Internationale Politik Liebe Griechen

justus39
justus39
Mitglied

Re: Liebe Griechen
geschrieben von justus39
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.07.2015, 11:44:00
Nun, ich gehöre nicht zu denen die alles gedruckte für bare Münze hält. Wie bei dem German Wings Absturz werden wir fast minütlich mit "Neuigkeiten" aus Griechenland bombardiert und deshalb schaltet mein "innerer Sensor" ab.
Bruny


Zwar lese ich noch einiges, was in die Lage Griechenlands so hineinphantasiert wird, wem man die Schuld zuschreibt und wie furchtbar die Zukunft aussehen wird, aber mit eigenen Spekulationen werde ich mich erst einmal zurückhalten.

Jetzt warte ich ab:
A: Wie die Bevölkerung Griechenlands heut abstimmen wird,
B: Was dann die griechische Regierung vorhat
und schließlich
C: Wie Europa darauf reagieren wird.
erst dann macht es Sinn weiter zu spekulieren.

Wünsche Euch allen ein schönes Wochenende
justus
arno
arno
Mitglied

Re: Liebe Griechen
geschrieben von arno
als Antwort auf justus39 vom 05.07.2015, 13:18:51
Moin,

unten ein sehr interssanter Artikel darüber, dass bereits 1998 Gregor Gysi als Sprecher der PDS in einer geradezu unheimlichen Präzision voraussagte, wie der Euro crashen wird.

Was jetzt kommt, kann man hier nachlesen!

Die volkswirtschaftliche Kompetenz unserer an der Regierung
beteiligten Parteien kann man in der Tat in Frage stellen!

Gruß arno
Karl
Karl
Administrator

Re: Liebe Griechen
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 05.07.2015, 13:32:45
Danke arno für diesen Link zur sehr guten Gysi-Rede.

ich habe Gysi schon immer für einen sehr intelligenten Politiker gehalten (was ich nun wirklich von vielen nicht behaupten würde!).

Ich habe die Rede noch einmal nachgelsen. Vor dem heutigen Hintergrund ist die prognostische Kraft schon erstaunlich, vor allem Gysi sagt nicht einfach nur, dass der EURO scheitern kann, er gibt auch die Gründe an, die tatsächlich nun dazu geführt haben, dass der Fortbestand des Euros zumindest wieder ein Diskussionsthema ist. Er hat nicht zur Einigung, sondern zur Spaltung Europas geführt.

Unser Exportüberschuss ist der Importüberschuss der anderen. Die Maximierung des deutschen Exports ist eine sehr unkluge und nicht nachhaltige Strategie.

Karl

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Re: Liebe Griechen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 05.07.2015, 16:59:48
Unser Exportüberschuss ist der Importüberschuss der anderen. Die Maximierung des deutschen Exports ist eine sehr unkluge und nicht nachhaltige Strategie. Karl
geschrieben von karl
Das sehe ich anders. Keiner wird gezwungen, deutsche Waren oder Dienstleistungen zu erwerben. Er könnte sie sich auch selber herstellen. Wenn zB GR die gebürgten 80 Mrd von DE dafür genutzt hätte, sich selbst vergleichbare Mittel herzustellen. Natürlich hat GR dazu zu lange gepennt, als dass diese Mittel an die richtigen Stellen hätten gelangen können. Aber auch das ist nicht die Sache von DE- Export.

Jetzt den DE- ÜberExport dafür heranzuziehen, ist definitiv der falsche Weg. So würde nicht mal die Planwirtschaft funktionieren; und was daraus wurde, ist ja hinlänglich bekannt.

Ich zB möchte nicht mehr auf einem Esel reiten, wenn es andere nicht schaffen, ihre Autos selbst zu produzieren. (Metapher)

Zudem könnte DE gar nicht bürgen, wenn es keine -auch durch Export erzeugte- Eigenmittel (oder entsprechendes Rating) hätte.
Medea
Medea
Mitglied

Re: Oh diese Griechen
geschrieben von Medea
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.07.2015, 17:22:07
Im Olymp streiten und lieben sich Götter,
auf Erden sind die Griechen auch nicht netter,
da wird sich gezankt über "Ja" oder "Nein".
Über "to be or not to be, soll die Frage sein.
Und heute muß es sich entscheiden,
ob die Griechen weiter leiden
und Europa erstmal meiden
ihren eignen Stremel treiben.
Die Spannung steigt, die Hitze auch,
sie schlägt allmählich auf den Bauch.
Drum Schluß mit dieser Schreiberei -
ich koch mir jetzt mein Frühstücksei.

Medea.
pschroed
pschroed
Mitglied

Re: Liebe Griechen
geschrieben von pschroed
als Antwort auf Karl vom 05.07.2015, 16:59:48
Ich bin beileibe kein Fan von populistischen Parteien.
Aber diese Rede ist auch nicht schlecht von Michael Schlecht der Linken.

Phil.


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Re: Oh diese Griechen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 05.07.2015, 17:40:01
Hahaha, Frühstücksei am Abend,
erquickend und labend
Bruny die auch eins haben will
Medea
Medea
Mitglied

Re: Oh diese Griechen
geschrieben von Medea
als Antwort auf Medea vom 05.07.2015, 17:40:01
Liebe Bruny,
wenn alles durcheinander gerät, dann auch die Zeit
für mein Frühstücksei - gg -

gerade ging hier ein Maxi-Gewitter runter mit großen
Hagelkörnern und jetzt scheint bereits wieder die Sonne.
Das Wetter paßt sich der Situation an.

Grüße
Medea.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Oh diese Griechen
geschrieben von olga64
als Antwort auf Medea vom 05.07.2015, 17:40:01
Heute wird sich bestimmt nicht entscheiden, ob ein Teil der Griechen leiden muss und der andere weitere Gelder in andere, sicherere Länder transferiert, um sie vor dieser Regierung in Sicherheit zu bringen - also das verschuldete Land weiter ausbluten lässt.
Einen Vorteil konnten wir ja schon verzeichnen: Herr Professor V. ist zurückgetreten und dürfte damit nicht mehr Chaos verursachen. Bei seiner letzten Äusserung, die Geldgeber in der EU/EZB und dem IWF seien Terroristen malte ich mir aus, wie das wäre, wenn ich z.B. zur Bank ginge, weil ich Geld brauche und dort das Gespräch eröffne, in dem ich die dortigen Mitarbeiter als Kriminelle und Terroristen beschimpfe. Dürfte meine Verhandlungsposition nicht spürbar positiv beeinflussen.
Sollten hier unsere deutschen Politiker zu mehr Zugeständissen gegenüber Griechenland bereit sein, dürfte dies nicht gut ausgehen bei der Abstimmung im Bundestag, der ja auch demokratisch zusammengesetzt ist. Olga
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Liebe Griechen
geschrieben von carlos1
als Antwort auf carlos1 vom 04.07.2015, 23:22:05
Krugman vs Krugman

Ich muss leider mich selbst zitieren

"Krugman hat m. E. jedoch nach der vorliegenden Quelle (s. Link bei Sammy und Karl) nicht verstanden, dass weder EU noch der Euroraum ein staatliches Gebilde sind, dass also die Macht der EU oder der Eurostaaten an den Landesgrenzen endet. Es gibt keine staatliche Zentrale wie etwa den USA oder in der Bundesrepublik, die einen Transfer gestatten, auch wenn er notwendig wäre. Dagegen steht der Stabilitätspakt. Zitat carlos

Die EZB hat infolge dieses Strukturmängel der Eurozone, auf die Krugman verweist, die fehlenden Initiativen der Politik korrigieren müssen. Im Grunde ist sie die bestimmende (undemokratische, da nicht durch Parlamente kontrollierte) Instanz der Eurozone. Eine politische, fiskalische und Sozialunion müsste jeweils die Währungsunion ergänzen." Nur so verdient die europ. Integration diesen Namen. Das ist seit langem bekannt. Nicht erst weil der Schwadroneur Gysi in einer Rede 1998 darauf verwies (im ST als Link zitiert). "Verwirklicht werden kann dies aber nurdurch die souveränen Einzelstaaten." carlos1


Um was geht es? Der US-Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Krugman meint, dass GR in Anbetracht der europ. Politik keine andere Wahl habe als bankrott zu gehen. Die gr. Wirtschaftsleistung sei in den letzten 5 Jahren um 25% gesunken. Gr könne nicht durch Sparen stark werden. In der vorliegenden Situation jedenfalls nicht. Das verstehe ich gut, wenn ich an den Rat von Keynes denke (deficit spending in der Depression!). Allerdings würde dadurch der Schuldenstand steigen und ebenso der Anreiz Anstrengungen zur Schuldenreduzierung zu vermeiden. Eine Restrukturierung der Schulden ist bereits zweimal erfolgt, was von Krugman nicht in Betracht gezogen wird. Tilgungen z. T. erst ab 2020 oder später. K. vergisst dabei, dass es praktisch nicht vorkommt, dass nach dem deficiit spending eine Sparphase im Gefolge der wirtschaftlichen Erholung auftritt. So gerne immer an Keynes erinnert wird und seine Erkenntnisse sogar als "Gesetze" bezeichnet werden (was sie definitv nicht sind), die Wirklichkeit sieht anders aus: Nach großer Schuldenaufnahme in der Sanierungsphase erfolgen immer noch größere in Zeiten der Prosperität. Das Vertrauen der Geldgeber (insbes. des IWF) in die Fähigkeiten Griechenlands zukünftig eine rationale Wirtschaftspolitik zu betreiben ist empfindlich gestört. Kredit hängt übrigens mit dem latein. Wort credere (glauben, vertrauen) zusammen. Kredite werden nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vergeben, wie im Privatleben auch.
Hinweis zu Krugman Vgl, karl vom 29.06.2015 17:44

Das Referendum war für den gr. Reg.chef die Gelegenheit sich seine Politik vom gr. Volk legitimieren zu lassen und dadurch an der Macht zu bleiben. Machtpoltisch war dies unabwendbar notwendig, auch deshalb, weil die Notenbank-Notkredite der EZB Ende letzter Woche gedeckelt (auf 90 MRD €) wurden und weil Tag für Tag Milliardenbeträge von den Bankkonten abgehoben wurden. Erst ab diesem Zeitpunkt (Einführung von Kapitalverkehrskontrollen) wurde großen Teilen der gr. Öffentlichkeit die dramatische Abhängigkeit von der EZB bewusst. Deshalb wurde das Referendum, das inhaltlich keinen Sinn macht, schnell noch nachgeschoben. Es hätte eigentlich früher abgehalten werden können.

Aus einem zweiten Grund stützt Krugman den Kurs von Tsipras dadurch, dass er heftige Kritik am Finanzsystem der EU/Eurozone übt. Die bisherige Praxis, nach der alle Euro-Staaten - ökonomisch starke wie schwache - für ihre Schulden in derselben Währung aufnehmen können, aber autark voneinander für ihre Ausgaben verantwortlich sind, funktioniere über längere Zeit nur, wenn die wirtschaftlich stärkeren Staaten den wirtschaftlich schwächeren unter die Arme greifen - so wie es etwa bei den US-Bundesstaaten oder den deutschen Bundesländern auch der Fall ist. Genau das aber ist durch den Stabilitätspakt (Maastricht-Vertrag) untersagt.

Schuldig ist aber nicht das System, sondern die ökonomische Disziplinlosigkeit der Eurostaaten, insbes. auch Griechenlands. Das übermäßige Schuldenmachen ist kein unabwendbares Schicksal, dem niemand entrinnen kann, sondern ein Rattenrennen menschlicher Gier, was keinesfalls typisch griechisch ist.

Eine Transferunion wäre auf lange Sicht untragbar für uns, weil allein die innerdeutschen Transfers von West nach Ost (u. a. Länderfinanzasugleich etc) in Höhe von 200 MRD € jährlich bereits eine hohe Belastung darstellen. Die Politik der offenen Hand gibt es nicht nur in GR, sondern auch in Dtld und anderen Teilen Europas. Allerdings mit z. T. relativ gutem Erfolg.

Das Problem der Staatsfinanzeirung wird in der Diskussion im ST völlig ausgeblendet. Der Staat hat einfach zu leisten. Vor allem die Reichen sollen zahlen. Eine ungleiche Vermögensverteilung wird von Krugman zurecht scharf kritisiert. Schlimm ist es nur, wen nsie ihr Geld ins Ausland verschieben. Sie müssten so belastet werden, dass sie ihre Steuern tragen können und eher im eigenen Land investieren. Das in der Schweiz gebunkerte Geld der gr. Großanleger könnte 3 MRD € an Steuern einbringen, wenn sich ein gr. Finanzmister darum bemühen würde (so gerade eine Information im Brennpunkt (ZdF). Varoufakis kümmerte sicn nicht darum.

Wie finanzieren sich moderne Staaten? Sie benötigen für ihre immer umfangreicheren Aufgaben zur Herstellung von Kollektivgütern immer mehr Mittel (Verkehrsinfrastruktur, Bildungssystem, Sicherheit, medizin. Versorgung, soziale Absicherung). Das Geld dazu beschaffen sic sich auf zwei Wegen: Über eine effiziente Finanz- und Steuerverwaltung und indem sie sich von ihren Bürgern Geld leihen (Staatsanleihen). Schuldenaufnahme ist nicht an sich schlecht. Es gibt Schulden für Investitionen in Krisenzeiten, die sogar notwendig und ökonomisch gesund, also sinnvoll sind, weil sie langfristig Nutzen erbringen.

GR hat einen übermäßig aufgeblähten Beamtenapparat, der aber völlig ineffizient arbeitet. GR kann Milliarden von Hilfsgeldern nicht abrufen, weil es sinnvolle Investitionen nicht organisieren kann. Eine Voraussetzung für den geforderten "Marshallplan" für GR. Die Forderungen amerikanischer Ökonomen und Nobelpreisträger (der Kollegen des Varoufakis!) in dieser Situation alles zu verstaatlichen ist in der Theorie richtig. Praktisch ist sie undurchführbar, weil personaltechnisch nicht zu managen: Die Wirtschaft würde in die Hände einer Mafia landen.

Krugman hat in seinem guten Buch über die außenwirtschaftlichen Beziehungen gegen Ende des Werks etwas sehr Vernünftiges über notwendige und gute Institutionen gesagt: Daran sollte er sich erinnern:


"Jüngste Forschungen über die bestimmenden Faktoren des Wirtschaftswachstums in Entwicklungsländern konzentrieren sich auf geografische Aspekte wie verbreitete Krankheiten, auf institutionelle Merkmale wie den staatlichen Schutz des Privateigentums und auf die Ausstattung mit Humankapital. Der Kapitalfluss aus reichen in arme Länder hängt auch von diesen Faktoren ab. Die Wirtschaftswissenschaft ist sich zwar darüber einig, dass jeder dieser Faktoren von Bedeutung ist, doch es bleibt unklar, wo die politischen Schwerpunkte gelegt werden sollen, um armen Ländern aus ihrer Armut herauszuhelfen.
Beispielsweise könnten institutionelle Reformen ein angemessener erster Schritt sein, wenn die Bildung von Humankapital vom Schutz des Privateigentums und von der persönlichen Sicherheit abhängt. Andererseits ist es kaum sinnvoll, einen institutionellen Rahmen für die Leitung des Staates zu schaffen, wenn nicht ausreichend Humankapital vorhanden ist, um effiziente Arbeit der staatlichen Behörden zu gewährleisten. In letzterem Fall sollte das Bildungssystem Vorrang haben. Die statistischen Hürden, die eindeutige Antworten erschweren, sind gewaltig: daher sind ausgewogene Bemühungen an allen Fronten angebracht." s. Linktipp: http://www.welt.de/wirtschaft/article143472958/US-Oekonomen-sollten-sich-Deutschen-Bashing-sparen.html


Hier liegt Krugman richtig und hat verstanden, worauf es ankommt.
Das Problem des Landes: Wer will diesem Staat noch Geld leihen? Die ELA-Kredite sind der letzte Rettungsanker. Sie sollen verlängert werden. Das eigentliche Problem sind aber die Strukturprobleme des Staates. Tsipras hat hier bei Reformen versagt. Erst jetzt geht er vielleicht das Problem an.

Linktipp: http://www.welt.de/wirtschaft/article143472958/US-Oekonomen-sollten-sich-Deutschen-Bashing-sparen.html

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