.
Luchs
Luchs,
die Schlussfolgerungen Abdus beruhen auf der Verschwörungstheorie des Weltjudentums, als übelstem Antisemitismus und allgemeinem Rassismus gegen den Westen. Das ist keinesfalls das, was die Welt brauchen kann und derartige Formulierungen hier zu lesen, finde ich schlimm.
Die arabischen Aufstände haben als sozialbedingte Unruhen begonnen, wurden aber schnell islamistisch eingefärbt. Grün ist die Farbe Mohammeds und des Islam. In den nächsten Monaten, Jahren wird sich zeigen, ob sich der arabische Kulturraum auf alte Werte zurück besinnen kann oder ob die Farbe Grün zur Farbe des radikalen Islamismus wird und zwar sunnitisch geprägt, religiös dominiert von Saudi-Arabien. Nur der Islamismus, wahabitisch-salafistisch geprägt, kann den alten, totalitären Herrschaftsformen in Arabien das Überleben sichern.
Was kann der Westen, die Welt, dagegen tun? Wenig. Vielleicht weist der Besuch Putins in Israel den Weg, der beschritten werden kann, indem deutlich gemacht wird, daß der Islamisierung der Welt Grenzen gesetzt sind, daß sich moderne Gesellschaften einen kulturellen Stillstand oder Rückschritt nicht erlauben wollen und können, daß Nationalismus, verbunden mit verwerflicher, ethnischer Hetze der falsche Weg ist. Arabien ist im Begriff, sich kulturell noch weiter zu isolieren.
Mit Assad in Syrien, als letztem Vertreter, wird auch der Baathismus fallen, mit seiner Idee des Panarabismus. Daß totalitär beherrschte arabische Staaten nicht in der Lage sind, die panarabische Idee zu verwirklichen, hat die Vergangenheit gezeigt. Das könnten nur moderne, weltoffene arabische Gesellschaften, wobei der Islam kein Hindernis wäre, wie auch in Europa das Christentum für die Gesellschaften kein Hindernis war, sich modern zu entwickeln. Aber der Islam hat nicht die Kraft in sich, sich gegen den Islamismus zu wehren und der Islamismus hat keinen Platz für humanistische Ideen, die für moderne Gesellschaften unabdingbar sind. Es wird schwierig.
--
adam
die Schlussfolgerungen Abdus beruhen auf der Verschwörungstheorie des Weltjudentums, als übelstem Antisemitismus und allgemeinem Rassismus gegen den Westen. Das ist keinesfalls das, was die Welt brauchen kann und derartige Formulierungen hier zu lesen, finde ich schlimm.
Die arabischen Aufstände haben als sozialbedingte Unruhen begonnen, wurden aber schnell islamistisch eingefärbt. Grün ist die Farbe Mohammeds und des Islam. In den nächsten Monaten, Jahren wird sich zeigen, ob sich der arabische Kulturraum auf alte Werte zurück besinnen kann oder ob die Farbe Grün zur Farbe des radikalen Islamismus wird und zwar sunnitisch geprägt, religiös dominiert von Saudi-Arabien. Nur der Islamismus, wahabitisch-salafistisch geprägt, kann den alten, totalitären Herrschaftsformen in Arabien das Überleben sichern.
Was kann der Westen, die Welt, dagegen tun? Wenig. Vielleicht weist der Besuch Putins in Israel den Weg, der beschritten werden kann, indem deutlich gemacht wird, daß der Islamisierung der Welt Grenzen gesetzt sind, daß sich moderne Gesellschaften einen kulturellen Stillstand oder Rückschritt nicht erlauben wollen und können, daß Nationalismus, verbunden mit verwerflicher, ethnischer Hetze der falsche Weg ist. Arabien ist im Begriff, sich kulturell noch weiter zu isolieren.
Mit Assad in Syrien, als letztem Vertreter, wird auch der Baathismus fallen, mit seiner Idee des Panarabismus. Daß totalitär beherrschte arabische Staaten nicht in der Lage sind, die panarabische Idee zu verwirklichen, hat die Vergangenheit gezeigt. Das könnten nur moderne, weltoffene arabische Gesellschaften, wobei der Islam kein Hindernis wäre, wie auch in Europa das Christentum für die Gesellschaften kein Hindernis war, sich modern zu entwickeln. Aber der Islam hat nicht die Kraft in sich, sich gegen den Islamismus zu wehren und der Islamismus hat keinen Platz für humanistische Ideen, die für moderne Gesellschaften unabdingbar sind. Es wird schwierig.
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adam
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
Adam, wenn du meine vorhergehenden Beiträge gelesen hast, müsste dir auch klar sein, warum ich explizit auf den letzten Satz Abdus so geantwortet habe. Denn diese Revolution wurde jenen gestohlen, die dafür einen hohen Preis gezahlt haben, um aus der Umklammerung durch das Regime Mubarak herauszukommen. Aber wer hat profitiert? Erst einmal das Miltär mit seinen Generälen und ihrem Klüngel, die damit auch ihre privaten Vorteile schützen können, sonst aber das Volk noch schlimmer unterdrücken als das abgelöste Regime. Und das geschieht mit der Unterstützung der USA mit eher zaghaften Appellen , die Demokratiebestrebungen doch bitteschön zu respektieren, aber von einer Streichung der Milliardensubventionierung der ägyptischen Streitkräfte ist noch nicht mal eine Andeutung zu lesen.
Dass hier auch Israel mitmischt, weil es sich mehr Sicherheit durch die Veträge erhofft, ist auch nicht zu übersehen. Warum wohl hat der neugewählte Präsident als erstes Israel beruhigt, dass er zu den Verträgen stehe? Er spricht nur das aus, was die Militärs ihm vorsagen.
Wer möchte es also jenen, die das Regime Mubarak in der Hoffnung auf mehr Freiheit, Würde und Lebensqualität stürzten, verdenken, dass sie sich "ihre Revolution zurückholen wollen" - von jenen, die sie nun für ihre eigenen Vorteile missbrauchen?
Dass Abdu mal wieder arabisch zähnefletschend reagiert, hat mit dem "gesteuerten" Blickwinkel zu tun, auf den ich nicht persönlich reagiere. Aber sein Zorn spiegelt auch den der arabischen Länder wider, und das sollten wir nicht leichtfertig übersehen.
Luchs
Dass hier auch Israel mitmischt, weil es sich mehr Sicherheit durch die Veträge erhofft, ist auch nicht zu übersehen. Warum wohl hat der neugewählte Präsident als erstes Israel beruhigt, dass er zu den Verträgen stehe? Er spricht nur das aus, was die Militärs ihm vorsagen.
Wer möchte es also jenen, die das Regime Mubarak in der Hoffnung auf mehr Freiheit, Würde und Lebensqualität stürzten, verdenken, dass sie sich "ihre Revolution zurückholen wollen" - von jenen, die sie nun für ihre eigenen Vorteile missbrauchen?
Dass Abdu mal wieder arabisch zähnefletschend reagiert, hat mit dem "gesteuerten" Blickwinkel zu tun, auf den ich nicht persönlich reagiere. Aber sein Zorn spiegelt auch den der arabischen Länder wider, und das sollten wir nicht leichtfertig übersehen.
Luchs
Aber der Islam hat nicht die Kraft in sich, sich gegen den Islamismus zu wehren und der Islamismus hat keinen Platz für humanistische Ideen, die für moderne Gesellschaften unabdingbar sind.
adam
Das gilt aber nicht nur für die Arabischen staaten.
Auch in Europa scheint sich der Islamismus festzusetzen und auszubreiten.
Den Nazis kann man für ihre veranstaltungen die räume stornieren.
Islamistenseminare finden ungehindert in den moscheen statt.
So stimmt das nicht mehr gram.
Erst vor wenigen Tagen ist bei uns in der Bundesrepublik die Polizei massiv gegen verfassungsfeindliche Salafisten vorgegangen. Eine Gruppe wurde verboten. Man sollte nicht vergessen, daß der Staat in einer Demokratie nur reagieren, im Vorhinein aber nur sehr begrenzt agieren kann. Mir scheint, daß der gesamte Westen bisher größte Rücksicht auf die verbündeten, ölfördernden arabischen Staaten genommen hat. Das kann sich, angesichts der Vorgänge in der arabischen Welt, schnell ändern.
Wir mögen bereit sein, Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, um dem Iran konventionelle, militärische Mittel, zum Schutz der Arabischen Halbinsel entgegen zu setzen und so Saudi-Arabien eine atomare Aufrüstung auszureden, sind aber nicht unbegrenzt bereit, die aggressive Missionierung des sunnitischen Islam zu akzeptieren, schon gar nicht, wenn sie an rechtsstaatliche, verfassungsgemäße Grenzen stößt.
--
adam
Adam, wenn du meine vorhergehenden Beiträge gelesen hast, müsste dir auch klar sein, warum ich explizit auf den letzten Satz Abdus so geantwortet habe.
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Dass Abdu mal wieder arabisch zähnefletschend reagiert, hat mit dem "gesteuerten" Blickwinkel zu tun, auf den ich nicht persönlich reagiere. Aber sein Zorn spiegelt auch den der arabischen Länder wider, und das sollten wir nicht leichtfertig übersehen.
Das war mir klar Luchs.
Aus meiner Sicht fand ich es notwendig, darauf hinzuweisen, daß man die Lage in Nah- und Mittelost nicht durch die Brille eine nationalistischen Lybiers sehen sollte.
Ich werde in einem späteren Beitrag noch etwas dazu schreiben.
--
adam
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
Ja, Adam, ich habe es schon verstanden, aber leider haben wir mit Abdu nur einen einzigen arabischen User im ST. Und ich finde es trotz seiner überwiegend einseitigen Art ganz interessant, wie er die Situation betrachtet. Natürlich wäre es besser, wir hätten noch andere arabische Stimmen hier, denn nur die Vielseitigkeit lässt ein realeres Bild entstehen - womit auch wir Europäer gemeint sind.
Wir interpretieren natürlich Abdus Aussagen nach unserer Denkweise - wie auch umgekehrt.
Die Entwicklung in allen arabischen Ländern, die sich untereinander ja auch uneins sind, wird allerdings wohl noch Jahrzehnte Diskussionsstoff bieten.
Luchs
Wir interpretieren natürlich Abdus Aussagen nach unserer Denkweise - wie auch umgekehrt.
Die Entwicklung in allen arabischen Ländern, die sich untereinander ja auch uneins sind, wird allerdings wohl noch Jahrzehnte Diskussionsstoff bieten.
Luchs
aber leider haben wir mit Abdu nur einen einzigen arabischen User im ST. Und ich finde es trotz seiner überwiegend einseitigen Art ganz interessant, wie er die Situation betrachtet.
Luchs
ich bin auch hier sehr vorsichtig: es liegt in der Natur der Dinge, dass Menschen, die anonym zusammen kommunizieren, alles mögliche behaupten können, wohl wissend, dass nichts bewiesen werden muss oder kann.
Ich finde es in der REalität in Ägypten (oder den anderen Nahost-STaaten) viel interessanter, dass dort Menschen härtere, islamische Tendenzen verfolgen, die ihrerseits länger Zeit z.B. in den USA lebten. Wie nun auch Herr Mursi, der in den USA studierte, dort promovierte und lehrte. Zwei seiner Kinder sind qua Geburt amerikanische Staatsbürger. Und doch kehrt er zurück - anscheinend angeekelt von der Liberalität in sog. westlichen Staaten. Warum gelingt es uns nicht, unsere Demokratien und Lebensweisen anderen Völkern als lebenswert darzustellen? Olga
Luchs
ich bin auch hier sehr vorsichtig: es liegt in der Natur der Dinge, dass Menschen, die anonym zusammen kommunizieren, alles mögliche behaupten können, wohl wissend, dass nichts bewiesen werden muss oder kann.
Ich finde es in der REalität in Ägypten (oder den anderen Nahost-STaaten) viel interessanter, dass dort Menschen härtere, islamische Tendenzen verfolgen, die ihrerseits länger Zeit z.B. in den USA lebten. Wie nun auch Herr Mursi, der in den USA studierte, dort promovierte und lehrte. Zwei seiner Kinder sind qua Geburt amerikanische Staatsbürger. Und doch kehrt er zurück - anscheinend angeekelt von der Liberalität in sog. westlichen Staaten. Warum gelingt es uns nicht, unsere Demokratien und Lebensweisen anderen Völkern als lebenswert darzustellen? Olga
Re: Was wird aus dem "arabischen Frühling"?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich möchte sehr vorsichtig fragen, ob der "Westen" eingedenk seiner jahrhundertelangen kolonnialen Vergangenheit, angesichts der Unterdrückungen und Gräuel und angesichts der Vortäuschungen, Humanismus zu bringen und doch immer wieder nur seinen eigenen Vorteil im Auge hatte, diesselben Motive nicht allzu bereitwillig auch den anderen zuschreibt.
Das könnte ja stimmen, aber dass die arabische Welt die bisherigen Einmischungen, die militärischen und wirtschaftlichen Unterstützungen von Staaten, Regimen und Gruppierungen, die bereit sind, den "Westen" zu hofieren und willige Vasallen zu sein, nicht goutiert und vor allem die negativen Auswirkungen hautnah vor Augen hat, sollte der westlichen Welt und denjenigen, die ehrlich Humanismus vertreten, mehr als klar sein.
Es könnte ja stimmen, dass auch andere von einer Weltherrschaft so wie der Westen träumt, betrifft aber vor allem diejenigen Regimes und Fanatiker, die gerade jetzt so hochgerüstet werden.
Das könnte ja stimmen, aber dass die gewaltbereiten Islamisten durch den Westen groß gemacht wurden und werden, sollte doch klar ausgesprochen werden.
Die Rechnung, um eines kurzzeitigen Vorteils willen, sich mit denen ins Bett zu legen und zu hoffen, sie rechtzeitig irgendwie wieder los zu kriegen, wird nicht aufgehen.
Das könnte ja stimmen, aber dass die arabische Welt die bisherigen Einmischungen, die militärischen und wirtschaftlichen Unterstützungen von Staaten, Regimen und Gruppierungen, die bereit sind, den "Westen" zu hofieren und willige Vasallen zu sein, nicht goutiert und vor allem die negativen Auswirkungen hautnah vor Augen hat, sollte der westlichen Welt und denjenigen, die ehrlich Humanismus vertreten, mehr als klar sein.
Es könnte ja stimmen, dass auch andere von einer Weltherrschaft so wie der Westen träumt, betrifft aber vor allem diejenigen Regimes und Fanatiker, die gerade jetzt so hochgerüstet werden.
Das könnte ja stimmen, aber dass die gewaltbereiten Islamisten durch den Westen groß gemacht wurden und werden, sollte doch klar ausgesprochen werden.
Die Rechnung, um eines kurzzeitigen Vorteils willen, sich mit denen ins Bett zu legen und zu hoffen, sie rechtzeitig irgendwie wieder los zu kriegen, wird nicht aufgehen.
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Hallo luchs,
jeder User ist einseitig. Es genügt, wenn er eine nachvollziehbare Meinung oder Darstellung einstellt.
Damit es nicht die einzige arabische Stimme ist, stelle ich einen Essay aus der Feder von Boualem Sansal ein. Im Herbst 2011 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.
Sansal, ökonom, Ingenieur, heute Autor ist heute in Algerien ein verfemter Mann, dar nichts veröffentlichen. Er steht im Fasenkreuz der Ismaisten und des Regimes. Insofern ist auch er "einseitig".
c
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article12485666/Das-Problem-heisst-Islam.html
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Das Problem heißt Islam
Die Aufstände in Tunesien und Ägypten verdienen Respekt. Aber solange Religion und panarabische Identität dominieren, besteht wenig Aussicht auf bessere Zeiten Von Boualem Sansal
Hier der Text Sansals:
"Was derzeit in der arabischen Welt passiert, kann man aus zwei Blickwinkeln betrachten. Man kann darin eine tief verankerte Bewegung sehen, die nun auch für die Gesellschaften dieser Region Demokratie beansprucht. Vor allem die Jugendlichen stellen solche Forderungen, weil sie offener sind als ihre Eltern - dank Fernsehen, Internet, sozialen Netzwerken, Mobiltelefonen und Bildungsniveau. Ein Grund ist aber auch die Liberalisierung der Wirtschaft in diesen Ländern, die viele Menschen alleingelassen hat. Sie waren auf diese Liberalisierung im Zuge der Globalisierung nicht vorbereitet worden. Das natürliche Interesse der Jugend für Sport und Popmusik und die Bilder, die ihnen darüber vermittelt werden, haben ebenfalls eine Rolle gespielt. Sie haben ihnen Appetit gemacht auf Erfolg, auf Heldentaten und Luxus, auf das schnelle Geld und Reisen. Figuren wie Zinedine Zidane oder Michael Jackson sind ein hervorragendes Aufputschmittel für die Jugendlichen.
Den Wunsch, von einem demokratischen Regime regiert zu werden, findet man auf eine andere Weise auch bei den Islamisten und den einfachen Milieus, die ihnen nahestehen. Diese Kategorie von Islamisten und Konservativen glaubt nicht (oder nicht mehr) an eine Machtergreifung durch Waffen oder Gewalt. Sie wollen sie an den Urnen erreichen, um nicht die Armee zu verschrecken und die einheimischen liberalen Familien und die Länder des Westens. Ihre Vorbilder sind die Regimes im Iran, in Saudi-Arabien oder der Türkei. Es wäre wohl nur die erste Etappe. Einmal an der Macht, gingen sie wahrscheinlich den bekannten Weg der Radikalisierung - um sich zu konsolidieren und wegen des Drucks der Ultrakonservativen und der aktuellen Probleme, vor allem der ökonomischen.
Die andere Lesart der aktuellen Bewegung ist, dass sie nur eine neue Episode darstellt in den Kämpfen der Clans an der Spitze des Staates. In den arabischen Ländern ist die Macht eine illegitime. Jeden Tag muss - je nach Agenda - ein neues Gleichgewicht gefunden werden zwischen den verschiedenen Clans. Meistens ist eine Einigung schnell gefunden, man teilt sich problemlos den Gewinn. Aber manchmal muss lange verhandelt werden, manchmal greift man zu den Waffen, und die effizienteste Waffe ist das Volk. Das haben sie von Mao gelernt, der sich auf die Jugend stützte bei seiner Kulturrevolution und der jene niederschlug, die seine Macht infrage stellten und die das Regime ein wenig reformieren wollten. Der Aufruhr in Algerien vom Oktober 1988 ist dafür ein typisches Beispiel. Präsident Chadli stützte sich auf den legitimen Zorn des Volkes (der allerdings auch durch künstliche Knappheit provoziert wurde, die die Preise in die Höhe trieb), um sich der Einheitspartei und der Geheimdienste zu entledigen, die ihn daran hinderten, so zu regieren, wie er wollte: nämlich die algerische Wirtschaft liberalisieren, ganz nach der damals gültigen Bibel, diktiert vom Internationalen Währungsfonds und den westlichen Staaten, bei denen Algerien tief verschuldet war.
Ich glaube allerdings, dass das größte Problem noch bevorsteht: Es wird der Moment sein, an dem sich die verschiedenen sozialen Strömungen direkt gegenüberstehen: Islamisten, Christen, Nationalisten, Demokraten, Arbeitslose, Gewerkschaften, Armee, Bourgeoisie. Wird es ihnen gelingen, einen Dialog untereinander zu führen und ein gemeinsames Projekt zustande zu bringen? Oder werden sie einen Krieg beginnen, ein jeder, um sein eigenes Projekt durchzusetzen? Das wäre der Weg in den Bürgerkrieg oder, schlimmstenfalls, zur Teilung des Landes. Genau das ist 1988 nach den Aufständen in Algerien und der Einsetzung eines "demokratischen" Regimes passiert. Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich kurz- und mittelfristig gar nichts ändern wird außer einigen Korrekturen an der Fassade. Denn in der ganzen arabischen Welt hat sich bisher noch niemand vom traditionellen Diskurs gelöst und die Autonomie des eigenen Landes und die Vorherrschaft der Demokratie beschworen.
Die Frage des Islam ist der eigentliche Stein des Anstoßes. Doch sie wird nie angegangen, ganz im Gegenteil: Alle - Demokraten wie Laizisten - beziehen sich auf die Religion. Mohammed al-Baradei, der sich als Demokrat internationalen Zuschnitts positioniert, wählte als seine erste Geste das gemeinsame Gebet mit den Islamisten auf offener Straße (er hätte auch mal in eine Kirche zu den Kopten gehen sollen), anstatt vor allem seine oppositionellen ideologischen Positionen zu betonen. Unter den aktuellen Bedingungen auf der Straße zu beten ist kein neutraler oder unverfänglicher Akt, es ist ein politisches Zeichen der schlechtesten Sorte. Es zeigt, dass viele von der Zukunft und der Demokratie sprechen, während sie sich zugleich ausgerechnet auf die Kräfte beziehen, die für das Gestern und die Ablehnung der Demokratie stehen.
Der arabische Nationalismus, der ein großes Hindernis ist auf dem Weg zur Demokratie, wird immer noch als ein Grundwert angesehen. Keiner wagt, ihm den Prozess zu machen und klar zu benennen, was ihn so gefährlich und ausgrenzend macht: Er ist eine rassistische, antidemokratische, antiwestliche, antisemitische und antiisraelische Ideologie. Man stelle sich vor, Europa erhöbe den Anspruch (so wie es einige Parteien der extremen Rechten gerne hätten), dass allein die europäisch-christliche Rasse Trägerin demokratischer Werte sei!
Wenn sich die Ägypter, Algerier, Tunesier endlich als Ägypter, Algerier, Tunesier definieren und nicht auch als Araber oder Muslime - dann wären sie wirklich auf dem Weg zur Demokratie. Dann könnten sie auf eine ganz natürliche Art den anderen akzeptieren, den Christen, den Juden, den Laizisten und den Fremden, der in ihrem Land lebt und heiratet, ohne gezwungen zu sein, zu konvertieren oder seine Identität zu verleugnen.
Es gibt noch den ganzen Rest von Problemen: das Justizwesen, die Verwaltung, die Ökonomie, die man befreien und dem Volk übergeben muss. Aber das sind sekundäre Aspekte. Priorität hat die Klärung der zentralen Fragen: die der Macht, die der Religion und die des arabischen Nationalismus."
Der Autor ist ein algerischer Schriftsteller, der den ersten arabischen Roman über den Holocaust geschrieben hat.
Aus dem Französischen von Rainer Haubrich.
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article12485666/Das-Problem-heisst-Islam.html
...aber leider haben wir mit Abdu nur einen einzigen arabischen User im ST." luchs
Hallo luchs,
jeder User ist einseitig. Es genügt, wenn er eine nachvollziehbare Meinung oder Darstellung einstellt.
Damit es nicht die einzige arabische Stimme ist, stelle ich einen Essay aus der Feder von Boualem Sansal ein. Im Herbst 2011 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.
Sansal, ökonom, Ingenieur, heute Autor ist heute in Algerien ein verfemter Mann, dar nichts veröffentlichen. Er steht im Fasenkreuz der Ismaisten und des Regimes. Insofern ist auch er "einseitig".
c
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article12485666/Das-Problem-heisst-Islam.html
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Das Problem heißt Islam
Die Aufstände in Tunesien und Ägypten verdienen Respekt. Aber solange Religion und panarabische Identität dominieren, besteht wenig Aussicht auf bessere Zeiten Von Boualem Sansal
Hier der Text Sansals:
"Was derzeit in der arabischen Welt passiert, kann man aus zwei Blickwinkeln betrachten. Man kann darin eine tief verankerte Bewegung sehen, die nun auch für die Gesellschaften dieser Region Demokratie beansprucht. Vor allem die Jugendlichen stellen solche Forderungen, weil sie offener sind als ihre Eltern - dank Fernsehen, Internet, sozialen Netzwerken, Mobiltelefonen und Bildungsniveau. Ein Grund ist aber auch die Liberalisierung der Wirtschaft in diesen Ländern, die viele Menschen alleingelassen hat. Sie waren auf diese Liberalisierung im Zuge der Globalisierung nicht vorbereitet worden. Das natürliche Interesse der Jugend für Sport und Popmusik und die Bilder, die ihnen darüber vermittelt werden, haben ebenfalls eine Rolle gespielt. Sie haben ihnen Appetit gemacht auf Erfolg, auf Heldentaten und Luxus, auf das schnelle Geld und Reisen. Figuren wie Zinedine Zidane oder Michael Jackson sind ein hervorragendes Aufputschmittel für die Jugendlichen.
Den Wunsch, von einem demokratischen Regime regiert zu werden, findet man auf eine andere Weise auch bei den Islamisten und den einfachen Milieus, die ihnen nahestehen. Diese Kategorie von Islamisten und Konservativen glaubt nicht (oder nicht mehr) an eine Machtergreifung durch Waffen oder Gewalt. Sie wollen sie an den Urnen erreichen, um nicht die Armee zu verschrecken und die einheimischen liberalen Familien und die Länder des Westens. Ihre Vorbilder sind die Regimes im Iran, in Saudi-Arabien oder der Türkei. Es wäre wohl nur die erste Etappe. Einmal an der Macht, gingen sie wahrscheinlich den bekannten Weg der Radikalisierung - um sich zu konsolidieren und wegen des Drucks der Ultrakonservativen und der aktuellen Probleme, vor allem der ökonomischen.
Die andere Lesart der aktuellen Bewegung ist, dass sie nur eine neue Episode darstellt in den Kämpfen der Clans an der Spitze des Staates. In den arabischen Ländern ist die Macht eine illegitime. Jeden Tag muss - je nach Agenda - ein neues Gleichgewicht gefunden werden zwischen den verschiedenen Clans. Meistens ist eine Einigung schnell gefunden, man teilt sich problemlos den Gewinn. Aber manchmal muss lange verhandelt werden, manchmal greift man zu den Waffen, und die effizienteste Waffe ist das Volk. Das haben sie von Mao gelernt, der sich auf die Jugend stützte bei seiner Kulturrevolution und der jene niederschlug, die seine Macht infrage stellten und die das Regime ein wenig reformieren wollten. Der Aufruhr in Algerien vom Oktober 1988 ist dafür ein typisches Beispiel. Präsident Chadli stützte sich auf den legitimen Zorn des Volkes (der allerdings auch durch künstliche Knappheit provoziert wurde, die die Preise in die Höhe trieb), um sich der Einheitspartei und der Geheimdienste zu entledigen, die ihn daran hinderten, so zu regieren, wie er wollte: nämlich die algerische Wirtschaft liberalisieren, ganz nach der damals gültigen Bibel, diktiert vom Internationalen Währungsfonds und den westlichen Staaten, bei denen Algerien tief verschuldet war.
Ich glaube allerdings, dass das größte Problem noch bevorsteht: Es wird der Moment sein, an dem sich die verschiedenen sozialen Strömungen direkt gegenüberstehen: Islamisten, Christen, Nationalisten, Demokraten, Arbeitslose, Gewerkschaften, Armee, Bourgeoisie. Wird es ihnen gelingen, einen Dialog untereinander zu führen und ein gemeinsames Projekt zustande zu bringen? Oder werden sie einen Krieg beginnen, ein jeder, um sein eigenes Projekt durchzusetzen? Das wäre der Weg in den Bürgerkrieg oder, schlimmstenfalls, zur Teilung des Landes. Genau das ist 1988 nach den Aufständen in Algerien und der Einsetzung eines "demokratischen" Regimes passiert. Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich kurz- und mittelfristig gar nichts ändern wird außer einigen Korrekturen an der Fassade. Denn in der ganzen arabischen Welt hat sich bisher noch niemand vom traditionellen Diskurs gelöst und die Autonomie des eigenen Landes und die Vorherrschaft der Demokratie beschworen.
Die Frage des Islam ist der eigentliche Stein des Anstoßes. Doch sie wird nie angegangen, ganz im Gegenteil: Alle - Demokraten wie Laizisten - beziehen sich auf die Religion. Mohammed al-Baradei, der sich als Demokrat internationalen Zuschnitts positioniert, wählte als seine erste Geste das gemeinsame Gebet mit den Islamisten auf offener Straße (er hätte auch mal in eine Kirche zu den Kopten gehen sollen), anstatt vor allem seine oppositionellen ideologischen Positionen zu betonen. Unter den aktuellen Bedingungen auf der Straße zu beten ist kein neutraler oder unverfänglicher Akt, es ist ein politisches Zeichen der schlechtesten Sorte. Es zeigt, dass viele von der Zukunft und der Demokratie sprechen, während sie sich zugleich ausgerechnet auf die Kräfte beziehen, die für das Gestern und die Ablehnung der Demokratie stehen.
Der arabische Nationalismus, der ein großes Hindernis ist auf dem Weg zur Demokratie, wird immer noch als ein Grundwert angesehen. Keiner wagt, ihm den Prozess zu machen und klar zu benennen, was ihn so gefährlich und ausgrenzend macht: Er ist eine rassistische, antidemokratische, antiwestliche, antisemitische und antiisraelische Ideologie. Man stelle sich vor, Europa erhöbe den Anspruch (so wie es einige Parteien der extremen Rechten gerne hätten), dass allein die europäisch-christliche Rasse Trägerin demokratischer Werte sei!
Wenn sich die Ägypter, Algerier, Tunesier endlich als Ägypter, Algerier, Tunesier definieren und nicht auch als Araber oder Muslime - dann wären sie wirklich auf dem Weg zur Demokratie. Dann könnten sie auf eine ganz natürliche Art den anderen akzeptieren, den Christen, den Juden, den Laizisten und den Fremden, der in ihrem Land lebt und heiratet, ohne gezwungen zu sein, zu konvertieren oder seine Identität zu verleugnen.
Es gibt noch den ganzen Rest von Problemen: das Justizwesen, die Verwaltung, die Ökonomie, die man befreien und dem Volk übergeben muss. Aber das sind sekundäre Aspekte. Priorität hat die Klärung der zentralen Fragen: die der Macht, die der Religion und die des arabischen Nationalismus."
Der Autor ist ein algerischer Schriftsteller, der den ersten arabischen Roman über den Holocaust geschrieben hat.
Aus dem Französischen von Rainer Haubrich.
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article12485666/Das-Problem-heisst-Islam.html